Der verfassungsrechtliche Normenkontext der Regierungs-PR

Aufgaben, Grenzen und Legitimität der regierungsamtlichen Öffentlichkeitsarbeit


Magisterarbeit, 2009

103 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Forschungslage und Forschungsinteresse
1.2 Zielsetzung der Arbeit
1.3 Herangehensweise und Aufbau

2. PR-theoretische Einordnung
2.1 Das Modell der Kontexte des Journalismus
2.2 Kontexte der PR – Gegenstände der PR-Forschung
2.3 Der rechtliche Normenkontext der Regierungs-PR

3. Rechtswissenschaftliche Perspektive – kommunikationswissenschaftliches Erkenntnisinteresse
3.1 Kommunikationswissenschaft – Rechtswissenschaft: Gegenstände, Zielsetzung und Methodik

3.2 Begriffliche Annäherungen
3.2.1 Kommunikationswissenschaftliche PR-Definitionen
3.2.2 Definitionen von Praktikern der Regierungs-PR
3.2.3 PR-Definitionen in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft

4. Verfassungsrechtliche und historische Grundlagen
4.1 Der ideengeschichtliche Hintergrund der Verfassungsentstehung
4.2 Die zentralen Prinzipien des Grundgesetzes
4.3 Begrenzung und Auftrag der Regierung aus dem Grundgesetz

5. Aufgaben, Grenzen und Legitimität der Regierungs-PR
5.1 Aufgaben der Regierungs-PR
5.1.1 Aufgaben der Regierungs-PR in der Demokratie
5.1.2 Aufgaben der Regierungs-PR im Rechtsstaat
5.1.3 Aufgaben der Regierungs-PR in der Kompetenzordnung des Grundgesetzes
5.2 Grenzen der Regierungs-PR
5.2.1 Grenzen der Regierungs-PR in der Demokratie
5.2.2 Grenzen der Regierungs-PR im Rechtsstaat
5.2.3 Grenzen der Regierungs-PR in der Kompetenzordnung des Grundgesetzes
5.3 Legitimität der Regierungs-PR
5.3.1 Formen der demokratischen Legitimation
5.3.2 Legitimierende Gründe der Regierungs-PR
5.3.3 Die Problematik der Grundrechtsbeeinträchtigung

6. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur PR von Parteien und von
Wirtschaftsunternehmen
6.1 Die PR der politischen Parteien
6.2 Die PR von Wirtschaftsunternehmen

7. Zusammenfassung und Vergleich

8. Ausblick

9. Literatur- und Entscheidungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Ob es um eine Kampagne zur Integration, Informationen zu einer Gesetzesänderung, oder eine Initiative für gesundheitsbewusste Ernährung geht: so wie die staatliche Betätigung immer weitere Bereiche umfasst, nimmt auch die Bedeutung der Regierungs-PR immer mehr zu. Nach Ansicht des stellvertretenden Regierungssprechers der Bundesregierung Thomas Steg ist politische Kommunikation etwas „fundamental anderes“ als „Weißbier oder Windeln zu bewerben“.1 Denn durch die Erwartungen der Bürger und die kritischen Medien werden an die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung2 hohe Anforderungen gestellt. Gleichzeitig wird es zunehmend schwerer, in der komplexen, reizüberfluteten Mediengesellschaft von heute die Aufmerksamkeit der Bürger zu gewinnen. Dennoch ist die Regierung als Staatsorgan gehalten, auch im Bereich ihrer Öffentlichkeitsarbeit die verfassungsrechtlichen Grenzen zu beachten.

Mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Regierungs-PR hat sich das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen auseinandergesetzt. Diese zeigen, dass die PR der Regierung eine „Gratwanderung“ (Busch-Janser/Köhler 2006) zwischen verfassungsmäßigen Aufgaben und verfassungsrechtlichen Grenzen zu leisten hat. Regierungs-PR findet im Spannungsfeld zwischen Parteiinteressen und Gemeinwohl, zwischen staatlichem Neutralitätsgebot und Informationspflicht, zwischen demokratisch gebotener Verständniswerbung und der Gefahr des Machtmissbrauchs statt.

1.1 Forschungslage und Forschungsinteresse

In der kommunikationswissenschaftlichen Forschung zur politischen Kommunikation stehen bisher die Beziehungen zwischen Medien, Politik und politischer PR im Vordergrund. Während die Bedingungen des politischen Systems bereits in die wissenschaftliche Betrachtung der PR-Forschung einbezogen werden (vgl. z.B. Böckelmann/Nahr 1979; Sarcinelli 2005; Köhler/Schuster 2006; Jarren/Donges 2006), blieb eine vertiefte Beschäftigung mit den verfassungsrechtlichen Normen der Regierungs-PR, die über eine Darstellung der einschlägigen Urteile hinausgeht, bisher aus. Dabei bestimmen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und die Vorschriften des Grundgesetzes ganz wesentlich, was die PR der Regierung leisten soll und leisten darf, da sämtliche Tätigkeiten von Staatsorganen an die Bestimmungen der Verfassung gebunden sind. Die Werte der Verfassung stellen die verbindliche Grundlage der gesamten deutschen Rechtsordnung dar und sind damit verbindlicher Ausdruck der gesellschaftlichen Wertordnung. Verstöße gegen die Vorgaben des Grundgesetzes können eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zur Folge haben; die normativen Ansprüche des Verfassungsrechts sind damit nicht bloßes Ideal, sondern Teil der politischen Realität.

Einige Beispiele aus der kommunikationswissenschaftlichen PR-Forschung, die den Anstoß für die vorliegende Arbeit gaben, zeigen die Relevanz einer eingehenderen Betrachtung des verfassungsrechtlichen Normenkontextes der Regierungs-PR:

1. Baerns wies bereits darauf hin, dass Öffentlichkeitsarbeit im politischen wie auch im wirtschaftlichen Bereich zwar Tätigkeiten umfasse, „die in der Praxis zugunsten unterschiedlicher Auftraggeber ... nach Organisation und Arbeitsweise weitgehend identisch ablaufen“, dass solche Übereinstimmungen jedoch „den Blick für grundlegende Unterschiede“ trüben (Baerns 1981: 55 f.). Baerns geht diesen Unterschieden anhand der Frage nach der Reichweite journalistischer Auskunftsansprüche nach und legt damit den Fokus auf die journalistischen Akteure, nicht auf die PR-Quellen. Dennoch zeigt ihr Beitrag, dass die rechtlichen Besonderheiten des politischen Bereiches, wie etwa auch das demokratische Öffentlichkeitsprinzip der Verfassung, bisher zu wenig Berücksichtigung in der wissenschaftlichen Betrachtung publizistischer Systeme fanden. Dies gilt bis heute.
2. Bentele verweist in einem Beitrag zu den „Grundlagen der Public Relations“ auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur staatlichen Öffentlichkeitsarbeit von 1977, in dem die gesellschaftliche Informationsfunktion der Public Relations normativ hergeleitet werde (Bentele 1997: 33). Nach Bentele sind die Funktionen der PR „Information, Kommunikation, Persuasion, Imagegestaltung, kontinuierlicher Vertrauenserwerb, Konfliktmanagement und das Herstellen von gesellschaftlichem Konsens“ (Bentele 1997: 22 f.). In den Ausführungen Benteles zur gesellschaftlichen Funktion von PR wird die aus juristischer Perspektive zentrale Unterscheidung zwischen dem Bereich des Staates und dem gesellschaftlichen Bereich jedoch nicht ausreichend berücksichtigt: In Bezug auf die Persuasionsfunktion der PR erklärt Bentele, diese sei normativ durch Artikel 5 des Grundgesetzes (GG) gedeckt und damit könne Persuasion innerhalb einer pluralistisch-gesellschaftlichen Ordnung als ein legitimer Versuch gesehen werden, „Partikularinteressen zu verbreiten, darüber zu informieren und zu kommunizieren“. Entgegen Benteles Argumentation gilt dies allerdings nicht „für die Bundesregierung und das Bundesverteidigungsministerium genauso wie für Greenpeace, den Bäckereiverband, die Hochschulrektorenkonferenz oder die PDS“ (Bentele 1997: 33). Die in Art. 5 GG normierte Meinungsfreiheit kommt der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit nicht zugute. Wie alle Grundrechte berechtigt die Meinungsfreiheit ausschließlich natürliche und juristische Personen, sie bindet dagegen die Staatsorgane (vgl. Jarass 1982: 203 f.). Daher können weder die Bundesregierung noch ein Ministerium amtliche PR-Maßnahmen auf Art. 5 GG stützen.
3. Köhler/Schuster (2006: 19 f.) teilen die Funktionen der Regierungs-PR in zwei Bereiche ein, die aufklärungs- und informationsorientierte Funktion und die herrschafts-und machtorientierte Funktion. In die zweite Kategorie eingeordnet werden die Schaffung von Legitimation, Vertrauen und Zustimmung sowie der Machterhalt. Das Bundes-verfassungsgericht trennt jedoch zwischen der demokratisch notwendigen Erzeugung von Vertrauen und Zustimmung und dem Ziel des Machterhalts, für welches die aus staatlichen Mitteln finanzierte Öffentlichkeitsarbeit der Regierung gerade nicht genutzt werden darf.
4. Im Handbuch PR schreibt Fröhlich zur Abgrenzung von PR und Journalismus:

„[D]er Journalismus genießt verfassungsrechtliche Privilegien; ... Journalisten sowie deren ... Arbeitsprodukte sind in unserer Demokratie durch eine ganze Reihe spezifischer Gesetze geschützt, die ... auch die konkrete Ausübung des Journalismus regeln, sanktionieren und schützen. Gleiches gilt für Public Relations nicht“ (Fröhlich 2008: 101).

