In ihrer heutigen Form ist die deutsche Sozialversicherung den derzeitigen Herausforderungen wie Arbeitslosigkeit, Globalisierung oder der Alterung der Gesellschaft kaum noch
länger gewachsen. Ein besonders umfangreiches „Problemfeld“ stellt hierbei das Gesundheitssystem dar.
Laut einer Formulierung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahre 1948 hat Gesundheit prinzipiell den Rang eines Grundrechts. So heißt es, dass es ein fundamentales Recht eines jeden Menschen sei, Gesundheit auf höchstem erreichbarem Niveau zu genießen, unabhängig von Rasse, politischer und religiöser Überzeugung sowie ökonomischer und sozialer Stellung.
Lässt sich der Anspruch auf bestmögliche Gesundheit für den Einzelnen mit den bestehenden Strukturen auf lange Sicht auch weiterhin realisieren? In folgendem Text soll festgestellt werden, inwiefern sich die Versorgungsbedürfnisse in den letzten Jahrzehnten verändert haben und wo demnach die Ursachen für die Krise des deutschen
Gesundheitssystems zu finden sind.
Uber veranderte Versorgungsbediirfnisse und Kostenentwicklung im Gesundheitswesen der BRD
Einfiihrend ist zunächst einmal folgende Tatsache festzuhalten: „die Bismark'sche Sozialversicherung hat [ ...] in ihren Grundstrukturen weitgehend unverändert Kaiserreich, Weimarer Republik und Nazidiktatur iiberlebt und ein beträchtliches Wachstum ihrer Leistungen und Mitglieder bewältigt" (Badura/Iseringhausen 2005, S . 9) . In ihrer heutigen Form ist die Sozialversicherung in Deutschland den derzeitigen Herausforderungen wie Arbeitslosigkeit, Globalisierung oder der Alterung der Gesellschaft jedoch kaum noch länger gewachsen und wird daher langfristig umfangreiche Umstrukturierungen benötigen. Ein besonders umfangreiches „Problemfeld" stellt hierbei das deutsche Gesundheitssystem dar . Laut einer Formulierung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahre 1948 hat Gesundheit prinzipiell den Rang eines Grundrechts . So heiBt es, dass es ein fundamentales Recht eines jeden Menschen sei, Gesundheit auf höchstem erreichbarem Niveau zu genieBen, unabhängig von Rasse, politischer und religiöser Uberzeugung sowie ökonomischer und sozialer Stellung (vgl . Boeckh/Huster/Benz 2006, S . 275).
Momentan scheint dieses Recht zumindest in Deutschland noch weitestgehend gewährleistet zu sein — entsprechende Leistungsanspriiche sind unter anderem in § 27 SGB V definiert . Man könnte sich nun die Frage stellen, was wohl passieren wiirde, falls dies einmal nicht mehr möglich wäre; die aktuellere Frage ist aber die, was geschehen muss, damit sich der Anspruch auf bestmögliche Gesundheit fiir den Einzelnen auch weiterhin in der BRD realisieren lässt.
Bevor man hier allerdings iiber sinnvolle Lösungsstrategien nachdenken kann, gilt es zunächst festzustellen, inwiefern sich die Versorgungsbediirfnisse in den letzten Jahrzehnten verändert haben und wo demnach die Ursachen fiir die Krise des deutschen Gesundheitssystems zu finden sind.
Uber die veränderten Versorgungsbediirfnisse im Bereich des Gesundheitswesens und die bedeutendsten Krisenursachen soll im Folgenden ein Uberblick gegeben werden . Betrachtet werden dabei wesentliche Veränderungen im Krankheitsbild der Gesellschaft mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen fir die Kosten im Gesundheitswesen, der demografische Wandel und seine Bedeutung fir das deutsche Gesundheitssystem sowie weitere Gründe fir die Krise in der Versorgungsorganisation und die Kostenexplosion im Bereich Gesundheit und Pflege.
Änderungen der Versorgungsbedfirfnisse
Das Spektrum der gesundheitlichen Risiken und Erkrankungen hat sich in den letzten Jahrzehnten von uberwiegend infektiösen Erkrankungen hin zu mehr chronischen Leiden verlagert . Heute herrschen in der BRD die so genannten „Zivilisationskrankheiten" vor, deren Behandlung oft langwierig und kostspielig ist (vgl . Boeckh/Huster/Benz 2006, S . 296).
In der historischen Betrachtung wird deutlich, wie sich die Krankheitsrisiken in unserer Gesellschaft mit fortschreitender technischer und kultureller Entwicklung verschoben haben . Im Zuge des zivilisatorischen Fortschritts „hat sich in den letzten hundert Jahren das Krankheitspanorama, das die Häufigkeit einzelner Krankheiten und deren Bedeutung fir die Sterblichkeit beschreibt, signifikant verandert" (Boeckh/Huster/Benz 2006, S . 277) . Im 19 . Jahrhundert waren noch hauptsächlich Infektionskrankheiten (z .B . Tuberkulose, Diphtherie und Meningitis) und Seuchen (wie Pocken oder Cholera) Ursache fir den Tod zahlreicher Menschen . Auch Mangelernährung sowie körperliche Uberlastung trugen dazu bei, dass die mittlere Lebenserwartung zu dieser Zeit nur etwas fiber 40 Jahre betrug (vgl . Meyer 1999, S . 20) . Durch verbesserte hygienische Bedingungen, Reihenimpfungen und die Entdeckung von Penicillin wurden diese Krankheiten dann zunehmend besser beherrschbar . AuBerdem anderte sich die allgemeine gesellschaftliche Auffassung von Krankheit und Gesundheit gegen Ende des 19 . Jahrhunderts mit wachsender Arztedichte und medizinischem Fortschritt: „wurden GesundheitseinbuBen in vorangegangenen Zeiten als gegeben hingenommen, wuchs nunmehr das Bestreben, sie auf irgendeine Weise medizinisch zu kompensieren" (Meyer 1999, S . 22).
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- Quote paper
- Stefan Petzold (Author), 2007, Über veränderte Versorgungsbedürfnisse und Kostenentwicklung im Gesundheitswesen der BRD, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/135745