Umweltpolitik und die besondere Rolle von NROs in der Umweltbildung in Indonesien


Magisterarbeit, 2004

103 Seiten, Note: 1,3

Anna Lena Brassberger (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problematik und Zielsetzung
1.2 Methodologie

2 Die Umweltproblematik in Indonesien
2.1 Umweltpolitik unter der Regierung Suharto
2.2 Umweltinstitutionen und Umweltgesetzgebung
2.3 Die aktuelle Umweltsituation in Indonesien
2.3.1 Luftverschmutzung
2.3.2 Wasserverschmutzung
2.3.3 Zerstörung der natürlichen Ressourcen
2.4 Umweltpolitik seit
2.5 Durchsetzung der Umweltgesetzgebung
2.6 Umweltbewusstsein der indonesischen Bevölkerung

3 Umweltbildung in Indonesien und die besondere Rolle von Nichtregierungsorganisationen (NRO)
3.1 Begriffsklärung Umweltbildung
3.2 Umweltbildung in Indonesien
3.2.1 Umweltbildung in der formalen Ausbildung
3.2.2 Umweltbildung in den Massenmedien
3.3 NRO in Indonesien
3.3.1 Politische Rahmenbedingungen
3.3.2 Entstehung von Umwelt-NRO
3.3.3 Aktivitätsfelder von Umwelt-NRO
3.4 Aktivitäten ausgewählter NRO im Umweltbildungsbereich
3.4.1 WALHI
3.4.2 Dian Desa
3.4.3 Pusat Pendidikan Lingkungan Hidup (PPLH) Seloliman

4 Durchführung von Interviews

5 Analyse und Diskussion
5.1 Anspruch der NRO in der Umweltbildung
5.2 Stärken und Schwächen von NRO in der Umweltbildung
5.3 Wirksamkeit der NRO in der Umweltbildung
5.4 Handlungsempfehlungen

6 Schlussfolgerungen

A Interviewpartner

Literaturverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1. Aktivitätsfelder von NRO in Indonesien

Abbildung 2. Leitfaden für die Interviews

Tabelle 1. Ausgaben für Umweltschutz in ausgewählten südostasiatischen Ländern

Tabelle 2. Multiplikatoren der Umweltbildung

Tabelle 3. Verteilung von Umweltbildung auf die einzelnen Schulfächer

Tabelle 4. Aktivitäten von NRO im Umweltbildungsbereich

Tabelle 5. Stärken und Schwächen von NRO in der Umweltbildung

Tabelle 6. Im Rahmen der Studie interviewte Personen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

„Probleme können nicht auf der selben

Bewusstseinsebene gelöst werden, auf der sie entstanden sind.“ (Albert Einstein)

1.1 Problematik und Zielsetzung

In den letzten Jahren erlebte Indonesien einen drastischen politischen wie auch ökonomischen Umbruch, begleitet von einem Erstarken der Zivilgesellschaft. Seit dem Sturz Suhartos 1998 und dem Ende seines autoritären Regimes befindet sich Indonesien in einem Reformprozess, der in Richtung einer demokratischen Umgestaltung gehen soll. Diese Entwicklung wurde eingeleitet durch soziale Unruhen und Proteste gegen die Regierung, organisiert und durchgeführt von Studenten und Nichtregierungsorganisationen (NRO).

Die 32 Jahre der auf Wirtschaftswachstum konzentrierten Regierung Suharto haben dem Archipel eine Vielzahl von akuten Problemen hinterlassen. So ist Indonesien gegenwärtig unter anderem mit drei dringlichen Umweltproblemen konfrontiert: fortschreitende Zerstörung natürlicher Ressourcen, extreme Luftverschmutzung und starke Wasserverseuchung. Zwar verfügt Indonesien seit 1982 über gesetzliche Regelungen zum Schutz der Umwelt, jedoch erfolgt deren Anwendung und Kontrolle aus verschiedenen Gründen mangelhaft. So kann die Umweltgesetzgebung als unzureichend und verwirrend charakterisiert werden, und es scheint eine gewisse Determinanz und Transparenz in der Durchsetzung der Gesetze zu fehlen. Zudem mangelt es sowohl der Mehrheit der Bevölkerung als auch großen Teilen der Administration an Kenntnis und Bewusstsein der Probleme.

Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Probleme und politischen Turbulenzen scheint die Administration dem Thema Umwelt einen nur untergeordneten Stellenwert beizumessen. Obwohl die indonesische Regierung sich in der Agenda 21, dem Aktionsprogramm des Umweltgipfels von Rio 1992, verpflichtet hat, Umweltaspekte in alle Politikbereiche zu integrieren und eine Politik der Nachhaltigkeit zu verfolgen, ist sie in hohem Maße wirtschaftlichen Interessenkonflikten ausgesetzt, die eine nachhaltige Umweltpolitik erschweren. Zudem sind Kollusion, Korruption und Nepotismus (in Indonesien allgemein bekannt unter KKN: kolusi, korupsi, nepotisme) auch fünf Jahre nach dem Ende des 32-jährigen autoritären Regimes Suhartos noch tief verwurzelte Praktiken, die eine wirklich transparente Regierungsarbeit verhindern.

Jedoch gibt es sehr dynamische Nicht-Regierungsorganisationen (NRO), die im aktiven Umweltschutz und in der Stärkung des Umweltbewusstseins der Bevölkerung eine wichtige Rolle spielen. Sie sind näher an den lokalen Umweltproblemen und genießen insbesondere ein größeres Vertrauen der Bevölkerung. Es ist offensichtlich, dass eine Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen unabdingbar für nachhaltigen Umweltschutz ist. Ein wichtiges Ziel vieler NRO ist es daher, durch Umweltbildungsmaßnahmen die aktive Teilnahme der Bevölkerung am Umweltschutz zu fördern.

In der wachsenden Zahl an Forschungsarbeiten über die Umweltprobleme Indonesiens1 wird kaum auf die Bedeutung von indonesischen NRO in der Stärkung des Umweltbewusstseins eingegangen. Jedoch scheint es, dass den NRO eine besondere Rolle in diesem Bereich zukommt. Das bestehende Defizit zeigt akuten Forschungsbedarf an. Ein Teilbeitrag soll mit vorliegender Arbeit geleistet werden.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, die Umweltprobleme Indonesiens und die Rolle von NRO in der Umweltbildung im Hinblick auf die spezifischen politischen Rahmenbedingungen und historischen Entwicklungen des Landes zu untersuchen. Hierzu wurden die folgenden Teilziele definiert:

1. Analyse von Umweltproblemen, Umweltpolitik und Umweltbewusstsein in Indonesien
2. Analyse der speziellen Rolle von NRO in der Umweltbildung
3. Ableitung von Handlungsempfehlungen für die Umweltbildung in Indonesien

Die angestrebten Ziele werden durch das im folgenden Abschnitt dargelegte untersuchungsmethodische Vorgehen erreicht.

