Zunehmende Globalisierung, innovative Technologien, neue Absatz- und Kommunikationskanäle und immer kürzer werdende Produktlebenszyklen sind nur einige der Herausforderungen, denen Unternehmen heute und in unmittelbarer Zukunft gegenüber stehen. Die Veränderungsgeschwindigkeit, mit der externe und interne Faktoren auf Unternehmen einwirken, hat in den letzten Jahren deutlich an Fahrt aufgenommen. Das Unternehmensumfeld ist dabei gekennzeichnet durch zunehmende Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit.
In vielen Unternehmen entsprechen die Strukturen nicht mehr den gegenwärtigen Anforderungen. Zentrale Aufbauorganisationen, funktional gegliederte Abteilungen sowie eine Strategieentwicklung auf höchster Managementebene machen Unternehmen starr und unflexibel. Dadurch machen es sich die Unternehmen schwer, ihre Strategie schnell und effizient umzusetzen und flexibel auf Marktveränderungen zu reagieren.
Die Fähigkeit, eine Strategie in zunehmender Wettbewerbsintensität erfolgreich umzusetzen, entscheidet dabei zunehmend über langfristigen Erfolg bzw. Misserfolg eines Unternehmens. Deshalb müssen Unternehmer und Manager mit einem Instrument ausgestattet werden, um ihre Strategien erfolgreich umsetzen zu können und damit den schnellen Veränderungen des Marktes gerecht zu werden.
Ein solches Instrument zur Strategieumsetzung ist die Balanced Scorecard. Sie bietet Unterstützung bei der Definition der Unternehmensstrategie, sie überprüft und überarbeitet regelmäßig die definierten Ziele, sie realisiert die strategische Ausrichtung auf operativer Ebene und bündelt das Wissen zur erfolgreichen Umsetzung in verständlicher Form. In der Theorie wird das Konzept als erfolgversprechend empfohlen, ist bei der Umsetzung in der Praxis aber mit einigen Hürden und einem großen Aufwand verbunden.
2 Allgemeine Grundlagen der Balanced Scorecard
2.5 Kennzahlen, Kennzahlensysteme, Performance Measurement
3 Spezifische Darstellungen der Balanced Scorecard
3.1 Hindernisse bei der Umsetzung der Unternehmensstrategie
3.2 Umsetzung der Unternehmensstrategie mit Hilfe der Balanced Scorecard
3.3 Vision, Mission, Strategie als Ausgangspunkt der Balanced Scorecard
3.4 Perspektiven der Balanced Scorecard
3.4.1 Vier Perspektiven nach Kaplan und Norton
3.4.5 Interne Prozessperspektive
3.4.6 Lern- und Entwicklungsperspektive
3.5 Strategische Ziele
3.6 Verknüpfung strategischer Ziele über Ursache-Wirkungs-Beziehungen
3.7 Kennzahlen der strategischen Ziele
3.8 Umsetzung strategischer Ziele in operative Ziele mittels Vorgaben
3.9 Strategische Maßnahmen
3.10 Von der Vision zum kontinuierlichen Prozess der Strategieentwicklung
4 Balanced Scorecard und Controlling
4.1 Begriffsdefinition und die Funktion des Controllings
4.2 Strategisches und operatives Controlling
4.3 Rolle der Balanced Scorecard innerhalb des Controllings
5 Balanced Scorecard in der Praxis: Konzeption und Implementierung anhand eines Praxisbeispiels
5.1 Vorstellung des Beispielunternehmens
5.2 Einführung einer neuen Strategieformulierung und einer Balanced Scorecard
5.3 Journey of Change 2025 – Picture of the Future
5.4 Simon Sinek’s Golden Circle Modell
5.5 Definition der Perspektiven
5.6 Umsetzung und Implementierung
5.7 Reporting des Fortschritts
5.8 Pyramide – Von der Vision bis zur Handlung
5.9 Identifikation von Erfolgsfaktoren
6 Zusammenfassung in Thesen
Anhang
Quellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Gründe für die Einführung einer Balanced Scorecard
Abb. 2: Traditionelle Kennzahlensysteme versus Performance Measurement
Abb. 3: Die Balanced Scorecard bildet den Rahmen zur Umsetzung der Strategie
Abb. 4: Messung und Bewertung strategischer finanzwirtschaftlicher Themen
Abb. 5: Ergebniskennzahlen der Kundenperspektive
Abb. 6: Interne Prozessperspektive – Die Wertschöpfungskette
Abb. 7: Rahmen der Lern- und Entwicklungsperspektive
Abb. 8: Beispiel zur Ursache-Wirkungs-Kette
Abb. 9: Die Balanced Scorecard als strategischer Handlungsrahmen
Abkürzungsverzeichnis
BCG Boston Consulting Group
BSC Balanced Scorecard
DCF Discounted Cashflow
EBIT Earnings before Interest and Taxes
HBR Harvard Business Review
IoT Internet of Things
JoC 2025 Journey of Change 2025
KMU Kleine und mittlere Unternehmen
KR Key Results
M&A Mergers & Acquisitions
MBR Monthly Business Review
OKR Objectives and Key Results
PROFIT & LOSS Profit and Loss
PD Policy Deployment
PoF Picture of the Future
ROCE Return on Capital Employed
SBR Strategy & Business Review
TaC Target Chart
VSS Vehicle System Solution
VUCA Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity
1 Einleitung
Zunehmende Globalisierung, innovative Technologien, neue Absatz- und Kommunikationskanäle und immer kürzer werdende Produktlebenszyklen sind nur einige der Herausforderungen, denen Unternehmen heute und in unmittelbarer Zukunft gegenüber stehen. Die Veränderungsgeschwindigkeit, mit der externe und interne Faktoren auf Unternehmen einwirken, hat in den letzten Jahren deutlich an Fahrt aufgenommen. Das Unternehmensumfeld ist dabei gekennzeichnet durch zunehmende Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit (VUCA-Welt)[1].
In vielen Unternehmen entsprechen die Strukturen nicht mehr den gegenwärtigen Anforderungen. Zentrale Aufbauorganisationen, funktional gegliederte Abteilungen, sowie eine Strategieentwicklung auf höchster Managementebene machen Unternehmen starr und unflexibel. Dadurch machen es sich die Unternehmen schwer, ihre Strategie schnell und effizient umzusetzen und flexibel auf Marktveränderungen zu reagieren.
Die Fähigkeit, eine Strategie in zunehmender Wettbewerbsintensität erfolgreich umzusetzen, entscheidet dabei zunehmend über langfristigen Erfolg bzw. Misserfolg eines Unternehmens. Deshalb müssen Unternehmer und Manager mit einem Instrument ausgestattet werden, um ihre Strategien erfolgreich umsetzen zu können und damit den schnellen Veränderungen des Marktes gerecht zu werden.
Ein solches Instrument zur Strategieumsetzung ist die Balanced Scorecard. Sie bietet Unterstützung bei der Definition der Unternehmensstrategie, sie überprüft und überarbeitet regelmäßig die definierten Ziele, sie realisiert die strategische Ausrichtung auf operativer Ebene und bündelt das Wissen zur erfolgreichen Umsetzung in verständlicher Form. In der Theorie wird das Konzept als erfolgsversprechend empfohlen, ist bei der Umsetzung in der Praxis aber mit einigen Hürden und einem großen Aufwand verbunden.
Ziel dieser Bachelorarbeit ist es, das Konzept der Balanced Scorecard umfassend zu analysieren und zu verstehen. Durch eine ausführliche Literaturrecherche sollen alle Aspekte des Instrumentes beleuchtet und in verständlicher Form dem interessierten Leser dargestellt werden. Auf Basis der theoretischen Grundlagen wird daraufhin im praktischen Teil dieser Arbeit untersucht, wie die Balanced Scorecard, anhand eines Beispiels aus der Praxis, eingesetzt wird. Es soll festgestellt werden, welche Kriterien für eine erfolgreiche Einführung und Anwendung des Instrumentes entscheidend sind. Für den Praxisteil dienen folgende Leitfragen als Orientierungshilfe:
· Welche Besonderheiten ergeben sich bei dem Einsatz der Balanced Scorecard in der Unternehmenspraxis?
