In dieser Abhandlung beschäftigen wir uns mit dem Phänomen des Policy Duration Effects, welcher in Japans Stagnationsphase mit extrem niedrigen Zinssätzen in den 1990er Jahren und zu Beginn des 21. Jahrhunderts erstmals wirtschaftspolitische Bedeutung fand.
Abweichend von der ursprünglichen Thematik dieser Abhandlung legen wir den Schwerpunkt nicht auf den empirischen Nachweis des Policy Duration Effects durch die stark mathematisch geprägte Methodik der Wavelet Analyse. Das überlassen wir lieber den Mathematikern und Naturwissenschaftlern. Stattdessen ergründen wir die Entstehung, Relevanz und die Notwendigkeit des Effektes selbst aus ökonomischer Sicht. Was genau ist der Policy Duration Effect? Worauf basiert er, wie entsteht er, wie wirkt er und worauf spekuliert er? Warum war er nie zuvor wirklich wichtig gewesen? Und kann er wirklich aus der Stagnationsphase Japans heraushelfen? Fragen dieser Art prägen die Motivation und die Inhalte dieser Abhandlung.
Zur Analyse des Policy Duration Effect empfiehlt es sich, einige Grundkenntnisse aufzufrischen. Daher betrachten wir im zweiten Kapitel zunächst die makroökonomische Gesamtsituation Japans. Anschließend gehen wir in Kapitel 3 näher auf die Liquiditätsfalle ein, in der sich Japan während der 1990er Jahre befindet. Mit diesem Vorwissen erschließen wir dann in Kapitel 4 den eigentlichen Policy Duration Effect.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
1. Einleitung
2. Makroökonomische Situation Japans
2.1 ‚bubble economy’ und PräZIRP-Phase
2.2 Phasen der Zero Interest Rate
3. Japan und die Liquiditätsfalle
3.1 Grundzüge der IS-LM Analyse
3.2 Die Liquiditätsfalle aus ISLM-Sicht
3.3 Japan in der Liquiditätsfalle
3.4 Der Ausweg aus der Falle
4. Der Policy Duration Effect
4.1 Extended Model of Nelson & Siegel
4.2 Indikatoren für den Policy Duration Effect
4.3 Praktische Anwendung der Indikatoren
4.3.1 Phase der Zero Interest Rate Policy
4.3.2 Phase des Quantitative Monetary Easing
4.4 Ergebnisse des erweiterten Nelson-Siegel Modells
5. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Discount Rate & Overnight Call Rate
Abbildung 2: IS-LM System in 'normaler' Wirtschaft
Abbildung 3: Verschiebung bei expansiver Geldpolitik in 'normaler’ Wirtschaft
Abbildung 4: IS-LM System in der Liquiditätsfalle
Abbildung 5: Verschiebung bei expansiver Geldpolitik in der Liquiditätsfalle
Abbildung 6: Auswirkungen kontraktiver Geldpolitik
Abbildung 7: glaubhafte, langfristig angelegte, expansive Geldpolitik und ihre Wirkung
Abbildung 8: Typische IFR während ZIRP und QME
Abbildung 9: Indikatoren für den Policy Duration Effect (Illustration)
Abbildung 10: Indikatoren des Policy Duration Effect
Abbildung 11: Empirische Werte Japans
Abbildung 12: Simulierte IFR Kurve (1)
Abbildung 13: Simulierte IFR Kurve (2)
Abkürzungs- und Symbolverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
In dieser Abhandlung beschäftigen wir uns mit dem Phänomen des Policy Duration Effects, welcher in Japans Stagnationsphase mit extrem niedrigen Zinssätzen in den 1990er Jahren und zu Beginn des 21. Jahrhunderts erstmals wirtschaftspolitische Bedeutung fand.
Abweichend von der ursprünglichen Thematik dieser Abhandlung[1] legen wir den Schwerpunkt nicht auf den empirischen Nachweis des Policy Duration Effects durch die stark mathematisch geprägte Methodik der Wavelet Analyse. Das überlassen wir lieber den Mathematikern und Naturwissenschaftlern. Stattdessen ergründen wir die Entstehung, Relevanz und die Notwendigkeit des Effektes selbst aus ökonomischer Sicht. Was genau ist der Policy Duration Effect? Worauf basiert er, wie entsteht er, wie wirkt er und worauf spekuliert er? Warum war er nie zuvor wirklich wichtig gewesen? Und kann er wirklich aus der Stagnationsphase Japans heraushelfen? Fragen dieser Art prägen die Motivation und die Inhalte dieser Abhandlung.
