Ausgewählte Besteuerungsprobleme bei wirtschaftlich tätigen gemeinnützigen Körperschaften


Mémoire (de fin d'études), 2009

85 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 EINFÜHRUNG
1.1 Motivation zur Themenstellung
1.2 Problemstellung und Vorgehensweise

2 DIE STEUERRECHTLICHE GRUNDSTRUKTUR GEMEINNÜTZIGER KÖRPERSCHAFTEN (SPHÄRENTHEORIE)
2.1 Allgemeines
2.2 Vier Einkommens- und Vermögenssphären
2.2.1 Ideeller Bereich
2.2.2 Vermögensverwaltung
2.2.3 Zweckbetrieb
2.2.4 Wirtschaftliche Geschäftsbetrieb

3 GRENZEN ERWERBSWIRTSCHAFTLICHER BETÄTIGUNG
3.1 Ausgangssituation
3.2 Gebot der Selbstlosigkeit (Geprägetheorie)
3.2.1 Quantitative Geprägetheorie der Finanzverwaltung
3.2.2 Rechtsprechung des BFH zur Geprägetheorie
3.2.3 Ansichten im Schrifttum zur Geprägetheorie
3.2.4 Zwischenergebnis
3.3 Gebot der Ausschließlichkeit
3.4 Ergebnis
3.5 Würdigung

4 VERLUSTE IM RAHMEN WIRTSCHAFTLICHER GESCHÄFTSBETRIEBE
4.1 Ausgangssituation
4.2 Grundsätzliches Verbot des Verlustausgleichs
INHALTSVERZEICHNIS III
4.3 Ausnahmen vom Verbot des Verlustausgleichs
4.3.1 Verlustausgleich mittels Umlagen und Zuschüsse
4.3.2 Verlustausgleich gemäß § 64 Abs. 2 AO
4.3.3 Verlustausgleich mit früheren Gewinnen
4.3.4 Unschädliche Verluste aus anteiligen Abschreibungen auf gemischt genutzte Wirtschaftsgüter
4.3.5 Verluste aufgrund einer Fehlkalkulation
4.3.6 Anlaufverluste
4.3.7 Verlustausgleich durch Aufnahme eines betrieblichen Darlehens
4.4 Ergebnis und Würdigung

5 AUSLAGERUNG VON WIRTSCHAFTLICHEN GESCHÄFTSBETRIEBEN
5.1 Ausgangssituation
5.2 Zivilrechtliche Wege der Auslagerung
5.2.1 Ausgliederung
5.2.2 Sacheinlage
5.2.3 Verdeckte Sachgründung (sog. Praktikerweg)
5.2.3.1 Begriff der verdeckten Sachgründung
5.2.3.2 Rechtsfolgen vor Inkrafttreten des MoMiG
5.2.3.3 Rechtsfolgen nach Inkrafttreten des MoMiG
5.2.4 Betriebsverpachtung
5.3 Ertragsteuerliche Probleme der Auslagerung
5.3.1 Ausgliederung und Sacheinlage als Einbringung im Sinne des UmwStG
5.3.2 Verdeckte Sachgründung
5.3.3 Betriebsverpachtung
5.3.3.1 Zuordnung zur Vermögensverwaltung
5.3.3.2 Zuordnung zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb
5.4 Gemeinnützigkeitsrechtliche Probleme bei der Auslagerung
5.4.1 Kapitalausstattung von Tochterkapitalgesellschaften
5.4.1.1 Tochterkapitalgesellschaft ist gemeinnützig
5.4.1.2 Tochterkapitalgesellschaft ist nicht gemeinnützig
5.4.2 Verbot der Mittelthesaurierung in der Tochterkapitalgesellschaft
5.4.3 Mittelfehlverwendung
5.5 Ergebnis

6 ZUORDNUNG VON BETEILIGUNGEN AN PERSONEN- UND KAPITALGESELLSCHAFTEN
6.1 Ausgangssituation
6.2 Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft
6.2.1 Grundsätzliche Zuordnung zur Vermögensverwaltung
6.2.2 Ausnahmsweise Zuordnung zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb
6.2.2.1 Tatsächlicher entscheidender Einfluss auf die Geschäftsführung
6.2.2.2 Betriebsaufspaltung
6.3 Beteiligung an einer Personengesellschaften
6.4 Ergebnis

7 STEUERLICHE EINORDNUNG DES SPONSORINGS
7.1 Ausgangs- und Interessenlage
7.2 Begriff des Sponsorings
7.3 Steuerliche Behandlung beim Sponsor
7.3.1 Behandlung als Betriebsausgaben
7.3.2 Behandlung als Spenden
7.3.3 Behandlung als Kosten der privaten Lebensführung bzw. verdeckte Gewinnausschüttung
7.4 Steuerliche Behandlung beim Sponsoringempfänger
7.4.1 Überblick
7.4.2 Zuordnung zum ideellen Bereich
7.4.3 Exkurs: Verlinkung von Internetseiten als aktive Werbeleistungen
7.4.4 Zuordnung zur Vermögensverwaltung
7.4.5 Zuordnung zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb
7.4.6 Umsatzsteuerliche Behandlung
7.4.6.1 Aktive Werbemaßnahmen
7.4.6.2 Duldung von Werbeleistungen
7.4.6.3 Bloße Danksagung
7.5 Ergebnis

8 AUSWIRKUNGEN EINER INSOLVENZ AUF DEN GEMEINNÜTZIGKEITSSTATUS
8.1 Ausgangslage
8.2 Insolvenzeröffnungsgründe
8.2.1 Zahlungsunfähigkeit
8.2.2 Drohende Zahlungsunfähigkeit
8.2.3 Überschuldung
8.3 Kollision mit dem Gemeinnützigkeitsrecht
8.3.1 Kollision mit dem Grundsatz der Vermögensbindung
8.3.2 Kollision mit den Anforderungen an die tatsächliche Geschäftsführung
8.3.2.1 Ansicht des Finanzgerichts Niedersachsen
8.3.2.2 Ansicht des Bundesfinanzhofs
8.3.2.3 Reaktionen im Schrifttum
8.3.2.4 Reaktion der Finanzverwaltung
8.4 Ergebnis