· Was sind Erfolgsfaktoren und Vorteile für die Einführung und Umsetzung der Balanced Scorecard?
Die vorliegende Arbeit ist dabei in fünf Abschnitte gegliedert:
Kapitel 2 behandelt zunächst die allgemeinen Grundlagen, die Kennzeichen und die Entwicklungsstufen der Balanced Scorecard. Anschließend wird das Instrument mit klassischen Kennzahlensystemen verglichen und bewertet.
Kapitel 3 beinhaltet ausführliche Darstellungen zur Vision, Mission und Strategie eines Unternehmens, den Perspektiven der Balanced Scorecard und den Techniken und Methoden, die notwendig sind, um die definierten Unternehmensziele erfolgreich mit der Organisation zu verwirklichen.
Kapitel 4 beschäftigt sich mit den Zusammenhängen zwischen der Balanced Scorecard und den Controllingprozessen. Es soll die Frage geklärt werden, ob die Balanced Scorecard den Ansprüchen eines Controllinginstrumentes gerecht werden kann.
Kapitel 5 stellt umfassend die Konzeption und Implementierung der Balanced Scorecard bei einem Unternehmen aus der Praxis vor. Zur Veranschaulichung der theoretischen Grundlagen wird auf die Planung und Gestaltung, sowie auf die besonderen Anpassungen der Balanced Scorecard eingegangen. Im Mittelpunkt steht dabei die Beantwortung der oben genannten Leitfragen. Diese Ausführungen stützen sich auf der Grundlage meiner persönlichen Erfahrungen und Kenntnisse, die ich mir als Praktikant, Werkstudent und aktiver Begleiter des Balanced Scorecard Prozesses aneignen konnte. Darüber hinaus fließen drei Experteninterviews mit den entsprechenden Verantwortlichen in die Arbeit mit ein. An dieser Stelle vielen Dank an die Kollegen, für das Interview und die zur Verfügungstellung der Materialien.
Im abschließenden Kapitel 6 werden die gewonnenen Erkenntnisse der Bachelorarbeit zusammengefasst.
Für ein einheitliches Bild und einen leichten Lesefluss werden nachfolgende Regeln eingehalten: Begriffe werden beim erstmaligen Erscheinen ausgeschrieben und ihre Abkürzung in Klammern dahinter notiert. Nachfolgend werden diese nur noch in ihrer Abkürzung genannt. Für vollständige englische Sätze und Zitate wird in der Fußnote eine Übersetzung geboten. Einzeln stehende Wörter und Begrifflichkeiten im Englischen, als auch Abbildungen im Kapitel 5, werden ohne Übersetzung im Textverlauf integriert. Ferner wird zur besseren Lesbarkeit hauptsächlich die männliche Sprachform verwendet (z.B. „der Mitarbeiter“). Es ist aber jeweils die männliche und die weibliche Person gemeint.
2 Allgemeine Grundlagen der Balanced Scorecard
2.1 Botschaft
Mit wie vielen und mit welchen Kennzahlen wird ein Unternehmen erfolgreich gesteuert? Ist ein gegenwärtig aufblühendes Unternehmen auch in der Lage einen langfristigen, nachhaltig wachsenden Weg zu gehen? Um diese Fragen zu beantworten erfordert es Indikatoren, die die Leistung und den Erfolg eines unternehmerischen Vorhabens in Form von Kennzahlen abbilden. „If you can’t measure it, you can’t manage it“[2] lautet die Grundbotschaft der beiden Autoren Kaplan und Norton (siehe Kapitel 2.4). Manager sind häufig bestrebt ihr Unternehmen anhand einer Spitzenkennzahl zu navigieren. Der folgende Dialog zwischen einem Piloten und einem Passagier zeigt jedoch die Gefahr einer solchen Minimalisierung:
Passagier: „Es überrascht mich, dass Sie in Ihrem Flugzeug nur ein Instrument haben. Wozu dient es?“
Pilot: „Es zeigt die Fluggeschwindigkeit.“
Passagier: „Ausgezeichnet, die Fluggeschwindigkeit ist sehr wichtig. Aber was ist mit der Flughöhe?“
Pilot: „Die Flughöhe habe ich während meiner letzten Flüge gemessen und bin schon ziemlich gut darin. Jetzt konzentriere ich mich auf die Fluggeschwindigkeit.“
Passagier: „Haben Sie denn gar kein Instrument für den Kraftstoffvorrat?“
Pilot: „Sicher, nützlich wäre eine solches Instrument schon. Darauf konzentriere ich mich dann, wenn ich Fluggeschwindigkeit und Flughöhe gut im Griff habe.“
Natürlich würde ein Pilot niemals auf die Idee kommen ein Flugzeug mit nur einem einzigen Instrument durch den turbulenten und frequentierten Luftraum zu steuern. Warum sollten also Manager ihr Unternehmen mit einem weniger umfangreichen Instrumentarium durch das Wettbewerbs- und Marktumfeld lenken? Auch sie müssen, wie Piloten, eine Vielzahl von Informationen messen und verarbeiten, um das Unternehmen in Richtung Erfolg zu steuern.[3]
In den folgenden Kapiteln wird zunächst der Begriff Balanced Scorecard näher definiert (siehe Kapitel 2.2). Daran anschließend werden die wesentlichen Kennzeichen und Grundprinzipien vorgestellt (siehe Kapitel 2.3). In diesem Zusammenhang wird die historische Entwicklung der Balanced Scorecard näher betrachtet (siehe Kapitel 2.4). Zuletzt werden Kennzahlen, Kennzahlensysteme und Performance Measurement ausführlich definiert (siehe Kapitel 2.5).
2.2 Definition und Begriff
In der Literatur existiert eine Vielzahl verschiedenster Vorschläge zur Definition der Balanced Scorecard (BSC). Zum einen liegen die Schwerpunkte darin, dass die BSC ein ausgewogenes Kennzahlensystem darstellt, zum anderen wird die BSC als Managementtool zur Umsetzung einer Strategie definiert. Ein Vorschlag der Boston Consulting Group (BCG) beinhaltet beide Aspekte: „The Balanced Scorecard (BSC) is a planning and management system … to align business activities with corporate vision and strategy … and monitor performance against strategic goals. The scorecard provides a “balanced” view of performance[.]”[4]
Kaplan und Norton nannten das Konzept „Balanced Scorecard“ und wollten damit zum Ausdruck bringen, „dass es sich dabei um ein ausgewogenes (»Balanced«) System handelt, welches einen klaren Bezug zur Erfolgsmessung (»Score«) besitzt“.[5]
Die einzelnen Ergebnisse werden dabei schriftlich festgehalten (»Card«).
Der Begriff „Scorecard“ ist zurückzuführen auf die im Sport verwendeten Anzeigetafeln zur Information über den aktuellen Punktestand.[6] Ein ähnlicher Ursprung könnte aus dem Golfsport kommen. Dort wird die Schlagzahl je Golfbahn in einer sogenannten „Scorecard“ notiert.[7]
In der deutschen Literatur wird der Begriff „Balanced Scorecard“ häufig mit folgenden Bezeichnungen übersetzt: „ausgewogener Berichtsbogen“[8], „ausbalancierter Berichtsbogen“[9], „gewichteter Berichtsbogen“, „gewichtete Zielkarte“ oder „ausgewogenes, aufeinander abgestimmtes Kennzahlensystem“[10]. Allerdings hat sich über die Jahre keiner der genannten Begriffe im deutschen Sprachgebrauch etabliert. Die englische Bezeichnung „Balanced Scorecard“ hat sich durchgesetzt.
