Betriebliches Gesundheitsmanagement in Großunternehmen im Fokus einer alternden Gesellschaft

Betriebliche Gesundheitsförderung steigert die unternehmerische Wertschöpfung - Untersuchung allgemein und speziell am Beispiel der Deutschen Bahn AG


Seminar Paper, 2009

35 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Problemstellung

2. Demografischer Wandel in Deutschland – Probleme & Chancen

3. Betriebliches Gesundheitsmanagement
3.1 Definitionen und gesetzliche Rahmenbedingungen
3.2 Der strategische Gesundheitsmanagementansatz der Salutogenese

4. Maßnahmen der Gesundheitsförderung
4.1 Maßnahmen auf der Organisationsebene
4.1.1 Denkstrukturen
4.1.2 Gesundheitszirkel
4.2 Maßnahmen auf der Arbeitsebene
4.2.1 Gestaltung des Arbeitsplatzes
4.2.2 Gestaltung der Arbeitsorganisation
4.3 Maßnahmen auf der personellen Ebene
4.3.1 Bewegung
4.3.2 Ernährung
4.3.3 Mentale und emotionale Gesundheit

5. Ökonomischer und gesundheitlicher Nutzen betrieblicher Gesundheitsförderung
5.1 Nutzenaspekte betrieblicher Gesundheitsförderung
5.2 Einsparpotentiale durch betriebliche Gesundheitsförderung
5.3 Indikatoren für die Wirksamkeit und zur Kosten-Nutzen-Analyse betrieblicher Gesundheitsförderung

6. Die Deutsche Bahn AG – Vorstellung des Unternehmens
6.1 Daten und Fakten
6.2 Der Interviewpartner und seine Tätigkeit

7. Betriebliches Gesundheitsmanagement bei der Deutschen Bahn AG
7.1 Historische und aktuelle Beweggründe für und Entwicklungen von BGF
7.2 Umsetzung von BGF anhand ausgewählter Maßnahmen
7.3 Kosten-Nutzen-Analyse: Überprüfung der Indikatoren
7.3.1 Nutzenaspekte
7.3.2 Einsparpotentiale

8. Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Anhang

1. Problemstellung

Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) gewinnt derzeit immer mehr an Bedeutung. Wurde früher der Beruf hauptsächlich zur Generierung von Einkommen ausgeübt, so verbinden die Menschen heute mit ihrem Arbeitsplatz oft mehr als nur einen Ort der reinen Pflichtausübung. Der Anspruch an ein Unternehmen, Leistungen zu bieten, die es als Arbeitgeber attraktiv machen, sind deutlich gestiegen. Eine Veränderung erleben wir aber nicht nur im Denken der Mitarbeiter, sondern auch durch den demografischen Wandel in Deutschland. Immer mehr wird den Unternehmen bewusst, dass sie mittel- und langfristig einer alternden Gesellschaft – und somit auch einer durchschnittlich älteren Belegschaft – gegenüberstehen. Diese Entwicklungen erfordern zukünftig höhere Investitionen in ein gesundes Lebens- und Arbeitsumfeld. In Zeiten von drohendem Fachkräftemangel wächst die Anforderung, sich von den Wettbewerbern in Sachen Unternehmensattraktivität überdurchschnittlich abzugrenzen. BGM ist ein Schlüsselinstrument, um dies zu erreichen. Aber nicht nur auf Grund des langfristigen Wettbewerbsvorteils ist dieser Ansatz interessant, sondern auch weil in diesem Bereich ein enormes präventives Gesundheitspotential steckt. Der volkswirtschaftliche Verlust durch Krankheit geht in die Milliardenhöhe. Hohe Unfallraten, zunehmende psychische Belastungen am Arbeitsplatz und eine durch die Altersstrukturentwicklung bedingte Zunahme an Muskel- und Skeletterkrankungen treiben die krankheitskorrelierten Kosten der Unternehmen in die Höhe. Durch vorbeugende Maßnahmen im Rahmen von BGM bietet sich ein hohes Nutzen- und Einsparpotential für die Arbeitgeber. Ziel der Gesellschaft, der Unternehmen und der Bundesregierung soll sein, Gesundheit als Statussymbol der Zukunft zu sehen. Durch Veränderung der Denkstrukturen und mit Hilfe geeigneter Maßnahmen soll gemeinsam an der Erhaltung und Verbesserung der Gesundheit gearbeitet werden. Dabei ist im Bereich Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit schon vieles getan worden und durch Gesetze klar geregelt. Entwicklungsmöglichkeiten gibt es aber noch hinsichtlich der freiwilligen Gesundheitsförderung. Laut einer großen Studie von ‚EuPD Research‘ (2007) nehmen nur 258 der 800 größten deutschen Konzerne die Gesundheit der eigenen Mitarbeiter tatsächlich ernst und haben ein professionelles Managementsystem „Gesundheit“ etabliert. Die demografische Entwicklung und die Rente mit 67 wird von den anderen Unternehmen einfach verschlafen – auf Kosten der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit.[1]