9 ANERKENNUNG DER UNTERNEHMERGESELLSCHAFT ALS GEMEINNÜTZIGE KÖRPERSCHAFT
9.1 Ausgangssituation
9.2 Gründung unter Verwendung des Musterprotokolls
9.3 Pflichtrücklage als Gemeinnützigkeitshindernis
9.3.1 Gesellschaftsrechtliche Thesaurierungspflicht
9.3.2 Kollision mit dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung
9.3.3 Diskutierte Lösungsansätze im Schrifttum
9.3.3.1 Rücklagenbildung nach § 58 Nr. 6 AO
9.3.3.2 Freie Rücklage nach § 58 Nr. 7a AO
9.3.3.3 Keine zeitnahe Mittelverwendungspflicht für das sog Ausstattungskapital
9.3.4 Ansicht der Finanzverwaltung
9.3.5 Zwischenergebnis
9.4 Ergebnis

10 KONKURRENTENKLAGE BEI ZU UNRECHT GEWÄHRTER STEUERBEFREIUNG
10.1 Ausgangssituation
10.2 Auskunftsanspruch zur Vorbereitung einer Konkurrentenklage
10.3 Prozessuale Anforderungen an eine Konkurrentenklage
10.3.1 Zulässige Klagearten
10.3.1.1 Feststellungsklage
10.3.1.2 Anfechtungsklage
10.3.2 Klagebefugnis
10.3.3 Vorliegen einer drittschützenden Norm
10.4 Praktischer Anwendungsfall: Steuerpflicht von Krankentransporten und Rettungsdienste
10.4.1 Sachverhalt
10.4.2 Problem
10.4.3 Durchführung der Konkurrentenklage
10.4.3.1 Vorgeschaltetes Auskunftsverfahren
10.4.3.2 Antrag auf Besteuerung des gemeinnützigen Konkurrenten
10.4.3.3 Rechtsbehelf bei abgelehnten Antrag
10.4.3.4 Klageerhebung beim Finanzgericht
10.5 Ergebnis

11 ZUSAMMENFASSUNG

LITERATURVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

RECHTSPRECHUNGSVERZEICHNIS

1 Einführung

1.1 Motivation zur Themenstellung

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts gibt es im Unternehmensregister insgesamt 586.364 eingetragene Kapitalgesellschaften und 413.746 eingetragene Personengesellschaften.1 Dem stehen 594.277 eingetragene Vereine2 gegenüber. Zwar sind nicht alle eingetragenen Vereine als gemeinnützig anerkannt, dennoch belegen diese Zahlen eindrucksvoll, welche Bedeutung die gemeinnützigen Kör-perschaften inzwischen erlangt haben.

Gleichwohl gilt das Gemeinnützigkeitsrecht als Stiefkind des deutschen Steuer-rechts. Das zeigt sich auch in der Steuerrechtsausbildung, wo das Gemeinnützig-keitsrecht bislang ein Schattendasein führt. Dabei wird verkannt, dass das Ge-meinnützigkeitsrecht mit zu den anspruchsvollsten Themen im Steuerrecht gehört. Das zeigt sich u. a. daran, dass sich die aus der Rechtsanwendung entwickelten allgemeinen Grundsätze im Gemeinnützigkeitsrecht in weiten Teilen nicht aus dem Gesetz ergeben, wie etwa die Aufteilung der Körperschaft in vier verschie-dene, steuerlich unterschiedlich zu behandelnde Einkommens- und Vermögens-sphären.3 Da sich gemeinnützige Körperschaften zunehmend wirtschaftlich betä-tigen und Waren sowie Dienstleistungen am Markt anbieten, müssen sie nicht nur die Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts, sondern zusätzlich auch die Rege-lungen des Ertragsteuer- und Umsatzsteuerrechts beachten. Gemeinnützigkeits-rechtlich bedeutsame Fragen, wie die Grenzen zulässiger erwerbswirtschaftlicher Betätigungen durch gemeinnützige Körperschaften können allein durch Anwen-dung des Gesetzestextes nicht beantwortet werden. Daneben werden gemeinnüt-zige Körperschaften zunehmend vom Europarecht tangiert. So hat beispielsweise der EuGH entschieden, dass die nationale umsatzsteuerrechtliche Behandlung von sog. echten Mitgliedsbeiträgen als nichtsteuerbare Leistungen nicht im Einklang mit der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie steht, da hiernach auch echte Mitglieds-beiträge einen Leistungsaustausch und damit einen steuerbaren Umsatz begründen können.

Vor diesem Hintergrund ist es von Interesse sich mit den Besteuerungsproblemen von wirtschaftlich tätigen gemeinnützigen Körperschaften eingehender zu befas-sen.

1.2 Problemstellung und Vorgehensweise

Gemeinnützige Körperschaften4 finanzieren die Verwirklichung ihrer satzungs-mäßigen Zwecke überwiegend durch Spenden, Mitgliedsbeiträge und öffentliche Zuschüsse. Allerdings reichen die Mittel nicht immer aus, damit die Körperschaf-ten ihre Aufgaben erfüllen können. Die Ursachen liegen u. a. darin begründet, dass die Höhe des Spendenaufkommens naturgemäß nicht kalkulierbar und vor-hersehbar ist und es in Zeiten angespannter öffentlicher Haushalte zunehmend schwieriger wird Zuschüsse zu erhalten. Um die finanzielle Abhängigkeit von Spenden und öffentlichen Zuschüssen zu verringern, gehen immer mehr gemein-nützige Körperschaften dazu über, die benötigten Mittel durch eine erwerbswirt-schaftliche Betätigung zu beschaffen. In den letzten Jahren hat sich insbesondere das Sponsoring für viele gemeinnützige Körperschaften zu einer der wichtigsten Finanzierungsquellen neben den Spendeneinnahmen entwickelt. Die wirtschaftli-che Betätigung ist für bestimmte gemeinnützige Körperschaften darüber hinaus auch erforderlich, damit sie ihren satzungsmäßigen Auftrag überhaupt erfüllen können, dies gilt beispielsweise für die Behindertenwerkstätten.

Vor dem Hintergrund, dass sich gemeinnützige Körperschaften neben ihren ideel-len Aktivitäten zunehmend auch unternehmerisch betätigen, ergeben sich hieraus eine Reihe von gemeinnützigkeitsrechtlichen Problemen, von denen hier einige wichtige Problemfelder im Rahmen der vorliegenden Diplomarbeit näher unter-sucht werden. Zuvor soll aber imzweiten Kapiteldie steuerliche Grundstruktur von gemeinnützigen Körperschaften anhand des sog. Vier-Sphären-Modells vor- gestellt werden, dessen Kenntnis für die Beurteilung gemeinnützigkeitsrechtlicher und steuerrechtlicher Probleme unabdingbar ist. Im Anschluss werden besondere Besteuerungsprobleme eingehend dargestellt. Hierzu zählt etwa die Grenzziehung zwischen zulässiger und gemeinnützigkeitsschädlicher erwerbswirtschaftlicher Betätigung, die bis heute nicht endgültig gelöst ist. Die Finanzverwaltung ver-sucht die Grenzziehung zwischen zulässiger und unzulässiger wirtschaftlicher Be-tätigung mittels der sog. quantitativen Geprägetheorie vorzunehmen. Ob die Ge-prägetheorie heute noch ihre Berechtigung hat, wird im dritten Kapitel näher be-leuchtet.