2.3 Kennzeichen
Entgegen der Erwartung, dass große Unternehmen die kleineren übernehmen, ist heutzutage für das Marktumfeld charakteristisch, dass eher die schnelleren Unternehmen die langsameren übernehmen.[11] Das Konzept der BSC setzt genau hier an. Zur Führung eines Unternehmens ist es nicht ausreichend, das Geschäft mit nur rein finanziellen Größen (Ergebniskennzahlen), wie z.B. Umsatz, Kosten und Gewinn, zu erfassen und zu beurteilen. Auch andere Größen, die Einfluss auf den Erfolg haben (Leistungstreiber), müssen berücksichtigt werden. Das können z.B. Taktzeiten oder Fehlerquoten sein.[12] Dadurch kann die BSC sehr individuell auf die Bedürfnisse der Unternehmen angepasst werden. Deshalb findet sie hohen Anklang und weite Verbreitung, sowohl in Großkonzernen als auch in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).[13]
Durch die Betrachtung von nicht finanziellen Größen mit eher operativem Charakter werden Ursprung und Weg zu den finanziellen Größen erkennbar. Die wesentliche Aufgabe des Managements ist die Formulierung und Implementierung der Ziele und der Strategie im Unternehmen, sowie einer konkreten Kommunikation der Steuerungsgrößen, um den Mitarbeitern einen möglichst klaren und verständlichen Wegweiser bereitzustellen. Somit ist die BSC ein Konzept zur Aufstellung von Zielen und deren Operationalisierung. Dabei wird deutlich gemacht, wie die verschiedenen Größen untereinander in Beziehung stehen und wie aus den Leistungstreibern die Ergebniskennzahlen entstehen und diese erklärbar machen.[14]
Nach Kaplan und Norton sind es fünf Grundprinzipien der Ausrichtung und Fokussierung, um bei der Anwendung der BSC in einer Organisation einen möglichst großen Mehrwert zu generieren:[15]
· Operationalisierung der Strategie
Rahmen schaffen, der die Strategie und die damit verbundenen Maßnahmen auf verständliche Weise vermittelt und beschreibt
· Ausrichtung der Organisation an der Strategie
Synergien zwischen einzelnen Organisationseinheiten mit jeweils individuellen Strategien schaffen, um die Leistung der Gesamtorganisation zu steigern
· Strategie als »Everyone’s Everyday Job«
Einbindung aller Mitarbeiter bei der Strategieumsetzung durch „Top-Down-Kommunikation“
· Strategie als kontinuierlicher Prozess
Integration des strategischen Managements in das operative Management durch nahtlosen und kontinuierlichen Prozess
· Mobilisierung des Wandels durch die Führung
Aktiver Anstoß des Führungsteams und der Wille zu Veränderungsaktivitäten
2.4 Entwicklung
Unternehmen befinden sich heute mehr denn je in einem revolutionären Veränderungsprozess. Wir stehen vor bzw. inmitten einer neuen industriellen Revolution. Begonnen hat die Entwicklung bereits in der Mitte der 1970er Jahre mit rasanten technischen Entwicklungen, ansteigendem Wettbewerbsdruck und zunehmend dynamischen Märkten.
Im Industriezeitalter (1850-1975) wurde Wirtschaftlichkeit noch anhand von Massenproduktion bewertet. Das Management von Sachanlagevermögen und materiellen Wirtschaftsgütern war ausschlaggebend für den Erfolg und die Schaffung von Unternehmenswert. Mit der Veränderung hin zum Informationszeitalter müssen sich Unternehmen zunehmend mit Globalisierung, Digitalisierung, stetig verkürzenden Produktlebenszyklen und individualisierten Kundenwünschen auseinandersetzen. Das Management zur Schaffung von Unternehmenswert wandelt sich daher hin zum Management von Wissen, Innovationen, flexiblen und dynamischen Prozessen und immateriellem Vermögen.
Diese historische Entwicklung legte den Grundstein für den Beginn eines Managementsystems, das den neuen Anforderungen eines zunehmend komplexeren Umfeldes gerecht wird. Manager sollten mit einem adäquaten Instrumentarium ausgestattet werden, um ihr Unternehmen in dynamischen Zeiten zu steuern.[16]
Die Anfänge der BSC gehen auf den Beginn der 1990er Jahre zurück. Robert S. Kaplan, Harvard-Business School Professor und David P. Norton, Unternehmensberater, arbeiteten und forschten intensiv auf dem Gebiet der Leistungsmessung und Steuerungskonzeption für Unternehmen.
1992 veröffentlichten sie erstmals einen Artikel in der Zeitschrift Harvard Business Review (HBR) unter dem Titel „The Balanced Scorecard - Measures that Drive Performance“[17]. Nach der Veröffentlichung entbrannte eine intensive fachliche Diskussion und der Artikel erlangte durch das rege Interesse eine hohe Bekanntheit und das nicht nur in den USA.[18] Anlass war die Kritik an den bis dato existierenden Performance Measurement Systemen (siehe Kapitel 2.5), die hauptsächlich auf Finanzkennzahlen beruhten. Die Wissenschaft war sich einig, „dass der alleinige Zugriff auf monetäre Kennzahlen Organisationen an zukünftigen wertschöpfenden Tätigkeiten hinderte“[19]. Um die gesamte Wertschaffung eines Unternehmens beurteilen zu können, sollte diese einseitige Orientierung um ein ausgewogenes Netz von monetären und nicht monetären Kennzahlen erweitert werden.[20]
In einem weiteren Schritt stellte sich die „Wichtigkeit der Verknüpfung von Kennzahlen der Balanced Scorecard mit der Unternehmensstrategie“[21] heraus. Die Ergebnisse der darauf folgenden Überlegungen wurden 1993 in einem zweiten HBR-Artikel unter dem Titel „Putting the Balanced Scorecard to Work“[22] zusammengefasst.
Von innovationsbereiten Managern wurde die BSC nach weiteren Erfahrungen nicht nur zur Klärung und Kommunikation der Unternehmensstrategie verwendet, sondern auch zum Strategiemanagement. Die BSC hat sich sozusagen von einem weiterentwickelten Kennzahlensystem zu einem ausgereiften Führungssystem entwickelt. Einige Führungskräfte wendeten die BSC als „organisatorischen Rahmen für wichtige Managementprozesse an: … Zielsetzung, Gehaltsfindung, Ressourcenallokation, Planung und Budgetierung sowie strategisches Feedback und Lernen.“[23] Diese weiteren Entwicklungen haben Kaplan und Norton 1996 in einem dritten HBR-Artikel beschrieben: „Using the Balanced Scorecard as a Strategic Management System”[24].
Eine Zusammenfassung der gemachten Erfahrungen und der gewonnenen Erkenntnisse bei der Einführung der BSC erfolgte schließlich im Jahr 1996 mit dem Buch „The Balanced Scorecard: Translating Strategy into Action“. Im Jahr 1997 erschien das Buch erstmals auch als deutsche Ausgabe.