Im Rahmen dieser Seminararbeit sollen zunächst die Probleme und Chancen des demografischen Wandels erläutert werden. Nach einer eingehenden Begriffsdefinition von BGM und der Darstellung des salutogenen Gesundheitsansatzes werden auszugsweise mögliche Maßnahmen der Gesundheitsförderung dargestellt. Um dem Strategiecharakter von Gesundheitsmanagement Rechnung zu tragen, werden auch ökonomische und gesundheitliche Nutzenaspekte beleuchtet. Anhand derer sollen dann Indikatoren zur Nutzenmessung von betrieblicher Gesundheitsförderung (BGF) erstellt werden. Mittelpunkt der Seminararbeit ist die These „BGF steigert die unternehmerische Wertschöpfung“. Die Überprüfung dieser erfolgt anhand des Unternehmenskonzerns der Deutschen Bahn AG. Im Rahmen eines Interviews wurden die Motive, die Maßnahmen und die Indikatoren der Kosten- und Nutzengenerierung untersucht. Anhand der Auswertung soll deutlich werden, wie viel Gesundheitspotenzial noch in den Menschen steckt und wie wichtig Vorsorge und Förderung sowohl für Mitarbeiter, als auch für Arbeitgeber und nicht zuletzt für unsere Volkswirtschaft ist.

2. Demografischer Wandel in Deutschland – Probleme & Chancen

Das Schlagwort ‚Demografischer Wandel‘ hat sich in die Köpfe der heutigen Generation gebrannt und die Auswirkungen davon sind weitläufig spürbar. In allen Wirtschaftsbranchen verschieben sich die Altersstrukturen erheblich. Bei den gängigen Annahmen[2] zur Geburtenzahl, Lebenserwartung und Wanderungssaldo ergibt sich für 2040 ein Bevölkerungsanteil der über 60-jährigen von 38,4%[3] (vgl. Abb.1). Die drohende Überalterung der Gesellschaft und der daraus resultierende Fachkräftemangel scheinen unaufhaltsam. Um darauf zu reagieren, rücken ältere Arbeitnehmer immer mehr in den Fokus der Unternehmen. BGM gilt dabei auch als Instrument, um sich von Wettbewerbern bezogen auf die Unternehmensattraktivität abzuheben und im Nachwuchsrekrutierungskampf die Nase vorn zu haben.

Laut einer Studie von ‚Skolamed‘ werden „(…) in jedem Betrieb in Deutschland (…) durchschnittlich 35 Prozent der Mitarbeiter innerhalb der nächsten 10 Jahre von der Altersdekade 40. – 50. Lebensjahr in die Dekade 50 plus bis 67 Jahre wandern“[4]. Der individuelle Handlungsbedarf ist von Unternehmen zu Unternehmen verschieden. Jedoch vereint eine altersheterogene Lern- und Arbeitsstruktur aus jüngeren und älteren Angestellten die Stärken beider Parteien und kann so zum Unternehmenserfolg beitragen.