1.2 Methodologie

Das Thema Umweltbildung in Indonesien ist weitgehend unerforscht.2 Die Arbeit der Autorin folgt daher eher dem phänomenologistischen Forschungsparadigma. Neben einer Literaturrecherche wurden Interviews mit beteiligten Akteuren in der Umweltbildung geführt, um sich dem Thema auf einer qualitativen Ebene zu nähern und Themengebiete für künftige Forschungsarbeiten zu identifizieren. Die Autorin gliedert ihr Vorgehen in drei Schritte: Analyse, Durchführung gezielter Befragungen, Erarbeitung von Empfehlungen.

Die Primärquelle der vorliegenden Studie bilden dabei Interviewergebnisse mit Vertretern indonesischer NRO, Mitarbeitern von Regierungs- und universitären Institutionen sowie mit Vertretern ausländischer Organisationen. Die Sekundärquelle bilden Fachliteratur und Dokumente internationaler Organisationen, universitärer Einrichtungen und dem indonesischen Umweltministerium. Dokumente in indonesischer und englischer Sprache, zum Beispiel die referierten Gesetzestexte, wurden von der Autorin übersetzt.

Die Forschungsarbeit wurde auf Java beschränkt. Dies erfolgte angesichts der Tatsache, dass Java als bevölkerungsreichste und wichtigste Insel Indonesiens der Wirkungsschwerpunkt der meisten indonesischen NRO ist.

Im folgenden Kapitel analysiert die Autorin die gegenwärtige Umweltsituation in Indonesien. Hierbei werden ein kurzer historischer Abriss der Entwicklung hin zur aktuellen Umweltgesetzgebung und -politik geliefert, die gegenwärtige Situation der Umwelt untersucht und die Ausführung der Gesetze sowie das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung und Administration analysiert.

Nachdem kurz auf die Begrifflichkeit Umweltbildung als zentrales Thema der Arbeit eingegangen wird, geht das dritte Kapitel der Arbeit auf Formen der Umweltbildung in Indonesien ein und untersucht insbesondere die Rolle von NRO in der Stärkung des Umweltbewusststeins in Indonesien. Die Aktivitäten dreier ausgewählter NRO im Bereich der Umweltbildung werden exemplarisch dargestellt.

Sowohl das zweite als auch das dritte Kapitel der Arbeit stützen sich auf persönliche Gespräche wie auch auf Literaturrecherchen der Autorin. Die gewählte Interviewmethode wird in Teil Vier erläutert. In Teil Fünf werden dann die gewonnenen Forschungsergebnisse diskutiert und darauf aufbauend der Versuch unternommen, Handlungsempfehlungen für die Verbesserung der Situation der Umweltbildung in Indonesien zu formulieren.

2 Die Umweltproblematik in Indonesien

„Umweltpolitik ist nirgendwo als eine schöne Idee entstanden, sondern als Folge schwerer Umweltschädigungen.”

(Jänicke 1990:221)

2.1 Umweltpolitik unter der Regierung Suharto

In diesem Abschnitt wird untersucht, in wie weit die indonesische Regierung unter Suharto im Bewusstsein der wachsenden Umweltprobleme des Landes eine effektive Umweltpolitik zu etablieren vermochte. Dabei wird dem Begriff Umweltpolitik die Gesamtheit aller Handlungen zugeschrieben, die darauf abzielen, Umwelteingriffe zu vermeiden und eingetretene Umweltschäden zu beseitigen.

Die Beschäftigung der indonesischen Regierung mit der Umweltverschmutzung begann laut Cribb in den 1970er Jahren auf Grund von drei Faktoren: Einerseits erforschten indonesische Wissenschaftler zunehmend Umweltthemen wie zum Beispiel Wasserqualität und Biodiversität. Andererseits war die indonesische Regierung massivem internationalen Druck ausgesetzt, die zunehmende Umweltverschmutzung in Indonesien durch den rapiden Bevölkerungsanstieg und die starke industrielle Expansion zu kontrollieren. Ein dritter Faktor war die Meeresverschmutzung durch Öltanker, welche den nationalen Interessen schadete (Cribb 1990:127).

Mit der Einführung der Neuen Ordnung3 1966 hatte die nationale Entwicklung basierend auf starkem wirtschaftlichen Wachstum oberste politische Priorität. Damals gehörte Indonesien zu den ärmsten Ländern der Welt. In einem Bericht der Weltbank aus dem Jahr 1994 heißt es, dass das Pro-Kopf-Einkommen im Jahre 1967 bei 50 US$ lag, um die Hälfte niedriger als das Einkommen der Bevölkerung Bangladeshs, Indiens oder Nigerias (World Bank 1997:4). Rund 60 Prozent der Bevölkerung Indonesiens lebten zu diesem Zeitpunkt in absoluter Armut. Die Lebenserwartung lag weit unter dem Durchschnitt westlicher Industrieländer, gleichzeitig stieg die Kindersterblichkeit. Schulische Ausbildung war bis zu diesem Zeitpunkt ein Privileg der Mittel- und Oberschicht. Der starke Bevölkerungszuwachs dieser Jahre konnte nur mit dem Abbau natürlicher Bodenschätze bewältigt werden, der das Einkommen vieler Menschen in den folgenden Jahren sichern sollte.

Basierend auf dem Hintergrund der wirtschaftlichen und sozialen Situation des Landes in den späten sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts hatte die Regierung unter Präsident Suharto ab April 1969 sogenannte „Fünf-Jahres-Entwicklungspläne“ (Rencana Pembangunan Lima Tahun, REPELITA) als Einheiten eines langzeitlichen Entwicklungsplanes für die Periode von 25 Jahren (die im März 1994 endete) erstellt. Mit der Fokussierung auf die ländliche Bevölkerung Indonesiens, die immerhin 85 Prozent (World Bank 1997:4) der gesamten Einwohnerzahl des Archipels ausmachen, wurden Strategien entwickelt, um Armut und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Diese Periode hatte ein enormes Wachstum in einer Vielzahl von Industrien zu verzeichnen, da der Import bestimmter Produkte, wie zum Beispiel Reis, durch eigene Industrien ersetzt wurde. Durch den Einsatz von Pestiziden und Kunstdüngern konnte insbesondere auf Java ein reichhaltiger Ertrag an Reis erzielt werden.4

Im Bereich der ökonomischen Entwicklung, der Reduktion der Armut und in Sphären, die die Lebensqualität der Menschen direkt betreffen, wie zum Beispiel die Ausweitung von Trinkwasseranlagen und Verbesserungen im Bereich der Bildung und Gesundheit wurden signifikante Fortschritte erzielt. Dabei spielte auch die Unterstützung westlicher Industrienationen mit Investitionen und Krediten eine entscheidende Rolle.