Ein weiteres zu erörterndes Problem stellen die Verluste im wirtschaftlichen Ge-schäftsbetrieb einer gemeinnützigen Körperschaft dar. Die erwerbswirtschaftliche Betätigung erfolgt zwar regelmäßig mit der Absicht Überschüsse zu erzielen, al-lerdings ist jeder unternehmerischen Betätigung immanent, dass hierdurch auch Verluste entstehen können. Vor dem Hintergrund, dass Verluste in diesem Be-reich grundsätzlich gemeinnützigkeitsschädlich sind, soll imvierten Kapiteldie-ser Arbeit aufgezeigt werden, unter welchen Voraussetzungen Verluste im wirt-schaftlichen Geschäftsbetrieb unschädlich sind.

In der Praxis lagern vermehrt gemeinnützige Körperschaften ihren wirtschaftli-chen Geschäftsbetrieb auf Tochterkapitalgesellschaften aus. Imfünften Kapiteldieser Arbeit werden die zivilrechtlichen Wege der Auslagerung sowie die damit verbundenen ertragsteuerlichen und gemeinnützigkeitsrechtlichen Probleme dar-gestellt.

Beteiligen sich gemeinnützige Körperschaften an Kapital- oder Personengesell-schaften, stellt sich regelmäßig die Frage, ob die Beteiligung und die hieraus re-sultierenden Erträge der ertragsteuerfreien Vermögensverwaltung oder dem wirt-schaftlichen Geschäftsbetrieb zugeordnet werden müssen. Imsechsten Kapiteldieser Arbeit wird dies untersucht. Ferner soll aufgezeigt werden, dass bei einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft trotz einer möglichen Steuerpflicht die Erträge aufgrund der Regelung in § 8b KStG im Ergebnis nahezu steuerfrei blei-ben.

Imsiebten Kapitelwird die steuerliche Behandlung des Sponsorings dargestellt. Die Sponsoringeinnahmen zählen neben den Spendengeldern mittlerweile zu den wichtigsten Finanzierungsquellen für gemeinnützige Körperschaften. Die Behand- lung der Sponsorengelder bei der Empfängerkörperschaft kann je nach Ausgestal-tung des Sponsorings ertragsteuerfrei oder steuerpflichtig vorgenommen werden. Vor dem Hintergrund, dass die steuerliche Behandlung der Sponsoringzahlungen beim Sponsor sehr unterschiedlich ausfallen kann, soll die steuerliche Einordnung des Sponsorings auf dessen Ebene ebenfalls dargestellt werden.

In dem sich anschließendemachten Kapitalsoll untersucht werden, welche Auswirkungen die Insolvenz auf den Gemeinnützigkeitsstatus einer Körperschaft hat.

Anschließend wird imneunten Kapiteldarauf eingegangen, ob die seit dem 1.11.2008 neu eingeführte haftungsbeschränkte Unternehmergesellschaft als ge-meinnützige Körperschaft anerkannt werden kann. Hieran könnten Zweifel beste-hen, da die Unternehmergesellschaft verpflichtet ist, ein Viertel ihres Jahresüber-schusses in eine gesetzliche Gewinnrücklage einzustellen. Diese Mittel stehen in-soweit nicht zur Verwendung satzungsmäßiger Zwecke zur Verfügung, was als Verstoß gegen das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung angesehen werden könnte.

Zum Schluss soll imzehnten Kapiteldie Möglichkeit einer Konkurrentenklage bei zu Unrecht gewährten Steuerbefreiungen untersucht werden. Da gemeinnützi-ge Einrichtungen im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit in Konkurrenz zu privaten nicht steuerbegünstigten Unternehmen treten, kann es zu unberechtigten Wettbewerbsvorteilen zugunsten steuerbegünstigter Körperschaften kommen, da diese aufgrund des Zweckbetriebsprivilegs die Gewinne ertragsteuerfrei verein-nahmen können und dadurch gegenüber der Konkurrenz im Vorteil sind.

2 Die steuerrechtliche Grundstruktur gemeinnüt- ziger Körperschaften (Sphärentheorie)

2.1 Allgemeines

Gemeinnützigkeitsrechtlich und steuerrechtlich werden bei gemeinnützigen Kör-perschaftenvierEinkommens- und Vermögenssphären unterschieden. Die Diffe-renzierung in vier Sphären stellt zugleich die steuerliche Grundstruktur gemein-nütziger Körperschaften dar, deren Kenntnis für die Beurteilung gemeinnützig- keitsrechtlicher und steuerrechtlicher Probleme unabdingbar sind. Sie werden nachfolgend kurz dargestellt.

Bei den vier Einkommens- und Vermögenssphären handelt es sich umden ideel-len Bereich, den Bereich derVermögensverwaltung,den Bereich desZweckbe-triebsund um den Bereich deswirtschaftlichen Geschäftsbetriebs. Insoweit spricht man auch vom Vier-Sphären-Modell oder von der sog. Sphärentheorie5.

2.2 Vier Einkommens- und Vermögenssphären

2.2.1 Ideeller Bereich

Dem ideellen Bereich werden die Spenden und Mitgliedsbeiträge zugerechnet.

Bei den Mitgliedsbeiträgen muss zwischen echten und unechten Mitgliedsbeiträ-gen differenziert werden, da nur die echten Mitgliedsbeiträge dem ideellen Be-reich zugerechnet werden. Bei echten Mitgliedsbeiträge handelt es sich um Bei-träge, die Mitglieder nicht in Erwartung einer konkreten Gegenleistung erbringen, sondern weil sich die Mitglieder mit ihrem Beitritt zur Körperschaft der Beitrags-zahlungspflicht unterworfen haben. Unechte Mitgliedsbeiträge werden regelmäßig dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugerechnet, da die Körperschaft bei un-echten Mitgliedsbeiträgen ihren Mitglieder gegenüber konkrete Leistungen erbringen. Die Mitglieder bezahlen die unechten Mitgliedsbeiträgen in Erwartung dafür eine konkrete Leistung von der Körperschaft zu erhalten.

