Handelskredite und Risikoallokation


Mémoire (de fin d'études), 2009

68 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

1 DIE BEDEUTUNG DER HANDELSKREDITE UND IHRE RISIKEN

2 ERLÄUTERUNGEN DER BEGRIFFE HANDELSKREDIT UND RISIKOALLOKATION
2.1 Der Handelskredit
2.1.1 Berechnung des impliziten Kreditzinssatzes
2.1.2 Einordnung des Handelskredits in die Organisation des Unternehmens
2.2 Risikoallokation bei Handelskrediten

3 THEORETISCHE MODELLE ÜBER HANDELSKREDITE
3.1 Vollkommener Güter- und Kapitalmarkt
3.2 Unvollkommener Gütermarkt und vollkommener Kapitalmarkt
3.2.1 Preisdiskriminierung (Brennan, Maksimovic, Zechner, 1988)
3.2.2 Preisbildung auf oligopolistischen Märkten (Schwartz, Whitcomb, 1978)
3.2.3 Transaktionskosten (Ferris, 1981)
3.3 Vollkommener Gütermarkt und unvollkommener Kapitalmarkt
3.3.1 Ungleicher Soll- und Habenzins auf dem Kapitalmarkt (Emery, 1984)
3.3.2 Zugang zum Kapitalmarkt (Schwartz, 1974) ß
3.4 Unvollkommener Gütermarkt und unvollkommener Kapitalmarkt – Informationsökonomische Modelle
3.4.1 Handelskredite als Signal der Kreditwürdigkeit (Smith, 1987)
3.4.2 Vorteile in der Wiederinbesitznahme und der Veräußerung (Frank, Maksimovic, 2005)
3.4.3 Handelskredite als Instrument zur Erlangung von Bankkrediten (Biais, Gollier, 1997)
3.4.4 Informationen über die Produktqualität (Lee, Stowe, 1993)
3.4.5 Liquiditätsversicherung und Durchsetzbarkeit von Ansprüchen (Cunat, 2007)
3.4.6 Vorteile in der Finanzierung durch Unternehmen (Peterson, Rajan, 1997)

4 EMPIRISCHE ÜBERPRÜFUNG EINZELNER THEORIEN
4.1 Empirische Ergebnisse zu einzelnen Theorien
4.1.1 Unvollkommener Gütermarkt und vollkommener Kapitalmarkt
4.1.2 Vollkommener Gütermarkt und unvollkommener Kapitalmarkt
4.1.3 Unvollkommener Gütermarkt und unvollkommener Kapitalmarkt – Informationsökonomische Erklärungen
4.2 Probleme der empirischen Überprüfung von Handelskredittheorien
4.2.1 Ungenaue Proxys aufgrund fehlender Daten
4.2.2 Unterscheidung zwischen zeitabhängigen und zeitunabhängigen Effekten
4.2.3 Kontrolle weiterer Motive für die Handelskreditentscheidung

5 HANDELSKREDITE UND RISIKOALLOKATION
5.1 Handelskreditrisiken
5.2 Notwendigkeit des (Risiko-)Managements von Handelskreditrisiken
5.3 Umgang mit Handelskreditrisiken
5.3.1 Geschäftspolitik des Unternehmens
5.3.2 Kapitalstruktur des Unternehmens
5.3.3 Risikotransferentscheidung des Unternehmens
5.3.3.1 Factoring
5.3.3.2 Kreditversicherung
5.3.3.3 Eigenversicherer

6 SCHLUSSBETRACHTUNG

LITERATURVERZEICHNIS

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Modellklassen zur Erklärung der Handelskreditentscheidung

Abbildung 2: Preisdiskriminierung

Abbildung 3: Transaktionskosten

Abbildung 4: Financial-Assistance Theorie / Liquiditätsversicherungstheorie

Abbildung 5: Handelskredite als Signal der Kreditwürdigkeit

Abbildung 6: Vorteile in der Wiederinbesitznahme und Veräußerung

Abbildung 7: Handelskredite als Instrument zur Erlangung von Bankkrediten

Abbildung 8: Informationen über die Produktqualität

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Die Bedeutung der Handelskredite und ihre Risiken

