Das Regierungssystem Japans


Dossier / Travail, 1999

18 Pages, Note: 1,75


Extrait


Kulturelle Grundlagen

In der japanischen Gesellschaft können sich horizontale Gruppen nur schwer behaupten. „Hierarchische Elemente treten hinter solche der Funktionalität und der Koordination zurück.“[1]

Zum Verständnis der japanischen politischen Kultur ist das Verständnis der gesellschaftlichen und kulturellen Grundlagen unverzichtbar. Als Beispiele seien hier nur zwei prägende Elemente angesprochen.

1.1 Konfuzianismus

Ein sehr wichtiges Element der japanischen Gesellschaft stellt der Konfuzianismus dar. Die auf den chinesischen Gelehrten Konfuzius zurückgehende Sozialethik hat als zentrales Anliegen das ‚Dau‘ (auch Dao oder Tao), was so viel bedeutet wie der rechte Weg oder das ethisch richtige Handeln. Der Weg zum Dau wird von einem ‚Vorbild‘ aufgezeigt, der im Staat der Kaiser und in der Familie der Vater ist, dem selbst dann Respekt und Gehorsam zu zollen ist, wenn dieser zu unrecht handelt. Darüber hinaus regeln festgelegte Verhaltensentsprechungen, die sog. Riten, das Zusammenleben. Sie gewährleisten bei Einhaltung Frieden, Harmonie und Glück. Der Konfuzianismus ist im Kern eine Lehre gesellschaftlicher Harmonie.

Die Shogune der Tokugawara-Ära übertrugen den Neokonfuzianismus, bei dem die bestehende Soziallehre mit buddhistischen Elementen kombiniert wurde, zum Zwecke der Herrschaftssicherung nach Japan.

Im heutigen japanischen Alltag lassen sich immer noch Tugenden des Konfuzianismus feststellen, wie z.B. Fleiß, Sparsamkeit und Lernwille, auch wenn das konfuzianische Staatssystem als solches nicht mehr existiert. Darüber hinaus findet sich eine ausgesprochene Sensibilität für hierarchische Ordnungen und die Vorstellung einer harmonischen Gesellschaft, die Konflikte durch Hierarchie und Befehlsverzicht auffängt.[2]

1.2 Buddhismus

Der Buddhismus ist eine jenseitig orientierte Religion, die auf dem Glauben basiert, das Leben sei gleichbedeutend mit Leiden. Der Buddhismus ist die toleranteste Weltreligion, so daß neben ihr auch andere Religionen, in Japan z.B. der Shinto, existieren können. Meditative Versenkung und Leben im Gebet ist in dieser Religion von besonderer Bedeutung.

In Japan wurde der Buddhismus zum Element einer leistungs- und erfolgsorientierten Wirtschaftsethik, die sich nicht an der konfuzianischen Gesellschaftsordnung stoßen mußte. Der Zen-Buddhismus verdeutlicht die Anpassung an die japanischen Werte ganz besonders. In ihm wird die innerweltliche Wendung auf die Spitze getrieben. Wichtig hierbei ist die körperliche und geistige Konzentration auf einen Punkt hin, sowie der unbedingte gehorsam gegenüber des Zen-Lehrers. Nur so könne Buddha erlebt werden.

Durch die Erhebung des japanischen Kaisers in den Rang einer buddhistischen Gottheit, wurde dieser auch für Buddhisten zum Gegenstand ihrer Verehrung.[3]

2. Das Regierungssystem Japans

2.1 Der Kaiser

Bei dem politischen System Japans handelt es sich um eine parlamentarische Monarchie, in welcher der Tenno, der Kaiser, eine symbolische Funktion einnimmt.