Der ideelle Bereich unterliegt nicht der Ertragsbesteuerung, d. h. die Überschüsse aus diesem Bereich unterliegen weder der Körperschaftsteuer noch der Gewerbe-steuer.

Umsatzsteuerrechtlich wurde dieser Bereich bislang als nichtunternehmerischer Bereich behandelt, da Spenden und echten Mitgliedsbeiträgen kein Leistungsaus-tausch zu Grunde lag waren diese Umsätze nicht umsatzsteuerbar. Nach neuerer Auffassung können auch echte Mitgliedsbeiträge der Umsatzsteuer unterliegen. Insoweit ist die Behandlung des ideellen Bereich als nichtunternehmerischer Be-reich in der Umsatzsteuer zweifelhaft geworden.

2.2.2 Vermögensverwaltung

Nach § 14 Satz 3 AO liegt Vermögensverwaltung vor, wenn Vermögen genutzt, z. B. Kapitalvermögen verzinslich angelegt oder unbewegliches Vermögen ver-mietet oder verpachtet wird.

Die Überschüsse aus der Vermögensverwaltung sind ertragsteuerfrei. Die Umsät-ze die in der Vermögensverwaltung erzielt werden sind umsatzsteuerbar, häufig jedoch steuerfrei, wie etwa Zins-6 oder Mieteinnahmen7. Sofern eine Steuerbe-freiung nicht greift, kommt regelmäßig der ermäßigte Steuersatz zur Anwendung.8

2.2.3 Zweckbetrieb

Zweckbetriebe sind dem Grunde nach wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, die auf-grund von Sonderregelungen (sog. Zweckbetriebsprivileg) in den §§ 65 bis 68 AO ertragsteuerfrei gestellt werden.

Man unterscheidet zwischenallgemeinenZweckbetrieben (§ 65 AO) und gesetz-lich genau aufgezähltenbesonderenZweckbetrieben (§§ 66 bis 68 AO).

Die Zweckbetriebsumsätze unterliegen, sofern keine spezielle Umsatzsteuerbe-freiung vorliegt, grundsätzlich dem ermäßigten Steuersatz.9

2.2.4 Wirtschaftliche Geschäftsbetrieb

Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb wird in § 14 Satz 1 und 2 AO definiert. Ge-winne aus einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterliegen der normalen Er-trags- und Umsatzbesteuerung, sobald dieEinnahmen(nicht Gewinn) einschließ-lich der Umsatzsteuer im Jahr 35.000 € übersteigen.10

3 Grenzen erwerbswirtschaftlicher Betätigung

3.1 Ausgangssituation

Eine Reihe von Steuergesetzen gewähren solchen Körperschaften, Personenverei-nigungen und Vermögensmassen Steuervergünstigungen, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen. Die Steuervergünstigungen bestehen u. a. in der Steuerfreiheit von der Körperschaft-, Gewerbe- und Grundsteuer11 sowie von der Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer12 und in bestimmten Fällen von der Kraftfahrzeugsteuer.13 Ferner umfasst die Steu-ervergünstigung auch die Besteuerung bestimmter Umsätze mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz14 sowie die Berechnung der abziehbaren Vorsteuerbeträge nach Durchschnittssätzen.15

Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgen Körperschaften gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheitselbstloszu fördern. Das Tatbestandsmerkmal der Selbstlosigkeit ist in § 55 AO kodifiziert. Grundle-gend ist hierbei, dass die Körperschaftnicht in erster Linieeigenwirtschaftliche Zwecke, wie etwa gewerbliche Zwecke, verfolgt. Überwiegen eigenwirtschaftli-che Zwecke, verliert die Körperschaft insgesamt ihren Gemeinnützigkeitsstatus und damit die oben genannten Steuervergünstigungen.16

Bei derGeprägetheoriegeht es mithin um die Frage, ob die wirtschaftliche oder die gemeinnützige Tätigkeit einer Körperschaft das Gepräge gibt.17 Mit der Ge-prägetheorie soll mithin geklärt werden, ab welchen Umfang die wirtschaftliche Betätigung einer gemeinnützigen Körperschaft gemeinnützigkeitsschädlich ist.

Die Geprägetheorie wird maßgeblich von der Vorschrift des § 55 AO beeinflusst. Durch den Wortlaut „nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgen“ in der Vorschrift des § 55 Abs. 1 AO werden gemeinnützigen Körperschaften ge-werbliche Tätigkeiten zur Mittelbeschaffung dem Grunde nach zwar gestattet.18 Diese Vorschrift wird jedoch durch die Regelung in § 56 AO konterkariert, denn nach dem dort verankerten Ausschließlichkeitsgebot, darf eine Körperschaft nur ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verfolgen. Das Wort „nur“ in § 56 AO ist im Sinne von „ausschließlich“ zu verstehen. Die wirtschaftliche Betä-tigung ist dem Grunde nach durch den Gesetzgeber über § 64 AO legitimiert wor-den.19

Aufgrund der Zweideutigkeit der gesetzlichen Regelung (§§ 55 und 56 AO) lässt sich die Fragenach dem Umfangder gemeinnützigkeitsunschädlichen wirtschaft-lichen Betätigung anhand des Gesetzes nicht beantworten.20

3.2 Gebot der Selbstlosigkeit (Geprägetheorie)

3.2.1 Quantitative Geprägetheorie der Finanzverwaltung

Die Finanzverwaltung vertritt im Anwendungserlass zur AO die Auffassung, dass beim Vorhandensein eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes, zwischen diesem und den steuerbegünstigten Tätigkeiten zu gewichten sei. Gibt die wirtschaftliche Tätigkeit bei einerGesamtbetrachtungder Körperschaftdas Gepräge, ist die Körperschaft nicht als steuerbegünstigt anzusehen.21

Diese Ansicht wird im Schrifttum kritisiert, weil die Aussage im Anwendungser-lass aufgrund ihrer Unbestimmtheit zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit ge-führt habt, da offen gelassen wird, welche Kriterien bei der Gesamtbetrachtung den Ausschlag geben soll.22

In einer Verfügung der OFD Koblenz vom 28.2.2002 hat die Finanzverwaltung die Kriterien für die Gesamtbetrachtung näher spezifiziert.23

Bei der anzustellenden Gesamtbetrachtung sind nicht nur die in den verschiedenen Tätigkeitsbereichen erzielten Einnahmen in die Gewichtung mit einzubeziehen, sondern auch die zeitlichen Gesamtaktivitäten der Körperschaft, seiner Organe und Mitglieder (sog. quantitativer Vergleich). Bei der Gewichtung anhand des quantitativen Vergleichs werden bestimmte Messgrößen (Umsatz, Zeit- oder Per-sonalaufwand) gegeneinander gestellt, um die Frage nach einer zu hohen wirt-schaftlichen Tätigkeitsquote zu beantworten. Aus der OFD-Verfügung ergibt sich ferner, dass auch solche Körperschaften als gemeinnützig anerkannt werden, die ihre Einnahmen nahezu ausschließlich durch die Unterhaltung von wirtschaftli-chen Geschäftsbetrieben erzielen, wenn die Körperschaft selbst im Rahmen ihrer steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke tätig wird und diese steuerbegüns-tigten Zwecke einen entsprechend gewichtigen Teil der Aktivitäten der Körper-schaft ausmachen. Mit dieser Konkretisierung hat sich die Finanzverwaltung der Rechtsprechung des BFH aus dem Jahr 1998 angenähert, die nachfolgend darge-stellt wird.

