Ziel dieser Arbeit ist es vor allem zu zeigen, dass die beiden Autoren Hans Blumenberg und Theodor W. Adorno in ihren Betrachtungen zum Thema Mythos intellektuell nah beieinanderstehen.
Als Mythos (μῦθος) betrachteten die antiken Griechen wahre Geschichten, die den wahren Ursprung der Welt und der Menschen enthüllen. Sie sind ein in Sprache gefasstes und festgehaltenes Weltverständnis an den Anfängen in der menschlichen Bewusstseinsgeschichte.
Heute ist dieser Begriff in Verlegenheit geraten. Als „wahr“ ist der Mythos schon lange nicht mehr angesehen, sondern erhielt mehr die negative Reputation als veraltetes Gedankengut aus der Mottenkiste der Menschheitsgeschichte. Nichtsdestotrotz reden wir noch über sie, denn sie sind „Geschichten von hochgradiger Beständigkeit ihres narrativen Kerns und ebenso ausgeprägter marginaler Variationsfähigkeit“, die sich über Epochen halten konnten. Mythen sind ebenso verwurzelt in unserem heutigen Leben wie in der Philosophiegeschichte. Um ein adäquates Verständnis des Mythos zu gewinnen, möchte ich zwei interessante Betrachtungen des Mythos aus dem akademischen Umfeld deutscher Nachkriegsphilosophen gegenüberstellen: Hans Blumenberg (1920 – 1996) und Theodor W. Adorno (1903 -1969).
Bei Hans Blumenberg wird der Mythos an verschiedenen Stellen ausgiebig thematisiert, vor allem aber in der 1979 erschienenen Monographie Arbeit am Mythos, die auch das Fundament der in dieser Arbeit dargestellten Analyse Blumenbergs markiert. Eine systematische Theorie des Mythos arbeitet Blumenberg jedoch nicht aus, doch trotz der spekulativen Natur seines philosophischen Zugriffs, die in ihrer Umwegigkeit dem Gegenstand gleicht, wird er der Bedeutsamkeit des Mythos nachgehen. In Adornos Philosophie erfährt der Mythos keine primäre Auseinandersetzung, doch ist er im Verhältnis zur von Adorno reflektierten Aufklärung von fundamentaler Bedeutung. Deshalb gilt als primäres Werk zur Darstellung seiner Position zum Mythos die mit Max Horkheimer (1895 - 1973) gemeinsam verfasste Monographie „Dialektik der Aufklärung“, die sie 1944 erstmals im Exil veröffentlichten. Adornos 1966 veröffentlichte „Negative Dialektik“ führt die in meiner Arbeit exzerpierten Ansätze fort und wird ebenso, allerdings nicht im Detail, zur stattfindenden Analyse verwendet.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 2.1 Blumenberg
- 2.1.1 Ausgangspunkt und Bedeutsamkeit des Mythos
- 2.1.2 Identifikation des Absoluten
- 2.1.3 Distanzkultivierung und Technisierung
- 2.1.4 Metaphorologie & Bewusstseinsgeschichte
- 2.1.5 Mythos & Aufklärung
- 2.2 Adorno
- 2.2.1 Mythos als Rationalität
- 2.2.2 Aufklärung als Mythologie
- 2.2.3 Distanzkultivierung & Herrschaft über die Natur
- 2.2.4 Identifizierendes Denken
- 2.3 Zwei verschiedene Mythologeme
- 2.3.1 Blumenberg und der Prometheus-Mythos
- 2.3.2 Adorno und der Odysseus-Mythos
- 3. Zusammenfassende Betrachtung & Conclusio
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Bedeutung des Mythos in der Philosophie von Hans Blumenberg und Theodor W. Adorno. Im Mittelpunkt steht dabei der Vergleich ihrer Ansätze zur Deutung des Mythos im Kontext der menschlichen Bewusstseinsgeschichte und der Herausforderungen der Moderne.
- Der Mythos als Instrument der Kompensation und Entlastung von Angst vor der unbegrifflichen Wirklichkeit
- Die Rolle des Mythos in der Anthropogenese und seine Funktion als Mittel der Selbstbehauptung
- Die Bedeutung der Distanzkultivierung und Technisierung in der Auseinandersetzung mit dem Mythos
- Der Mythos im Spannungsfeld zwischen Rationalität und Irrationalität
- Die Beziehung zwischen Mythos und Aufklärung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt den Leser in die Thematik des Mythos ein und skizziert die zentralen Fragestellungen der Arbeit. Sie beleuchtet die unterschiedlichen Perspektiven auf den Mythos in der Antike und in der Moderne.
Das Kapitel 2.1 widmet sich Hans Blumenbergs Philosophie des Mythos. Es analysiert den Ausgangspunkt seiner Überlegungen in der Anthropogenese, die Bedeutung des Mythos als Kompensationsmechanismus für die Angst vor dem Absoluten und die Rolle der Distanzkultivierung und Technisierung in der Bewältigung dieser Angst.
Kapitel 2.2 betrachtet Adornos Auseinandersetzung mit dem Mythos. Es beleuchtet die Beziehung zwischen Mythos und Rationalität, die These von der Aufklärung als Mythologie und Adornos Kritik an der Identifizierung mit dem Absoluten.
Im Kapitel 2.3 werden zwei zentrale Mythologeme, der Prometheus-Mythos bei Blumenberg und der Odysseus-Mythos bei Adorno, miteinander verglichen und analysiert.
Schlüsselwörter
Mythos, Anthropogenese, Angst, Absolutes, Distanzkultivierung, Technisierung, Rationalität, Irrationalität, Aufklärung, Prometheus, Odysseus, Blumenberg, Adorno.
- Arbeit zitieren
- Amon Raun (Autor:in), 2022, Ursprünglichkeit und Konstanz des Mythos, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1370016