Diese Arbeit untersucht zunächst die Gattung ‘Briefroman‘ und ihre charismatischen Merkmale, um dann in einem zweiten Schritt die Strukturen in "Die Leiden des jungen Werther" mit diesen Merkmalen abzugleichen. Hierbei erscheint es besonders wichtig auf die Monologizität des Werther, seine tagebuchähnliche Form, die suggerierte Authentizität und die Rolle des Lesers einzugehen.
Als Quellen dienen ältere sowohl als auch neuere Untersuchungen der Gattung ‘Briefroman‘ und speziell Goethes "Die Leiden des jungen Werther" in dieser Hinsicht, wobei teilweise äußerst konträre Meinungen, was unter anderem die Gattungsfrage betrifft, vorliegen. Ein kritischer Umgang mit der Sekundärliteratur hilft zu zeigen, dass Goethes "Die Leiden des jungen Werther" zwar in der Tradition vorheriger Briefromane steht, jedoch aber auch die Gattung innovativ mit von den Prototypen abweichenden gestalterischen Strukturen erweitert und bereichert.
„Was ich von der Geschichte des armen Werther nur habe auffinden können, habe ich mit Fleiß gesammelt und lege es euch hier vor, und weiß, dass ihr mir’s danken werdet. Dies ist der Beginn des Vorworts zu Johann Wolfgang Goethes weltweit bekannten Briefromans "Die Leiden des jungen Werther", welcher 1774 erstmalig publiziert wurde und 1787 als überarbeitete Fassung erneut veröffentlicht wurde. Dieser Satz verweist zugleich auf den Kernpunkt eines jeden Briefromans, nämlich die verschleierte Fiktionalität, welche durch bewusst vorgetäuschte und künstlich hergestellte Authentizität erreicht werden soll. Der Brief galt im 18. Jahrhundert als Form der höchsten persönlichen Gefühlsvermittlung, was im Briefroman nochmals gesteigert wurde und eine nicht zu unterschätzende Identifikation der Leser nach sich zog.
"Die Leiden des jungen Werther" steht in der Tradition vieler vorausgehender prototypischer Briefromane des 18. Jahrhunderts, darunter Samuel Richardsons Pamela (1740) und Clarissa (1748) sowie Jean-Jaques Rousseaus Nouvelle Héloïse (1761) und Sophie von La Roches Fräulein von Sternheim (1771). Trotz Parallelen wie die Präsenz eines fiktionalen Herausgebers kann man Goethes Roman aufgrund einiger Innovationen und Abweichungen, wie zum Beispiel seine relative Kürze und die geringe Länge der Einzelbriefe, im Kontext von Sturm und Drang eher als ‘atypischen Briefroman‘ bezeichnen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der traditionelle Briefroman
- Charakteristika
- Parallelen zu dramatischen Stücken
- Die Rolle des Lesers
- Goethes Die Leiden des jungen Werther als innovativer Briefroman
- Monologische Form und subjektive Gefühlsvermittlung
- Abgrenzung Briefroman - Tagebuch
- Suggerierte Authentizität im Werther
- Der multifunktionale Leser
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Strukturen und Merkmale des Briefromans am Beispiel von Johann Wolfgang Goethes Die Leiden des jungen Werther. Der Fokus liegt auf den innovativen Gestaltungsmerkmalen des Romans und der Abgrenzung zu klassischen Briefromanen des 18. Jahrhunderts.
- Entwicklung des Briefromans im 18. Jahrhundert
- Charakteristika des traditionellen Briefromans
- Goethes Die Leiden des jungen Werther als Innovation des Briefromans
- Die Rolle des Lesers im Briefroman
- Bedeutung von Authentizität und Fiktionalität im Briefroman
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt den Briefroman Die Leiden des jungen Werther von Johann Wolfgang Goethe vor und beleuchtet dessen Relevanz im Kontext des 18. Jahrhunderts. Sie skizziert die zentrale Thematik des Romans, die Bedeutung der Authentizität und die Rolle des Lesers.
Der traditionelle Briefroman
Charakteristika
Dieses Kapitel erörtert die allgemeinen Charakteristika des traditionellen Briefromans. Anhand von Beispielen wie Samuel Richardsons Pamela und Clarissa, Jean-Jaques Rousseaus Nouvelle Héloïse und Sophie von La Roches Fräulein von Sternheim wird die Gattung des Briefromans definiert. Die Kapitel beleuchtet die typischen Merkmale wie die Ich-Perspektive, die subjektive Gefühlsvermittlung, die Verleugnung der auktorialen Erzählposition und die Rolle des fiktiven Herausgebers.
Parallelen zu dramatischen Stücken
Dieser Abschnitt untersucht die Parallelen des Briefromans zu dramatischen Stücken. Er analysiert, wie die Unmittelbarkeit der Handlung, die Ich-Perspektive und die Tempuswahl des Präsens dem Briefroman eine Affinität zu dramatischen Strukturen verleihen.
Die Rolle des Lesers
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Rolle des Lesers im traditionellen Briefroman. Es beleuchtet die Möglichkeiten der Identifikation mit den Figuren und die Rezeption des Romans als authentisches Dokument.
Goethes Die Leiden des jungen Werther als innovativer Briefroman
Monologische Form und subjektive Gefühlsvermittlung
Dieses Kapitel analysiert die monologische Form des Romans Die Leiden des jungen Werther und die Art und Weise, wie Goethe die subjektiven Gefühle des Protagonisten vermittelt. Der Fokus liegt auf der Intensität und Emotionalität der Briefe und der daraus resultierenden Nähe zum Leser.
Abgrenzung Briefroman - Tagebuch
Dieser Abschnitt erörtert die Abgrenzung des Briefromans von Tagebuchaufzeichnungen. Er untersucht, wie sich Goethes Roman von klassischen Briefromanen abhebt, indem er die Elemente des Tagebuchs einbezieht.
Suggerierte Authentizität im Werther
Dieser Abschnitt beleuchtet die Frage der Authentizität im Roman. Er untersucht, wie Goethe die Fiktionalität des Romans durch die Verwendung von Briefen und die suggestive Authentizität verschleiert.
Der multifunktionale Leser
Dieses Kapitel analysiert die komplexe Rolle des Lesers im Roman. Es untersucht, wie der Leser nicht nur Zeuge, sondern auch Teil der Handlung wird und welche Möglichkeiten der Identifikation und Interpretation sich ihm bieten.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Themen des Briefromans, den innovativen Gestaltungselementen von Goethes Die Leiden des jungen Werther und der Rolle des Lesers. Zu den zentralen Schlüsselbegriffen zählen: Briefroman, Authentizität, Fiktionalität, Monologizität, Dialogizität, subjektive Gefühlsvermittlung, Leserrolle, Identifikation und Innovation.
- Quote paper
- Anonym (Author), 2010, Briefroman und Innovation. Goethes "Die Leiden des jungen Werther". Ein typischer Briefroman?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1360152