„Die Sonate vom guten Menschen“. Darstellung der Stasi im Film "Das Leben der Anderen"


Term Paper, 2009

25 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Leben der Anderen – eine kurze Inhaltsangabe

3. Die Filmische Darstellung der Stasi
3.1 Minister Bruno Hempf
3.2 Oberstleutnant Anton Grubitz .
3.3 Hauptmann Gerd Wiesler

4. Historischer Hintergrund, Geschichtsbild und öffentliche Wahrnehmung

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang

1. Einleitung

„Mit dem MfS entstand ein spezielles Organ der Diktatur des Proletariats, das in der Lage ist und über alle Mittel verfügt, unter der Führung der SED gemeinsam mit den anderen staatlichen Organen und bewaffneten Kräften und in enger Verbundenheit mit den Werktätigen die Arbeiter-und-Bauern-Macht und die revolutionäre Entwicklung zuverlässig gegen jede konterrevolutionäre Tätigkeit äußerer und innerer Feinde der DDR zu schützen sowie die innere Sicherheit und Ordnung allseitig zu gewährleisten“.1

Diese programmatische Beschreibung des Ministeriums für Staatssicherheit2 durch dessen langjährigen Leiter, Erich Mielke, ist ein interessantes Zeugnis dafür, dass es in der ehemaligen DDR nur unter größten Gefahren möglich war, ein unbeschwertes Leben zu führen, in dem man frei von Zwängen seine Meinung äußern und dabei einen vielleicht kritischen Blick auf die Partei und das Land werfen konnte. Ganz besonders deutlich wird dieser Punkt wenn man sich fragt, inwiefern es für Mitarbeiter der Stasi möglich war neben der ideologischen Doktrin eine eigene Meinung zum System zu vertreten, die vielleicht nicht politisch oder ideologisch gefärbt war. Der deutsche Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck nahm sich dieser Thematik an und drehte mit ‚Das Leben der Anderen’ einen Film, der genau ein solches Schicksal zu beleuchten versucht. Seine Hauptfigur, Hauptmann Wiesler, begegnet dem Zuschauer zu Beginn des Films als starres, von der Ideologie der Staatssicherheit durchdrungenes Instrument, welches im weiteren Verlauf des Films einen Wandel durchmacht. Alle gängigen Stereotypen der Stasi als perfides und verbrecherisch wirkendes Ministerium innerhalb der DDR3 finden Einklang in der Darstellung des Hauptmanns, der im Film einen Auftrag seines Vorgesetzten bekommt und einen potentiellen „konterrevolutionären“ Autor überwachen soll. Diese Tätigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch den Film und man bemerkt als Zuschauer eine Entwicklung Wieslers vom linientreuen Stasi-Hauptmann hin zum nachdenklichen, emotionalen Menschen. „Das Leben der Anderen“, mit unzähligen internationalen Preisen ausgezeichnet, darunter u.a. der Oscar für den besten ausländischen Film sowie mehrere Bayerische Filmpreise, soll als Untersuchungsgegenstand für die Frage nach dem Leben im System fungieren. Welches Bild zeichnet der Regisseur von der Stasi, welche Stereotypen greift er auf und wie setzt er diese im Film um? Inwiefern benutzt er filmästhetische Mittel wie Kameraeinstellungen, Licht oder Kostüme um zu betonen, zu entkräften oder den Zuschauer vielleicht zu beeinflussen?

Ich möchte mich daher im Folgenden auf die filmische Umsetzung der Stasi konzentrieren und dies auch am Wandel der Hauptfigur festmachen. Dass es in den letzten Jahren ein großes Interesse an der Aufarbeitung der DDR und seiner Geschichte gegeben hat, beweisen vermehrte wissenschaftliche Studien und auch die breite Öffentlichkeit erfährt anhand von Filmen wie z.B. ‚Sonnenallee’, ‚NVA’ oder ‚Das Leben der Anderen’ eine Fokussierung auf diese Thematik. Daher soll in dieser Hausarbeit aufgezeigt werden, wie und mit welchen Mitteln die Stasi im Film dargestellt wurde, inwiefern ein innerer Wandel in diesem System möglich war und letztlich – ob es sich bei „Das Leben der Anderen“ nur um eine Ode an die Pflicht und die Verantwortung handelt oder der Film vielleicht doch eine Sonate vom guten Menschen darstellt.