Artikel 1 der japanischen Verfassung beschreibt die Position des Kaisers im politischen System folgendermaßen: „The Emporer shall be the symbol of the state and the Unity of the people, deriving his position from the souvereign will of the People, and from no other source.“[4] Der Kaiser ernennt den vom Parlament gewählten Premierminister (Artikel 5). Zudem kommen ihm

„duties of appointment (of the prime minister and chief justice), attestation (of appointment of ministers of state and ambassadors), promulgation (of amendments to the constitution, laws, treaties and cabinet orders) and ratification (of diplomatic instruments)“[5]

zu. Darüber hinaus ist „seine staatsrechtliche Stellung (...) unklar definiert, (...) faktisch wird er im In- und Ausland als zeremonielles Staatsoberhaupt gesehen.“[6]

2.2 Das Parlament

In der japanischen Parlamentsstruktur ist ebenso wie in der Bundesrepublik Deutschland das gewaltenteilige Element eines Zweikammersystems vorhanden. Das Unterhaus besteht aus 500 Mitgliedern (vor der Wahlsystemreform von 1994: 511), die auf 4 Jahre gewählt werden. Bei diesem Wahlsystem mit zwei Stimmen entfällt eine Stimme auf 200 Listenmandate nach dem Verhältniswahlsystem und die andere für 300 Direktmandate in Einerwahlkreisen.[7] Von den 252 Mitgliedern des Oberhauses werden alle drei Jahre die Hälfte der Abgeordneten auf sechs Jahre gewählt. „100 Mitglieder in Nationalwahlen nach dem Verhältniswahlrecht und 152 in Präfekturwahlen nach dem Mehrheitswahlrecht mit Mehrpersonenwahlkreisen“.[8] Gewaltenteilig wirken hier besonders die unterschiedlichen Wahlperioden der beiden Häuser. Für den Premierminister besteht hierbei die Möglichkeit, durch Oberhauswahlen die Parlamentsmehrheit zu verlieren, aus der er hervorgegangen ist. De facto differiert die Zusammensetzung der beiden Kammern jedoch kaum, was einen schwächenden Einfluß auf den gewaltenteiligen Charakter dieses Zweikammersystems hat.

Hinzu kommt, daß das Oberhaus in der Gesetzgebung nicht gleichberechtigt ist, ebenso wie bei der Kontrolle des Parlaments. Wenn bei der Wahl des Premierministers, bei Budgetberatungen oder zwischenstaatlichen Verträgen die beiden Kammern keine Einigung erzielen, so gilt der Beschluß des Unterhauses als Beschluß des gesamten Parlaments. Zudem kann das Oberhaus im Gesetzgebungsprozeß vom Unterhaus mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit überstimmt werden. Dem Oberhaus kommen damit nur Befugnisse, die „aufschiebende und hemmende Konsequenzen“[9] haben, zu.

Nach der Verfassung soll „The Diet (...) be the highest organ of state power and shall be the sole law-making authority of the State.“[10]

Bei der Gesetzgebung ist das japanische Parlament an die besonders geschützten Verfassungsnormen gebunden.[11] Allerdings ist die Parlamentssouveränität einer Beschränkung durch ein Verfassungsgericht kaum unterworfen. Der Oberste Gerichtshof entscheidet zwar über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes, da er jedoch in dieser Aufgabe einen Verstoß gegen die Unabhängigkeit der Judikative gegenüber den anderen beiden Gewalten erkennt[12], wird auf die Aufhebung von politischen Entscheidungen verzichtet.

Eine Beschränkung der Parlamentssouveränität liegt jedoch durch das Element der ‚direkten Demokratie‘ vor, welches besagt, daß Verfassungsänderungen zunächst mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit des Parlaments und anschließend durch ein Referendum bestätigt werden müssen.[13]

2.3 Die Regierung

„The executive power is vested in a Cabinet.“[14]

An der Spitze der Regierung steht im politischen Systems Japans der Premierminister. Er „has attained a superior executive status both in law and in fact“[15] Nach der Wahl des Parlaments wird er von diesem ernannt und steht dem Kabinett und den Ministern vor, welche er selbst ernennt und entläßt.

Der Premierminister verfügt über die Möglichkeit, das Unterhaus aufzulösen, was es ihm ermöglicht, im Falle eines heterogenen Parlaments die Handlungsfähigkeit der Regierung

aufrecht zu erhalten. Zudem kann er so die notwendige Unterstützung für seine Politik erzwingen, seine eigene Position durch vorgezogene Neuwahlen stärken und einem eventuellen Mißtrauensvotum zuvorkommen, dem ein Rücktritt des gesamten Kabinetts folgen würde. Die verschiedenen Premierminister Japans haben von dieser Möglichkeit oft Gebrauch gemacht, was vor allem auf die interne Zersplitterung der parlamentarischen Mehrheit zurückzuführen ist.[16]

Der Premierminister „presides over cabinet meetings, declares a consensus of cabinet opinion, and represents his colleagues in submission of the budget, ordinary bills and proposals to the Diet“[17].