Handelskredite stellen eine der wichtigsten externen Finanzierungsquellen vieler Unternehmen dar. In den meisten OECD Ländern machen sie circa ein Drittel der gesamten Verbindlichkeiten von Unternehmen aus.1 Obwohl Handelskredite vor diesem Hintergrund für Unternehmen von großer Relevanz sind, wird die Handelskreditentscheidung theoretisch noch nicht vollständig verstanden. Insbesondere die Frage, weshalb Handelskredite – trotz des verglichen mit dem Kreditmarkt hohen impliziten Zinssatzes – Anwendung finden, ist noch nicht vollständig geklärt.

In der Literatur findet man eine Vielzahl von Handelskredittheorien, welche jedoch jeweils nur einen gewissen Teil der Handelskreditentscheidung eines Unternehmens erklären können. 2 Alle diese Theorien vernachlässigen die mit Handelskrediten verbundenen Risiken. So existiert bisher keine Theorie, die explizit die Auswirkungen von Handelskreditrisiken auf die Handelskredit-entscheidung berücksichtigt. In der vorliegenden Arbeit werden Aussagen abgeleitet, welche Unternehmen aufgrund ihrer Risikostruktur vermehrt Handelskredite aufnehmen bzw. vergeben. Diese risikopolitische Sichtweise von Handelskrediten kann erklären, weshalb sich viele Handelskredittheorien dem Anschein nach wiedersprechen. Die Ursache liegt in der unterschiedlichen Risikopolitik von Unternehmen und ist somit von den einzelnen Unternehmenscharakteristika abhängig.

Die vorliegende Arbeit ist wie folgt aufgebaut. In Kapitel 2 werden zunächst die Bergriffe des Handelskredits und der Risikoallokation definiert. Anschließend werden in Kapitel 3 verschiedene Handelskredittheorien vorgestellt. Alle diese Theorien haben gemeinsam, dass sie die Existenz von Handelskrediten mithilfe von Marktunvollkommenheiten erklären. Darauf aufbauend wird in Kapitel 4 ein Literaturüberblick über bisherige empirische Ergebnisse gegeben. Hierbei werden auch die bei den empirischen Studien auftretenden Schwierigkeiten beschrieben. In Kapitel 5 werden die im Zusammenhang mit der Vergabe von Handelskrediten auftretenden spezifischen Risiken beschrieben, aus denen sich die Notwendigkeit eines Risikomanagements herleitet. Im weiteren Verlauf werden die Möglichkeiten des Managements von Handelskreditrisiken sowie deren Auswirkungen auf die Handelskreditentscheidung des Unternehmens beschrieben. Aus diesen Ergebnissen lassen sich Aussagen ableiten, welche Unternehmen aufgrund von risikopolitischen Aspekten vermehrt Handelskredite aufnehmen bzw. vergeben. Der Schlussteil (Kapitel 6) fasst die Ergebnisse zusammen.

2 Erläuterungen der Begriffe Handelskredit und Risikoallokation

2.1 Der Handelskredit

Der Handelskredit ist ein kurzfristiger Kredit zwischen Unternehmen.3 Er ist ein Kredit, da Leistung und Gegenleistung nicht Zug um Zug erfolgen, sondern zeitlich auseinanderfallen.4 Kennzeichnend für den Handelskredit ist, dass er eine Mischform aus einem Geld- und Naturalkredit darstellt, d.h. er ist weder ein reiner Geldkredit bei dem Lieferung und Leistung ausschließlich in Geld erfolgen, noch ist er ein reiner Naturalkredit bei dem Lieferung und Leistung ausschließlich in Sachgütern bzw. Dienstleistungen getätigt werden.5

Man unterscheidet zwei Arten des Handelskredits, den Kundenkredit und den Lieferantenkredit, je nachdem ob der Käufer oder Verkäufer den Kredit gewährt.6 Bei dem Kundenkredit zahlt der Käufer an den Verkäufer der Ware im Voraus einen Teil des Kaufpreises in Form einer Anzahlung, obwohl die Lieferung der vereinbarten Ware erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt.7

Bei dem in der Praxis verbreiteten Lieferantenkredit verhält es sich umgekehrt.8 Der Verkäufer liefert die Ware, wobei die Zahlung des Kaufpreises zu einem späteren Zeitpunkt stattfindet.9 Kurzum, beim Lieferantenkredit gewährt der Verkäufer der Ware dem Käufer einen Kredit, beim Kundenkredit verhält es sich umgekehrt.