In einer Studie im Jahr 2000 hat der Fachbereich Betriebswirtschaft der Hochschule Augsburg zusammen mit einer Stuttgarter Unternehmensberatung 50 Unternehmen aus Deutschland und der Schweiz befragt, welche die BSC aktiv als Instrument der Unternehmensführung einsetzen. Abbildung 1 zeigt die von den befragten Unternehmen genannten Gründe für die Einführung einer BSC:
Abb. 1: Gründe für die Einführung einer Balanced Scorecard[25]
75% der Befragten gaben an, dass die effektive Umsetzung der Strategie der wichtigste Grund für die Einführung der BSC war. Ebenso bedeutsam ist die Einführung von Erfolgskontrollen hinsichtlich der Zielerreichung. Eine unternehmensweit verständliche Sprache, individuelle Zielvereinbarungen zu treffen und regelmäßig zu überprüfen, sowie ein unternehmensweites einheitliches Kennzahlensystem zu schaffen, wurden als weitere Gründe für die Einführung einer BSC genannt. Das Ergebnis der Studie lautete, dass sich die BSC als komplettes Managementtool bewährt hat. Die Nutzer waren von der Wirksamkeit des Instrumentes uneingeschränkt überzeugt.[26]
Seit der Entwicklung der BSC in den 1990er Jahren hat das Konzept große Anerkennung erfahren. „Kaum ein anderes Instrument hat in den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts einen derartigen Siegeszug vollzogen, wie dies für die Balanced Scorecard gilt.“[27]
Das Konzept ist allerdings nicht frei von Kritik. Mitunter kontroverse Diskussionen wurden in den letzten Jahren hinsichtlich des Innovationsgrades der BSC geführt. So manche Kritiker bezeichneten das Managementinstrument als Modeerscheinung, dessen Zenit bereits überschritten sei[28] oder als „Alter Wein in neuen Schläuchen“[29]. In der einschlägigen Literatur, in der Praxis und von Befürwortern wird die BSC jedoch als innovatives Instrument zur Strategieumsetzung und als eines der erfolgreichsten Managementtools der vergangenen Jahre bezeichnet.[30]
2.5 Kennzahlen, Kennzahlensysteme, Performance Measurement
Kennzahlen
Für ein erfolgreiches Management ist eine umfassende Beschaffung und Auswertung von aktuellen Informationen die Basis für unternehmerische Entscheidungen. Nur wer aussagekräftige Informationen zum richtigen Zeitpunkt besitzt, kann in Beschlusssituationen entsprechend richtig analysieren, reagieren und agieren.[31] Hierbei unterstützen Kennzahlen, um aus der Flut von Informationen die wesentlichen betriebswirtschaftlichen Daten herauszufiltern, Situationen objektiv darzustellen und Zusammenhänge aufzuzeigen. Kennzahlen sind ein Analyseinstrument zur frühzeitigen Erkennung von Schwachstellen und Abweichungen. Somit kommt ihnen die Funktion eines Beurteilungs- und Entscheidungsbarometers zu.[32]
„Mit Kennzahlen lassen sich:
· betriebliche Vorgänge messen,
· betriebliche Sachverhalte beurteilen,
· komplexe Sachverhalte kurz und prägnant darstellen,
· Maßstäbe für die Zukunft festlegen und
· kritische Erfolgsfaktoren festmachen.“[33]
Kennzahlen lassen sich nach statistisch-methodischen Gesichtspunkten klassifizieren. Dabei wird zwischen absoluten Kennzahlen und Verhältniskennzahlen unterschieden.
Absolute Kennzahlen sind Einzelwerte (z.B. Umsatz), Summen (z.B. Bilanzsumme), Differenzen (z.B. Betriebsergebnis) und Mittelwerte (z.B. durchschnittlicher Lagerbestand). Durch ihre geringe Aussagekraft und die begrenzte Vergleichbarkeit ist ihr Anwendungsbereich gering. Geeignet sind sie vor allem für Vorgabezwecke, indem sie z.B. bestimmte Kostengrößen als Richtwert vorgeben.
Verhältniskennzahlen werden ermittelt, indem mindestens zwei absolute Kennzahlen zueinander in Beziehung gesetzt werden. Dabei werden bestimmte Zusammenhänge zwischen betriebswirtschaftlichen Sachverhalten aufgezeigt. Verhältniszahlen besitzen im Vergleich zu den absoluten Kennzahlen eine höhere Aussagekraft. Zu den wichtigsten Verhältniskennzahlen gehören Rentabilität, Produktivität und Umschlagshäufigkeit.[34]
Kennzahlensysteme
„Unter Kennzahlensystem wird im Allgemeinen eine Zusammenstellung von Kennzahlen verstanden, wobei die einzelnen Kennzahlen in einer sachlich sinnvollen Beziehung zueinander stehen, einander ergänzen oder erklären und insgesamt auf ein gemeinsames übergeordnetes Ziel ausgerichtet sind.“[35]
Kennzahlensysteme sind größtenteils hierarchisch aufgebaut und man differenziert zwischen den zwei Erscheinungsformen: Ordnungssysteme und Rechensysteme.
In Ordnungssystemen werden Kennzahlen bestimmten Sachverhalten zugeordnet (z.B. Absatzbereich des Unternehmens). Die Kennzahlen sind hier nicht mathematisch miteinander verknüpft.
In Rechensystemen hingegen sind die Kennzahlen mathematisch miteinander verbunden. Sie haben eine hierarchische Struktur wie eine Pyramide. Veränderungen einer Kennzahl wirken sich somit auf die vor- und nachstehenden Kennzahlen aus. In der Regel steht an der Spitze einer solchen Pyramide die sogenannte Spitzenkennzahl. Sie soll die betriebswirtschaftlich wichtigste Aussage des Systems in verdichteter Form vermitteln, während die darunter stehenden Kennzahlen Auskunft darüber geben, wie sich die Spitzenkennzahl bildet.[36]
Das älteste und bis heute auch eines der bekanntesten Kennzahlensysteme ist das DuPont System of Financial Control (oder DuPont-Schema, DuPont-Kennzahlensystem), entwickelt von dem amerikanischen Chemiekonzern Du Pont de Nemours and Co. im Jahr 1919.[37]
Grenzen traditioneller Kennzahlensysteme
Traditionelle Kennzahlensysteme werden besonders in Bezug auf deren Leistungsfähigkeit im heutigen dynamischen Wettbewerbsumfeld kritisiert. Sie werden der Realität und dem raschen Wandel nicht mehr gerecht und genügen damit nicht mehr den komplexen Informations- und Steuerungsansprüchen einer Unternehmensführung. Hauptprobleme sind die einseitige Ausrichtung auf finanzielle Dimensionen, der alleinige Vergangenheitsbezug und die Unübersichtlichkeit.[38]
In Unternehmen, die ausschließlich mit traditionellen Kennzahlensystemen arbeiten, besteht die Gefahr, dass durch eine Überbetonung von kurzfristigen, finanzwirtschaftlichen Daten Investitionen getätigt werden, die kurzfristig positives Ergebnis erwirtschaften, aber im Hinblick auf langfristige Wertschöpfung weniger erfolgsversprechend sind.
Für Manager, die ihr Unternehmen auch in Zukunft erfolgreich und wettbewerbsfähig gestalten wollen, reicht deshalb der einseitige Blick auf vergangenheitsbezogene Finanzkennzahlen nicht mehr aus. Besondere Aufmerksamkeit sollten sie auf immaterielle und intellektuelle Vermögenswerte legen, die im Hinblick auf die bevorstehende dynamische Zukunft überwiegend zum Erfolg des Unternehmens beitragen.[39]
Deutlich wird, dass traditionelle Kennzahlensysteme mit ausschließlich finanziellen Kennzahlen nur schwache Indikatoren für die Wertschöpfung und Leistungsbeurteilung eines Unternehmens sind. Man kann nur wenige Aussagen darüber machen, was während der vergangenen Periode falsch gemacht worden ist und was jetzt und in der Zukunft unternommen werden muss, um die finanzielle Wertschöpfung zu erhöhen.[40]
Die aufgezeigten Mängel traditioneller Kennzahlensysteme bilden den Ansatzpunkt zur Weiterentwicklung einer andersartigen, neuen Form, dem sogenannten Performance Measurement.