Tatsächlich ist der Bereich der PR gesetzlich und verfassungsrechtlich noch immer in weit geringerem Maße geregelt als der Journalismus. Nichtstaatliche PR kann sich allerdings auf die Berufsfreiheit nach Art. 12 I GG und die Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 I GG berufen, während staatliche PR unter die Kompetenzwahrnehmung des jeweiligen Staatsorgans fällt und damit bestimmte Aufgaben zu erfüllen und Grenzen einzuhalten hat. Informationshandeln von Regierung und Verwaltung wird darüber hinaus zunehmend gesetzlich geregelt.

1.2 Zielsetzung der Arbeit

Wie nach Szyszka die PR-Geschichte (Szyszka 1997), so stellt auch das Recht der Public Relations keine „Marginalie“, sondern einen wichtigen Theoriebaustein der PR-Forschung dar. In besonderem Maße gilt dies für das Verfassungsrecht in Bezug auf staatliche PR. Erstens umreißen die Verfassungsbestimmungen normative Aufgaben der staatlichen PR. Zweitens setzen sie, vermittelt über die bindenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, dem Handeln der Staatsorgane Grenzen. Drittens gilt die Verfassung unmittelbar nur für Staatsorgane und ergeben sich für diese besondere recht-liche Bedingungen aus ihrer Stellung in der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Verfassung.

In der Journalismusforschung werden Medienfreiheit und Medienrecht als zentrale Faktoren für Funktion, Aufgabe und Selbstverständnis des Journalismus behandelt. Aus diesem Grund bietet eine Übertragung des Modells der Kontexte des Journalismus von Weischenberg (2004) auf die PR einen Ansatz, die theoretische Einbindung der verfassungsrechtlichen Fragen in die PR-Forschung vorzunehmen. Demnach stellen die verfassungsrechtlichen Normen einen Teil des gesellschaftlichen Normenkontextes dar und sollten als Bedingungen von PR-Handeln Gegenstand der PR-Forschung sein.

Die forschungsleitende These dieser Arbeit ist, dass sich der rechtliche Normenkontext der Regierungs-PR durch deren unmittelbare Bindung an das Grundgesetz von dem Normenkontext nichtstaatlicher Akteure unterscheidet. Daraus ergibt sich die Frage, welche spezifischen Aufgaben, Grenzen und Legitimitätsgrundlagen sich für die Regierungs-PR aus dem Verfassungsrecht ergeben. In einem zweiten Schritt wird ferner den daraus folgenden normativen Unterschieden zwischen der PR der Regierung und der PR von Parteien und Wirtschaftsunternehmen nachgegangen. Erst die Einbeziehung der rechtswissenschaftlichen Perspektive ermöglicht die eingehende Beantwortung dieser Fragen.

Die vorliegende Arbeit wird den verfassungsrechtlichen Normenkontext der Regierungs-PR in Hinblick auf Aufgaben, Grenzen und Legitimität der Regierungs-PR darstellen und erläutern. Sie soll damit eine Grundlage für eine theoretische Berücksichtigung und empirische Untersuchung des spezifischen verfassungsrechtlichen Kontextes der Regierungs-PR in der PR-Forschung legen. Dies ermöglicht „differenziertere theoretische Analysen, die die Spezifika unterschiedlicher Kontextbedingungen der PR und einzelner Bereiche des Kommunikationsmanagements erfassen“ (Röttger 2004: 19), in diesem Fall der Regierungs-PR.

1.3 Herangehensweise und Aufbau

Für eine tiefer gehende Untersuchung des verfassungsrechtlichen Normenkontextes der Regierungs-PR scheint es gewinnbringend und geradezu geboten, auf die rechtswissenschaftliche Perspektive zurückzugreifen. Daher wird die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie rechtswissenschaftliche Literatur zur Beantwortung der Frage nach Aufgaben, Grenzen und Legitimität der Regierungs-PR sowie nach den Unterschieden gegenüber der PR von Parteien und Wirtschaftsunternehmen herangezogen. Aufgrund der herausgehobenen Stellung der Regierung und der Position der Minister zwischen in der Verwaltung gebotener Neutralität und parteilichen Interessen ist die PR der Regierung von besonderer Relevanz sowohl in der Rechts- als auch in der Kommunikationswissenschaft. Der Schwerpunkt der Untersuchung wird auf die externe, an die Öffentlichkeit in Deutschland gerichtete PR der Bundesregierung3 gelegt, also ihre öffentlichkeitsbezogene Information und Kommunikation. Obgleich Verwaltung und Regierung als Teile der Exekutive nicht vollständig zu trennen sind, liegt der Fokus auf der PR der Gubernative, die aufgrund ihres weiten Ermessensspielraums juristisch umstrittener ist als die der gesetzesgebundenen Administrative.4

Diese Arbeit ist wie folgt aufgebaut: Im ersten Teil wird zunächst das Modell von Weischenberg vorgestellt und auf eine Systematik der Kontexte der PR und Gegenstände der PR-Forschung übertragen (Kapitel 2). Da eine zentrale Problematik dieser Arbeit in der Verbindung von Rechts- und Kommunikationswissenschaft liegt, wird daraufhin der Gegenüberstellung der beiden Wissenschaften ein eigenes Kapitel (Kapitel 3) gewidmet. Dabei werden auch im Rahmen einer begrifflichen Annäherung kommunikationswissen-schaftliche und juristische Ansätze dargelegt und die Ansichten einiger Praktiker der Regierungs-PR vorgestellt, welche bereits auf die besonderen rechtlichen Bedingungen der Regierungs-PR hinweisen (Kapitel 3.2). Anschließend werden die verfassungsrechtlichen und historischen Grundlagen erörtert (Kapitel 4), die sowohl zu einem besseren Verständnis der folgenden Darstellungen dienen sollen, als auch die juristische Auslegung der einschlägigen Grundgesetznormen beeinflussen.

Darauf folgt eine Darstellung und Diskussion von Aufgaben und Grenzen der Regierungs-PR, die sich jeweils aus dem Demokratieprinzip und dem Prinzip des sozialen Rechtstaats sowie der Kompetenzordnung des Grundgesetzes ergeben (Kapitel 5.1 und 5.2). Die Legitimität der Regierungs-PR ist eng verbunden mit der verfassungsmäßigen Aufgabenzuweisung sowie der Einhaltung ihrer Grenzen und wird im Anschluss erläutert (Kapitel 5.3).

Schließlich werden, um eine Vergleichsmöglichkeit zu schaffen, kurz die normativen Grundsätze vorgestellt, die sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) für die PR der Parteien und für die PR von privaten Wirtschaftsunternehmen entnehmen lassen (Kapitel 6). Aufgrund der zwangsläufig begrenzten Ressourcen einer Magisterarbeit umfasst die darauf folgende Gegenüberstellung (Kapitel 7) nur die wichtigsten Punkte.