In der Literatur werden die Begriffe Handelskredit und Lieferantenkredit synonym verwendet. 10 In der vorliegenden Arbeit schließt sich der Autor dieser Konvention an und versteht unter dem Begriff Handelskredit stets den Lieferantenkredit. Der Handelskredit kann in zwei unterschiedlichen Vertragsformen auftreten.

der ersten Variante hat der Käufer die Wahlmöglichkeit, die gelieferte Ware am Ende einer eingeräumten Kreditperiode, dem Zahlungsziel, oder unter Abzug eines Skontos innerhalb einer kürzeren Frist, der Skontofrist, zu zahlen.12 Diese Vertragsvariante wird in der Literatur auch als „two part contract“ bezeichnet.ß Bei der zweiten Variante, dem sogenannten „one part contract“ wird dem Käufer kein Skonto gewährt.

Die genaue Ausgestaltung des Handelskredits, insbesondere dessen Laufzeit, Skontosatz und Skontofrist werden von den einzelnen Vertragsparteien individuell vereinbart und variieren von Branche zu Branche. 14

2.1.1 Berechnung des impliziten Kreditzinssatzes

Beide Vertragsformen des Handelskredits enthalten einen impliziten Kreditzinssatz, der nicht explizit im Rechnungsbetrag ausgewiesen wird.15 Bei der „two part“-Vertragsvariante lässt sich der implizit erhobene Kreditzinssatz mit folgender Formel berechnen:16 17

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ein Zahlenbeispiel soll die Berechnung des impliziten Kreditzinssatzes des Handelskredits veranschaulichen:

Eine in der Praxis häufig anzutreffende Vertragsgestaltung des Handelskredits lautet beispielsweise wie folgt: „Zahlbar innerhalb von 30 Tagen netto Kasse oder innerhalb von 10 Tagen abzüglich 2% Skonto.“18 Demnach bekommt der Käufer bei Zahlung des Kaufpreises innerhalb der ersten 10 Tage ein Skonto von 2% auf den Rechnungsbetrag, andernfalls muss er spätestens 30 Tage nach Rechnungseingang, die Rechnung ohne Skonto begleichen. Dies führt zu einem effektiven Jahreszinssatz von 44,59%.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Kosten des Lieferantenkredits hängen wesentlich von der Kreditperiode, also der Differenz aus Zahlungsziel und Skontofrist und dem Skontosatz ab.19 Je höher der Skontosatz bzw. je kürzer die Kreditperiode, desto höher ist der Kreditzinssatz und umso höher sind die Kosten der Inanspruchnahme des Handelskredits.20

2.1.2 Einordnung des Handelskredits in die Organisation des Unternehmens

Handelskredite gehören aufgrund ihrer zeitlichen Struktur zu den kurzfristigen Bilanzpositionen. Sie machen einen wesentlichen Bestandteil des Working Capital aus. Dieses besteht aus den kurzfristigen Bilanzpositionen, „ (...) die dem Umlaufvermögen auf der Aktivseite und den kurzfristigen Verbindlichkeiten auf der Passivseite der Bilanz zuzuordnen sind.“21 Die Zusammensetzung und der Bestand des Working Capital beeinflussen die Unternehmensliquidität und sind für das tägliche Geschäft unerlässlich. Bereits Lough (1917) schreibt: „ Sufficient working capital must be provided in order to take care of the normal process of purchasing raw materials and supplies, turning out finished products, selling the products, and waiting for payments to be made. If the original estimates of working capital are insufficient, some emergency measures must be resorted to or the business will come to a dead stop.”22