„Frühberentung“ wurde lange Zeit von den Unternehmen willkommen geheißen, um eine junge, dynamische und leistungsfähige Belegschaft zu generieren. Die Mitarbeiter selbst wollten zunehmend ihren Lebensabend genießen oder fühlten sich durch die veränderten Arbeitsanforderungen, kombiniert mit dem mangelnden Entgegenkommen der Arbeitgeber bezüglich ihrer spezifischen Bedürfnisse, überfordert. Fraglich ist, ob die Vorurteile, ältere Arbeitnehmer könnten nicht mehr so gut mithalten, wären technisch überfordert und bei weitem nicht so leistungsfähig, flexibel und motiviert wie ein beispielsweise 30-jähriger, gerechtfertigt sind. Nachgesagt werden ihnen auch häufige Fehlzeiten durch Krankheit, Innovationsmüdigkeit und mangelnde Anpassungsfähigkeit[5]. Laut einer Studie der BKK Hessen sind diese Vorurteile nicht alle belegbar. „Ältere Arbeitnehmer sind nicht weniger, sondern nur anders belastbar als jüngere. Moderne Arbeitsmethoden und Computer waren nur für weniger als 20% der Befragten „eher oder sehr häufig“ ein Problem“[6]. Laut dem IGA Report 9 kommt es zwar zu einer qualitativen Leistungsverschiebung im Alter, es konnten aber bei Intelligenz, zielorientiertem Handeln, systematischem Denken, Kreativität, Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit keine wesentlichen Veränderungen der Fähigkeiten mit zunehmendem Alter festgestellt werden[7]. „Altersbedingte Einbußen in einigen Bereichen der Leistungsfähigkeit werden durch andere Leistungsfaktoren voll ausgeglichen, (…)“[8]. Abb. 2 gibt einen Überblick über die Veränderungen der Leistungsfähigkeit im Altersgang. Hochgradige Zuverlässigkeit, Genauigkeit, hohe Identifikation mit dem Unternehmen und ein immenser Erfahrungsschatz sprechen eher dafür, sich um die älteren Mitarbeiter und um deren Bindung an das Unternehmen zu bemühen.

Das Leistungsvermögen unserer „weisen“ Bevölkerungsschicht wird bisher nur ungenügend von den Arbeitgebern erkannt. ‚Skolamed‘ hat diesbezüglich herausgefunden, dass durchschnittlich lediglich 37% der Unternehmen in Deutschland ihr Gesundheitspotenzial nutzen. Relevante Kriterien waren bei der Untersuchung unter anderem, wie gut die Voraussetzungen für die Einführung von BGM sind, wie das bisherige Maßnahmenangebot und wie sehr Führungspersonal in den Prozess involviert ist. Traurige Tatsache ist auch, dass 50% der befragten 500 Unternehmen angaben, nicht zu wissen, wie viel Geld sie pro Mitarbeiter in gesundheitsrelevante Maßnahmen stecken und die andere Hälfte nur bis zu 30 Euro pro Person pro Jahr ausgibt[9]. Vor den Herausforderungen des demografischen Wandels sollten solche Zahlen die Arbeitgeber aufwecken und diese sollten die sich ergebenden Chancen nutzen.

3. Betriebliches Gesundheitsmanagement

Der traditionelle Arbeits- und Gesundheitsschutz ist den Herausforderungen, welche die heutige Arbeitswelt an das Wohlbefinden des Menschen stellt, schon lange nicht mehr gewachsen. „Work-Life-Balance“, „Gesunde Organisation“ und „Ergonomische Arbeitsplatzausrichtung“ sind nur einige Schlagworte, mit denen Personalverantwortliche vermehrt konfrontiert werden. Ein gesellschaftliches Umdenken hin zu mehr Unternehmensverantwortung und somit Richtung umfassendem BGM begann bereits in den 90er Jahren.