3.2.2 Rechtsprechung des BFH zur Geprägetheorie

Nach der Rechtsprechung des BFH ist nicht jede auf Verbesserung der Einkünfte gerichtete Tätigkeit als Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit anzusehen. Eine Körperschaft kann einen auf Gewinnerzielung gerichteten, wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten, ohne dadurch das Gebot der Selbstlosigkeit zu ver-letzen. Allerdings darf die Körperschaft die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs verfolgten eigenwirtschaftlichen Zwecke nicht in erster Linie verfolgen.24 Mit dem viel beachteten Urteil vom 15.07.1998 hat der BFH seine Rechtsprechung von 1989 weiterentwickelt.25 Hinsichtlich des zulässigen Um-fangs einer wirtschaftlichen Betätigung betont der BFH, dasseine Körperschaft nicht allein deswegen in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke i. S. des § 55 Abs. 1 AO verfolgt, weil diese einen Geschäftsbetrieb unterhält, wodurch die un-ternehmerischen Aktivitäten die gemeinnützigen Aktivitäten übersteigen.

Mit dieser Aussage erteilt der BFH der quantitativen Betrachtung der Finanzver-waltung eine Absage. Der BFH begründet dies damit, dass es dem Ziel der steuer- lichen Förderung gemeinnütziger Ziele zuwiderliefe, Körperschaften allein wegen der Größe ihrer wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe die Möglichkeit gemeinnützi-ger Tätigkeiten vorzuenthalten. Spätestens mit dieser Entscheidung kann eine Körperschaft ihren Gemeinnützigkeitsstatus nicht mehr dadurch verlieren, dass sie bei einer Gesamtbetrachtung fast ausschließlich in einem wirtschaftlichen Ge-schäftsbetrieb tätig ist, solange dieser Mittel für die gemeinnützige Zweckver-wirklichung bereitstellt.26

Die Finanzverwaltung hat sich mit der Veröffentlichung der Entscheidung in den Bundessteuerblättern erheblich Zeit gelassen. Die zitierte BFH-Entscheidung aus dem Jahre 1998 wurde erst im Jahr 2002 im Bundessteuerblatt veröffentlicht und zugleich mit einem teilweisen Nichtanwendungserlass belegt. Die Finanzverwal-tung stellt sich gegen die Ansicht des BFH, wonach das Überwiegen der unter-nehmerischen Tätigkeit unschädlich für die Gemeinnützigkeit sei. Nach Auffas-sung der Finanzverwaltung führt das Überwiegen bei der wirtschaftlichen Tätig-keit zum Versagen der Gemeinnützigkeit.27

Allerdings hat der BFH mit seinem Urteil vom 04.04.200728 seine Rechtspre-chung aus dem Jahr 1998 nochmals ausdrücklich bestätigt. In der Urteilsbegrün-dung heißt es u. a., der Auffassung, wonach eine Körperschaft, die den überwie-genden Teil ihrer Einnahmen aus einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erzielt, werde stets durch den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb geprägt und sei daher in keinem Fall selbstlos i. S. des § 55 AO, kann nicht gefolgt werden. Unter aus-drücklicher Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 15.07.1998 wiederholt der BFH seine Auffassung, wonach ein Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit nicht allein deswegen vorliege, weil die Körperschaft einen wirtschaftlichen Ge-schäftsbetrieb unterhalte und die nicht begünstigten Aktivitäten die gemeinnützi-gen Aktivitäten übersteigen. Der BFH betont,dass es maßgeblich darauf ankom-me, ob das Vermögen der gemeinnützigen Körperschaft zweckgerichtet für die ideellen Zwecke eingesetzt wird und die Einnahmen aus der nicht begünstigten Tätigkeit für die begünstigte Tätigkeit verwendet werden. Wirtschaftliche Tätig-keiten zur Erhöhung der Einkünfte mit dem Ziel, den gemeinnützigen Satzungs-zweck durch Zuwendung zu fördern, seien nicht schädlich.29

3.2.3 Ansichten im Schrifttum zur Geprägetheorie

Im steuerlichen Schrifttum überwiegt im Wesentlichen die Kritik an der Gepräge- theorie der Finanzverwaltung.

Wallenhorstlehnt den von der Finanzverwaltung favorisierten quantitativen Ver-gleich mit Hinweis auf die oben zitierte BFH-Rechtsprechung ab. Nach seiner Ansicht kommt es vielmehr auf eine qualitative Bewertung der tatsächlichen Ge-schäftsführung im Rahmen ihres Satzungszweckes an.30 Die quantitative Gepräge-theorie der Finanzverwaltung sieht er als gescheitert an.31

Nach der Ansicht vonSchauhoffist der erfolgreiche steuerpflichtige wirtschaftli-che Geschäftsbetrieb, der aufgrund des hohen Umsatzes einen beträchtlichen Ge-winn für die gemeinnützige Tätigkeit zu erwirtschaften vermag, gemeinnützig-keitsrechtlich gerade erwünscht, weil auf diese Weise besonders viele Mittel für die gemeinnützigen Zwecke beschafft werden können. Sofern die wirtschaftlichen Aktivitäten dazu dienen, eine gemeinnützige Tätigkeit zu fördern, und der Zweck der Körperschaft in der Mittelbeschaffung für gemeinnützige Zwecke besteht, so werden die wirtschaftlichen Aktivitäten dieser Körperschaft das Gepräge geben. Nach Ansicht von Schauhoff kann die Körperschaft gleichwohl als gemeinnützig anerkannt werden, denn der Wettbewerb werde ausreichend dadurch geschützt, dass die Einkünfte aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Körperschaft versteuert werden. Mit Hinweis auf die oben zitierte BFH-Rechtsprechung weist auch Schauhoff darauf hin, dass ein Überwiegen der wirtschaftlichen Aktivitäten mit dem Zweck, die Gemeinnützigkeit durch Zuwendung von Mitteln zu fördern, nicht schädlich ist.32