Handelskredite treten gewöhnlich sowohl auf der Aktivseite als auch der Passivseite der Bilanz auf. Auf der Aktivseite erscheinen sie als Forderungen aus Lieferungen und Leistungen oder Anzahlungen, d.h. das Unternehmen hat Handelskredite vergeben. Auf der Passivseite treten sie in Form von kurzfristigen Verbindlichkeiten aus LuL auf, d.h. das Unternehmen hat Handelskredite in Anspruch genommen. Durch die Inanspruchnahme und Vergabe von Handelskrediten entstehen Risiken, durch die der Wert eines Unternehmens beeinflusst werden kann. Diese Risiken werden in Kapitel 5.1 besprochen. Für die Vergabe und Inanspruchnahme von Handelskrediten gibt es eine Vielzahl von Motiven, die in Kapitel 3 erläutert werden.

2.2 Risikoallokation bei Handelskrediten

Die Risikoallokation beschäftigt sich ganz allgemein mit der Aufteilung von Risiken. Eine aus Sicht des Unternehmens effiziente Risikoallokation soll Risiken so aufteilen, dass der Unternehmenswert gesteigert wird.23 Wie ein Unternehmen mit Handelskreditrisiken umgeht, d.h. wie diese aufgeteilt werden, ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich.

3 Theoretische Modelle über Handelskredite

In der Literatur wird die Existenz von Handelskrediten durch das Vorhandensein von Marktunvollkommenheiten erklärt, wobei entweder von einem unvollkommenen Gütermarkt und/oder einem unvollkommenen Kapitalmarkt ausgegangen wird.24 25 Je nachdem, welche Konstellation von Markt(un)vollkommenheiten zwischen Güter- und Kapitalmarkt vorliegt, kann man die einzelnen Theorien über Handelskredite einer der folgenden vier Modellklassen zuordnen (siehe Abb. 1):26

Modellklassen zur Erklärung der Handelskreditentscheidung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Modellklassen zur Erklärung der Handelskreditentscheidung 27

Zunächst werden die Eigenschaften der einzelnen Modellklassen erläutert. Danach werden die bisher bekanntesten Theorien diesen Modellklassen zugeordnet und kurz beschrieben.28

3.1 Vollkommener Güter- und Kapitalmarkt

Auf einem vollkommenen Gütermarkt herrscht freier Wettbewerb ohne Beschränkungen.29 Es existieren demnach keine oligopolistischen oder monopolistischen Marktstrukturen, die eine Vertragsschließung beeinträchtigen könnten.30 Alle Marktteilnehmer verfügen über die gleichen Informationen und die Transaktionskosten sind Null.31

Auf einem vollkommenen Kapitalmarkt gelten die Annahmen von Modigliani und Miller (1958). Kapitalaufnahme und -anlage sind zu einem einheitlichen Zinssatz möglich und die Erwartungen der Marktteilnehmer sind homogen.32 Weiterhin verfügen alle Marktteilnehmer über die gleichen Informationen, Transaktionskosten existieren nicht. Unter diesen Annahmen ist die Art der Finanzierung eines Unternehmens irrelevant.33 Es ist nicht möglich durch Veränderungen der Kapitalstruktur, d.h. durch Variation des Verhältnisses von Fremd- zu Eigenkapital den Unternehmenswert oder die durchschnittlichen Kapitalkosten zu beeinflussen.34 Bei Investitionsentscheidungen eines Unternehmens spielt die Finanzierungsseite demnach keine Rolle.35 Die Finanzierungsseite teilt nur auf, wer was finanziert. Handelskredite stellen in einer solchen Welt ein Substitut für jede andere Form des Fremdkapitals dar.

Das Vorhandensein von Handelskrediten kann auf einem vollkommenen Güter-und Kapitalmarkt daher nicht erklärt werden. 36

3.2 Unvollkommener Gütermarkt und vollkommener Kapitalmarkt

Auf einem Gütermarkt, auf dem kein freier Wettbewerb ohne Beschränkungen besteht, wird der Handelskredit entweder aus wettbewerbs-, absatz- oder preispolitischen Gründen gewährt.37

Aus wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten könnte die Vergabe eines Handelskredits beispielsweise als eine Zusatzleistung aufgefasst werden, durch deren Einsatz ein Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Konkurrenten erlangen kann. Denkbar wäre auch, dass in einigen Branchen die Vergabe von Handelskrediten üblich ist, und somit die Gewährung eines Handelskredits aufgrund der Konkurrenz eine Notwendigkeit zum Überleben auf dem entsprechenden Markt darstellt.