In den Jahren 1973-81 stieg das weltweite Bedürfnis nach Erdöl explosionsartig an. Der Export von Öl sicherte Indonesien in diesen Jahren ein hohes Einkommen, welches zunehmend für die Entwicklung des Agrarsektors und den Ausbau von sozialer und physischer Infrastruktur genutzt wurde. Die Wirtschaft erlebte einen Aufschwung und es wurden signifikante Einnahmen im Exporthandel erzielt. Dieser Aufwärtstrend wurde durch den schlagartigen Fall des weltweiten Ölpreises in den 1980er Jahren gestoppt und versetzte Indonesien wiederum in eine schwierige wirtschaftliche Lage. Die Regierung sah sich dazu veranlasst, andere Ressourcen zu verwerten, um die Finanzlöcher zu stopfen und Auslandsschulden zu bezahlen. Es folgte eine wirtschaftliche Umorientierung von Öl auf andere Bodenschätze, insbesondere auf den Export von Tropenholz (World Bank 1997:5). Die Wälder der äußeren Inseln wie Sumatra und Kalimantan wurden nach und nach umgewandelt in Plantagen und Ackerland, um den Gewinn aus Gummi und Palmöl zu erhöhen. Die Abholzungsrate in Indonesien ist zwischen den Jahren 1985 und 1997 auf das Doppelte gestiegen, von weniger als einer Million Hektar auf circa 1,7 Millionen Hektar pro Jahr (World Bank 2002:v).

Das zentralistisch und von oben gesteuerte Entwicklungsmodell der Regierung unter der Neuen Ordnung, weitgehend aufbauend auf der Ausbeutung natürlicher Ressourcen (Holzwirtschaft, Plantagenwirtschaft, Bergbau, Papierindustrie etc.), hat größtenteils die Interessen einer begrenzten Gruppe im Staatsapparat (einschließlich der Staatsunternehmen) und mit ihr besonders eng verbundener Privatunternehmer begünstigt und bestehende, stärker an Kreislaufmodellen orientierte lokale Wirtschaftsformen zerstört. Umwelt- und Ressourcenschutz stand den ökonomischen Interessen der Elite entgegen und wurde teilweise unwissentlich, in den meisten Fällen jedoch bewusst nicht beachtet (Cribb 1998).

Internationaler Protest gegen die stark zunehmende Umweltzerstörung und Umweltverschmutzung führte dazu, dass Indonesien auf internationalen Konferenzen, wie zum Beispiel dem Seminar der Wirtschaftskommission für Asien zur Entwicklung und zur Umwelt 1971, regelmäßig beauftragt wurde, über die Umweltverschmutzung und Umweltzerstörung Bericht zu erstatten. Im Jahre 1972 schickte Indonesien eine Delegation zu der Umweltkonferenz der Vereinten Nationen nach Stockholm. Als Folge des internationalen Drucks sowie der stark zunehmenden Umweltprobleme errichtete die indonesische Regierung 1978 ein Staatsministerium für Umwelt (Kementerian Negara Lingkungan Hidup) mit dem Umweltminister Emil Salim, das ein Meilenstein in der Entwicklung des öffentlichen Umweltbewusstseins in Indonesien war. Diese höchste nationale Umweltbehörde sollte zuständig sein für die Ausarbeitung einer Umweltgesetzgebung und die Überwachung der Arbeit anderer im Umweltbereich tätigen Ministerien und Ämter. Dadurch sollte eine effiziente, ökonomische und umweltfreundliche Entwicklung gefördert werden. Diese wurde definiert als „the conscious and planned endeavor to utilize and manage resources wisely in sustainable development to improve the quality of life“ (offizielle Quelle zitiert in Riker 1994:162)

Inspiriert von einem weltweit wachsenden Umweltbewusstsein und Aktivismus sowie dem aus der Stockholmer Konferenz von 1972 resultierenden Brundtland Bericht5, der Empfehlungen zur Umwelt und Entwicklung enthielt, begann der indonesische Umweltminister Emil Salim in einer langen Kampagne, das Bewusstsein für Umweltangelegenheiten in Regierungskreisen zu verstärken (Cribb 1990:19). Die besondere Bedeutung von Emil Salim in der Umweltpolitik des Landes kann kaum überschätzt werden,6 insbesondere angesichts der Tatsache, dass das Umweltministerium mit nur sehr geringen finanziellen Möglichkeiten und Personal ausgestattet war und zudem kaum legislative Autorität besaß (Rock 2002:67).

Unter der Neuen Ordnung wurde der Schwerpunkt der indonesischen Regierung unter Präsident Suharto auf rasantes Wirtschaftswachstum gelegt. Wegen der starken Ausweitung der industriellen Entwicklung stieg die Luftverschmutzung enorm an. Daher wurde der Umweltminister Salim seitens der Industrieländer gedrängt, ein Gesetz zur Kontrolle der Umweltverschmutzung zu erlassen. Die Erlassung solch eines Gesetzes erfolgte in verschiedenen Stufen. Zunächst wurde in Indonesiens drittem „Fünf-Jahres-Plan“ 1978 eine vorläufige Erklärung seitens der Regierung abgegeben, dass die Umwelt vor übermäßiger Zerstörung geschützt werden müsse. 1982 verabschiedete die Regierung einen allgemeinen Gesetzesrahmen zum Schutz der Umwelt (Ketentuan-ketentuan Pokok Pengelolaan Lingkungan Hidup) erlassen. Diese Verordnung war zunächst als großer Schritt bezüglich des Umweltschutzes zu sehen und umfasste auch alle mit der Umweltzerstörung im Zusammenhang stehenden Aspekte, sie war aber grundsätzlich unausführbar, weil sie keine ermächtigenden Regelungen und Definitionen enthielt. Jedoch war dieser Gesetzesrahmen zum Schutz der Umwelt ein Meilenstein in der Errichtung weiterer umweltbezogener Regelungen. Die Verschärfung der ökologischen Krise erforderte eine neue Behandlungsweise des Themas und machte es zu einem für die staatliche Legitimation relevanten Bereich (Riker 1995:12).