Performance Measurement
In diesem neuen System werden mehrdimensionale Ansätze zur Leistungsmessung und –bewertung zusammengefasst. Ziel ist die Identifizierung von Auswirkungen, die durch kontinuierliche Verbesserungen, Anpassungen und Innovationen ausgelöst werden.[41] Im Unterschied zu traditionellen Kennzahlensystemen, die nur auf vergangenheitsbezogene, finanzielle Kennzahlen ausgerichtet sind, konzentriert sich das Performance Measurement auf Kennzahlen verschiedenster Dimensionen. Dies umfasst die simultane Beurteilung folgender Aspekten: Kunden, Zulieferer, Mitarbeiter, Qualität, Kosten, Zeit, Innovationen.[42]
Es werden Größen „zur Beurteilung der Effektivität (»die richtigen Dinge tun«) und Effizienz (»die Dinge richtig tun«) der Leistung sowie Leistungspotentiale verschiedener Leistungsebenen … herangezogen.“[43]
Ein ganzheitliches Performance Measurement System beinhaltet dabei ein umfangreiches Paket an Aufgaben:[44]
· Vision und Mission des Unternehmens darstellen und diese den Mitarbeiter vermitteln.
· Zentrale Erfolgsfaktoren des Unternehmens identifizieren und diese den Mitarbeitern vermitteln.
· Struktur des Unternehmens darstellen und verdeutlichen, welchen Einfluss diese auf das Performance Measurement System hat.
· Zentrale Ziele, die für den zukünftigen Erfolg entscheidend sind, identifizieren und darstellen.
· Strategie des Unternehmens und damit verbundene Prozesse und Maßnahmen identifizieren und darstellen. Ziele, Prozesse, Maßnahmen messbar machen.
· Übersetzung der Strategie in strategische Zielgrößen, die zu Meilensteine werden, damit der Grad der Strategieumsetzung überprüft und beurteilt werden kann.
· Informationsflüsse und Feedbacksysteme darstellen, um aus den Erfahrungen kollektives Lernen zu fördern.
Abbildung 2 zeigt zur besseren Differenzierung eine Gegenüberstellung der Kriterien von traditionellen Kennzahlensystemen und Performance Measurement Ansätzen:
Abb. 2: Traditionelle Kennzahlensysteme versus Performance Measurement[45]
Einordnung der Balanced Scorecard als Kennzahlensystem
Wie schon angesprochen treffen Unternehmen und Manager Entscheidungen auf Grundlage der ihnen vorliegenden Informationen. Die Qualität der Informationen ist dabei maßgeblich für die damit verbundenen Entscheidungen.[46] Um diese Informationen in angemessener Weise darzustellen, sind passende Kennzahlensysteme von großer Bedeutung. Kaplan und Norton bezeichneten die BSC auch als Informationssystem.[47] Die Anforderungen an ein solches System werden von der BSC erfüllt. Es besteht eine Ausgewogenheit zwischen kurz- und langfristigen Zielen, zwischen gewünschten Ergebniszielen und dazugehörigen Leistungstreibern und zwischen harten und weichen Kennzahlen. Zudem ist es ein Werkzeug zur Früherkennung von Schwachstellen.
Gegenüber den eindimensionalen, ausschließlich finanziell orientierten Kennzahlensystemen, handelt es sich bei der BSC also um ein mehrdimensionales Kennzahlensystem mit verschiedenen Perspektiven.[48] Die BSC ist also den Performance Measurement Systemen zuzuordnen und ist eines der am weit verbreitetsten Systeme dieser Art.[49]
Es ergeben sich einige Anforderungen bei der Auswahl und Anwendung verschiedener Kennzahlen innerhalb der BSC, um den Fortschritt der Ziele, Maßnahmen und Prozessen darzustellen. Bei der Anwendung des Instrumentes sollten, für eine möglichst große Aussagekraft der BSC, diesen Eigenschaften besondere Beachtung geschenkt werden:[50]
· BSC-Kennzahlen müssen einen sinnvollen Zweck vermitteln und nachvollziehbar sein, damit sie die Mitarbeiter zum Handeln anregen und sich an diesen Kennzahlen messen lassen.
· BSC-Kennzahlen müssen auf ein bestimmtes Ziel ausgerichtet sein, die im Zusammenhang mit der Gesamtstrategie stehen. Sonst geht die Motivation schnell verloren. Ein beliebiges Ziel vorzugeben reicht nicht aus. Sie sollten in dem Kreis der Mitarbeiter ausgearbeitet worden sein, die sie auch operativ umsetzen sollen.
· BSC-Kennzahlen müssen einfach, transparent und intuitiv nachvollziehbar sein, damit sie von den Mitarbeitern verstanden werden, die für die praktische Umsetzung der Ziele verantwortlich sind. Ist das nicht der Fall, entsteht häufig Misstrauen und offener Widerstand.
· BSC-Kennzahlen müssen mit eindeutiger Verantwortlichkeit verbunden sein. Eine verantwortungsbezogene Kennzahl fördert das Engagement und die Verbindlichkeit der entsprechenden Mitarbeiter und trägt zur Zielerreichung bei.
· BSC-Kennzahlen müssen der Zielkonkretisierung dienen. Sie geben uns einen Wert bzw. Meilenstein vor, der schlussendlich erreicht werden soll. Zudem sollen sie als Indikator für den bisherigen Fortschritt zur Zielerreichung dienen.
· BSC-Kennzahlen müssen die Aufmerksamkeit des strategischen Handelns auf das Jetzt ausrichten. In Unternehmen gibt es eine Vielzahl von Aufgaben, die parallel stattfinden müssen und für den Erfolg des Unternehmens wesentlich sind. Mit der BSC soll eine Reihenfolge der Aufgaben geschaffen werden, die den Erfordernissen zur Zielerreichung angemessen ist.
· BSC-Kennzahlen müssen zeitnah und möglichst regelmäßig gemessen und analysiert werden. Konsequentes Agieren auf Missstände führt dazu, dass die Führung ernst genommen wird. Zumeist scheitert eine BSC an Inkonsequenz und Unverbindlichkeit des Managements.
In diesem Kapitel wurden zunächst die allgemeinen Grundlagen, die Kennzeichen und die Entwicklungsstufen der BSC betrachtet. Anschließend wurde das Instrument mit den klassischen Kennzahlensystemen verglichen und bewertet.
Das nächste Kapitel beinhaltet ausführliche Darstellungen zur Vision, Mission und Strategie eines Unternehmens, den Perspektiven der BSC und den Techniken und Methoden, die notwendig sind, um die definierten Unternehmensziele erfolgreich mit der Organisation zu verwirklichen.