Die folgenden Modelle haben einige dieser Zusammenhänge formalisiert.

3.2.1 Preisdiskriminierung (Brennan, Maksimovic, Zechner, 1988)

In dem Modell von Brennan, Maksimovic, Zechner (1988)38 werden Handelskredite von Unternehmen als Instrument der Preisdiskriminierung benutzt. Voraussetzung hierfür ist ein monopolistischer Anbieter, der seinen Gewinn erhöhen will. Dies kann er erreichen, indem er den Preis des Gutes für potentielle Käufer, deren Zahlungsbereitschaft geringer ist als die der bisherigen Käufer, senkt. Selbstverständlich sollen die bisherigen Käufer des Produktes keinen geringeren Kaufpreis als vorher zahlen. Der Monopolist kann durch die Verwendung von Handelskrediten ein Separationsgleichgewicht herbeiführen, in dem genau dies erreicht wird.

Das Modell beschreibt die Situationen eines monopolistischen Traktorherstellers, der seine Traktoren an Bauern verkauft. Die Bauern können einen Kredit entweder auf dem Kreditmarkt oder von dem Traktorhersteller selbst in Form eines Handelskredits erhalten. Es gibt gute und schlechte Bauern, wobei die guten Bauern über ausreichend finanzielle Mittel verfügen. Sie können den Traktor sowohl bar als auch per Kredit finanzieren. Schlechte Bauern hingegen müssen einen Kredit aufnehmen um den Traktor kaufen zu können. Dazu haben sie zwei Möglichkeiten. Entweder sie leihen sich Geld bei einem Kreditinstitut oder sie nehmen einen Handelskredit in Anspruch. Während gute Bauern den Kredit mit Sicherheit zurückbezahlen können, besteht bei den schlechten Bauern diesbezüglich Unsicherheit. Überdies haben gute Bauern einen höheren Reservationspreis als schlechte Bauern, d.h. sie sind bereit für dasselbe Produkt mehr zu bezahlen. Der Traktorhersteller kann durch die Wahl des im Handelskredit inhärenten impliziten Zinssatzes die bisherige Zahlungsbereitschaft seiner Kunden aufrecht erhalten und gleichzeitig neue potentielle Käufer anlocken. Dazu bietet der Traktorhersteller einen Handelskreditzinssatz an, so dass gute Bauern keinen Anreiz haben den Traktor mittels eines Handelskredits zu finanzieren. Der Zinssatz muss also so hoch sein, dass den guten Bauern die Kosten des impliziten Zinssatzes zu hoch sind und sie vorzugsweise bar bezahlen. Gleichzeitig muss der Zinssatz so gewählt werden, dass die schlechten Bauern den Handelskredit in Anspruch nehmen und nicht den der Banken. Die Banken werden jedoch keinen Anreiz haben mit dem Handelskredit des Traktorherstellers zu konkurrieren, da ihnen die schlechten Bauern zu riskant sind. Sie rationieren schlichtweg Kredite an schlechte Bauern, oder verlangen einen überhöhten Zinssatz. Aus diesem Grund nehmen die schlechten Bauern den für sie relativ günstigeren Handelskredit des Traktorherstellers in Anspruch, während die guten Bauern den bisherigen Kaufpreis für das Produkt weiterhin bar bezahlen.