1989 rief das Umweltministerium ein höchst innovatives und relativ effektives Programm zur Reduzierung von Abwasseremissionen ins Leben (Rock 2002:65). Mit dem bis heute laufenden Programm zur Säuberung der Flüsse PROKASIH (Program Kali Bersih) hat die Regierung versucht, sich der Wasserverschmutzung anzunehmen. Das Programm deckt 27 Flüsse in 12 der damals 27 Provinzen7 ab und wird von der Weltbank unterstützt (BAPPENAS 2000). Für die Durchführung des Programms sind die Bevollmächtigten der Provinzen verantwortlich, Hauptüberwacher ist das PROKASIH-Team, welches die Wasserqualität beaufsichtigt und umweltverschmutzende Fabriken identifiziert. Das PROKASIH-Programm spricht die drei Hauptprobleme der Wasserverschmutzung in Indonesien an:

- die widersprüchliche Nutzung der Flüsse einerseits für wirtschaftliche Entwicklung und andererseits für menschliches Wohlergehen
- die abnehmende Qualität des Wassers versus zunehmendem Bedarf an sauberem Wasser
- die begrenzte Kapazität von Institutionen zur Kontrolle der Wasserverschmutzung.

Die Ziele des Programms sind, weitere Verschmutzungen der Flüsse durch giftige Abfälle zu verhindern, das Einleiten von Abwasser in die Flüsse sowie die Wasserqualität zu überwachen und die Befolgung des Umweltgesetzes zu forcieren. Bei der Durchführung des Programms werden stark umweltverschmutzende Industrien identifiziert. Diese unterschreiben eine freiwillige Verpflichtung, in der sie einwilligen, ihre Umweltverschmutzung innerhalb einer festgelegten Zeit um 50 Prozent zu reduzieren. Außerdem wird jährlich eine Umweltbilanz (Neraca Lingkungan Hidup) herausgegeben, die den Grad der Verschmutzung aller Flüsse ausweist (Vincent 2002:157). Das Programm ist zu einem gewissen Grade durchaus wirksam in der Reduzierung von Abwässern großer Industrien (Rock 2002:65).

Das staatliche Interesse an den zunehmenden Umweltproblemen führte auch dazu, dass die indonesische Regierung 1990 außerhalb der Ministerialbehörde ein staatliches Amt zur Überwachung der Umwelteinflüsse (Badan Pengendalian Dampak Lingkungan, BAPEDAL) schuf, das bereits im November 1990 738 Fabriken allein in Ostjava wegen verschiedener Umweltdelikte anklagte (Riker 1995:17). Zu Beginn der 1990er Jahre nahm die Regierung eine aktivere Rolle hinsichtlich des Umweltschutzes ein, wozu auch der zunehmende Druck seitens der Umwelt-NRO beitrug.8

Weitere Initiativen wurden seitens der Regierung im Umweltschutz ergriffen. So führte die Regierung 1995 ein Bewertungsprogramm ein, in dem Unternehmen, abhängig von ihren Umweltschutzbemühungen, farbige Etiketten verliehen wurden. Obwohl dieses System keine Möglichkeiten bot, Unternehmen mit unzureichenden Umweltschutzbemühungen direkt mit Strafen zu belegen, war ein gewisser Grad an Effektivität durch die Veröffentlichung der Ergebnisse in der Presse gewährleistet.9 Es gab allerdings auch häufig Kontroversen über die Entscheidungen der zuständigen Umweltschutzbehörde BAPEDAL, wie im Falle des Papierproduzenten Indorayon, dem 1995 und 1997 trotz dokumentierter schwerer Umweltschädigungen ein blaues Band für erfolgreiche Umweltschutzmaßnahmen verliehen wurde (Tanjung und Soedjiartono 2003).

Im September 1997 wurde ein neues Umweltgesetz erlassen (Undang-Undang Republik Indonesia Nomor 23 Tentang Pengelolaan Lingkungan Hidup), welches das vorangegangene Umweltgesetz von 1982 aufhob und in mehreren Punkten entscheidend erweiterte. Die vormals separaten Gesetze wurden in der neuen Legislative vereinheitlicht. Im folgenden Abschnitt werden die relevanten Umweltinstitutionen und das Umweltgesetz in seinen wichtigsten Zügen dargestellt.

2.2 Umweltinstitutionen und Umweltgesetzgebung

Die Schlüsselorganisation im umweltrechtlichen Bereich ist das Umweltministerium (Kementerian Negara Lingkungan Hidup - KLH). Die Aufgabe des Umweltministers ist unter anderem die Formulierung und Koordination der Umweltpolitik und der Erlass von Leitlinien für Minimumstandards, die von den Regionalregierungen übernommen werden.

Bis Januar 2002 war eine zweite wichtige Organisation in Bezug auf Umweltrecht die Umweltschutzbehörde BAPEDAL, die 1990 geschaffen wurde, um den Präsidenten bei den Aufgaben des Umweltschutzes zu unterstützen und die Aufgaben der Zentralregierung in Bezug auf den Umweltschutz zu übernehmen. Die Aufgaben der Behörde waren die Erfassung und Koordinierung der nationalen Umweltpolitik und die Unterstützung der Regierungsbehörden. BAPEDAL sollte die nationale Umweltrahmenplanung erstellen und Umweltinformationssysteme schaffen. Außerdem war die Behörde damit beauftragt, Umweltschädigungen vorzubeugen, zu überwachen und gegebenenfalls zu beheben. Neben der zentralen BAPEDAL-Behörde wurden Mitte 2001 in 28 Provinzen und 149 Bezirken regionale Umweltschutzbehörden (Badan Pengendalian Dampak Lingkungan Daerah, BAPEDALDA) geschaffen. Dabei haben die Provinz-BAPEDALDAs die Aufgabe, Luftverschmutzung und Umweltschäden vorzubeugen und die Umweltqualität wieder herzustellen. Die Bezirks-BAPEDALDAs haben die gleichen Aufgaben, allerdings beschränkt sich ihre Kompetenz auf die Kontrolle vorhandener Standards. Im Einzelnen überschneiden sich die Kompetenzen der Behörden, wobei der Schwerpunkt der Aufgaben der Provinz-BAPEDALDAs in der Koordinierung liegt, während die Bezirks-BAPEDALDAs hauptsächlich Kontrollfunktionen wahrnehmen. Im Januar 2002 löste der Umweltminister Nabiel Makarim die Umweltschutzbehörde BAPEDAL auf, mit der Begründung der Redundanz dieses Amtes sowie der Rationalisierung von Personal im Zuge des Dezentralisierungsprozesses. Die Aufgaben von BAPEDAL wurden in der Folge an das Umweltministerium, beziehungsweise die regionalen BAPEDALDAs delegiert. Neben dem mit der politischen Richtlinienkompetenz ausgestatteten Staatsministerium für Umwelt und der den Umweltschutz in die staatliche Globalplanung integrierenden Planungsbehörde BAPPENAS gibt es eine Reihe weiterer Institutionen, die eine wichtige Rolle im Umweltbereich spielen, wie zum Beispiel das Forstministerium, das Landwirtschaftsministerium sowie das Energie- und Bergbauministerium.