2. PR-theoretische Einordnung

Das Tätigkeitsfeld der Public Relations ist rechtlich in weit geringerem Maße geregelt als das des Journalismus. Jedoch wird auch die PR durch verschiedene rechtliche Regelungen begrenzt. Im Rahmen der PR veröffentlichte Druckerzeugnisse unterliegen zum Teil presserechtlichen Bedingungen. Die Organisationen, die PR betreiben, müssen sich an das für sie geltende Recht halten. Das Wettbewerbsrecht beinhaltet grundlegende Beschränkungen der Selbstdarstellung von Unternehmen. In besonderem Maße ist die staatliche Öffentlichkeitsarbeit rechtlich gebunden: durch die unmittelbare Bindung der Staatsorgane an das Grundgesetz ergeben sich für deren Öffentlichkeitsarbeit spezifische Bedingungen. In der kommunikationswissenschaftlichen PR-Forschung werden die rechtlichen Bestimmungen, die PR-Handeln betreffen, wie erwähnt überwiegend als Marginalie, als Begrenzung beruflichen Handelns, nicht als Theoriebaustein behandelt. 5 Dabei begründet das Verfassungsrecht nicht nur die Legalität der Regierungs-PR, sondern auch ihre Legitimität im Sinne gesellschaftlicher Anerkennungswürdigkeit (vgl. 5.3). Somit können rechtliche Grundlagen einen Beitrag zur Erklärung und zum Verständnis dessen leisten, was PR normativ gesehen sein soll. Durch die Orientierung der PR-Akteure an rechtlichen Vorgaben bestimmt das Recht darüber hinaus zum Teil, was PR ist.

Ein Versuch, PR und Recht theoretisch zusammenzubringen, stammt von Ronneberger/Rühl (1992). In ihrem Entwurf einer „Theorie der Public Relations“ fassen sie das Recht systemtheoretisch als Steuerungsmechanismus der PR-Praxis. Der Zweck des Rechtssystems liegt in der Konfliktlösung und Bedarfsvorsorge, es dient damit der Reduktion von Komplexität durch die Setzung von Normen. Damit stellt das Recht für die PR eine Richtlinie auf Zeit dar. Da es aber einer disziplinübergreifenden Konzeption bedürfe, die Wechselbeziehungen von PR und rechtlichen Normen zu identifizieren, begnügen sich die Autoren in ihrem Entwurf „mit dem Aufdecken der Problematik“ (Ronneberger/Rühl 1992: 226 ff.). Eine weitere Möglichkeit, die Verbindung von rechtlichen Normen und PR theoretisch einzuordnen, stellt eine Übertragung von Weischenbergs Modell der „Kontexte des Journalismus – Gegenstände der Journalistik“ (Weischenberg 2004: 71) auf PR-Handeln und die PR-Forschung dar. Dazu wird zunächst das Modell Weischenbergs dargestellt, um dann die Übertragung auf die Kontexte der PR und Gegenstände der PR-Forschung vorzunehmen.

2.1 Das Modell der Kontexte des Journalismus

In seinem Lehrbuch zur Journalistik verwendet Weischenberg (2004) ein Modell6, um die Bereiche der journalistischen Praxis und Forschungsgegenstände der Journalistik systematisch darzustellen. Rechtliche Grundlagen des Mediensystems werden als Einflussfaktor auf journalistisches Handeln und Forschungsfeld der Journalistik angesehen und bilden einen Teil des Normenkontextes. Bezogen auf das PR-Handeln und die PR-Forschung, können die rechtlichen Grundlagen als Einflussfaktoren auf PR-Handeln sowie als Forschungsgegendstand der PR-Forschung eingeordnet werden. Der Vorteil des Modells liegt in seiner systematischen Einordnung der Bereiche praktischen Handelns und wissenschaftlicher Untersuchungen, die offen für alle Arten wissenschaftlicher, aber auch praktischer Ansätze ist. Somit können sowohl empirische Studien als auch theoretische Konzepte und interdisziplinäre Perspektiven integriert werden (vgl. Esser 2004: 158). In Weischenbergs Modell stellen vier Kreise die Kontexte dar, die „in einem Mediensystem [bestimmen], was Journalismus ist, der dann nach diesen Bedingungen und Regeln Wirklichkeitsentwürfe liefert“ (Weischenberg 2004: 69). Diese sind nach Weischenberg aufgeteilt in Normen-, Struktur-, Funktions- und Rollenkontext (Weischenberg 2004: 69 ff.).

Der äußerste Kreis stellt die Normen dar, die für das Mediensystem gelten: gesellschaftliche Rahmenbedingungen, historische und rechtliche Grundlagen, professionelle und ethische Standards sowie die Kommunikationspolitik. Darauf folgt der Strukturkontext, in den ökonomische, politische, organisatorische und technologische Zwänge eingeordnet werden, die auf die Medieninstitutionen einwirken. Der nächste Kreis, der Funktionskontext, beinhaltet die Leistungen und Wirkungen des Journalismus in Bezug auf Informationsquellen und Referenzgruppen, deren Rückwirkungen auf die Medien-aussagen und weitere Bedingungen des Zustandekommens der journalistischen Konstruktionen von Wirklichkeit, sowie typische Berichterstattungsmuster und Darstel-lungsformen. Den innersten Kreis bildet der Rollenkontext. Hier geht es um demographische Merkmale, soziale und politische Einstellungen, die Professionalisierung und Sozialisation sowie Selbstverständnis und Publikumsimage der Medienakteure. 7

Weischenbergs Modell baut auf einer systemtheoretisch-konstruktivistischen Sichtweise des Journalismus auf. Journalismus wird als System verstanden, allerdings nicht im Sinne autopoietischer sozialer Systeme, sondern als „Konstruktion im doppelten Sinne: als gesellschaftliche Institution und als kommunikationswissenschaftlicher Forschungsgegenstand“ (Weischenberg 2004: 11). 8 Das System Journalismus wird als „Handlungszusammenhang, der in soziale Prozesse eingebunden ist“ aufgefasst (Weischenberg 2004: 42). Es erhält nach Weischenbergs Konzeption seine Identität durch die genannten Normen-, Struktur-, Funktions- und Rollenzusammenhänge (Weischenberg 2004: 48). Die Funktion des Journalismus wird als Bereitstellung von Themen für die aktuelle Medienkommunikation beschrieben (Weischenberg 2004: 42 ff.). Journalisten konstruieren dabei auf der Grundlage bestimmter erlernter und konsentierter Regeln Wirklichkeitsentwürfe (Weischenberg 2004: 61). Diese Wirklichkeitskonstruktion wird durch institutionelle Bedingungen der Medien wie auch durch professionelle Regeln beeinflusst (Weischenberg 2004: 67). Das Modell zeigt also Einflussfaktoren, welche die Medienakteure und –institutionen betreffen, und daher Gegenstände der Journalistik sein sollten (Weischenberg 2004: 68 f.).

Die Beziehungen zwischen den verschiedenen Kreisen werden durch das Modell nicht dargestellt. Anfänglich wurde eine Abstufung der Einflüsse in Hinsicht auf ihre Verbindlichkeit für journalistisches Handeln von „außen“ nach „innen“ konstatiert (Raabe 2005: 80). Später nutzen Scholl/Weischenberg (1998; nach Löffelholz 2004: 52) das Modell auch, um strukturelle Kopplungen zwischen System und Umwelt darzustellen. Damit ist zumindest die einseitige Wirkrichtung aufgehoben; allerdings sind damit einige Wechselwirkungen zwischen den Kreisen noch nicht erklärt, wie etwa die Auswirkungen der Professionalisierungsbestrebungen der Medienakteure auf die professionellen und ethischen Standards im Normenkontext oder die Bedeutung von Rechtsnormen als rechtliche Zwänge der Medieninstitutionen.

In einer Weiterentwicklung des Modells hat Esser (1998, nach Kunczik/Zipfel 2001: 160 f.) die komplexen wechselseitigen Beeinflussungsprozesse der Modellkreise kenntlich gemacht. Hiernach prägen die Faktoren der äußeren Schalen Selbstverständnis und Handeln der Akteure im „Kern“ des Modells und verhindern gleichzeitig, dass subjektive Motive sich ungehindert in den Medieninhalten niederschlagen. Das Fehlen einer Vorgabe in Weischenbergs Modell, wie die gegenseitigen Einflüsse der Kreise bzw. Kontexte zu verstehen und theoretisch zu modellieren sind, ermöglicht es, verschiedene Erklärungen zuzulassen. So können die gegenseitigen Beeinflussungen unter anderem als strukturelle Kopplung von Systemen oder als Handlungsbedingungen (Raabe 2005: 79) gefasst werden. Die Faktoren der äußeren Kreise können ferner als systemische „constraints“ konzipiert werden, nach denen sich Medienakteure richten. 9

Weischenbergs Modell der „Kontexte des Journalismus – Gegenstände der Journalistik“ lässt sich mit einigen wenigen Abwandlungen auch auf eine Systematik der Kontexte der Public Relations und Gegenstände der PR-Forschung übertragen. Das Ziel ist hier, einen theoretischen Anknüpfungspunkt für die verfassungsrechtlichen Bedingungen der Regierungs-PR zu ermitteln. Die einzelnen Möglichkeiten, die Wechselwirkungen von Recht und PR theoretisch zu fassen, können für diese Arbeit außer Acht gelassen werden und Gegenstand weiterer Forschung sein.