3.1 Definitionen und gesetzliche Rahmenbedingungen

BGM setzt sich zusammen aus freiwilliger BGF und den gesetzlichen Arbeitsschutzvorschriften. Implizit gehören aber auch die korrespondierenden Rahmenbedingungen (Arbeitszeit, leistungsorientiertes Entgelt,…) und die Wahrnehmung von Fürsorgepflichten (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Sozialgesetze,…) dazu[10]. Ansätze zur Definition von BGM begründen sich meist auf die 1986 verabschiedete Ottawa-Charta der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Danach „(…) zielt [Gesundheitsförderung] auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen“[11]. Durch geeignete Maßnahmen soll „ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden“ erhalten bzw. erlangt werden. In der Luxemburger Deklaration (1997) griff man dieses Verständnis auf und legte fest, dass „betriebliche Gesundheitsförderung (…) alle gemeinsamen Maßnahmen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Gesellschaft zur Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz (…) [umfasst]“[12]. BGM beinhaltet somit neben vorhandenen Arbeitsschutz- und Arbeitssicherheitsrichtlinien die Optimierung von Arbeitsorganisation, Kommunikationsstrukturen und die Förderung aktiver Teilnahme aller Beteiligten an gesundheitlichen Maßnahmen. Über die Aufrechterhaltung und Förderung der physischen und psychischen Gesundheit soll der Fokus auf eine Ermöglichung von konstanter Leistungsbereitschaft und dauerhafter Leistungsfähigkeit gelegt werden. Ein kollektives Mitwirken von Führungskräften, Mitarbeitern, Krankenkassen, Ärzten, Betriebsräten, Gewerkschaften und Arbeitsschutzbehörden ist Voraussetzung dafür, Gesundheitspotenziale zu erkennen und zu nutzen und einen gesellschaftlichen Mentalitätswechsel anzustoßen.

Den gesetzlich verpflichtenden Rahmen bilden Vorschriften des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, welche sich aus Gesetzen und Verordnungen verschiedener politischer Ebenen[13] zusammensetzen. Von internationalen Arbeitsnormen über die EG-Rahmenrichtlinien zum Arbeitsschutz (1989) und das Arbeitssicherheits- und Arbeitszeitgesetz, bis hin zu Bildschirmarbeitsverordnung, sind viele Bereiche normiert. Der Staat hat das Gesundheitspotenzial erkannt und zwingt Unternehmen durch Gesundheitsreformen und veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen zur Umsetzung dieser. Z.B. schreibt das Sozialgesetzbuch IX im § 84 Abs. 2 seit 2004 u.a. betriebliches Eingliederungsmanagement vor. Unternehmen sollen sich demnach für die Überwindung einer Arbeitsunfähigkeit und der Aufrechterhaltung des Arbeitsplatzes aller Mitarbeiter engagieren, die länger als 6 Wochen und häufig krank sind. Dieser Ansatz ist eine wichtige, aber nicht ausreichende, Grundlage für vorbeugendes und freiwilliges Engagement im Gesundheitsmanagement. Entsprechende Institutionen, wie beispielsweise die ‚Internationale Arbeitsorganisation‘, das ‚Deutsche Netzwerk zur betrieblichen Gesundheitsförderung‘ oder Krankenkassen bieten zusätzlich zu den rechtlich geregelten Vorschriften zahlreiche Leitlinien und Qualitätskriterien zur Umsetzung von BGF an.