3 Spezifische Darstellungen der Balanced Scorecard
3.1 Hindernisse bei der Umsetzung der Unternehmensstrategie
Unternehmen bewegen sich heutzutage mehr denn je in einem sehr komplexen und dynamischen Wettbewerbsumfeld.[51] Manager haben festgestellt, dass in Organisationen eine grundlegende Diskrepanz zwischen der Entwicklung bzw. Formulierung einer Strategie und ihrer Umsetzung herrscht. Diese Diskrepanz von traditionellen strategischen Managementsystemen zwischen der Formulierung und der Umsetzung gilt letztendlich auch als Auslöser für die Einführung der BSC in Unternehmen. Manager haben erkannt, dass die BSC das Bindeglied ist, um die bisher in der Organisation klaffende Lücke zu schließen. Um welche Herausforderungen es sich bei der Strategieumsetzung handelt, soll in diesem Kapitel gezeigt werden.[52]
Nach Kaplan und Norton ergeben sich insbesondere vier grundlegende Hindernisse für eine effektive Umsetzung der Strategie:[53]
· Visionen und Strategie sind nicht umsetzbar
· Keine Verknüpfung der Strategie mit den Zielvorgaben des Einzelnen bzw. des Teams
· Keine Verbindung zwischen der Strategie und der Ressourcenallokation
· Taktisches anstelle von strategischem Feedback
Das erste Hindernis für die Umsetzung der Vision, an dem zahlreiche Unternehmen scheitern, ist die fehlende Anwendbarkeit aufgrund unzureichender Konkretisierung der Strategie. Dies ist insbesondere der Fall, wenn unterschiedliche Meinungen innerhalb des Managements darüber existieren, wie die ausformulierte Strategie in die Tat umgesetzt werden soll. Uneinigkeit über den tatsächlichen Inhalt, unklare nicht quantifizierbare Formulierungen und differenzierte Zielsetzungen ergeben verschiedene Strategieinterpretationen bei den Führungskräften. Infolge dessen kommt es zu keinem schlüssig definierten, unternehmensweiten Konsens, der ausreichend genug konkretisiert wurde und gemeinsam angestrebt werden kann.[54]
Das zweite Hindernis entsteht, wenn die langfristigen Strategieanforderungen nicht ausreichend in den Zielvorgaben der Abteilungen, der Teams und der einzelnen Mitarbeiter verankert werden. Stattdessen bestimmen, wie in traditionellen Steuerungsprozessen, die vorgegebenen Budgets die operativen Abteilungsziele bzw. die Ziele einzelner Mitarbeiter. Dadurch ist das Handeln der Abteilungen eher durch operativ kurzfristigen Charakter anstelle eines strategischen Charakters geprägt. Infolge dessen wird die Umsetzung von strategischen Maßnahmen und die Entwicklung von Kompetenzen für die langfristen Ziele blockiert, da das Budget nicht darauf ausgerichtet ist. Dieses Hindernis ist darauf zurückzuführen, dass es der Führung nicht gelingt, individuelle Einzel- und Abteilungsziele bei der Budgetplanung mit der Unternehmensstrategie in Einklang zu bringen. Des Weiteren werden an Zielvorgaben gekoppelte Leistungszulagen bei Mitarbeitern und im Management häufig von kurzfristigen Zielen determiniert, sodass es bei der langfristigen Strategieumsetzung an Motivation mangelt.[55]
Das dritte Hindernis resultiert aus der Trennung der langfristigen strategischen Planung und der kurzfristigen jährlichen Ressourcenallokation. In vielen Unternehmen werden diese in unterschiedlichen Prozessen vorgenommen. Folglich steht die Allokation von Kapital und frei verfügbaren Mitteln für die operative Ebene nicht in Verbindung mit den strategischen Prioritäten. Auch Monats- und Quartalsberichte konzentrieren sich hauptsächlich darauf, Abweichungen der tatsächlich und geplant budgetierten Prozessen zu erklären, anstatt zu überprüfen, ob bei den strategischen Zielen Fortschritte gemacht worden sind. Der Fehler liegt häufig in der organisatorischen Trennung zwischen den Leitern der strategischen Planung und dem operativen Controlling. Es führt zu Schnittstellenproblemen und Missverständnissen, wenn sie nicht verstanden haben, dass ein gemeinsames Vorgehen notwendig ist und nicht die getrennte Verfolgung unabhängiger Pläne. Für eine erfolgreiche Strategieumsetzung ist ein kollektiv integriertes Vorgehen erforderlich.[56]
Das vierte Hindernis ergibt sich aus dem mangelnden Feedback in Bezug auf die Strategieumsetzung. Es wird selten eindeutig ermittelt oder kommuniziert wie es um den Fortschritt bzw. das Erreichen von Meilensteinen oder um mögliche Fehlentwicklungen steht. Bei den meisten Managementsystemen existiert häufig nur ein umfassendes taktisches Feedback aus Rechnungswesenkennzahlen, die gewöhnlich nur die Ist-Ergebnisse mit den Monats- oder Quartalsbudgets vergleichen. Wenig Zeit wird dagegen aufgewendet, um Indikatoren für die Umsetzung und den Erfolg der Strategie auszuwerten. Ohne dieses Feedback fehlen den Unternehmen ausreichende Informationen und sie können die Strategieumsetzung nicht detailliert überprüfen. Allein die unübersichtlichen Informationen aus dem Rechnungswesen entsprechen in der Regel nicht den Anforderungen strategischer Planungs- und Führungsinformationen.[57]
3.2 Umsetzung der Unternehmensstrategie mit Hilfe der Balanced Scorecard
Die wesentliche Ausrichtung einer Organisation wird in der Unternehmensvision definiert. Daraus leitet sich die Unternehmensmission und darauf aufbauend die Unternehmensstrategie ab (siehe Kapitel 3.3).
Bei der Konzeption einer BSC werden ausgehend von der Strategie die erfolgsrelevanten Kernkompetenzen des Unternehmens in vier Perspektiven gebündelt (siehe Kapitel 3.4). Aus jeder Perspektive werden anschließend strategische Ziele abgeleitet (siehe Kapitel 3.5) und über Kausalzusammenhänge durch Ursache-Wirkungs-Beziehungen miteinander verknüpft (siehe Kapitel 3.6). Daraufhin werden für jedes dieser strategischen Ziele bestimmte Kennzahlen definiert (siehe Kapitel 3.7), aus denen wiederrum operationalisierte Vorgaben für Abteilungen und Mitarbeiter festgelegt werden (siehe Kapitel 3.8). Anschließend werden strategische Maßnahmen eingeleitet, durch die die Zielvorgaben erreicht werden sollen (siehe Kapitel 3.9).
3.3 Vision, Mission, Strategie als Ausgangspunkt der Balanced Scorecard
Das BSC-Konzept geht davon aus, dass die grundlegende Ausrichtung eines Unternehmens in der Unternehmensvision beschrieben wird. Aus dieser leitet sich die Unternehmensmission ab und daraus wird die Unternehmensstrategie formuliert. Daran anschließend wird die Unternehmensstrategie mit Hilfe der BSC in konkrete Ziele transformiert. Dazu wird die BSC in die vier Perspektiven: Finanzperspektive, Kundenperspektive, interne Prozessperspektive und Lern- und Entwicklungsperspektive gegliedert (siehe Abbildung 3).[58]
Abb. 3: Die Balanced Scorecard bildet den Rahmen zur Umsetzung der Strategie[59]
Die Begriffe Vision, Mission und Strategie werden in den folgenden Abschnitten näher erläutert.
Vision
Ausgangspunkt jedes Unternehmens ist eine kreativ entwickelte Vision. Generell handelt es sich um Traumvorstellungen bzw. Wunschvorstellungen vom eigenen Unternehmen, wie es Einfluss auf die Umwelt nehmen kann. Antrieb sind oft die Fragen: „Welches Gesellschaftsbedürfnis kann das Unternehmen befriedigen?“ und „Was kann das Unternehmen tun, um die Welt besser zu machen?“
In erster Linie ist die Vision nach innen auf das eigene Unternehmen gerichtet. Sie gibt eine grobe Richtung vor, wie sich das Unternehmen in Zukunft entwickeln soll. Sie hat bewusst offene Grenzen, ist unscharf formuliert und hat keinerlei Einschränkungen. Visionen haben offene Freiheitsspielräume und lassen Platz zur Interpretation. Sie werfen üblicherweise mehr Fragen auf, als dass sie Antworten liefern.[60]
Mission
Die Mission (auch Leitbild) ist in ihrer Wirkung vor allem nach außen an die Kunden gerichtet. Sie beschreibt in positiver Weise zu welchem Zweck das Unternehmen existiert und welchen Beitrag bzw. Mehrwert es zur Zufriedenstellung der Kunden und anderer Stakeholder, wie z.B. Marktpartner, leistet. Sie muss prägnant formuliert sein und darf nicht verschwommen wirken. Zudem hat ein hoher Bekanntheitsgrad der Mission eine positive Auswirkung auf die Motivation aktueller Mitarbeiter und auf die Rekrutierung potentieller Mitarbeiter.[61]
Strategie
Nachdem die Formulierung der Vision und der Mission abgeschlossen ist, bildet die Strategie den Ausgangspunkt für die Erstellung der BSC.
In der einschlägigen Literatur findet sich für den Begriff Strategie eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen. Diese unterscheiden sich grundsätzlich darin, dass die Autoren aufgrund ihrer individuellen Sichtweise und der ihnen vorliegenden Problemstellung verschiedene Schwerpunkte setzten.