2. Das Leben der Anderen – eine kurze Inhaltsangabe

Gerd Wiesler, ein linientreuer Hauptmann der Staatssicherheit erhält von seinem Vorgesetzten Anton Grubitz den Auftrag, den erfolgreichen Dramatiker und Autor Georg Dreymann zu überwachen und Beweise für angeblich regimefeindliche Aktivität zu sammeln. Dieser Auftrag wird von Minister Bruno Hempf überwacht, der in Dreymann nur einen Konkurrenten sieht, da er selbst um Dreymanns Freundin, die bekannte Schauspielerin Christa-Maria Sieland buhlt. Wiesler observiert das Paar und nimmt somit einen entscheidenden Anteil am Leben der beiden. Im Verlauf der Observation entwickelt sich eine Sympathie für dieses „Leben der anderen“ un]d er beginnt, wichtige Erkenntnisse und Beweise zu unterschlagen. Nachdem Sieland unter Druck eine Affäre mit Hempf beginnt, lässt Wiesler den Autor Dreymann Zeuge dieser Verbindung werden und das darauf folgende Leben des Künsterpaares verändert sich nun spürbar. Als sich Albert Jerska, ein befreundeter Theaterregisseur mit Berufsverbot das Leben nimmt, beginnt Dreymann für das westdeutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ einen Artikel über die hohe Suizidrate in der DDR zu schreiben, den er auf einer ihm von einem West-Redakteur bereitgestellten Schreibmaschine verfasst. Als der Artikel erscheint, ruft er unter den Machthabern enorme Unruhe hervor, jedoch kann man Dreymann nichts nachweisen, da Wiesler schon lange Abhörprotokolle fälscht. Da sich Christa-Maria nicht mehr mit Hempf treffen will, erpresst er sie mit ihrem Medikamentenmissbrauch und lässt sie durch den Hauptmann verhören. Unter Druck offenbart sie den Ort der Schreibmaschine und fährt, nun freigelassen, zu Dreymann. Wiesler lässt die Schreibmaschine währenddessen verschwinden und somit ist Dreymann bei der darauf folgenden Durchsuchung unschuldig. Sieland stürzt sich aus Verzweiflung vor einen LKW und stirbt. Die Observation wird abgebrochen und Wiesler strafversetzt. Nach Jahren beginnt Dreymann seine Geschichte zu recherchieren und veröffentlicht die Erkenntnisse im Buch „Die Sonate vom guten Menschen“, welches sich auch der mittlerweile als Briefträger tätige Wiesler kauft und sich selbst wiedererkennt.

3. Die filmische Darstellung der Stasi

3.1. Minister Bruno Hempf

Bruno Hempf (gespielt von Thomas Thieme) taucht in mehreren Szenen des Films auf, die allesamt einen Schlüsselcharakter besitzen. Zum Einen in den ersten Szenen des Films, als er im Theater seinem Abteilungsleiter Oberstleutnant Anton Grubitz den Auftrag erteilt, etwas über den Autor Georg Dreymann herauszufinden und so die Geschichte ihren eigentlichen Lauf nimmt. Im weiteren Geschehen taucht er immer wieder als der skrupellose Minister in seiner Dienstlimousine auf, als er Christa-Maria Sieland zu den Treffen abholt und vor der Wohnung wieder absetzt. Und zu guter letzt, als sich Dreymann und Hempf nach der Wende bei der Premiere eines Stückes wiedersehen und er dem Autor erzählt, dass er abgehört und observiert wurde, woraufhin Dreymann zu recherchieren beginnt und diese Zeit in seinem Roman verarbeitet. Hempf, der vor seiner Stellung als Kulturminister im Zentralkomitee ebenfalls beim MfS tätig war, wird im gesamten Film mittels Sprache, Einstellungsgrößen und Kameraperspektiven als ein skru-pelloser und machtbewusster Mensch dargestellt, dem seine eigenen Interessen über alles gehen. Er weiß alles und er kennt die Mittel und Möglichkeiten, seine Ziele zu erreichen. Auch wenn er dabei Menschen wie Marionetten aussehen lässt und damit das Instrumentarium der Erpressung bedient, so ist er sich keiner Schuld bewusst und steht auch weit nach der Wende immer noch zu seiner „kleinen Republik, welche von dieser BRD wieder eingegliedert wurde“4 Besessen von seiner Liebe, sofern man davon sprechen kann, zu Sieland ist ihm jedes Mittel recht seinen Gegner zu kompromittieren und auch Sieland selbst stellt er wegen ihres Medikamentenkonsums bloß und lässt sie durch Grubitz im Verhör erpressen.