Kurzum: Für kreditwürdige Kunden ist der Handelskredit zu teuer. Sie ziehen es vor, bar zu zahlen. Riskante Kunden hingegen finden die Inanspruchnahme des Handelskredits als lohnenswert, da dies für sie – aufgrund der Kreditrationierung – die einzige Finanzierungsmöglichkeit darstellt.39

3.2.2 Preisbildung auf oligopolistischen Märkten (Schwartz, Whitcomb, 1978)

Ein weiterer absatz- und preispolitischer Aspekt für die Vergabe von Handelskrediten beschreibt das Modell von Schwartz und Whitcomb (1978). Ausgangspunkt des Modells ist die Annahme eines oligopolistischen Gütermarktes auf dem eine Preisabsprache bezüglich des zu handelnden Gutes zwischen den Anbietern besteht. Folglich liegt der Preis für das Gut über dem Preis, der sich bei freiem Wettbewerb einstellen würde, und die abgesetzte Menge ist beschränkt. Das Ziel eines einzelnen oligopolistischen Anbieters besteht nun in der Erhöhung seines Marktanteils, da er dadurch aufgrund von Skalenerträgen einen höheren Gewinn erzielen kann. Wegen der Preisbildung auf oligopolistischen Märkten kann dies nicht durch eine offensichtliche Preissenkung erreicht werden. Durch die Einräumung eines Handelskredits kann der effektive Kaufpreis des Produktes gesenkt werden, so dass dieser unter den abgesprochenen Preis fällt. Um den Kaufpreis zu senken, erhöht ein einzelner oligopolistischer Anbieter entweder den Skontosatz oder er verlängert das Zahlungsziel und/oder die Skontofrist. Da die anderen Oligopolanbieter keine Veränderung des Kaufpreises von „außen“ erkennen können, werden sie ihrerseits den Preis des Gutes beibehalten und nicht senken. Der effektive Kaufpreis des Produktes des einzelnen Oligopolanbieters ist jedoch durch die Vergabe des Handelskredits gesunken, mit der Folge, dass die abgesetzte Menge steigt. Der einzelne oligopolistische Anbieter kann also durch die Vergabe des Handelskredits seinen Marktanteil erhöhen und sich somit einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

3.2.3 Transaktionskosten (Ferris, 1981)

Ferris (1981) zeigt, dass die bei der Zahlungsabwicklung anfallenden Transaktionskosten durch Einsatz von Handelskrediten reduziert werden können. Dem Modell liegt die Annahme zugrunde, dass eine fortlaufende Geschäftsbeziehung zwischen den Vertragspartnern besteht.

Auf der Käuferseite entstehen Transaktionskosten in Form von Zahlungsabwicklungskosten durch eine laufende Bearbeitung und Begleichung von eingehenden Rechnungen. Zusätzlich hält der Käufer aufgrund unsicherer Lieferzeiten des Produktes vorsorgehalber liquide Mittel bereit, um die Rechnung bei Lieferungseingang der Ware bezahlen zu können. Aus diesem Vorsichtsmotiv der Geldhaltung entstehen Opportunitätskosten, da das gehaltene Geld nicht anderweitig eingesetzt bzw. investiert werden kann.

Auf der Verkäuferseite entstehen Transaktionskosten in Form von Zahlungsabwicklungskosten durch die permanente Überwachung der Zahlungseingänge.

Diese, durch Handelsunsicherheit entstehenden Transaktionskosten auf Käufer-und Verkäuferseite können durch die bei Handelskrediten typische Trennung des Warengeschäfts vom Geldgeschäft reduziert werden. Durch die Trennung des Geldzahlungsstroms vom Warengeschäft, lassen sich für beide Verhandlungs-partner die Zahlungseingänge bzw. -ausgänge besser prognostizieren und somit Transaktionskosten senken. Handelskredite stellen demnach einen Hedging-mechanismus dar, bei dem die Handelspartner das Handelsrisiko, welches in Form von unsicheren Ein- und Auszahlungen vorliegt, gemeinsam tragen. Die durch den Handelskredit resultierende geringere Unsicherheit im Geldzahlungsstrom,

lässt eine Geldhaltung des Käufers aufgrund des Vorsichtsmotivs überflüssig werden.