2.2 Kontexte der PR – Gegenstände der PR-Forschung

Ein Modell der Kontexte der Public Relations und Gegenstände der PR-Forschung kann als Grundlage für ein „Inventar“ kommunikationswissenschaftlicher Beiträge zu Public Relations dienen (vgl. Weischenberg 2004: 69), so wie Weischenberg dies für den Journalismus vornimmt. Der Vorteil liegt darin, die vielfältigen Ansätze und Herangehens-weisen der PR-Forschung in eine Übersicht zu bringen, in der zunächst jede Art und Weise, Erkenntnisse über die einzelnen Bereiche zu gewinnen, den einzelnen Kreisen zugeordnet werden und den „body of knowledge“ erweitern kann. Dadurch werden, statt nach unterschiedlichen Ansätzen zu trennen 10, gerade die gemeinsamen Bezugspunkte verdeutlicht. Die Kreise des Modells stehen, wie beschrieben, sowohl für Forschungs-bereiche als auch für Einflüsse auf praktisches Handeln.

Eine solche Zusammenführung von Praxis und Theorie, theoretischen und empirischen Erkenntnissen sowie von system- und akteurszentrierten Konzepten wird in der PR-Forschung seit langem gefordert (Röttger 2004: 15 ff.). Gleichzeitig ermöglicht die Einteilung von Kontexten des PR-Handelns eine Differenzierung der Bereiche, in denen PR betrieben wird, wie sie ebenfalls gefordert wird (Röttger 2004: 19). Schon Saxer betont die unterschiedliche Funktionalität von PR für die verschiedenen gesellschaftlichen Funktionssysteme (Saxer 1992: 68 ff.). So kann, wie hier vorgenommen, ein bestimmter rechtlicher Normenkontext – der Regierungs-PR - näher untersucht werden, oder auch der Strukturkontext bestimmter Organisationstypen – beispielsweise von PR-Agenturen – erforscht werden. Zunächst wird an dieser Stelle das auf den Journalismus bezogene Modell Weischenbergs auf die PR übertragen, um danach näher auf den rechtlichen Normenkontext der Regierungs-PR eingehen zu können.

Während Journalismus als Konstruktion von Wirklichkeit gefasst werden kann, kann PR als Konstruktion wünschenswerter Wirklichkeiten in Form von Images gesehen werden (Merten/Westerbarkey 1994: 210; vgl. auch Weischenberg 1995: 211). Diese Konstruktion wünschenswerter Wirklichkeiten durch PR wird ebenfalls von gesellschaftlichen Bedingungen und Normen, von strukturellen Zwängen sowie Funktions- und Rollenzusammenhängen geprägt. Hieraus ergeben sich Einflussfaktoren auf das PR-Handeln, die Gegenstand der PR-Forschung sein sollten. In einem dem Modell Weischenbergs analog angelegten Modell stellen die einzelnen Kreise somit Kontexte des PR-Handelns und Gegenstände der PR-Forschung dar.

Den äußeren Kreis des Normenkontextes bilden das Gesellschaftssystem, die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen 11, historische und rechtliche Grundlagen, die politischen Bedingungen, sowie professionelle und ethische Standards. In diesem Kreis sind unter anderem Ansätze einzuordnen, welche nach den gesellschaftlichen Bedingungen der PR fragen (z.B. Ronneberger/Rühl 1992, Saxer 1992), sowie Ansätze, welche die historische Entwicklung der PR (z.B. Szyszka 1997, Kunczik 1997, Cutlip 1997) oder ihre ethischen und professionellen Grundlagen untersuchen (Förg 2004). 12

Der nächste Kreis, der Strukturkontext der PR, umfasst einerseits die ökonomischen, politischen, technologischen und organisatorischen Imperative, die auf die Organisation, in der oder in deren Auftrag PR betrieben wird, einwirken. Dazu gehören unter anderem die Veränderung der Bedingungen durch Globalisierung und Internationalisierung (Andres 2004). Andererseits ist die PR-Abteilung, aber auch die PR-Agentur in die Struktur der jeweils Auftrag gebenden Organisation eingebunden und entsprechenden Zwängen unterworfen. 13 Die Bedingungen der Kommunikation in Organisationen werden insbe-sondere im Schnittpunkt der PR- mit der Organisationsforschung untersucht (z.B. Theis-Berglmair 2003; Herger 2004; L. Grunig 1992).

Der dritte Kreis stellt den Funktionskontext dar, in dem es um die Bedingungen der Konstruktion wünschenswerter Wirklichkeiten durch PR und die Leistungen der PR geht. In diesem Zusammenhang wird nach den Zielgruppen, den Instrumenten und typischen Darstellungsformen sowie den Wirkungen der PR und den „Rückwirkungen“ der Zielgruppen auf die PR gefragt. Hier sind Ansätze einzuordnen, die auf das Verhältnis von PR und Journalismus eingehen (z.B. Bentele/Liebert/Seeling 1997; Baerns 1991), wodurch die Leistungen und Wirkungen von PR in Hinblick auf die Zielgruppe der Journalisten näher bestimmt werden können.14 Ferner gehören Studien zu den Instrumenten der PR-Arbeit (zur Evaluation: Baerns 1995; Besson 2008) zum Funktionskontext. Instrumente der PR sind im Rahmen der Pressearbeit auch journalistische Darstellungsformen, des Weiteren Werbeformen wie Anzeigen oder Plakate, sowie PR-spezifische umfassende Maßnahmen wie PR-Kampagnen (dazu z.B. Röttger 2006).

Im innersten Kreis des Modells steht der Rollenkontext, der demographische Merkmale, soziale und politische Einstellungen, das Image des Berufsstands, das Selbstverständnis der PR-Akteure sowie ihre Professionalisierung und Sozialisation (z.B. Wienand 2003; Bentele/Szyszka 1995) umfasst.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Ökonomische Imperative
- Politische Imperative
- Organisatorische Imperative
- Technologische Imperative

Akteure (Rollenkontext)

- Demographische Merkmale
- Soziale und politische Einstellungen
- Rollenselbstverständnis, Image des Berufsstands
- Professionalisierung, Sozialisation

„Kontexte der PR – Gegenstände der PR-Forschung“, eigene Darstellung in Anlehnung an Weischenbergs Modell des Journalismus (vgl. dazu: Weischenberg 2004: 71)

Anhand des hier erstellten Modells können die Gegenstände der PR-Forschung entsprechend der Einflussfaktoren auf das PR-Handeln eingeordnet werden, anstatt nach theoretischer Herkunft oder wissenschaftlicher Disziplin. Damit ist ein Ansatzpunkt für die theoretische Einbindung der verfassungsrechtlichen Untersuchung der Regierungs-PR gefunden. Eine interdisziplinäre Herangehensweise wurde bereits von Ronneberger/Rühl für die PR-Forschung und von Weischenberg für die Journalistik vorgeschlagen und für gewinnbringend erachtet (vgl. Ronneberger/Rühl 1992: 229; Weischenberg 2004: 70).

2.3 Der rechtliche Normenkontext der Regierungs-PR

Nachdem das Modell von Weischenberg auf die PR-Forschung übertragen worden ist, kann nun der im äußersten Kreise des Modells dargestellte rechtliche Normenkontext der Regierungs-PR näher bestimmt werden.

So wie das Recht Bedingungen für die Konstruktion von Wirklichkeit durch den Journalismus setzt, setzt es auch Bedingungen für die Konstruktion wünschenswerter Wirklichkeiten durch PR. Dies geschieht auf dem Wege der normativen Aufgabenzuweisung und Grenzziehung, die zum Teil bestimmen, welche zulässigen Zwecke auf welchen Wegen bis zu welchen Grenzen PR verfolgen darf. Durch die Sanktionsmöglichkeiten des Rechts, die durch Klagen vor Gericht durchgesetzt werden können, richtet sich in gewissem Maße das Handeln der PR-Akteure an den rechtlichen Vorgaben aus. Für den rechtlichen Normenkontext der Regierungs-PR gelten einige besondere Aspekte: erstens ist der staatliche Bereich insgesamt weit gehender formalisiert als nichtstaatliche Bereiche. Zweitens ist die Regierung als Staatsorgan direkt an das Grundgesetz gebunden. Drittens wird diese Bindung der Staatsorgane an die Verfassung vom Bundesverfassungsgericht kontrolliert. Der rechtliche Normenkontext der Regierungs-PR wird somit besonders durch die rechtlichen Bestimmungen geprägt, die sich aus dem Grundgesetz und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben.