„Der einflußreichste Politiker der jeweils stärksten Faktion einer Partei erhebt Anspruch auf das Amt des Regierungschefs, bei dessen Ausübung er die Mehrheit der Führer der übrigen Faktionen seiner Partei hinter sich haben muß.“[18] Dabei sind ihm die einzelnen Minister verantwortlich und nicht, wie zum Beispiel in Großbritannien, der Krone, also dem Kaiser.[19] Die Minister stehen den Ministerien vor. Allerdings werden sie nicht nach Fachkompetenzen ausgewählt, sondern nach Repräsentation der einzelnen Faktionen.[20]

[...]


[1] J. Hartmann: Politik in Japan. Das Innenleben einer Wirtschaftsweltmacht, Frankfurt, New York 1992, S. 63. (im folgenden zitiert als: J. Hartmann: Politik in Japan.)

[2] Nach: J. Hartmann: Politik in Japan, a.a.O., S. 44ff..

[3] Nach: j. Hartmann: Politik in Japan, a.a.O., S. 53ff..

[4] Aus: Constitution of Japan. The Original Draft Constitution Prepared By SCAP. Secretariat Of The Commission On The Constitution, S. 2 (Article I).

[5] A. W. Burks: The Government of Japan, new York 1961, S. 100. (im folgenden zitiert als: A. W. Burks: The Government of Japan.)

[6] J. Hartmann: Politik in Japan. Das Innenleben einer Wirtschaftsweltmacht, Frankfurt / New York 1992, S. 139.

[7] Vergl.: W. Röhrich: Die politischen Systeme der Welt, Beck’sche Reihe, München 1999, S. 34. (im folgenden zitiert als: W. Röhrich: Die politischen Systeme der Welt.)

[8] F. Lehner, U. Widmaier: Vergleichende Regierungslehre, Grundwissen Politik Band 4, 3. Auflage, Opladen 1995, S. 89. (im folgenden zitiert als: F. Lehner, U. Widmaier: Vergleichende Regierungslehre.)

[9] W. Röhrich: Die politischen Systeme der Welt, a.a.O., S. 33.

[10] Aus: Constitution of Japan. The Original Draft Constitution Prepared By SCAP. Secretariat Of The Commission On The Constitution, S. 10 (Article XL).

[11] Vergl.: F. Lehner, U. Widmaier: Vergleichende Regierungslehre, a.a.O., S. 88.

[12] Vergl.: F. Lehner, U. Widmaier: Vergleichende Regierungslehre, a.a.O., S. 89.

[13] Vergl.: F. Lehner, U. Widmaier: Vergleichende Regierungslehre, a.a.O., S. 89.

[14] Aus: Constitution of Japan. The Original Draft Constitution Prepared By SCAP. Secretariat Of The Commission On The Constitution, S. 14 (Article LX).

[15] A. W. Burks: The Government of Japan, a.a.O., S. 101f..

[16] Vergl.: F. Lehner, U. Widmaier: Vergleichende Regierungslehre, a.a.O., S. 89f..

[17] A. W. Burks: Government of Japan, a.a.O., S. 102.

[18] W. Röhrich: Die politischen Systeme der Welt, a.a.O., S. 33.

[19] Vergl.: A. W. Burks: Government of Japan, a.a.O., S. 102.

[20] Vergl.: F. Lehner, U. Widmaier: Vergleichende Regierungslehre, a.a.O., S. 90.

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Das Regierungssystem Japans
Université
Christian-Albrechts-University of Kiel  (Institut für Politische Wissenschaft Kiel)
Note
1,75
Auteur
Année
1999
Pages
18
N° de catalogue
V1372
ISBN (ebook)
9783638108485
Taille d'un fichier
407 KB
Langue
allemand
Mots clés
Regierungssystem, Japans
Citation du texte
Thomas Reith (Auteur), 1999, Das Regierungssystem Japans, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1372

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