3.2 Der strategische Gesundheitsmanagementansatz der Salutogenese

Begründer des Konzepts der Salutogenese ist der amerikanisch-israelische Soziologe Aaron Antonovsky. Dieses entwickelte er während der 70er Jahre, aufbauend auf der Fragestellung „Warum und wie bleibt jemand trotz verschiedener (…) krankheitserregender Bedingungen gesund?“[14]. Bis dahin wurde entlang der klassischen pathogenen Ursachenanalyse hauptsächlich untersucht, warum und wie ein Mensch krank wird, also welchen krankheitsauslösenden Faktoren er ausgesetzt war und wie die Krankheit bekämpft werden konnte. Das Salutogenese-Konzept schließt Pathogenese nicht aus, sondern bedient sich ihrer als Ressource. Grundsätzlich geht Antonovsky davon aus, dass sich jeder Mensch an einem Punkt im Kontinuum zwischen Krankheit und Gesundheit befindet. Forschungsmittelpunkt war für ihn, warum Menschen, welche den gleichen Stressoren[15] ausgesetzt sind, unterschiedliche gesundheitliche Reaktionen zeigen, also ob wir situationelle Einflüsse als stressig, nervend, ermüdend, ärgerlich oder eher als Chance oder Herausforderung ansehen. Seiner Meinung nach liegt die Ursache dafür im sogenannten Kohärenzgefühl. Dieses Gefühl beschreibt „eine Grundstimmung oder Grundsicherheit, innerlich zusammengehalten zu werden, nicht zu zerbrechen und gleichzeitig auch in äußeren Anbindungen Unterstützung und Halt zu finden“[16]. In Antonovskys Modell der Salutogenese resultiert Gesundheit aus pathogenen Faktoren (physische, soziale,… Stressoren), salutogenen Ressourcen (sozial unterstützende Faktoren wie Kollegen, Familie, positives Betriebsklima,…) und dem Kohärenzgefühl[17].

Im betrieblichen Kontext gibt es eine Reihe von potentiellen Stressoren. Gerade deswegen ist es interessant, warum manche Mitarbeiter bei annähernd gleicher Belastung gesund bleiben, während andere krank werden. Belastungen können auf Grund der zu bearbeitenden Aufgabe an sich entstehen (Zeitdruck, Störung im Arbeitsablauf) oder wegen Umgebungsbelastungen wie z.B. Lärm oder schlechte Beleuchtung. Auch betriebliche Belastungsfaktoren wie ungünstige Arbeitszeiten, eine als ungerecht empfundene Entgeltregelung oder schlechte Arbeitsorganisation kann zu Stress führen. Fehlen des Weiteren salutogene Ressourcen wie soziale Kontakte oder konfliktfreie Arbeitsbeziehungen, so können Spannungen entstehen, welche sich im schlimmsten Fall über einen längeren Zeitraum aufbauen ohne jemals verarbeitet zu werden. Zu guter Letzt können auch personale Belastungen, wie Persönlichkeitseigenschaften, negative Auswirkungen auf die eigene Gesundheit haben. Alle vier Belastungsbereiche können einzeln oder auch miteinander kombiniert auftreten. Bei Mehrfachbelastung steigt das Stressempfinden verstärkt an[18].

Wendet man nun das Konzept der Salutogenese auf die Gesundheitspolitik von Unternehmen an, so geht es um die Frage, was Führungskräfte und Mitarbeiter selbst tun können, um die Gesundheit zu erhalten bzw. zu fördern und welche äußeren und inneren Faktoren dabei unterstützend wirken. Im Rahmen eines strategischen und ganzheitlichen BGM kann durch ein gesundes Arbeitsumfeld, durch gesundheitsförderliche Arbeitsorganisation und durch die Förderung eines gesunden Lebensstils ein besserer Gesundheitszustand generiert werden. Entscheidet sich ein Unternehmen dafür, so ist ein aktiver Diskussions- und Beteiligungsprozess unumgängliche Voraussetzung für die erfolgreiche Realisierung von Gesundheitspotenzialen. Wurde das Top-Management z.B. durch Aufzeigen von einem Wettbewerbsvorteil überzeugt, müssen die Führungskräfte ihre Vorbildfunktion wahrnehmen und in klarer und einstimmiger Kommunikation die Unternehmensstrategie wasserfallartig an die unteren Führungs- und Mitarbeiterschichten weitergeben. BGM kann nur als langfristiges strategisch ausgerichtetes Managementkonzept funktionieren und muss auf allen Unternehmensebenen gelebt werden. Eventuell ist eine Neuorientierung der gesamten Organisationskultur nötig. Aber gerade die Änderung der Organisationsbedingungen kann eine positive Verstärkung des individuellen Kohärenzgefühls hervorrufen und somit im salutogenen Sinne zu Prävention und Gesundheitsförderung beitragen. Gesundheit und damit Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter wird somit zum unternehmerischen Erfolgsfaktor. Um die strategische Umsetzung eines Gesundheitskonzeptes abzurunden und um es ggf. weiterzuentwickeln, ist eine regelmäßige Evaluation der Effizienz und der Wirkungsweise der eingesetzten Maßnahmen vorzunehmen.