Im Gegensatz zur Kommunikation in nichtstaatlichen Bereichen sind die maßgeb-lichen staatlichen Kommunikationsprozesse entsprechend der Grundsätze von Demokratie und Rechtsstaat rechtlich „hochformalisiert“. Vor allem die internen, aber auch die externen Kommunikationsbeziehungen von Regierungen und Behörden sind durch das Grundgesetz, die jeweiligen Landesverfassungen und spezielle Gesetze sowie Geschäfts-ordnungen weitgehend geregelt (Gebauer 1998: 464 ff.). Größtenteils regelt die Verfassung Aufbau, Organisation und Grenzen der staatlichen Organe und ihrer Tätigkeiten. Das in der Verfassungsurkunde festgehaltene Recht15 wird als „Verfassungsrecht“ bezeichnet. Es macht einen Teil des gesamten Staatsrechts aus und ist damit größtenteils öffentliches Recht, enthält darüber hinaus jedoch auch Regelungen, die inhaltlich anderen Rechtsbereichen zuzuordnen sind (Maurer 2007: 10 ff., Hesse 1999: 11 Rn. 8).

Das Grundgesetz bindet ausschließlich den Staat als unmittelbar geltendes Recht. Die Verfassung zielt auf die Regelung und Begrenzung der Staatsgewalt sowie den Schutz der Freiheiten und Rechte der Bürger ab. Durch die Bindung von Gesetzgeber und Rechtsprechung wirken die verfassungsrechtlichen Leitgedanken darüber hinaus auch auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Bürgern und sonstigen Privatrechtssubjekten. Im Übrigen sind diese vornehmlich durch das Privatrecht geregelt, dem aus der historischen politisch-gesellschaftlichen Entwicklung heraus eine andere Funktion zugewiesen ist: das Privatrecht geht von der Freiheit und Privatautonomie des einzelnen Menschen aus und dient der Regelung von Interessenkonflikten zwischen Privatrechtssubjekten. Diese Unterscheidung hat eine grundsätzliche Dimension, die sich darin zeigt, dass im Bereich des Staates die Machtbegrenzung, im privatrechtlichen Bereich dagegen die Bewahrung der Freiheit des Einzelnen im Vordergrund steht (vgl. Maurer 2007: 6 ff.). Daher besteht ein grundlegender Unterschied

„zwischen der Inanspruchnahme grundrechtlich gewährleisteter Freiheit und der Wahrnehmung staatlicher Kompetenzen. Die Erklärungen von Verfassungsorganen wie der Bundesregierung ... erfolgen ... in Ausübung einer kompetenzrechtlich fundierten pflichtigen Organfunktion, die mit der Beliebigkeit und Willkür des Gebrauchs grundrechtlicher Freiheit nichts gemein hat“ (Bethge 1985: 721).

Über die Einhaltung des Verfassungsrechts wacht seit 1951 das Bundesver-fassungsgericht. Die Zuständigkeiten des BVerfG ergeben sich größtenteils unmittelbar aus dem Grundgesetz, insbesondere Art. 93 GG, sowie aus dem Bundesverfassungsgerichts-gesetz (BverfGG). Das Bundesverfassungsgericht ahndet Eingriffe in die Grundrechte der Bürger, wenn der Betroffene Verfassungsbeschwerde erhebt. Es kontrolliert ferner im Zuge der Normenkontrolle im Einzelfall oder abstrakt die Vereinbarkeit einer Rechtsnorm mit dem Grundgesetz. Auch Streitigkeiten zwischen den Organen des Bundes und zwischen Bund und Ländern werden vom Bundesverfassungsgericht entschieden. Insgesamt wacht das BVerfG über die Einhaltung der verfassungsmäßigen Zuständigkeits-und Verfahrensordnung und passt die Grenzen staatlicher Machtausübung immer wieder an die gesellschaftliche Realität entsprechend der Notwendigkeiten des jeweiligen Verfahrens an 16 (vgl. Stein/Frank 2007: 184 ff.).

Das Bundesverfassungsgericht stellt einen wesentlichen Machtfaktor im politischen System dar. Es ist ein Verfassungsorgan und hat somit gegenüber den übrigen Gerichten der Bundesrepublik eine herausgehobene Stellung inne. In verfassungsrechtlichen Fragen kommt dem BVerfG die letzte Entscheidungskompetenz zu. Die anderen Verfassungsorgane und die übrige Rechtsprechung haben seiner Verfassungsinterpretation zu folgen. 17 Diese gelten nach § 31 I BverfGG nicht wie im Zivilrecht nur für die Prozessparteien, sondern binden alle Verfassungsorgane, Gerichte und Behörden von Bund und Ländern. In einigen Verfahren hat die Entscheidung des BVerfG Gesetzeskraft (§ 31 II BVerfGG). Zudem kann das BVerfG die Entscheidungen aller anderen Staatsorgane aufheben (vgl. Vorländer 2006: 190 ff.).

In der Bindungswirkung der Entscheidungen des BVerfG liegt das „juristische Mittel zur Anpassung der politischen Wirklichkeit an die Verfassung“ (Stein/Frank 2007: 185). Umstritten ist, ob nur die mithilfe der Gründe ausgelegte Entscheidungsformel oder auch die tragenden Entscheidungsgründe an der Bindungswirkung teilhaben. Das Bundesverfassungsgericht beansprucht eine Bindung auch an die tragenden Entscheidungsgründe, das heißt, an die Gründe, welche für das Urteilsergebnis von wesentlicher Bedeutung sind. Stein/Frank befürworten zumindest eine Ausdehnung der Bindungswirkung auf „diejenigen verfassungsrechtlichen Fragen, die im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht im Mittelpunkt standen“ (Stein/Frank 2007: 185 f.). Das BVerfG kann sich allerdings zur Durchsetzung seiner Entscheidungen auf keinerlei Zwangsgewalt stützen. Die Macht des Gerichts stützt sich auf die Anerkennung dieser Macht, die aus dem hohen symbolischen Gehalt, der der Verfassung zugeschrieben wird, und dem Maß an Zustimmung zum Grundgesetz resultiert. Letztlich sind es die möglichen politischen Auswirkungen einer Missachtung der Urteile des BVerfG, welche die Staatsorgane an dessen Entscheidungen binden. Der Rückhalt des Gerichts und der Verfassung im Staatsvolk und bei den staatlichen Machtträgern sowie der Einfluss der öffentlichen Meinung schaffen die Voraussetzungen für die Durchsetzung seiner Entscheidungen (vgl. Vorländer 2006: 197 ff., Stein/Frank 2007: 16 ff.).

Das Bundesverfassungsgericht gestaltet als zentraler juristischer Akteur die rechtlichen Grundlagen der Kommunikationsordnung Deutschlands (Hoffmann-Riem 1998: 155). Da das Grundgesetz für den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit keine ausdrücklichen Regelungen beinhaltet, mussten Rechtsprechung und Rechtswissenschaft dafür erst Leitlinien herleiten und entwickeln. Verfassungsrecht und Verfassungsgerichts-barkeit gestalten somit hauptsächlich den spezifischen verfassungsrechtlichen Normenkontext der Regierungs-PR.

3. Rechtswissenschaftliche Perspektive – kommunikationswissenschaftliches Erkenntnisinteresse

Eine zentrale Problematik dieser Arbeit liegt darin, dass der verfassungsrechtliche Normenkontext eines kommunikationswissenschaftlichen Forschungsgegenstands – der Regierungs-PR – aus rechtswissenschaftlicher Perspektive untersucht wird. Daher werden hier kurz die unterschiedlichen Arbeitsmethoden und Erkenntnisgegenstände der Rechts-wissenschaft im Gegensatz zu denen der Kommunikationswissenschaft bzw. von deren Teilbereich, der Public Relations-Forschung, vorgestellt. Dabei erfolgt auch eine kurze Darstellung der juristischen Methoden der Interpretation, mithilfe derer Aufgaben, Grenzen und Legitimität der Regierungs-PR aus den abstrakten Normen der Verfassung hergeleitet werden. Im Anschluss daran wird der Begriff der PR näher bestimmt, indem auf kommunikationswissenschaftliche, praktische und juristische Annäherungen an den Begriff eingegangen wird.