Bruno Hempf wird im Film durchweg als Minister mit ihm eigenen Attributen wie Limousine nebst Chauffeur, persönlichem Assistent und großer Machtfülle gezeigt. Das Perfide an seiner Person ist der Missbrauch und die Skrupellosigkeit, die er mit seinem Amt vereinigt. Er wird filmästhetisch mit verschiedenen Mitteln portraitiert, die man im Film sehr gut herausarbeiten kann. Wenn z.B. Hickethier von der Eigenschaft der Lichtgestaltung als entscheidende Rolle schreibt, weil die Beleuchtung unterschiedliche Stimmungen erzeugt und diese als Eigenschaften einer Situation oder auch eines Charakters verstanden werden5, so kommt diesem Aspekt in „Das Leben der Anderen“ eine besondere Rolle zu. Szenen, in denen Hempf erscheint, erhalten durch die Ausleuchtung eine ganz eigene Stimmung. Exemplarisch sei hier die Szene in der Limousine genannt, in der er Christa-Maria Sieland begehrt und mit ihr intim wird. Seine Person bleibt wie im ganzen Film mysteriös und geheimnisvoll, belegt durch die nur leichte Ausleuchtung im Fahrzeug.6 Ganz im Gegensatz dazu Christa-Maria, welche viel deutlicher und damit wahrnehmbarer ausgeleuchtet wird. Ein anderes Beispiel ist die Sachstandsmitteilung durch Grubitz im Auto des Ministers. Wieder wird er als geheimnisvoll und damit fast unnahbar dargestellt, diesmal aber durch verschlossene Gardinen und getönte Fensterscheiben, die seiner Autorität als Kulturminister und damit als „hoher Bonze“7 gerecht werden. Bei Blick auf die Kameraperspektive fällt auf, dass der Minister immer aus leicht niederer Sicht gefilmt wird. Diese Untersicht oder auch Froschperspektive lässt ihn als bedeutend und mächtig erscheinen.8 Im Wechselspiel zwischen Grubitz und Hempf wechseln ebenfalls die Einstellungsgrößen, je nachdem welche Figur zu sehen ist. Hempf wird grundsätzlich in Großaufnahme gezeigt, Grubitz jedoch nur in der Naheinstellung, das heißt vom Kopf bis zur Mitte des Oberkörpers. Dies zeigt deutlich welcher von beiden an der Macht steht und auf den anderen blickt, und damit einhergehend die Befehlsgewalt inne hat.

Bruno Hempf ist die bestimmende Figur in der gesamten Observation. Er lenkt, dirigiert, weist an und entscheidet. Dies macht ihn unbewusst zum unerbittlichen Regisseur des ganzen Dramas. Würde er nicht seinen Chauffeur und Mitarbeiter beauftragen, Christa-Maria Sieland auszuspionieren, wenn sie nicht in der gemeinsamen Wohnung ist, hätte er auch keine Handhabe bezüglich ihrer Tablettensucht und damit ein geeignetes Mittel sie zu erpressen, um so ihrer habhaft zu werden. Insgeheim zeichnet der Film hier ein Portrait eines Menschen, das so sehr mit negativen Eigenschaften wie Skrupellosigkeit, Kaltblütigkeit und Egoismus geprägt ist, dass es sich hierbei um das Paradebeispiel für einen Funktionär erster Klasse handelt. Denn Hempf wird stets als das unnahbare und machtbewusste Wesen dargestellt, das er ist. So scheut er beispielsweise auch nicht davor zurück bei der Premierenfeier von Dreymanns Stück zu Beginn des Films, während des Tanzes von Dreymann und Sieland einfach auf die Bühne zu stolpern und die Musik zu beenden, die daraufhin abrupt endet. Ihm ist es egal, dass er damit die ausgelassene, fast ungezwungene Premierenstimmung zerstört und den Geist der Partei einbringt, indem er vor allen Gästen ungezwungen der Schauspielerin huldigt, sie als „schönste Perle der Deutschen Demokratischen Republik“ bezeichnet.9 Er behandelt die Menschen in seiner Umgebung so wie er meint, dass sie es verdienen, egal ob er einen Autor in den Suizid treibt oder sich eine Schauspielerin mittels Erpressung hörig zu machen versucht.