Die Präambel der bis heute gültigen Verfassung Indonesiens von 1945 erklärt zwar den Schutz „aller Menschen in Indonesien und des gesamten Landes“ zum Ziel der Verfassung, misst jedoch dem Schutze der Umwelt praktisch keinerlei Bedeutung zu. In Artikel XIV, Paragraph 33 wird dem Staat auferlegt, Land, Wasser und natürliche Ressourcen zu kontrollieren und zum größtmöglichen Nutzen der Bevölkerung einzusetzen. Eine staatliche Verpflichtung zum Schutz der Umwelt – auf die sich zum Beispiel auch indonesische Umweltorganisationen berufen könnten – kann der Verfassung jedoch nicht entnommen werden. Das zentrale Regelwerk zum Schutz der Umwelt ist das Gesetz Nr. 23/ 1997, welches hier in seinen wichtigsten Punkten dargestellt werden soll.

Im Umweltgesetz 23/ 1997 werden einige Rechte und Pflichten der Bürger und des Staates genannt. Ein Recht des Einzelnen auf eine „gute und gesunde“ Umwelt ist in Artikel 5 normiert. Weiterhin wird dem Einzelnen ein Recht auf Umweltinformationen zugesprochen sowie ein Teilnahmerecht des einzelnen Betroffenen am staatlichen Entscheidungsprozess „gemäß den entsprechenden Gesetzen“ statuiert (Artikel 5). Für alle Bürger besteht die Verpflichtung, die Umwelt zu erhalten und vor Verschmutzung und Schäden zu bewahren (Artikel 6), sowie die Umweltverwaltung richtig und wahrheitsgemäß bei der Information über umweltrelevante Daten zu unterstützen. Vor jeder unternehmerischen oder sonstigen Aktivität, die zu einem „großen und wichtigen“ Eingriff in die Umwelt führen kann, muss eine Umweltverträglichkeitsprüfung10 (Analisis Mengenai Dampak Lingkungan, AMDAL) durchgeführt werden (Artikel 15). Müll, der Auswirkungen auf ein Umweltmedium hat, darf nur auf ministeriell festgelegten Abfallbeseitigungsstellen entsorgt werden (Artikel 20). Dabei soll recyclingfähiges Material zunächst grundsätzlich wiederverwertet werden.

Dem Staat sind in Artikel 10 verschiedene recht allgemeine Verpflichtungen auferlegt, zum Beispiel die Aufmerksamkeit und das Verantwortungsbewusstsein von Entscheidungsträgern zu fördern, die Partnerschaft zwischen der Gesellschaft, Unternehmen und dem Staat zum Schutz der Umwelt zu stärken, Umweltinformationen zu geben und so weiter. Die Regierung soll auch den Gebrauch und die Entwicklung umweltverträglicher Technologie unterstützen. Kapitel VII schreibt für umweltbezogene Dispute die Regelung auf gerichtlichem Wege vor. Eine gerichtliche Regelung setzt die Schadensersatzzahlung sowie die Verordnung, gewisse Schritte zur Wiederherstellung der Umwelt zu unternehmen, voraus. In Kapitel VII wurde als Innovation das Konzept der Bevölkerungsbeteiligung festgeschrieben, um Untersuchungen gegen mutmaßliche Gesetzesverstöße anzustreben. Die Gesellschaft und Umweltorganisationen werden hier explizit dazu aufgefordert, jede Art von Umweltverschmutzung oder -zerstörung seitens der Bevölkerung dem Gericht zu melden.

Kapitel IX enthält einen sehr wichtigen Punkt, und zwar werden konkrete Strafen bei Schädigung der Umwelt festgelegt. Bei vorsätzlicher Schädigung der Umwelt werden eine maximale Haftstrafe von 10 Jahren und eine zusätzliche Geldstrafe von 500 Millionen Rupiah erlassen (Paragraph 41). Sollte die Schädigung zu einem Tod oder einer ernsthaften Verletzung führen, beträgt die maximale Haftstrafe 15 Jahre zuzüglich einer Geldstrafe von 750 Millionen Rupiah (Paragraph 41). Im Falle eines Deliktes aus Unachtsamkeit wird dem Täter eine maximale Haftstrafe von 3 Jahren zuzüglich einer Geldstrafe von 100 Millionen Rupiah auferlegt (Paragraph 42). Falls es zu einem Tod, beziehungsweise zu ernsthaften Verletzungen gekommen ist, erhöht sich die maximale Haftstrafe auf 5 Jahre und die Geldstrafe auf 150 Millionen Rupiah (Paragraph 42). Bei einer beabsichtigten Einleitung von giftigen und gefährlichen Materialien in die Umwelt ist eine maximale Haftstrafe von 6 Jahren, im Falle eines Todes, beziehungsweise einer ernsthaften Verletzung von 9 Jahren sowie eine Geldstrafe von 300 Millionen Rupiah, beziehungsweise 450 Millionen Rupiah vorgesehen. Bei unachtsamer Einleitung von giftigen Stoffen in die Natur reduziert sich die Haftstrafe auf 3 Jahre, im Falle eines Todes oder einer ernsthaften Verletzung auf 5 Jahre und die Geldstrafe beträgt 100, beziehungsweise 150 Millionen Rupiah (Paragraph 42).

Ein markanter Punkt in dieser Gesetzgebung ist, dass sich die Geldstrafen um ein Drittel erhöhen, wenn der Täter eine Fabrik oder ein Körperschaftsmitglied ist (Paragraph 45). Noch wichtiger ist dabei, dass die Strafen auch Individuen auferlegt werden, die den Befehl, die Straftat zu begehen, gegeben oder als Führer in der Ausführung der Straftat fungiert haben (Paragraph 46). Somit ist es laut Gesetz einzelnen Personen nicht möglich, sich hinter der Fassade eines Unternehmens, das eine Schädigung der Umwelt begangen hat, zu verstecken.

Als weitere Strafen werden in Paragraph 47 die Beschlagnahme von Profiten, die sich aus den kriminellen Taten ergeben haben, die Schließung des ganzen, beziehungsweise Teile des Unternehmens, welches die Umwelt geschädigt hat, die Wiedergutmachung aller Schäden seitens des Unternehmens und die Verwaltung des Unternehmens während einer maximalen Dauer von drei Jahren festgeschrieben (Paragraph 47).