3.1 Kommunikationswissenschaft – Rechtswissenschaft: Gegenstände, Zielsetzung und Methodik

Die Kommunikationswissenschaft beschäftigt sich als Sozialwissenschaft mit den Abläufen und Ergebnissen menschlichen Handelns (Kunczik/Zipfel 2001: 19 Fn. 5). Ihre Erkenntnisgegenstände sind vorrangig die massenmedial vermittelte und damit öffentliche Kommunikation, aber auch relevante Aspekte der Individualkommunikation. Die PR-Forschung ist wie die Journalistik ein Teilbereich der Kommunikationswissenschaft18 (Burkart/Hömberg 2007: 2). Die Kommunikationswissenschaft arbeitet sowohl theoretisch als auch mit empirischen Methoden und zeichnet sich durch interdisziplinäre Bezüge und multidisziplinäre Ansätze mit „Anleihen“ beispielsweise aus der Organisationssoziologie, der Wirtschaftswissenschaft, Politikwissenschaft oder Linguistik aus (vgl. Kunczik/Zipfel 2001: 19 f.). Besonders die PR-Forschung nutzt zum Erkenntnisgewinn die „Berücksichtigung möglichst vieler dem Gegenstand nützlicher Bereiche“ (Avenarius/ Armbrecht 1992: 12). Das wissenschaftliche Erkenntnisinteresse der Kommunikations-wissenschaft liegt in der Erforschung von (öffentlicher) Kommunikation und (Massen-) Medien, ihrer Kommunikatoren, Aussagen, Wirkungen, Rezipienten und Organisation.

Die Theorien der Kommunikationswissenschaft sollen der Beschreibung und Erklärung ihres jeweiligen Gegenstandsbereiches dienen sowie Vorhersagen treffen und damit eine systematische, zielgerichtete Einflussnahme ermöglichen. Darüber hinaus können sie eine heuristische Funktion haben, also weitere Forschung und Theoriebildung anregen (Kunczik 2002: 70 f. unter Bezugnahme auf Hazleton/Botan 1989). Theorien dienen dabei einerseits als Rahmen und Ausgangspunkt für empirische Forschung, andererseits werden sie durch die Ergebnisse empirischer Studien falsifiziert oder ihre Annahmen vorläufig gestützt (Kunczik/Zipfel 2001: 21 ff.).

Sozialwissenschaftliche Theorien werden oft danach eingeteilt, ob sie auf die Gesellschaft (Makro-Ebene), die Organisation (Meso-Ebene) oder auf Individuen und Kleingruppen bzw. die Handlungen von Akteuren (Mikro-Ebene) bezogen sind (vgl. Kunczik 2002: 73 f.). In der PR-Forschung entspricht diese Einteilung in etwa unterschiedlichen theoretischen Paradigmen und Fragestellungen. So beziehen sich zumeist systemtheoretische Ansätze auf die Makro- oder die Meso-Ebene und fragen nach der Funktion von PR für gesellschaftliche Teilsysteme bzw. das Organisationssystem. Auf der Mikro-Ebene finden sich vorrangig akteurstheoretische Ansätze, die nach dem PR-Handeln von Organisationen und Individuen fragen.

Der Bezug der PR-Forschung zur Praxis gestaltet sich problematisch. Auf der einen Seite hat dies wissenschaftsethische Gründe: Da PR immer im Auftraggeberinteresse stattfindet, kann jede der Praxis nützende Forschung schnell in den Verdacht geraten, den Interessen bestimmter Kreise zu dienen.19 Auf der anderen Seite wird der Praxis mangelndes Interesse an nicht unmittelbar den eigenen Interessen dienenden Erkenntnissen und Theorien vorgeworfen (Avenarius 2000: 37 f., Kunczik 2002: 88 ff.). Grundsätzlich wird das Ziel der PR-Forschung ausdrücklich nicht in einem „Dienstleistungsbetrieb für einzelne Praktiker“, sondern vorrangig in der Erstellung allgemeiner Theorien gesehen (Avenarius/Armbrecht 1992: 8). Sie hat aber dennoch praktische Relevanz, etwa für die Professionalisierung des Berufsfeldes, die Entwicklung ethischer Normen, sowie durch die generelle Erweiterung des Verständnisses der PR und die Erschließung der Wirklichkeit der PR-Praxis (Avenarius/Armbrecht 1992: 10). Die Praxis kann wiederum als Untersuchungsgegenstand dienen und wissenschaftlich kritisch reflektiert werden.

Die Rechtswissenschaft kann einerseits zu den Geisteswissenschaften gerechnet werden, da sie sich primär mit dem Verstehen und dem Anwenden von Texten, nämlich Rechtsnormen, befasst und auch die geisteswissenschaftliche Methode der Hermeneutik nutzt (Horn 2007: 32 ff. Rn. 46, 48). Die juristische Arbeit ist aber im Unterschied zu anderen Textwissenschaften an der Auslegung von normativen Texten in Hinblick auf die Entscheidung von Konflikten orientiert (Horn 2007: 32 Rn. 46). Gegenstand der Rechtswissenschaft ist das Recht; sie befasst sich vor allem mit der Auslegung von Gesetzestexten und der Rechtsentwicklung. Teilbereiche der Rechtswissenschaft sind darüber hinaus Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie und Rechtssoziologie, welche die historischen Grundlagen und philosophische bzw. soziologische Fragen des Rechts behandeln (Horn 200: 29 Rn. 41). Die dogmatischen Fächer – insbesondere öffentliches Recht, Strafrecht und Privatrecht – befassen sich mit dem geltenden positiven Recht.

Die Rechtswissenschaft verfügt über eine spezifische wissenschaftliche Methodik. Sie greift auf die Erfahrungen in Rechtsprechung und Konfliktlösung sowie auf die juristischen Methoden der Interpretation zurück. Auch Gedankenexperimente in Form einer Lösung fiktiver Fälle gehören zu den Grundlagen juristischer Ausbildung. Zentrales Element der Rechtsfindung ist zudem die Argumentation. Da es immer um die Entscheidung eines Konfliktes und die Abwägung der Interessen der beteiligten Parteien geht, muss die Subsumtion unter die einschlägige Rechtsnorm20 durch das Abwägen von Gründen ergänzt und erklärt werden (Horn 2007: 33 Rn. 47). Wissenschaftliche Erkenntnisse anderer Disziplinen werden genutzt, um der für den jeweiligen Konflikt „richtigen“ Lösung näher zu kommen und die Argumentation zu stützen. In erster Linie geht es jedoch darum, eine Entscheidung zu treffen und diese zu begründen oder die Entscheidungen der Rechtssprechung sowie Gesetzestexte zu verstehen und zu kritisieren (vgl. C. Engel 1998: 12 ff.). Die zentrale Aufgabe der Rechtswissenschaft liegt in der Bereitstellung von Lösungen für die Rechtsanwendung und Rechtsbildung. Sie ist damit in weit stärkerem Maße angewandte Wissenschaft selbst als die von Kunczik (2002: 93) als „angewandte Kommunikationswissenschaft“ bezeichnete PR-Forschung. Die Rechts-wissenschaft stellt dem rechtsanwendenden Juristen Argumente und Möglichkeiten der Interpretation des geltenden Rechts bereit und systematisiert den Rechtsstoff durch Methoden- und Theoriebildung (Horn 2007: 35 ff.). Sie richtet sich dabei nach vorhandenen Rechtsgrundlagen, dem entwickelten Rechtsverständnis und dem jeweils betroffenen Realbereich.

Rechtsprechung und Rechtswissenschaft arbeiten dabei stets normativ und streben danach, das normativ Richtige durch Auslegung und Konkretisierung zu ermitteln. „Gerechtigkeit ist die in jeder Rechtsfrage mitgedachte Sinnfrage des Rechts“ (Horn 2007: 241 Rn. 415).21 Den Idealen der Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit wird in Gestalt der Grundrechte und der rechtsstaatlich-demokratischen Staatsordnung Ausdruck verliehen, sie „sind damit zu konkreten, unmittelbar anwendbaren positiven Rechtsnormen geworden“ (Horn 2007: 278 Rn. 454). Die Verfassungsinterpretation und –konkretisierung obliegt dem Bundesverfassungsgericht als letztentscheidendem Gericht (vgl. 2.3). Das Gericht greift dabei auf die juristischen Methoden der Auslegung zurück, die auch von der Rechtswissenschaft für die Argumentation und für die Kritik an der Rechtsprechung verwendet werden.