Der Strategiebegriff entstammt ursprünglich, wie viele wirtschaftswissenschaftliche Begriffe, aus dem militärischen Bereich. Aus dem Griechischen „strategos“ für Heerführer, bedeutet Strategie Heerführung und antizipative Vorplanung.
In der allgemeinen Betriebswirtschaft wird der Begriff Strategie oft im Zusammenhang mit der Planung verwendet. Grundsätzlich bedeutet Strategien zu entwickeln diverse Grundsatzentscheidungen zu treffen, die alle Unternehmensbereiche tangieren. Wesentliche Absichten werden durch die Strategie in die Realität umgesetzt.[62]
Um eine erfolgsversprechende Strategie zu entwickeln, muss vorerst zwingend die momentane Marktsituation und die aktuellen Aktivitäten des Unternehmens analysiert werden.[63]
Fundamental wichtig für die Entwicklung einer geeigneten Strategie ist, dass das Unternehmen das Umfeld, die Marktanforderungen, die eigenen Stärken und Schwächen, sowie mögliche Chancen und Risiken kennt. Um auf dem Markt wettbewerbsfähig zu sein und zu bleiben, müssen sie dieses Wissen zur Anpassung und Optimierung der Strategie verwenden. Damit können Erfolgsfaktoren definiert werden, um sich von den Konkurrenten zu differenzieren.[64]
Die Strategie des Unternehmens steht innerhalb des BSC-Konzepts im Einklang mit der Vision und der Mission des Unternehmens und wird in der Regel dadurch abgeleitet. Während Vision und Mission im Laufe der Zeit eher statisch bleiben und sich kaum verändern, kann die Strategie im Gegensatz sehr dynamisch und anpassungsfähig sein. Sie reagiert flexibel auf Veränderungen, die sich durch unterschiedlichste Situationen ergeben können und passt sich immer wieder den neuen Bedingungen an.[65]
Im nächsten Kapitel werden ausführlich die verschiedenen Perspektiven der BSC vorgestellt.
3.4 Perspektiven der Balanced Scorecard
3.4.1 Vier Perspektiven nach Kaplan und Norton
Aufgabe der Perspektiven der BSC ist es bereits vor dem Strategiefindungsprozess ein Denkmodell festzulegen, um zu gewährleisten, dass alle wesentlichen Geschäftsprozesse und Aspekte in einem ausgewogenen Verhältnis miteinbezogen werden. Insofern spiegeln die Perspektiven die Themenblöcke wieder, zu denen die Strategie des betreffenden Bereiches eine Aussage treffen muss. Die Berücksichtigung verschiedener Perspektiven bei der Ableitung und Umsetzung der Strategie gehört zu den wesentlichen Elementen des BSC Ansatzes. Die genaue Auseinandersetzung mit den einzelnen Perspektiven bei der Ableitung von strategischen Zielen und operativen Aktionen soll verhindern, dass Konflikte bei Zielbildung und Zielverfolgung entstehen und zu eindimensional gedacht wird.[66]
Das Grundmodell der BSC nach Kaplan und Norton unterstützt mit den vier Perspektiven (Finanzperspektive, Kundenperspektive, interne Prozessperspektive, Lern- und Entwicklungsperspektive) eine ganzheitliche und facettenreiche Sicht auf alle Aspekte des Geschäfts. Die BSC verfügt somit über eine hohe Anschaulichkeit. Zudem können Prioritäten aufgrund der Einteilung in die vier Perspektiven leichter erkannt werden.[67]
Für die Auswahl der Perspektiven innerhalb der BSC gibt es keine allgemeingültige Regel. Die vier genannten Perspektiven werden von Kaplan und Norton nur als Standard-Perspektiven vorgeschlagen, mit denen sich nachweislich sehr gut arbeiten lässt. In vielen Firmen und Branchen haben sie sich als nützlich und stabil erwiesen.[68] Kaplan und Norton weisen ausdrücklich darauf hin, dass diese lediglich „als Schablone und nicht als Zwangsjacke gedacht sind“[69]. Vielmehr ist es sinnvoll, die Perspektiven der individuellen Situation anzupassen und zu prüfen, welche am besten für das Unternehmen und der strategischen Zielsetzung geeignet sind.[70] Dabei werden die ausgewählten Perspektiven als gleichwertig angesehen, um eine zu starke Fokussierung auf ausschließlich eine zu verhindern.[71]
Die vier Standard-Perspektiven Finanzen, Kunden, interne Prozesse und Lern- und Entwicklungsperspektive stehen nicht losgelöst und zufällig nebeneinander. Vielmehr bilden sie die grundsätzliche Geschäftslogik des Unternehmens und seiner Organisationseinheiten ab. Das System ist durch die Annahme geprägt, dass ein Unternehmen in letzter Instanz seinen Eigentümern zur Rechenschaft verpflichtet ist. Das bedeutet, dass das Unternehmen zunächst deren Forderungen in Form von Rendite- und Wachstumszielen (Finanzperspektive) befriedigen muss. Um diese Ziele zu erfüllen, muss ein bestmöglicher Umsatz erwirtschaftet werden. Da letztendlich die Kunden die Produkte abnehmen und auf lange Sicht an das Unternehmen gebunden werden sollen, spielt ebenso deren Zufriedenheit eine entscheidende Rolle (Kundenperspektive). Finanz- und Kundenziele beeinflussen wiederrum die Arbeitsweise und die damit verbundenen Prozesse. Das Produkt oder die Dienstleistung muss möglichst hohe Qualität aufweisen, aber gleichzeitig durch wirtschaftlich rentable Prozesse erzeugt werden, um im Wettbewerbsumfeld bestehen zu können (interne Prozessperspektive). Bedeutend zur Zielerreichung in den internen Prozessen bei den Kunden und den finanziellen Zielen ist die Fähigkeit und Zufriedenheit der Mitarbeiter, die Möglichkeit zur flexiblen Anpassung an sich ändernde Umstände und die Innovationskraft des Unternehmens (Lern- und Entwicklungsperspektive).[72]
Damit spiegeln die vier Standard-Perspektiven der BSC die betriebliche Wertschöpfungskette mit den Aspekten Input (Lern- und Entwicklungsperspektive), Transformation (interne Prozessperspektive), Output (Kundenperspektive) und Outcome (Finanzperspektive) wieder.[73]
3.4.2 Finanzperspektive
Die Finanzperspektive soll einen Hinweis darauf geben, ob die Strategie eines Unternehmens zur Ergebnisverbesserung führt. Typische Kennzahlen sind dabei Wachstum, Rentabilität und Unternehmenswert.[74]
Die Perspektive enthält alle relevanten Ziele und Messgrößen, die das finanzielle Ergebnis der Strategieumsetzung messen. Es wird analysiert und dokumentiert, ob das letztendliche Ziel des Wirtschaftens, das Erreichen eines langfristigen wirtschaftlichen Erfolges, realisiert werden konnte. In ertragsorientierten Unternehmen stellt diese Perspektive die Messlatte für Erfolg oder Misserfolg einer Strategie dar.[75]
Die BSC soll die langfristigen finanzwirtschaftlichen Ziele wiederspiegeln, die den notwendigen Handlungsbedarf für finanzwirtschaftliche Prozesse, Kunden, interne Prozesse und Mitarbeiter festlegen, um schließlich einen langfristigen ökonomischen Erfolg zu erreichen. Typischerweise werden hierfür branchenunabhängige, auf die Steigerung des Eigentümerwertes abzielende Größen wie ROCE (Return on Capital Employed)[76] oder der DCF (Discounted Cashflow) angewendet.[77]
Folgende repräsentative Ziele stehen beispielhaft für die Finanzperspektive:[78]
· Umsätze verdoppeln
· hohe Kapitalrentabilität erreichen