Die Umweltgesetzgebung von 1997 muss in Verbindung mit vielen anderen Regelungen, die unter dem Umweltgesetz Nr. 4 von 1982 verabschiedet, beziehungsweise nach 1997 erlassen wurden, gelesen werden. Als Folge des 1999 eingeleiteten Dezentralisierungsprozesses ist am 1. Januar 2001 das neue indonesische Dezentralisationsgesetz (Undang-Undang No. 22 Tahun 1999 tentang Pemerintah Daerah) in Kraft getreten. Zunehmend wurden nationalstaatliche Aufgaben und Kompetenzen auf die zur Zeit 32 Provinzen und 348 Distrikte und Städte des Landes übertragen. Im Verlaufe der Dezentralisierung hat sich die umweltrechtliche Verantwortlichkeit verstärkt auf die regionale Verwaltungsebene übertragen. Prinzipiell können die Regionalregierungen nach dem Gesetz Nr. 22/99 alle Regelungen treffen, die nicht höherrangigen Institutionen (Zentralregierung, Provinzregierung) zugewiesen sind (Artikel 7). Dieses System führt allerdings vielfach zu Kompetenzüberschneidungen und Unklarheiten, wie in Abschnitt 2.5 aufgezeigt wird.

2.3 Die aktuelle Umweltsituation in Indonesien

Die derzeitige Umweltsituation in Indonesien kann als sehr kritisch bezeichnet werden. Das starke Defizit in der Beachtung der Umweltgesetze hat zu gravierenden Umweltproblemen in verschiedenen Bereichen geführt. Als schwerwiegende Umweltbelastungen sind Luftverschmutzung, Abwasser- und Abfallprobleme in den Ballungsgebieten zu nennen. Akut gefährdet durch industrielle und kommunale Verunreinigungen sowie den Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft sind die Wasserressourcen, Binnengewässer und Grundwasser. Weitere ökologische Herausforderungen sind Abholzung, Bodenerosion, Zerstörung der Biodiversität und der Einfluss der globalen Umweltprobleme, insbesondere Klimaveränderung.

Die im Januar 2001 in Kraft getretene Dezentralisierungsgesetzgebung war zwar ein richtiger Schritt der Regierung und ist vorteilig für alle Bereiche.11 In Bezug auf den Umweltschutz kam sie jedoch viel zu schnell und hat Indonesien in eine Phase des umweltpolitischen Chaos gebracht, denn das Gesetz hat das Risiko der ungeregelten Nutzung der natürlichen Ressourcen erhöht. Im Zuge der Dezentralisierung haben die lokalen Regierungen das Recht erhalten, ihre Regionen selbst zu verwalten. Die Tendenz ist laut einer Mitarbeiterin im Umweltministerium dahin gehend, dass die Provinz- und Distriktregierungen, die neuerdings ihren Etat selber erwirtschaften müssen, verstärkt die natürlichen Ressourcen ausbeuten und verkaufen, um das lokale Steueraufkommen, beziehungsweise das eigene Einkommen, zu erhöhen.12

Um die gegenwärtige Umweltsituation in Indonesien richtig beurteilen zu können, muss man auf die letzten dreißig Jahre zurückblicken. In den frühen Jahren der Neuen Ordnung unter Suharto bestand die große Herausforderung darin, Indonesien von einem rückständigen Agrarstaat zu einer fortschrittlichen Industrienation zu entwickeln. Der wirtschaftliche Aufbau erhielt somit zu Lasten der Umwelt oberste Priorität (Wessel 1996:38).

Die starken Umweltprobleme wurden durch die Finanz- und Wirtschaftskrise in Südostasien 1997, von welcher Indonesien im besonderen Maße stark getroffen wurde, noch vergrößert, da die Menschen auf billigere und umweltschädigendere Produktions-und Erntemethoden zurückgreifen mussten. Durch die Abwertung der Rupiah gegenüber dem Dollar um 80 Prozent 1998 mussten viele der Industrien, die sich bereits in schlechtem Zustand befanden, insbesondere in der Textil-, Bau- und Bekleidungsindustrie, schließen, da sie unfähig waren, ihre Auslandsschulden zu begleichen. Wie Houben (1999:487) feststellte, wurden in der Folge Arbeiter entlassen und die Arbeitslosenzahl und die Armut sind insbesondere in den Städten und den Industrieregionen rapide angestiegen.13

Auf Grund des Zusammenbruchs eines großen Teils des industriellen Sektors auf Java als Folge des Verschwindens von Arbeitskapital konzentrierten sich die Politiker verstärkt auf den Abbau der natürlichen Ressourcen, um den Konjunkturaufschwung in Indonesien wieder voranzutreiben (Manning und Diermen 2000:215).

Hinzu kommt, dass die öffentlichen Ausgaben für den Umweltschutz, die bereits im Verhältnis zu den Nachbarstaaten gering waren, nochmals stark schrumpften, und zwar viel stärker als in anderen südostasiatischen Ländern, die von der Asienkrise betroffen waren. Tabelle 1 stellt die Ausgaben der indonesischen Regierung für Umweltschutz nach der Asienkrise denen der Nachbarstaaten gegenüber. Während die Ausgaben in Malaysia stiegen und in Thailand moderat zurückgingen, sind sie in Indonesien um 50 Prozent gesunken.

Tabelle 1. Ausgaben für Umweltschutz in ausgewählten südostasiatischen Ländern

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: World Bank (2002)

Die gewaltige Dimension der Umweltzerstörung in Indonesien, insbesondere der Wälder, des Verbrauches der natürlichen Ressourcen sowie der Umweltverschmutzung hat insbesondere nach der Asienkrise 1997/98 in Indonesien rasant zugenommen. Die gravierendsten Umweltprobleme, denen Indonesien gegenwärtig gegenübersteht, sind die Luft- und Wasserverschmutzung sowie die Zerstörung der natürlichen Ressourcen durch Abholzen und Abbrennen der Wälder. In den folgenden Abschnitten werden diese akuten Umweltprobleme näher dargestellt.

2.3.1 Luftverschmutzung

Die Luftverschmutzung durch Autoabgase, Industrieabgase und Abfallverbrennung14 ist ein ernstes Umweltproblem in Indonesien, insbesondere in stark bevölkerten Städten wie Jakarta15, Surabaya und Medan in Nordsumatra.