3.2. Oberstleutnant Anton Grubitz

Oberstleutnant Anton Grubitz (gespielt von Ulrich Tukur) ist der Vorgesetzte der Hauptfigur Gerd Wiesler. Er leitet die Abteilung XX/7, die für den Staatsapparat, die Kultur und den Untergrund zuständig ist.10 Grubitz ist eine interessante Figur und ein gutes Beispiel dafür, dass das System der DDR ohne zynische und aufstiegsorientierte Karrieristen nicht funktionieren würde. Er kennt Wiesler noch von Zeiten des Studiums, da beide zusammen studiert haben, woraus sich aber schließen lässt, dass es Grubitz schneller auf seinen Dienstposten als Oberstleutnant geschafft hat. Zwei Dienstgradstufen unterscheiden ihn zu Wiesler und trotz seiner Dienststellung als Vorgesetzter duzt er ihn und offenbart ihm immer die Möglichkeiten eines Aufstiegs innerhalb der Hierarchie des MfS. Grubitz schätzt Wieslers Fähigkeiten im Verhör und in der Observation und setzt ihn daher auch als Leiter des OV11 „Laszlo“ ein, der das Ermittlungsverfahren gegen Dreymann beinhaltet. Die Figur Grubitz wird stets korrekt und linientreu dargestellt, so z.B. die Szene in der Kantine des Ministeriums, als ein junger Unterleutnant einen verhöhnenden Witz über Erich Honecker erzählt und Grubitz ihn auffordert, ihn zu Ende zu erzählen12. Nachdem alle Beteiligten (bis auf Wiesler) gelacht haben, wird Grubitz schlagartig ernst und fordert die Personalia des Unterleutnants. Dieses Verhalten lässt sehr viele Schlüsse zu, denn er sieht sich selbst als jemanden, der durchaus Spaß versteht, wenn es aber um das System und die Partei geht, erwacht in ihm sprichwörtlich die andere Seite und es tritt der Karrierist Grubitz hervor.

Er ist intelligent, aber gewissenlos. Dies zeigt sich in seinem Büro, als Wiesler zum Zwischenbericht erscheint. Er präsentiert ihm eine Doktorarbeit eines Mitarbeiters, die er mit „2“ bewertet, obwohl er die Arbeit selbst als großartig bezeichnet, nur um zu demonstrieren, dass die Promotion bei ihm nicht leicht sei.13

[...]


1 Gieseke, Jens: Die DDR-Staatssicherheit. Schild und Schwert der Partei. Berlin 2000. S.6.

2 Aus Gründen der Lesefreundlichkeit wird im Folgenden das Kürzel MfS verwendet.

3 Dümmel, Karsten/ Schmidt, Christian (Hg.): Was war die Stasi – Einblicke in das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) (Zukunftsforum Politik, Nr.43), Sankt Augustin 2002, S.7.

4 Anlage 1.

5 Hickethier, Knut: Film- und Fernsehanalyse. Weimar 20013, S. 79.

6 Anlage 2.

7 Henckel von Donnersmarck, Florian: Das Leben der Anderen. Filmbuch.Suhrkamp Taschenbuch 3786, Frankfurt 2006, S.23.

8 Mikos, Lothar: Film- und Fernsehanalyse, Konstanz 2003, S.187.

9 Henckel von Donnersmarck 2006, S.33.

10 Gieseke 2000, S. 55.

11 OV: Operativer Vorgang. Die aufwändigste und umfassendste Form der Bespitzelung von Personen. Aus Gründen der Lesefreundlichkeit wird im weiteren Verlauf die Abkürzung OV verwendet.

12 Anlage 3.

13 Henckel von Donnersmarck 2006, S.106.

Excerpt out of 25 pages

Details

Title
„Die Sonate vom guten Menschen“. Darstellung der Stasi im Film "Das Leben der Anderen"
College
Carl von Ossietzky University of Oldenburg  (Institut für Geschichte)
Course
Geschichtskultur
Grade
1,7
Author
Year
2009
Pages
25
Catalog Number
V136292
ISBN (eBook)
9783640435548
ISBN (Book)
9783640435647
File size
7000 KB
Language
German
Keywords
Stasi, Ulrich Mühe, DDR, Staatssicherheit, MfS, Ministerium für Staatssicherheit, Deutsche Demokratische Republik, Erich Mielke, Erich Honnecker, System, Die Sonate vom guten Menschen, Künstlerpaar, Georg Dreymann, Christa Maria Sieland, Bruno Hempf, Florian Henkel von Donnersmarck, Oscar, Oskar, Hollywood, Berlin
Quote paper
Roman Behrens (Author), 2009, „Die Sonate vom guten Menschen“. Darstellung der Stasi im Film "Das Leben der Anderen", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136292

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