Die Auslegung verfassungsrechtlicher Vorschriften erfolgt erstens durch sprachliche Interpretation, das heißt aufgrund der Zusammenhänge zwischen Wortlaut, grammatikalischer Form, Satzbau und Wortbedeutung. Dabei geht es nicht in erster Linie um das Verständnis der Worte im alltäglichen Sprachgebrauch, sondern um ihre etwaige Bedeutung gemäß der juristischen Fachsprache des jeweiligen Rechtsgebiets. Zweitens ist die historische Interpretation ein wichtiger Ansatzpunkt, um aus der Entstehungs- und Anwendungsgeschichte zu ersehen, was unter den damaligen Umständen mit der jeweiligen Regelung beabsichtigt wurde. Auch ähnliche oder gleiche Vorschriften historischer Vorbilder – im Rahmen der Verfassung vor allem der Weimarer Reichsverfassung – bieten Anhaltspunkte für die Zielsetzung der Rechtsvorschriften. Die systematische Interpretation betrachtet drittens die rechtlichen Zusammenhänge, in die ein Rechtssatz eingeordnet ist. Durch die Berücksichtigung des Kontextes der anderen Bestimmungen des Grundgesetzes wird die jeweils zu interpretierende Norm in den „geistigen Zusammenhang“, also die grundlegende Zielsetzung aller Normen des Grundgesetzes eingeordnet. In der Auslegung müssen Widersprüche zwischen den einzelnen Normen des Grundgesetzes nach Möglichkeit vermieden werden, um seine normative Kraft nicht zu schwächen.

Als vierte Art der Interpretation wird meist die teleologische Interpretation genannt, die nach dem Zweck einer Vorschrift fragt.22 Hier wird danach gefragt, welchen Sinn eine Norm hat. Es geht darum, das Recht entsprechend der jeweils verfolgten Zielrichtung auf konkrete Konflikte anzuwenden, also auch nach der rechtlich und gesellschaftlich gewünschten Lösung zu fragen, welche mit der jeweiligen Norm angestrebt wird.

So werden alle genannten Arten der Interpretation angewandt, um herauszufinden, was mit einer Rechtsnorm „gewollt“ ist. Nach Stein/Frank sind dafür „die Not-wendigkeiten der [das Recht] tragenden sozialen Gemeinschaft“ maßgeblich.23 Ist ein bestimmter Sachverhalt in der Verfassung noch gar nicht geregelt, ist eine Verfassungskonkretisierung notwendig. Hierbei wird eine Lösung für ein neu aufgetretenes oder bisher nicht gesehenes Problem neu entwickelt, sofern sich durch die genannten Auslegungsmethoden keine Lösung aus der Verfassung selbst entwickeln lässt. Dies geschieht unter Abwägung der Entscheidungsalternativen, der betroffenen Interessen, und der möglichen gesellschaftlichen Folgen der jeweiligen Entscheidung. Auch hier müssen die Werte der Verfassung (vgl. 4.1, 4.2) Maßstab bleiben (Stein/Frank 2007: 36 ff.; vgl. auch Hesse 1999: 20 ff. Rn. 49 ff.; Maurer 2007: 18 ff.).

Während also die Kommunikationswissenschaft anstrebt, Aussagen über die Wirklichkeit oder über die Konstruktion von Wirklichkeit durch Kommunikation zu treffen, liegt das Ziel der Rechtswissenschaft vorrangig darin, das normativ Richtige und Begründbare herauszufinden. Ein besonderer Aspekt der Rechtswissenschaft liegt darin, dass normative Vorschriften auf einen bestimmten Wirklichkeitsausschnitt praktisch angewendet werden. Rechtsanwender und Rechtswissenschaftler wollen „Wirklichkeit nicht nur begreifen, sondern gestalten“ (C. Engel 1998: 15). Dies liegt im Geltungsan-spruch des Rechts begründet: Recht muss angewendet werden (Horn 2007: 111 Rn. 163).

In der auch durch Sanktionen gewährleisteten Verbindlichkeit rechtlicher Vorschriften sowie in der Bezugnahme auf normative gesellschaftliche Werte liegt die Relevanz der rechtswissenschaftlichen Perspektive für die Kommunikationswissenschaft begründet. Daher nutzt diese Arbeit rechtswissenschaftliche Methodik und Argumentation, legt den Fokus jedoch auf das kommunikationswissenschaftliche Erkenntnisinteresse am geltenden rechtlichen Normenkontext der Regierungs-PR. Im nächsten Abschnitt wird aus diesem Grund sowohl auf kommunikationswissenschaftliche als auch auf juristische Annäherungen an den Begriff der Regierungs-PR eingegangen, des weiteren auf Auffassungen von „Praktikern“ der Regierungs-PR, um den Gegenstand der Arbeit näher zu bestimmen.

3.2 Begriffliche Annäherungen

„In Abhängigkeit bestimmter disziplinärer Blickwinkel auf Public Relations bzw. Öffentlichkeitsarbeit entstehen unterschiedliche Begrifflichkeiten und Verständnisse und eine kaum mehr zu überblickende Anzahl von Definitionen. ... die Vielzahl an Begriffen ist verwirrend“ (Fröhlich 2008: 95). Diese Aussage Fröhlichs zur „Problematik der PR-Definition(en)“ beschreibt treffend die bisherigen Ergebnisse der Suche nach einer Definition von PR.

In der kommunikationswissenschaftlichen PR-Forschung wird die Diskussion um eine Definition des Begriffes seit den ersten Systematisierungsbemühungen von der Frage bestimmt, was PR bewirken soll. Unterschiedliche Perspektiven und die Vielfalt der PR-Maßnahmen und PR-Zielsetzungen erschweren eine einheitliche Begriffsfassung.

Die Praktiker 24 der Regierungs-PR betonen statt der gemeinsamen Aspekte aller PR-Bereiche gerade die Besonderheiten der Regierungs-PR gegenüber der PR vor allem von Wirtschaftsunternehmen. Die Praxis bildet vorrangig die Grundlage für den PR-Begriff der Rechtsprechung, da sie den Gegenstand rechtlicher Regelungen so bezeichnen muss, dass ein Sachverhalt unter den formulierten Tatbestand subsumierbar ist. Aus diesem Grund wird auf die Sichtweise der Praktiker eingegangen.

Auch die Rechtsprechung hat bisher auf eine abschließende Definition dessen, was PR umfasst, verzichtet. Dem Bundesverfassungsgericht geht es darum, angesichts der Vielzahl der PR-Maßnahmen nicht durch eine zu enge Begriffsfassung gewisse PR-Tätigkeiten in der rechtlichen Regelung unberücksichtigt zu lassen. Daher wird der Begriff Öffentlichkeitsarbeit – das BVerfG verwendet nicht die Bezeichnung PR – sehr weit gefasst und nicht abschließend bestimmt. In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird dafür plädiert, den Begriff enger zu fassen, insbesondere darstellende Öffentlichkeitsarbeit von Informationsmaßnahmen abzugrenzen. Eine allgemein anerkannte Definition ist jedoch auch von dieser Seite noch nicht geleistet worden.

[...]


1 Stellvertretender Sprecher der Bundesregierung Thomas Steg im Vortrag „Regierungskommunikation – Politikvermittlung zwischen Information und Marketing“ der Vorlesungsreihe „Medien und Demokratie“ des OSI-Clubs am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin am 09.06.2008.

2 Die Begriffe Public Relations (Kurzform: PR) und Öffentlichkeitsarbeit werden synonym verwendet.

3 Im Folgenden bezieht sich der Begriff „Regierung“ auf die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland, soweit nicht ausdrücklich anders bestimmt.

4 „Gubernative“ oder Regierung bezeichnet die Staatsleitung im engeren Sinne, als leitende, auf das Staatsganze bezogene Tätigkeit mit weit gefasstem rechtlichem Rahmen und politischem Gestaltungsspielraum. Die Administrative oder Verwaltung hingegen ist in engerem Sinne die Ausführung von Gesetzen und deren Anwendung im Einzelfall. Administrative und Gubernative zusammen machen die Exekutive oder vollziehende Gewalt aus (vgl. dazu auch Hesse 1999: 226 ff., insbesondere Rn. 531, 536).