Die Luftverschmutzung durch Abgase von motorisierten Fahrzeugen hat in den letzten 20 Jahren rapide zugenommen. Um die Mobilität nach dem Muster der Industrialisierung in den Industriestaaten zu fördern, hatte die Regierung unter der Neuen Ordnung die Ersetzung der zahlreichen Fahrrad-Taxis in den größeren Städten durch Busse und Personenkraftwagen forciert, ohne Vorsorge in Bezug auf Luftreinhaltung zu treffen. In einem Zeitraum von weniger als 10 Jahren sind die Städte Jakarta und Surabaya auf diese Art zu hochmotorisierten Städten geworden, in der sich möglicherweise viele Verkehrsprozesse schneller abwickeln lassen, doch verzeichnet man Smog-Werte, die zu den höchsten der Welt gehören. Die Anzahl der motorisierten Fahrzeuge in den Städten hat sich trotz der Wirtschaftskrise von 1997-98, von der die Städte auf Java am schlimmsten getroffen wurden, verfünffacht. Die Rate von Besitzern motorisierter Fahrzeuge ist in Surabaya am höchsten (Hein 2001:17). Ein wichtiger Faktor der Luftverschmutzung durch Abgase ist dabei die durchschnittliche Geschwindigkeit der Fahrzeuge. Dadurch, dass die Straßen in den größeren Städten auf Grund der Zunahme der Fahrzeuge permanent verstopft sind und die Fahrzeuge sich in oft in Schrittgeschwindigkeit fortbewegen, ist die Emission von Abgasen alarmierend hoch. Im Jahre 2001 hat die atmosphärische Bleiverschmutzung in Jakarta durch Autoabgase mit einem Wert von 1,3 Mikrogramm pro Kubikmeter über dem Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation gelegen (World Health Organisation 2001). Die Weltbank hat Bleiemissionen von Benzin als die größte Umweltgefahr für Indonesier, insbesondere für Kinder, eingeschätzt (World Bank 2001:34). Blei ist neurotoxisch und beeinflusst die Entwicklung des Gehirns in den ersten zehn Jahren des menschlichen Lebens. Studien des indonesischen Umweltministeriums haben ergeben, dass die Luftverschmutzung signifikanten Einfluss auf die Intelligenzentwicklung der drei Millionen Kinder unter zehn Jahren in Jakarta hat (KLH 2002b:11). Ein Hauptgrund für das verheerende Transportproblem in Jakarta und Surabaya ist, dass die Politiker es versäumt haben, politische Maßnahmen, wie zum Beispiel die Förderung des öffentlichen Transportsystems, zu unternehmen. Eine Studie der GTZ von Februar 2002 hat ergeben, dass sowohl in Jakarta als auch in Surabaya 70 Prozent der Fahrzeuge auf den Straßen private Fahrzeuge und nur 30 Prozent öffentliche Verkehrsmittel, davon jedoch nur ein Drittel große Busse, ausmachten (Hein 2002:48).

Die Konzentration von industriellen Firmen und damit industriellen Abgasen in Städten stellt eine ernsthafte und wachsende Bedrohung für die Gesundheit von Indonesiens städtischen Bewohnern dar. Der Ausstoß von Industrieabgasen hat sich seit 1970 verachtfacht und wird sich nach Schätzungen der Weltbank im Jahre 2020 verdreizehnfacht haben (World Bank 2001:23). Dieses Element der Luftverschmutzung ist vorwiegend das Ergebnis des starken industriellen Wachstums, welches das Hauptziel der Regierung unter der Neuen Ordnung war. Für die Industrie sind zwar Emissionsnormen erarbeitet und in der Verordnung zum Emissionsschutz 1995 festgelegt worden, deren Einhaltung jedoch allenfalls beim Bau neuer Standorte möglich ist. Sollte von staatlicher Seite das Konzept der Einhaltung der festgelegten Grenzwerte durchgesetzt werden, so müssten Altanlagen umgerüstet werden, wozu dem Staat wiederum die finanziellen Mittel fehlen. Auf dem Energiesektor ist die Verbrennung fossiler Energieträger die Hauptelektrizitätsquelle. Auch hier fehlen in veralteten Anlagen Techniken zur Rauchgasreinigung, was ebenfalls einen hohen Umrüstungsbedarf darstellt (Hein 2002:50).

Eine weitere Quelle der gravierenden Luftverschmutzung ist der Smog von Waldbränden. Bei den verheerenden Waldbränden von 1997/98, den schlimmsten in den letzten fünfzehn Jahren in Indonesien, wurde nach Schätzungen von Wissenschaftlern des WWF ein Gebiet von circa fünf Millionen Hektar Wald auf Kalimantan, Sumatra und Java von den Flammen zerstört. Zentralkalimantan hatte die schlimmsten Brände zu verzeichnen. Die dicken Rauchwolken verschmutzten die Region über Indonesiens Grenzen hinaus bis nach Singapur und Malaysia immens. Die Auswirkungen der enormen CO2-Emissionen waren verheerend: 20 Millionen Menschen, die über vier Monate hinweg in Sumatra und Kalimantan den dicken Rauchwolken ausgesetzt waren, erlitten kurz- und langzeitige Gesundheitsschäden, wie zum Beispiel Bronchitis, Asthma und Infektionen der oberen Atemwege. Spätere Analysen haben gezeigt, dass die größte Quelle der CO2-Emissionen der Waldbrände von 1997/98 nicht von dem Abbrennen der Bäume und des Gestrüppes, sondern des Torfes stammte, welcher über einen weitaus höheren CO2-Gehalt verfügt. Während eines Zeitraumes von neun Monaten betrugen Indonesiens CO2-Emissionen ungefähr die von Europa und den USA zusammengenommen (Manning und Diermen 2000:203).

Das Problem der Luftverschmutzung ist äußerst akut und ernstzunehmen. Luftverschmutzung wirkt sich in vielerlei Hinsicht stark negativ auf die menschliche Gesundheit aus, und zwar nicht nur durch direkte Inhalation, sondern auch indirekt, zum Beispiel durch verschmutztes Trinkwasser, vergiftete Nahrung oder Hautübertragung von Krankheiten. Die meisten Luftverschmutzungspartikel greifen direkt die Atem- und Herz-Kreislauf-Systeme an.

2.3.2 Wasserverschmutzung

Indonesiens dringlichstes Problem der Umweltverschmutzung ist das Einleiten von unbehandelten flüssigen Industrieabfällen in die Flüsse. Die sehr starke Konzentration auf das Wirtschaftswachstum unter der Neuen Ordnung, einhergehend mit dem Aufbau einer Vielzahl von Industrieanlagen in einer relativ kurzen Zeit, hat zwar zu einem jährlichen Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 8 Prozent geführt, war jedoch mit hohen Umweltkosten verbundenen (Asian Development Bank 1997). Eine Vielzahl von Fabriken wurde an den Ufern von Flüssen gebaut und die große Mehrheit dieser Fabriken besitzt keine angemessenen Abwasserbehandlungssysteme, beziehungsweise Anlagen, die nicht regelmäßig in Betrieb sind. Die meisten der Fabriken, die vor dem Inkrafttreten der Verordnung von Grenzwerten zur Einleitung von gefährlichen Abfällen 1991 errichtet wurden, haben niemals Abwasserbehandlungssysteme gebaut und leiten ihre Abfälle direkt in den natürlichen Wasserkreislauf. Obwohl das Industrieministerium von ihnen im nachhinein die Einrichtung von Abwasserbehandlungssystemen verlangte, konnten die meisten dieser Fabriken in der Praxis dieser Forderung nicht nachkommen, weil ihnen als kleine oder mittlere Unternehmen die notwendigen finanziellen Ressourcen fehlten. Jedoch verfügen auch viele große Unternehmen über keine Abwasserbehandlungsanlagen.