AuchHüttemannist der Ansicht der Finanzverwaltung entgegengetreten und er-teilt der quantitativen Gewichtungsbetrachtung eine vollständige Absage. Seiner Meinung nach ist der Regelungsgehalt der Selbstlosigkeit auf eigenwirtschaftliche Mitgliederinteressen zu beschränken. Die Unterhaltung von Mittelbeschaffungs-betrieben ist durch den Umstand gerechtfertigt, dass hohe Gewinne zur Finanzie-rung der satzungsmäßigen Zwecke erwirtschaftet werden. Daher besteht auch kein Grund für die aus der Geprägetheorie der Finanzverwaltung resultierende An-nahme, eine wirtschaftliche Tätigkeit dürfe nicht im Vordergrund des Wirkens stehen. Hüttemann hält es unter Bezugnahme auf die BFH-Rechtsprechung vom 15.7.1998 daher für unbedenklich, wenn sich eine steuerbegünstigte Körperschaft überwiegend oder sogar ausschließlich durch Überschüsse aus steuerpflichtigen Geschäftsbetrieben finanziere, solange die erwirtschafteten Mittel zeitnah für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden.33

NachTipkeist ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb bei der Beurteilung dessen, was „in erster Linie“ bezweckt wird, überhaupt nicht einzubeziehen. Seiner An-sicht nach ergibt sich aus § 64 Abs. 1 AO, dass es die Gemeinnützigkeit nicht be-rührt, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb größer ist als die gemeinnützigen Aktivitäten.34

Demgegenüber vertrittBuchnaeine restriktive Auffassung. Zwar eröffne § 55 Abs. 1 AO den steuerbegünstigten Körperschaften die Möglichkeit, wirtschaftli-che Geschäftsbetriebe ohne Verlust der vollen Steuerbefreiung zu unterhalten, al-lerdings dürfen diese eigenwirtschaftlichen Zwecke allenfalls „nebenbei“ verfolgt werden. Die wirtschaftliche Betätigung in der Form eines wirtschaftlichen Ge-schäftsbetriebes dürfe nicht im Vordergrund des Wirkens der Körperschaft stehen. Das wirtschaftliche Handeln muss noch als Hilfs- oder Nebentätigkeit zu beurtei-len sein. Damit liegt Buchna mit seiner Auffassung auf der Linie der Finanzver-waltung.35

3.2.4 Zwischenergebnis

Die quantitative klassische Geprägetheorie – an der die Finanzverwaltung derzeit noch festhält – dürfte durch die höchstrichterliche Rechtsprechung überholt sein.36 Auch die h. M. im Schrifttum hat sich der Ansicht der Rechtsprechung ange- schlossen. Damit kann als Zwischenergebnis festgehalten werden, dass es für ge-meinnützige Körperschaften, die einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhal-ten, der die gemeinnützigen Aktivitäten der Körperschaften übersteigt, unschäd-lich für die Gemeinnützigkeit ist, solange die erwirtschafteten Überschüsse aus der nicht begünstigten Tätigkeit für die satzungsmäßigen gemeinnützigen Zwecke verwendet werden.

3.3 Gebot der Ausschließlichkeit

Die obigen Ausführungen dürfen allerdings nicht dahingehend verstanden wer-den, dass eine gemeinnützige Körperschaft sich nunmehr schrankenlos erwerbs-wirtschaftlich betätigen darf. Die Grenze der erwerbswirtschaftlichen Betätigung ist erreicht, wenn diese zum Selbstzweck wird und damit gegen das Ausschließ-lichkeitsgebot des § 56 AO verstößt.37

Das Ausschließlichkeitsgebot besagt, dass eine Körperschaft nicht gemeinnützig ist, wenn sie neben ihrer gemeinnützigen Zielsetzung weitere Zwecke verfolgt und diese weiteren Zwecke nicht gemeinnützig sind. Im Zusammenhang mit wirt-schaftlichen Geschäftsbetrieben bedeutet dies folgendes. Die Unterhaltung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes steht der Gemeinnützigkeit einer Körperschaft entgegen, wenn dieser in der Gesamtschau zum Selbstzweck wird und dieser Zweck neben die Verfolgung des gemeinnützigen Zwecks tritt. Nach Ansicht des BFH ist die Unterhaltung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs nur dann un-schädlich im Sinne des Ausschließlichkeitsgebots, wenn die erwerbswirtschaftli-che Betätigung um des gemeinnützigen Zwecks willen erfolgt, also diese Betäti-gung z. B. der Beschaffung von Mitteln zur Erfüllung der gemeinnützigen Aufga-ben dient. Ist der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb dagegen nicht dem gemeinnüt-zigen Zweck untergeordnet, sondern ein davon losgelöster Zweck oder gar der Hauptzweck der Betätigung der Körperschaft, so scheitert deren Gemeinnützig-keit an dem Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO.38

Auch Hüttemann hat sich dafür ausgesprochen, die Grenzen einer zulässigen wirt-schaftlichen Tätigkeit am Ausschließlichkeitsgrundsatz des § 56 AO auszurich-ten.39

3.4 Ergebnis

Als Ergebnis kann danach festgehalten werden, dass es für gemeinnützige Kör-perschaften, die einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten, der die ge-meinnützigen Aktivitäten der Körperschaften übersteigt, unschädlich für die Ge-meinnützigkeit ist, solange die erwirtschafteten Überschüsse aus der nicht begüns-tigten Tätigkeit für die satzungsmäßigen, gemeinnützigen Zwecke verwendet wer-den. Die Grenze der wirtschaftlichen Betätigung verläuft dort, wo diese zum Selbstzweck wird und damit gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO verstößt.