· Anteil des Fremdkapitals reduzieren
· Cashflow steigern
· Shareholder Value erhöhen
Die finanzwirtschaftlichen Ziele und Kennzahlen nehmen damit innerhalb der Finanzperspektive eine Doppelrolle ein. Zum einen geben sie an, welche finanzielle Leistung ein Unternehmen langfristig von der Strategie erwartet. Zum anderen dienen die finanzwirtschaftlichen Ziele als Fokus für die anderen Perspektiven. Die strategischen Maßnahmen der anderen Perspektiven zeigen somit ihre finanziellen Folgen in der Finanzperspektive.[79]
Die Finanzziele allein sind für das Management jedoch nicht hilfreich, da die Ursachen für erfolgreiche oder nicht erfolgreiche Zielerreichung ungeklärt bleiben. So kann die Unternehmensführung nicht erkennen, über welche operativen Stufen ein Ziel zu erreichen ist. Um diese Verbindung ersichtlich zu machen, bedarf es die weiteren Perspektiven.[80]
Die Maßnahmen der BSC sollen die Ziele der Strategie klar wiederspiegeln. Deshalb ist es eine wichtige Aufgabe des Unternehmens, die finanziellen Ziele mit der jeweiligen Strategie zu verknüpfen. Die entsprechende Ausprägung der finanziellen Ziele hängt besonders von der Phase ab, die das Unternehmen in seinem Lebenszyklus aktuell durchläuft.[81] Je nach Phase können unterschiedliche Strategien gewählt werden und je nach Strategie sind unterschiedliche Kennzahlen notwendig. Damit sind die finanzwirtschaftlichen Strategien und die damit verbundenen Ziele in den einzelnen Phasen sehr unterschiedlich.[82]
Zur Vereinfachung wird der Lebenszyklus in drei Phasen dargestellt:
· Wachstumsphase
· Reifephase
· Erntephase
3.4.3 Wachstumsphase
Das Unternehmen befindet sich in der Anfangsphase des Lebenszyklus und besitzt Produkte und Dienstleistungen mit enormen Wachstumspotential. Es müssen beträchtliche Ressourcen zur Entwicklung und Förderung aufgebracht werden. In dieser Phase können Unternehmen zunächst mit negativen Cashflows und negativen bis niedrigen Renditen arbeiten, da die Investitionen in die Zukunft natürlich mehr Geld benötigen, als von den Einnahmen generiert wird. Finanzwirtschaftliche Ziele in der Wachstumsphase können prozentuales Ergebniswachstum aus Einnahmen oder Umsatzwachstumsraten in den Zielmärkten, Kundenkreisen oder Regionen sein.
Reifephase
In dieser Phase befinden sich die meisten Unternehmen. Es wird erwartet, dass sie ihren Marktanteil halten oder sogar noch vergrößern. Das finanzwirtschaftliche Ziel wird in dieser Phase auf die Rentabilität ausgerichtet. Es kann durch das Betriebsergebnis oder den Deckungsbeitrag ausgedrückt werden. Vom Management wird gefordert, den Ertrag aus dem investierten Kapital zu maximieren.
Erntephase
In dieser Phase führen die Unternehmen keine wichtigen Investitionen mehr durch. Die vorhandenen Potentiale sollen noch möglichst optimal abgeschöpft werden, aber es sollen keine neuen mehr geschaffen werden. Das finanzwirtschaftliche Ziel ist es den Cashflow Rückfluss zu maximieren und das benötigte Nettoumlaufvermögen (Working Capital) zu minimieren.[83]
Für jede Strategie der Lebenszyklusphasen Wachstum, Reife und Ernte gibt es drei strategisch finanzwirtschaftliche Themen, die der Geschäftsstrategie zugrunde liegen (siehe Abbildung 4):
· Ertragswachstum und –mix
· Kostensenkung / Produktivitätsverbesserung
· Nutzung von Vermögenswerten
Abb. 4: Messung und Bewertung strategischer finanzwirtschaftlicher Themen[84]
Die Kennzahlen der Finanzperspektive gelten als Spätindikatoren, denn sie messen üblicherweise vergangenheitsorientierte Leistungen. In dieser Hinsicht sind sie unverzichtbar, denn man benötigt Indikatoren, die Auskunft geben, ob und inwieweit man die gestellten Ziele schlussendlich erreicht hat. Allerdings zeigen sie dem Management oft zu spät, inwieweit die gewünschten Ziele in Zukunft erreicht werden können. Deshalb wird zur Früherkennung von Zielabweichungen eine zeitliche Abfolge von Zielgrößen definiert, die sogenannten Meilensteine. Damit werden die vorgelagerten Meilensteine zu Frühindikatoren für nachgelagerte Meilensteine. Abweichungen werden dadurch frühzeitig signalisiert und die Realisierbarkeit des strategischen Ziels kann überprüft werden.[85]
3.4.4 Kundenperspektive
In der Kundenperspektive wird festgelegt, in welchen Kunden- und Marktsegmenten das Unternehmen konkurrenzfähig sein soll. Gleichzeitig stellen diese Segmente die Umsatz und Gewinnquelle dar, mit denen das Unternehmen die Finanzziele erreichen soll.[86]
Für die Unternehmen ist es wichtig zu klären, welche Kunden man überhaupt gewinnen will. Es muss klar definiert werden, welche Kunden und welche Segmente man schwerpunktmäßig anspricht und welchen Nutzen man den Kunden bieten will bzw. wie man von den Kunden wahrgenommen werden möchte.[87]
Die BSC soll als ein beschreibendes Mittel der Unternehmensstrategie die Zielkunden und Marktsegmente identifizieren. Darüber hinaus sollen die Kundenziele identifiziert und den jeweiligen Zielsegmenten mit entsprechenden Messgrößen zugeordnet werden. Hier bedient man sich einer gründlichen Marktforschung, um die verschiedenen Kundenwünsche in Bezug auf Preis, Qualität, Funktionalität, Image, Ruf und Service herauszufinden.
Der Schlüssel für die Entwicklung von Zielen und Kennzahlen für die Kundenperspektive ist die Identifizierung und Messung von segmentübergreifenden Messgrößen, den Ergebniskennzahlen und segmentspezifischen Messgrößen, den Leistungstreibern.
Die allgemeinen, segmentübergreifenden Kennzahlen sind Ergebniskennzahlen wie Kundenzufriedenheit, Kundentreue, Kundenakquisition, Marktanteil und Kundenrentabilität (siehe Abbildung 5) und gelten als Spätindikatoren. Diese Messgrößen werden für jedes Kundensegment gleich berechnet.[88]
Abb. 5: Ergebniskennzahlen der Kundenperspektive[89]
Marktanteil
Umfang des Unternehmens in einem gegebenen Markt
Kundenakquisition
Ausmaß, zu dem das Unternehmen neue Kunden gewinnt
Kundentreue
Ausmaß, zu dem das Unternehmen dauerhafte Beziehungen zu den Kunden hält
Kundenzufriedenheit
Zufriedenheitsgrad der Kunden anhand spezifischer Leistungskriterien
Kundenrentabilität
Gewinn eines Kunden, unter Berücksichtigung der für ihn entstandenen Kosten[90]
Die segmentspezifischen Kennzahlen erfassen dagegen die Leistungstreiber des jeweiligen Zielsegments, die ausschlaggebend für die gewünschte Ergebniskennzahlen sind. Diese Kennzahlen sind zukunftsorientiert, sollen auf die Wünsche der Kunden eingehen und beantworten die Frage, was das Unternehmen den Kunden bieten muss, um einen möglichst hohen Grad an Zufriedenheit, Treue, Marktanteil, Neuakquisitionen und schließlich Rentabilität zu erreichen.[91]
- Quote paper
- Tim Schick (Author), 2020, Balanced Scorecard als strategisches Managementtool der Unternehmensführung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1381917