Die Verordnung über Grenzwerte der Abwassereinleitung wird praktisch nicht angewandt. Die Jakarta Post (23. 4. 2002) führt an, dass nur 60 Prozent der Fabriken im Großraum Jakarta, die über Abwasserbehandlungsanlagen verfügen, diese auch einsetzen. Des Weiteren beträgt die durchschnittliche Effizienz der in Betrieb gesetzten Systeme nur 68 Prozent. Viele Fabriken schalten ihre Abwasserbehandlungsanlagen über Nacht ab, um so Kosten zu sparen und entlassen unbehandeltes Abwasser direkt in die Flüsse.

Die Verschmutzung der Flüsse durch industrielle Abfälle betrifft direkt die Menschen, die in unmittelbarer Nähe der Flüsse leben und das Flusswasser als Trinkwasser und zu anderen Zwecken nutzen. Eine Studie der Zeitschrift Tempo (4/2000:56-58) liefert ein exemplarisches Beispiel, das direkt mit der Flussverschmutzung verbunden ist. So wurde eine hohe Konzentration von Schwermetallen in Blutproben von Kleinkindern und in der Brustmilch von 90 Frauen nachgewiesen, die in einem Küstendorf an dem Fluss Surabaya leben. Diese Schwermetallbelastung der Flüsse stammt hauptsächlich von Fabriken, die ihre Abfälle illegal in den Fluss Surabaya leiten. Die starke Konzentration von Schwermetallen ließ sich auch in Fischen nachweisen. Longitudinale Studien zeigten, dass der Cadmiumspiegel innerhalb der letzten 15 Jahre um das Zehnfache angestiegen ist und die Konzentration von Quecksilber und Kupfer in den Fischen mehr als zehn mal höher als die maximalen Standards der Weltgesundheitsorganisation sind, was in Surabaya die Sorge um eine Krankheitskatastrophe ähnlich jener in Miyamata, wo Kinder auf Grund einer Quecksilberverseuchung in der Tokio-Bucht deformiert zur Welt kamen, verstärkt. Die Oberaufsicht über die Wasserqualität liegt in der Hand der Provinzgouverneure, die aber keine direkte Befugnis zum Eingreifen bei Verstößen gegen die gesetzlichen Vorgaben haben. Hier zeigt sich die unzureichende Regelung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten in der Umweltgesetzgebung.16

[...]


1 Cribb (1990), Hardjono (1999) und Colfer und Pradnja (2000) sind Arbeiten zu dieser Thematik.

2 Selbst in der Bibliothek der School of Oriental and African Studies (SOAS), dem größten europäischen Institut für Südostasienwissenschaften, finden sich zwar unzählige Studien zur Umweltsituation in Indonesien, jedoch kaum Forschungsarbeiten zum Stand der Umweltbildung.

3 Der Begriff Neue Ordnung oder Orde Baru bezeichnet den indonesischen Staat unter der Regierung Suhartos von 1966 bis 1998.

4 Für seinen erfolgreichen Kampf gegen den Hunger verliehen die Vereinten Nationen Suharto einen Preis, ohne jedoch zu berücksichtigen, dass andere grundlegende Bedürfnisse nicht erfüllt wurden.

5 Bericht der World Commission on Environment and Development, der die wechselseitige Abhängigkeit von Umwelt und Entwicklung betont und für eine sozial- und umweltverträgliche Wirtschaftspolitik in den Industrie- und Entwicklungsländern mit dem Ziel einer „dauerhaften Entwicklung“ plädiert.

6 Aditjondro (1990:162-163) beschrieb Emil Salim als „tireless advocate for the environment who was not afraid to criticize the environmental records of industry, forestry concessionaires, and mining companies, many of whom have close ties to the Suharto government.“

7 Mit der Selbstständigkeit Ost-Timors seit Mai 2002 und nach der Dezentralisierung gibt es heute 32 Provinzen in Indonesien.

8 Siehe Abschnitt 3.3.2.

9 So meinte Riker: „the humiliation of a bad environmental rating will have more effect than a lawsuit“ (1995:16).

10 Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist ein wichtiges Instrument des vorbeugenden Umweltschutzes. Sie soll sicherstellen, dass Projekte, wie zum Beispiel der Bau von Fabriken und Industrieanlagen keine unvertretbaren Belastungen der Umwelt verursachen.

11 Durch das Dezentralisationsgesetz werden nationalstaatliche Aufgaben und Kompetenzen auf die derzeit 32 Provinzen und 348 Distrikte und Städte des Landes übertragen.

12 Interview vom 20. 9. 2002 mit Dr. Aini Hanum, Assistenzministerin für die Entwicklung von Umweltinstitutionen im Staatlichen Umweltministerium, Jakarta.

13 Vor dem Ausbruch der Wirtschaftskrise 1997 gab das Staatliche Büro für Statistik die Armutsrate mit 16 Prozent an. Innerhalb weniger Monate stürzte die Wirtschaftskrise mehr und mehr Indonesier in Armut, so dass Anfang 1998 etwa 60 Prozent der Bevölkerung in die Kategorie der Armen fielen.

14 Laut World Bank (2001:32) sind Autoabgase mit 60 bis 70 Prozent die größte Luftverschmutzungsquelle, gefolgt von 15 bis 25 Prozent durch Industrieabgase.

15 Die Einwohnerzahl Jakartas beträgt nach offiziellen Angaben etwa 10 Millionen (inoffiziell etwa 16 Millionen).

16 Auf das Problem der Durchführung der Umweltgesetzgebung wird in Abschnitt 2.5 näher eingegangen.

Ende der Leseprobe aus 103 Seiten

Details

Titel
Umweltpolitik und die besondere Rolle von NROs in der Umweltbildung in Indonesien
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Asien- und Afrikawissenschaften)
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
103
Katalognummer
V136862
ISBN (eBook)
9783640442478
ISBN (Buch)
9783640442744
Dateigröße
887 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Umweltpolitik, Umweltbildung, Indonesien, Nichtregierungsorganisationen, Suharto, Umweltinstitutionen, Umweltbewusstsein, WALHI, Umweltgesetz, Umweltverschmutzung, Umweltsituation
Arbeit zitieren
Anna Lena Brassberger (Autor:in), 2004, Umweltpolitik und die besondere Rolle von NROs in der Umweltbildung in Indonesien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136862

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