5 Dies kritisiert Szyszka (1997) an der bisherigen Forschung zur PR-Geschichte, die sich in der bloßen Aufzählung von Einzelfällen erschöpfe und Geschichte der PR als Marginalie, als „schmückendes Beiwerk“ (Szyszka 1997: 133) abtue. Ähnlich ist dies beim PR-Recht der Fall. Rechtliche Anforderungen der PR werden z.B. im Handbuch PR (Bentele/Fröhlich/Szyszka 2008) dem beruflichen Handeln, nicht den Theorieansätzen zugeordnet und bei diesen auch nicht berücksichtigt.

6 Weischenberg (1990; vgl. auch Weischenberg 2004: 69) prägte die Metapher von der „Zwiebel“, als die sich der Journalismus darstellen lässt. Den „Zwiebelschalen“ entsprechen die einzelnen Kreise des Modells.

7 Raabe (2005: 80 f. Fn. 263) identifiziert noch darunter einen „Handlungszusammenhang“, da Weischenberg selbst noch nach „konkreten Entscheidungssituationen“ sowie nach der Verantwortung der Akteure für das Handeln im System frage.

8 Löffelholz (2004: 52) kritisiert gerade die mangelnde Kompatibilität des Ansatzes mit der Theorie autopoietischer sozialer Systeme; Raabe (2005: 79 f.) hingegen zeigt auf dass es weniger um systemtheoretische Reflexion als vielmehr um die Modellierung des Journalismus „als ein institutionalisierter Zusammenhang mit unterschiedlichen Sphären“ geht, durch welche die Faktoren, welche die Aussagenentstehung beeinflussen, identifiziert und systematisiert werden sollen.

9 Schimank (1985) nimmt eine Verbindung von Akteurs- und Systemtheorie durch das Konzept systemischer „constraints“ vor, welche als Handlungsbegrenzungen von Akteuren wirken. Gerhards (1994) geht auf dieses Konzept ein und führt weiter aus, dass gesellschaftliche Teilsysteme generalisierte Handlungsorientierungen von Akteuren darstellten, durch welche die Ziele der Akteure und die legitimen Mittel zur Zielereichung extern definiert würden (Gerhards 1994: 80 f.). Da Recht stets beansprucht, rechtlich zulässige und im Prinzip auch gesellschaftlich legitime Mittel als solche zu normieren, und damit verbindliche Richtlinien zu schaffen, scheint es m. E. viel versprechend, diesen Ansatz auf rechtliche Bedingungen für Medien- oder PR-Akteure zu übertragen.

10 Vgl. beispielsweise die Systematiken des Handbuchs PR (Bentele/Fröhlich/Szyszka 2008), von Signitzer (2007), oder bei Kunczik (2002). Löffelholz (2004: 49 ff.) betont die Nützlichkeit des Modells als Übersicht und Systematik der Journalismusforschung.

11 Auch die vorhandene Medienlandschaft gehört zu den Rahmenbedingungen der PR, da von ihr zum Großteil die Möglichkeiten zur Verbreitung von PR-Botschaften abhängen.

12 Dass ethische und professionelle Grundlagen zum einen gesellschaftliche Rahmenbedingung, zum anderen aber Teil des Berufsfeldes und der Professionalisierung sind, zeigt die umfassende Darstellung von Perspektiven auf „Moral und Ethik der PR“ von Förg (vgl. auch Weischenberg 2004: 219 f. zur Professionsethik).

13 Bei Weischenberg werden im Strukturkontext die Zwänge, die auf Medieninstitutionen einwirken, aber auch die Redaktion als organisiertes soziales System betrachtet (Weischenberg 2004: 287 ff.). Da die PR in einer Organisation grundsätzlich nur eine sekundäre Funktion inne hat (Szyszka 2004; Röttger/Jarren 2004), unterteilt sich der Strukturkontext hier deutlicher als beim Journalismus in Zwänge von außen, denen die Organisation selbst unterworfen ist, und Zwänge innerhalb der Organisation, die sich auf die PR-Abteilung oder –Agentur auswirken. Die äußeren Zwänge können also intern „abgefedert“ werden, oder interne Zwänge – beispielsweise Budgetkürzungen – können unabhängig von äußeren Zwängen auftreten.

14 Entsprechend wird die PR in Weischenbergs Modell unter Quellen und Bezugsgruppen im Funktionskontext des Journalismus berücksichtigt (Weischenberg 1995: 207 ff.).

15 Verfassungsgewohnheitsrecht gibt es nur in wenigen Fällen.

16 Zu den einzelnen Verfahrensarten vgl. Art. 93 GG und § 13 BverfGG; Stein/Frank 2007: 189 ff., 225 ff.; Pieroth/Schlink 2008: 297 ff.; Hesse 1999: 280 ff.; Degenhart 2006: 277 ff..

17 Auch wenn dies keineswegs bedeutet, dass die Urteile des BVerfG die öffentliche und politische Diskussion stets beenden (Haltern 2006: 47).

18 PR-Forschung wird als Teilbereich des Faches Publizistik- und Kommunikationswissenschaft gelehrt; PR wird aber auch teilweise etwa der Organisations- oder Marketing-Lehre zugeordnet bzw. aus diesen Perspektiven erforscht (vgl. Avenarius/Armbrecht 1992: 12).

19 Kunczik bescheinigt gar der Kommunikationswissenschaft insgesamt „generell die Tendenz, Ergebnisse der Wirkungsforschung ... eher zum Vorteil der Mächtigen ... heranzuziehen“ (Kunczik 2002: 92 f.).

20 Subsumtion bezeichnet die Unterordnung eines Sachverhalts unter den Tatbestand einer Rechtsnorm, das heißt die Beantwortung der Frage, ob ein vorliegendes Geschehnis den Tatbestand einer Norm erfüllt und damit bestimmte Rechtsfolgen nach sich zieht.

21 Kritische Rechtsauffassungen weisen auf bestimmte Interessen hin, denen das Recht nur als Maske diene (dazu Haltern 2006: 51). Diese Interessen aufzuspüren, gehört zu den Aufgaben von Politik-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaft sowie der Rechtsgeschichte und Rechtssoziologie. Durch die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter wird jedoch zumindest einer gezielten Instrumentalisierung des Rechts entgegen gewirkt.

22 Stein/Frank sehen die Frage nach dem Sinn einer Norm bzw. nach dem, was mit ihr bewirkt werden soll, als so zentral und übergreifend, dass sie die übrigen Auslegungsmethoden ihr als „Mittel zum Zweck“ unterordnen: demnach können die sprachliche, historische und systematische Auslegung auch als Elemente der teleologischen Methode gesehen werden (Stein/Frank 2007: 38).

23 Nicht etwa der subjektive Wille des Gesetzgebers oder ein fiktiver „objektiver“ Wille des Gesetzes (Stein/Frank 2007: 37). Der Wille des Gesetzgebers spielt allerdings bei der historischen Interpretation eine Rolle.

24 Hiermit sind Personen gemeint, die in der Regierungs-PR, insbesondere im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, arbeiten oder gearbeitet haben und deren PR-Verständnis daher einen starken Praxisbezug aufweist. Dies schließt keineswegs aus, dass die Betreffenden sich auch wissenschaftlich betätigen.

Ende der Leseprobe aus 103 Seiten

Details

Titel
Der verfassungsrechtliche Normenkontext der Regierungs-PR
Untertitel
Aufgaben, Grenzen und Legitimität der regierungsamtlichen Öffentlichkeitsarbeit
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft )
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
103
Katalognummer
V136493
ISBN (eBook)
9783640436552
ISBN (Buch)
9783640436712
Dateigröße
1018 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die PR der Bundesregierung unterscheidet sich grundlegend etwa von Wirtschafts-PR durch ihre besondere rechtliche Verankerung sowie die öffentliche Verantwortung. Die vorliegende Analyse beschäftigt sich mit Regierungs-PR aus rechtswissenschaftlicher Sicht, eingebettet in das auf die PR übertragene "Zwiebel"-Modell von Siegfried Weischenberg. Gefragt wird 1. nach spezifischen Aufgaben, Grenzen und Legitimitätsgrundlagen der Regierungs-PR, die sich aus dem Verfassungsrecht ergeben, und 2. nach den normativen Unterschieden von Regierungs-PR im Vergleich zu Parteien- und Wirtschafts-PR.
Schlagworte
Verfassungsrecht, Regierungs-PR, regierungsamtliche Öffentlichkeitsarbeit
Arbeit zitieren
Martina Göttsching (Autor:in), 2009, Der verfassungsrechtliche Normenkontext der Regierungs-PR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136493

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