3.3 Vollkommener Gütermarkt und unvollkommener Kapitalmarkt

Auf einem unvollkommenen Kapitalmarkt sind die Annahmen von Modigliani und Miller (1958) nicht gegeben. Der Kapitalaufnahme und -anlagezins sind ungleich und die Marktteilnehmer haben unterschiedliche Erwartungen über die Zukunft. Folglich haben Handelskredite eine Bedeutung bei Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen eines Unternehmens. Auf einem unvollkommenen Kapitalmarkt können z.B. Kostengründe die Ursache für die Aufnahme bzw. Vergabe von Handelskrediten sein. Ebenso ist es möglich, dass der Handelskredit eine lohnenswerte Investition für das vergebende Unternehmen darstellt. Für Unternehmen, die keinen Zugang zu anderen Finanzierungsquellen haben, stellt der Handelskredit u.U. die einzige Finanzierungsmöglichkeit dar. In dieser Modellklasse spielt die Höhe der Kosten verschiedener Finanzierungsmöglichkeiten die entscheidende Rolle.

3.3.1 Ungleicher Soll- und Habenzins auf dem Kapitalmarkt (Emery, 1984)

Emery (1984) erklärt das Vorhandensein von Handelskrediten durch einen unterschiedlich hohen Soll- und Habenzins auf dem Kapitalmarkt. Zunächst geht er in seinen Überlegungen von der Annahme der Nichtexistenz von Handelskrediten aus, welche in einem weiteren Schritt aufgehoben wird. Dabei vergleicht er die Kosten des Käufers und den Gewinn des Verkäufers mit und ohne Handelskredit.

Um das Produkt kaufen und sofort bezahlen zu können muss der Käufer zunächst einen Bankkredit aufnehmen, dessen Kosten sich im Sollzins widerspiegeln. Die Kosten des Käufers setzen sich demnach aus dem Produktpreis zuzüglich der Kosten aus dem aufgenommenen Bankkredit, dem Sollzins, zusammen.

Der Gewinn des Verkäufers besteht aus den Zinserträgen durch die Anlage überschüssiger liquider Mittel. Erhält der Verkäufer das Geld sofort bei Lieferung, kann er dieses direkt bei der Bank zum Habenzins anlegen. Durch den unterschiedlichen Soll- und Habenzins verdient die Bank eine Rente, die von der Höhe der Differenz zwischen Soll- und Habenzins abhängt.

Beide Vertragspartner haben durch die Einführung des Handelskredits die Möglichkeit sich die Rente der Bank zu teilen. In diesem Fall bestehen die Kosten des Käufers aus dem Produktpreis und den Kosten aus der Inanspruchnahme des Handelskredits. Sind die Kosten durch die Aufnahme des Handelskredits geringer als die des Bankkredits, wird der Käufer den Handelskredit gegenüber dem Bankkredit präferieren, und vice versa. Der Gewinn des Verkäufers hängt von dem Handelskreditzins und der Differenz zwischen Soll- und Habenzins ab. Für den Verkäufer ist der Handelskredit stets dann vorteilhaft, wenn der Zinsertrag aus dem Handelskredit größer ist als der Zinsertrag bei Barzahlung. Die Einführung des Handelskredits kann also unter gewissen Voraussetzungen für beide Vertragspartner ein profitables Geschäft darstellen. Weshalb ein Verkäufer einen geringeren Zins als den Bankzins verlangen kann, erklärt Emery durch Vorteile bei der Kreditanalyse und Kreditüberwachung. Diese können aufgrund oligopolistischer Strukturen auf dem Kreditmarkt oder aber auch aufgrund eines langfristigen Kontaktes zum Handelspartner bestehen.

3.3.2 Zugang zum Kapitalmarkt (Schwartz, 1974)

In dem Modell von Schwartz (1974) haben Unternehmen unterschiedlich guten Zugang zum Kapitalmarkt. Insbesondere große Unternehmen können zu einem niedrigeren (Soll-)Zins Kredite aufnehmen als kleinere, kreditschwache Unternehmen. Diese Ungleichbehandlung von Unternehmen bezüglich der Kreditaufnahme, gibt großen Unternehmen einen Anreiz ihre kleineren Geschäftspartner durch die Vergabe von Handelskrediten zu unterstützten. Dadurch können sowohl große als auch kleine Unternehmen profitieren: Die kleineren Unternehmen können dank des Handelskredits ihre Geschäfte durchführen; die größeren Unternehmen steigern durch die Vergabe von Handelskrediten ihren Absatz, durch Geschäfte, die bei Nichtvergabe eines Handelskredits nicht zustande gekommen wären.