3.5 Würdigung

Die Rechtsprechung des BFH ist grundsätzlich zu begrüßen, denn aus gemeinnüt-ziger Sicht ist der erfolgreiche, steuerpflichtige, wirtschaftliche Geschäftsbetrieb, der aufgrund des hohen Umsatzes einen beträchtlichen Gewinn für die gemein-nützige Tätigkeit zu erwirtschaften vermag, gerade erwünscht, weil auf diese Weise besonders viele Mittel für die gemeinnützigen Zwecke beschafft werden und damit die Abhängigkeit von Spenden und Mitgliedsbeiträgen für die Verwirk-lichung der gemeinnützigen Zwecke verringert werden kann.Schauhoffhat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Wettbewerb ausreichend dadurch geschützt wird, dass die Einkünfte aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der gemein-nützigen Körperschaft versteuert werden müssen.40

Die Bedeutung der Geprägetheorie mag zwar an Bedeutung verloren haben, doch sind die Abgrenzungsprobleme zwischen zulässiger und unzulässiger wirtschaftli-cher Betätigung geblieben, allerdings im neuen Gewand. Bei der Geprägetheorie ging es darum, ab welchem Umfang der wirtschaftlichen Betätigung die Körper-schaft „in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke“ im Sinne des § 55 Abs. 1 AO verfolgt und wegen des Verstoßes gegen das Gebot der Selbstlosigkeit die Ge-meinnützigkeit verliert. Nach der neuen BFH-Rechtsprechung mag es hierauf zwar nicht mehr ankommen, allerdings sieht der BFH nunmehr die Grenze der wirtschaftlichen Betätigung erreicht, wenn diese zum Selbstzweck wird und da-mit gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO verstößt. Der Rechtsanwen-der muss sich daher mit der Frage auseinandersetzen, nach welchen Kriterien zu beurteilen ist, ab wann eine wirtschaftliche Betätigung zum Selbstzweck wird.

4 Verluste im Rahmen wirtschaftlicher Ge-schäftsbetriebe

4.1 Ausgangssituation

Unternehmerische Betätigungen sind nicht frei von Misserfolgen und können im Ergebnis auch zu Verlusten führen. Auch bei gemeinnützigen Körperschaften können daher Verluste im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb anfallen, insbesonde-re wenn man berücksichtigt, dass der Vorstand von gemeinnützigen Körperschaf-ten sehr oft aus Personen besteht, die über keine fundierten betriebswirtschaftli-chen Kenntnisse verfügen und ihre Tätigkeit für die Körperschaft ehrenamtlich ausüben.41 Nachfolgend soll untersucht werden, welche gemeinnützigkeitsrechtli-chen Probleme sich im Zusammenhang mit Verlusten im wirtschaftlichen Ge-schäftsbetrieb bei gemeinnützigen Körperschaften ergeben können und unter wel-chen Voraussetzungen derartige Verluste unschädlich für den Gemeinnützigkeits-status sind.

4.2 Grundsätzliches Verbot des Verlustausgleichs

Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO darf eine gemeinnützige Körperschaft ihre Mittel nur für satzungsmäßige Zwecke verwenden, d. h. die gesamten Mittel der Körper-schaft müssen ausschließlich für ideelle Zwecke eingesetzt bzw. verbraucht wer-den (sog. Mittelverwendungsgebot). Verstöße gegen das Mittelverwendungsgebot können die Gemeinnützigkeit der Körperschaft gefährden.42 Es ist damit verboten, die Mittel einer gemeinnützigen Körperschaft für andere als die steuerbegünstig-ten satzungsmäßigen Zwecke einzusetzen (sog. Verbot der schädlichen Mittel-verwendung). Dies hat zur Folge, dass die Verwendung von Mitteln des ideellen Bereichs zum Ausgleich von Verlusten im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb grundsätzlich nicht möglich ist. Dies wird damit begründet, dass mit dem Aus-gleich von Verlusten im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb die Mittel weder un-mittelbar noch mittelbar den satzungsmäßigen Zwecken zugute kommen, sondern dauerhaft verloren sind.43 Der Ausgleich verlustträchtiger wirtschaftlicher Tätig-keiten führt daher zwingend zu einer Fehlverwendung des gemeinnützigkeits-rechtlich gebundenen Vermögens im wirtschaftlichen Bereich.44

4.3 Ausnahmen vom Verbot des Verlustausgleichs

Vor dem Hintergrund das Verluste im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zur Ab-erkennung der Gemeinnützigkeit führen und damit die Existenz der Körperschaft als Ganzes gefährdenden kann, haben sich eine Reihe von Ausnahmen vom Grundsatz des Verlustausgleichsverbot entwickelt, die nachfolgend dargestellt werden.

4.3.1 Verlustausgleich mittels Umlagen und Zuschüsse

Unbedenklich ist ein Verlustausgleich mit dafür bestimmten Zuwendungen, wie etwa Umlagen oder Zuschüsse. Hierfür darf allerdings keine Zuwendungsbestäti-gung ausgestellt werden. Ein Spendenabzug auf Seiten der Zuwendenden scheidet somit aus.45 Die Zulässigkeit des Verlustausgleichs beispielsweise durch Erhe-bung von „Sonderumlagen“ oder „Notopfer“ bei den Mitgliedern ist damit zu rechtfertigen, dass in solchen Fällen keine „Mittel“ im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 AO verwendet werden, da es an einer Zweckbindung zur Verwendung im steu-erbegünstigten Bereich fehlt.46

4.3.2 Verlustausgleich gemäß § 64 Abs. 2 AO

Mit der Regelung in § 64 Abs. 2 AO hat der Gesetzgeber eine weitere Durchbre-chung vom grundsätzlichen Verbot der Verlustverrechnung eingeführt. Unterhält eine gemeinnützige Körperschaft mehrere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, von denen einige mit Verlust, andere hingegen mit Gewinn arbeiten, so erlaubt § 64 Abs. 2 AO eine Saldierung der Gewinne und Verluste.47 Ein nach Saldierung verbleibender Verlust wäre gemeinnützigkeitsschädlich.

4.3.3 Verlustausgleich mit früheren Gewinnen

Verluste aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben sind nach Ansicht der Finanz-verwaltung auch dann gemeinnützigkeitsunschädlich, wenn dem ideellen Bereich in den sechs vorangegangenen Jahren Gewin ne des einheitlichen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs in mindestens gleicher Höhe zugeführt worden sind, da insoweit der Verlustausgleich im Entstehungsjahr als Rückgabe einer frü-heren, durch das Gemeinnützigkeitsrecht vorgeschriebenen Gewinnabführung an-zusehen ist.48

4.3.4 Unschädliche Verluste aus anteiligen Abschreibungen auf gemischt genutzte Wirtschaftsgüter

Nach Ansicht der Finanzverwaltung49 ist ein nach ertragsteuerlichen Grundsätzen ermittelter Verlust im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unschädlich für die Ge-meinnützigkeit der Körperschaft, wenn dieser ausschließlich durch die Berück-sichtigung von anteiligen Abschreibungen auf gemischt genutzte Wirtschaftsgüter entstanden ist und bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllt sind:

a) Die Wirtschaftsgüter wurden für den ideellen Bereich angeschafft oder hergestellt und zur besseren Kapazitätsauslastung und Mittelbe-schaffung teil- oder zeitweise für den steuerpflichtigen Geschäftsbe-trieb genutzt. Allerdings darf die Körperschaft nicht schon im Hin-blick auf eine Mitbenutzung im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb größere Wirtschaftsgüter anschaffen bzw. herstellen, als es für die ideelle Tätigkeit notwendig wäre.