4. Maßnahmen der Gesundheitsförderung

Unternehmen können ihren Mitarbeitern eine ganze Palette an unterschiedlichen, freiwilligen Gesundheitsleistungen anbieten. Die verhaltens- und verhältnisorientierten Maßnahmen der BGF können sich auf die Organisationsstrukturen im Unternehmen, auf das Arbeitsumfeld der Mitarbeiter oder direkt auf die Beschäftigten selbst beziehen. Auf jeder Ebene gibt es viele präventive Ansätze, welche gesundheitserhaltend oder gesundheitsfördernd wirken.

4.1 Maßnahmen auf der Organisationsebene

Ansätze auf dieser Ebene betreffen jeden Mitarbeiter und schaffen eine wichtige Voraussetzung für die Umsetzung gesundheitswirksamer Maßnahmen auf tieferen Ebenen. Wie bereits angesprochen ist für die erfolgreiche Implementierung von BGF eine „Integration des Gesundheitsmanagements in das Zielsystem der Unternehmung durch direkten Einbezug in die Unternehmensleitlinien“[19] wichtig. Des Weiteren sind die Bereitstellung finanzieller und personeller Mittel und die Schaffung adäquater Rahmenbedingungen, wie z.B. passende Arbeitszeitmodelle oder anforderungsreiche Arbeitsprozesse Voraussetzung.

4.1.1 Denkstrukturen

Durch gelebte Unternehmensleitlinien und aktiv kommunizierte Wertvorstellungen identifizieren sich Mitarbeiter leichter mit dem Unternehmen. Eine positive Einstellung gegenüber gesundheitsrelevanten Themen, Maßnahmen und deren Effekte muss in den Köpfen der Belegschaft, falls noch nicht vorhanden, geweckt werden. Dies ist deshalb so relevant, da kein Instrument langfristig Wirkung zeigt, wenn es nicht mental verstanden, verarbeitet und für gut befunden wurde. Es gilt also, eine Unternehmenskultur zu etablieren, welche es den Mitgliedern ermöglicht, ohne „böse Blicke“ an gesundheitsförderlichen Maßnahmen teilzunehmen und den persönlichen Erfolg auch weiter zu kommunizieren.[20]

Fokussiert man die Diskussion auf die Probleme der älteren Mitarbeiter, so gelten auch hier die Ziele, eine offene Einstellung gegenüber älteren Kollegen zu erzeugen und den Mehrwert, den diese bringen, zu honorieren. Führungspersonal muss hier verstärkt Einfluss nehmen und gegebenenfalls wiederholt auf Leistungen und Erfolge von Kollegen hinweisen. Kommuniziert man diese über Internet, Zeitung oder andere Kanäle, sowohl intern als auch extern, so entsteht ein Synergieeffekt. Einerseits fühlen sich die hervorgehobenen Mitarbeiter in ihrer Tätigkeit und in ihrem Dasein bestätigt, andererseits erfährt das Unternehmen selbst eine Aufbesserung des Unternehmensimage. Dies bietet Anreizeffekte für potentielle Bewerber.