[...]


1 Vgl. Boissay, Gropp (2007), S. 5.

2 Vgl. Frank, Maksimovic (2005), S. 5.

3 Vgl. Olfert, Reichel (2008), S. 302.

4 Vgl. Rollenhagen (2003), S. 4.

5 Vgl. Rollenhagen (2003), S. 4.

6 Vgl. Ferris (1981), S. 243.

7 Vgl. Ferris (1981), S. 243.

8 Vgl. Schwartz (1974), S. 645.

9 Vgl. Becker (2002), S. ß3.

10 Vgl. Ng, Smith, Smith (1999), S. 1109; Biais, Gollier (1997), S. 903; Gergeta, Valentincic (2007), S. 1; Atanasova, Wilson (2003), S. 503.

11 Vgl. Cunat (2007), S. 492.

12 Vgl. Rollenhagen (2003), S. 5.

13 Vgl. Cunat (2007), S. 492.

14 Vgl. Danielson, Scott (2004), S. 580.

15 Vgl. Wilner (2000), S. 155.

16 Vgl. Brigham, Houston (2004), S. 618-619.

17 Die Formel berücksichtigt Zins und Zinseszins, vernachlässigt jedoch die Inflation. Eine Formel, welche die Inflation explizit berücksichtigt kann bei Ben-Horim, Levy (1982) gefunden werden.

18 Vgl. Olfert, Reichel (2008), S. 303.

19 Vgl. Breitkreuz (2007), S. 39.

20 Auf die Berechnung des impliziten Kreditzinssatzes des „one part contract“ wird in dieser Arbeit nicht eingegangen.

21 Meyer (2007), S. 23.

22 Lough (1917), S. 355.

23 Vgl. Stulz (2008), S. 40.

24 In der vorliegenden Arbeit werden nicht alle Handelskredittheorien behandelt, sondern ausschließlich diejenigen, die nach Ansicht des Autors für das Thema relevant sind. Weitere Theorien finden sich z.B. bei Brick und Fung (1984) sowie Fisman und Love (2003).

25 Vgl. Hol, Wijst (2002), S. 2.

26 Vgl. Krahnen (1995), S. 909.

27 Vgl. Krahnen (1995), S. 909.

28 Für eine kritische Würdigung verschiedener Handelskredittheorien vgl. Bhattacharya (2008).

29 Vgl. Rollenhagen (2003), S. 17.

30 Vgl. Rollenhagen (2003), S. 17.

31 Vgl. Krahnen (1995), S. 909.

32 Vgl. Krahnen (1995), S. 909.

33 Vgl. Froot, Scharfstein, Stein (1994), S. 91.

34 Vgl. Rollenhagen (2003), S. 18.

35 Vgl. Rollenhagen (2003), S. 18.

36 Vgl. Lewellen, McConnell, Scott (1980), S. 106.

37 Vgl. Rollenhagen (2003), S. 19.

38 Schwartz und Whitcomb (1978) stellen die These auf, dass Handelskredite als Preisdiskriminierungsinstrument eingesetzt werden können. Brennan, Maksimovic und Zechner (1988) haben diese These in einem theoretischen Modell formalisiert.

39 In einem weiteren Modell zeigen diese Autoren, dass unter Adverse Selection die gleichen Ergebnisse entstehen können.

Fin de l'extrait de 68 pages

Résumé des informations

Titre
Handelskredite und Risikoallokation
Université
University of Frankfurt (Main)
Note
1,3
Auteur
Année
2009
Pages
68
N° de catalogue
V137322
ISBN (ebook)
9783640448746
ISBN (Livre)
9783640448517
Taille d'un fichier
928 KB
Langue
allemand
Mots clés
Handelskredite, Risikoallokation
Citation du texte
Diplom Kaufmann Johannes Baier (Auteur), 2009, Handelskredite und Risikoallokation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137322

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