[...]


1 Vgl. Statistische Bundesamt, Unternehmen und Betriebe im Unternehmensregister im Berichts-jahr 2006; Online im Internet: URL: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/-Internet/DE/Navigation/Statistiken/UnternehmenGewerbeInsolvenzen/Unternehmensregister/-Unternehmensregister.psml [21.05.2008].

2 Vgl. KLEIN [BEHANDLUNG], S. 1016. Die Zahl basiert auf dem Jahr 2005.

3 Vgl. WALLENHORSTEN, IN: WALLENHORST/HALACZINSKY [BESTEUERUNG], Vorbem. zu Kapitel C, Rz. 3e.

4 Der Begriff „gemeinnützige Körperschaften“ wird im folgendem als Oberbegriff für Körper-schaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, verwandt.

5 Vgl. HÜTTEMANN [GEMEINNÜTZIGKEITSRECHT], § 1, Rz. 113.

6 Vgl. § 4 Nr. 8 UStG.

7 Vgl. § 4 Nr. 12 UStG.

8 Vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 12a UStG.

9 Ebenda.

10 Vgl. § 64 Abs. 3 AO.

11 Vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG; § 3 Nr. 6 GewStG; § 3 Abs. 1 Nr. 3 GrStG.

12 Vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 16, 17 ErbStG.

13 Vgl. § 3 Nr. 5, 6 KraftStG.

14 Vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG.

15 Vgl. § 23a UStG.

16 Vgl. BRILL [VERLUST], S. 38 f.

17 Vgl. SCHAUHOFF, IN: SCHAUHOFF [HANDBUCH], § 6, Rz. 112.

18 Vgl. FISCHER/HELIOS [VEREINSBESTEUERUNG], Kap. 3, Rz. 102.

19 Vgl. KÜMPEL [BESTEUERUNG], S. 1505 (1506).

20 Vgl. WALLENHORST [GEMEINNÜTZIGKEIT], S. 717.

21 Vgl. AEAO Nr. 2 zu § 55 AO.

22 Vgl. HÜTTEMANN [GEMEINNÜTZIGKEITSRECHT], § 4, Rz. 93.

23 Vgl. OFD Koblenz, Vfg. v. 28.2.2002 - S-0174 A-St 341, DB 2002, S. 1585.

24 Vgl. BFH vom 26.04.1989 - I R 209/85, BStBl. II 1989, 670, (672).

25 Vgl. BFH vom 15.07.1998 - I R 156/94; BStBl. II 2002, 162; DStR 1998, 1710.

26 Vgl. WALLENHORST [GEMEINNÜTZIGKEIT], S. 717 (718).

27 Vgl. BMF vom 15.02.2002 - IV C 4 - S 0174 - 2/01, BStBl. I 2002, 267.

28 Vgl. BFH vom 04.04.2007 - I R 76/05; BStBl. II 2007, 631; DStR 2007, 1121.

29 Ebenda.

30 Vgl. WALLENHORST, IN: WALLENHORST/HALACZINSKY [BESTEUERUNG], Kap. C, Rz. 61.

31 Vgl. WALLENHORST [GEMEINNÜTZIGKEIT], S. 717 (719).

32 Vgl. SCHAUHOFF, IN: SCHAUHOFF [HANDBUCH], § 6 Rz. 112.

33 Vgl. HÜTTEMANN [GEMEINNÜTZIGKEITSRECHT], § 4, RZ. 96.

34 Vgl. TIPKE, IN: TIPKE/KRUSE [ABGABENORDNUNG], § 55, Rz 4.

35 Vgl. BUCHNA [GEMEINNÜTZIGKEIT], S. 109 f.

36 Vgl. WALLENHORST [GEMEINNÜTZIGKEIT], S. 717 (719).

37 Vgl. BFH vom 04.04.2007 - I R 76/05; BStBl. II 2007, 631; DStR 2007, 1121.

38 Vgl. BFH vom 04.04.2007 - I R 76/05; BStBl. II 2007, 631; DStR 2007, 1121.

39 Vgl. HÜTTEMANN [GEMEINNÜTZIGKEITSRECHT], § 4, Rz. 96.

40 Vgl. SCHAUHOFF, IN: SCHAUHOFF [HANDBUCH], § 6 Rz. 112.

41 So auch der BFH in seinem Urteil zu Verlusten aufgrund einer Fehlkalkulation, vgl. BFH vom 13.11.1996 - I R 152/93, DStR 1997, 278.

42 Vgl. BUCHNA [GEMEINNÜTZIGKEIT], S. 115.

43 Vgl. HÜTTEMANN [BETÄTIGUNG], S. 85.

44 Vgl. SCHAUHOFF [VERLUST], S. 701 (702).

45 Vgl. WALLENHORST, IN: WALLENHORST/HALACZINSKY [BESTEUERUNG], Kap. C, Rz. 96; AEAO Tz. 6 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO.

46 Vgl. HÜTTEMANN [BETÄTIGUNG], S. 88.

47 Vgl. SCHAUHOFF [VERLUST], S. 701; AEAO Tz. 13 zu § 64 Abs. 2 AO.

48 Vgl. AEAO Tz. 4 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO.

49 Vgl. AEAO Tz. 5 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO.

Fin de l'extrait de 85 pages

Résumé des informations

Titre
Ausgewählte Besteuerungsprobleme bei wirtschaftlich tätigen gemeinnützigen Körperschaften
Université
Berlin School of Economics and Law  (Fachbereich III (Finanzwirtschaft, Rechnungswesen, Steuern))
Cours
Wirtschaftswissenschaften
Note
1,3
Auteur
Année
2009
Pages
85
N° de catalogue
V137503
ISBN (ebook)
9783640449101
ISBN (Livre)
9783640449194
Taille d'un fichier
982 KB
Langue
allemand
Mots clés
Ausgewählte, Besteuerungsprobleme, Körperschaften
Citation du texte
Patrick Straßer (Auteur), 2009, Ausgewählte Besteuerungsprobleme bei wirtschaftlich tätigen gemeinnützigen Körperschaften, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137503

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