4.1.2 Gesundheitszirkel

Eine Möglichkeit, wie die Kommunikation von Gesundheitsthemen verstärkt und wie die Relevanz „frisch“ gehalten werden kann, ist die Einrichtung eines Gesundheitszirkels. Darunter versteht man eine Art Kommunikationsforum von ca. 6-8 Beschäftigten. Basierend auf betriebs- oder abteilungsbezogenen Mitarbeiterbefragungen werden in Kleingruppen regelmäßig Belastungen und daraus resultierende gesundheitliche Probleme am Arbeitsplatz erörtert. Im gemeinsamen Gespräch sollen Lösungsansätze und Verbesserungsvorschläge erarbeitet werden. „Der Grundgedanke (…) ist, dass Arbeitsbelastungen und gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht von oben, sondern am besten durch die Mitarbeiter selbst bearbeitet werden können (…)“[21]. Dabei kann der Gesundheitszirkel sowohl zur ersten Analyse, als auch zur späteren Intervention dienen. Wie sich ein solcher Kreis zusammensetzt, ist nicht vorgeschrieben. Jedoch bietet sich das größte Potenzial, wenn möglichst viele Hierarchieebenen vertreten sind. So könnte ein Zirkel beispielsweise aus einem direkten Vorgesetzten, Betriebs- und Abteilungsleiter, Betriebsrat, Sicherheitsfachmann, Betriebsarzt, Moderator und interessierten Mitarbeitern bestehen. Wichtig ist, dass die Ergebnisse und Entwicklungen im Anschluss möglichst unternehmensintern zugänglich gemacht und verbreitet werden[22].

[...]


[1] Vgl. EUPD Research, 2007, S. 5

[2] Annahmen: 1,4 Geburten pro Frau; 83,5 Jahren bei Männern und 88 Jahren bei Frauen; Saldo von 100 000

[3] Vgl. Destatis, 2006, S. 4

[4] Skolamed, 2009, S. 1

[5] Vgl. Ueberschär, Velladics, Gräf, 2005, S. 113

[6] Maus, (o.D.), S. 3

[7] Vgl. Ueberschär, Velladics, Graf, 2005, S. 113

[8] Ebenda, S. 113

[9] Vgl. Ebenda S. 1

[10] Vgl. Richter & Heil, 2009, S. 136

[11] WHO, 2006

[12] ENWHP, 2007, S. 2

[13] Ebenen: Internationales Recht, EG-Recht, Bundes- und Landesrecht, Technische Regeln

[14] Antonovsky, 1979, S. 12ff.

[15] Stressoren = objektive und/oder subjektive Umweltanforderungen, die die Bewältigungsressourcen des menschlichen Systems übersteigen

[16] Schiffer, 2001, S. 29

[17] Vgl. Meifert & Kesting, 2004a, S. 8

[18] Vgl. Lasshofer, 2006, S. 42ff.

[19] Meifert & Kesting, 2004b, S. 34

[20] Vgl. Badura, 2003, S. 48ff.

[21] Badura, 2003, S. 227

[22] Vgl. ebenda, S. 227 ff.

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Details

Title
Betriebliches Gesundheitsmanagement in Großunternehmen im Fokus einer alternden Gesellschaft
Subtitle
Betriebliche Gesundheitsförderung steigert die unternehmerische Wertschöpfung - Untersuchung allgemein und speziell am Beispiel der Deutschen Bahn AG
College
University of Constance
Course
Betriebspädagogik III
Grade
1,0
Author
Year
2009
Pages
35
Catalog Number
V136300
ISBN (eBook)
9783640443055
ISBN (Book)
9783640442690
File size
1109 KB
Language
German
Keywords
Deutsche Bahn, Gesundheitsmanagement, Betriebliche Gesundheitsförderung, Großunternehmen, Betriebspädagogik, Gesundheit, Unternehmen
Quote paper
Maike Unger (Author), 2009, Betriebliches Gesundheitsmanagement in Großunternehmen im Fokus einer alternden Gesellschaft , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136300

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