Zur Analyse des Policy Duration Effect empfiehlt es sich, einige Grundkenntnisse aufzufrischen. Daher betrachten wir im zweiten Kapitel zunächst die makroökonomische Gesamtsituation Japans. Anschließend gehen wir in Kapitel 3 näher auf die Liquiditätsfalle ein, in der sich Japan während der 1990er Jahre befindet. Mit diesem Vorwissen erschließen wir dann in Kapitel 4 den eigentlichen Policy Duration Effect.
2. Makroökonomische Situation Japans
Die makroökonomische Situation in Japan in den frühen 1990er Jahren kann charakterisiert werden als anhaltende Phase schleppenden Wachstums.[2]
2.1 ‚bubble economy’ und PräZIRP-Phase
Im Jahre 1986 begann in Japan die ‚bubble economy’, als sich Preise, insbesondere von Grundbesitz und die Aktienpreise, binnen weniger Jahre bis zu verdreifachten. Deutlich wird diese Entwicklung am Beispiel des Nikkei 225, dem wohl bedeutendsten Aktienindex Japans. Dieser verzeichnete einen Anstieg von 13.000 Punkten im Dezember 1985 auf 39.000 Punkte im Dezember 1989[3][4].
Als diese Blase in den frühen 90er Jahren zerplatzte, fielen die Preise schlagartig um bis zu 70 Prozent und schufen die Grundlage für eine landesweite Stagnations- bzw. Rezessionsphase, welche über eine Dekade anhielt.
Wenn man bedenkt, dass die Bank of Japan unbeabsichtigt sowohl die Entstehung[5] als auch das Zerplatzen der Blase[6] durch ihre Geldpolitik förderte, wird offenbar, warum sie in der Folgezeit sehr vorsichtig am Geldmarkt interagierte (insbesondere in Bezug auf expansive Geldpolitik). Während der kommenden Jahre der Stagnation bzw. Rezession senkte die Bank of Japan Schritt für Schritt die nominalen Zinssätze von 6 Prozent (Anfang 1991) bis auf den historischen Tiefstand von 0,5 Prozent in 1996 und hielt sie dort auch bis 2001 auf konstant niedrigem Level. Die overnight call rate (OCR) folgte im Großen und Ganzen dem Leitzins bis 1998. Eine signifikante Verbesserung der Situation stellte sich jedoch nicht ein, stattdessen kamen noch deflationäre Entwicklungen hinzu, so dass Japan Ende 1997 am Rande einer deflationären Spirale[7] und das Finanzsystem kurz vor der Insolvenz stand.[8] Aus anhaltenden wirtschaftlichen und fiskalen Problemen wurde eine landesweite Krise.
2.2 Phasen der Zero Interest Rate
Im Februar 1999 beschloss die Bank of Japan eine Zero Interest Rate Policy (ZIRP) einzuführen. Hierzu stellte sie den Banken große Summen zinsloser finanzieller Mittel zur Verfügung, mit dem Ziel, die Zinssätze in Form der OCR auf ein Null-Prozent-Niveau zu führen. Hiermit sollte der Geldmarkt stabilisiert werden. Im April folgte die Ankündigung, dass diese Politik fortgeführt werde, bis die Deflation beseitigt sei.[9] Die uncollateralized overnight call rate[10] (OCR) reagierte sofort auf diese Änderungen und fiel auf 0,02 Prozent, wo sie sich längerfristig stabilisierte.
Abbildung 1: Discount Rate & Overnight Call Rate
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Selbsterstellte Grafik, Datenquelle: International Monetary Fund - International Financial Statistics Online (Datenbestand: monatlich, Zeitraum: 1989-2007)
Als im August 2000 deutliche Anzeichen für eine Verbesserung der Lage auftraten wurde die ZIRP beendet und die overnight call rate stieg auf 0,25 Prozent an. Die Korrektur der weltweiten Märkte für Informationstechnologien jedoch verursachte kurze Zeit später negative Impulse auf die japanische Wirtschaft[11] und Befürchtungen einer Deflation kamen erneut auf.
Mit der Senkung des Nominalzinses Mitte Februar 2001 auf 0,15 Prozent und der im März folgenden Policy of Quantitative Monetary Easing[12] (QME) erreichte die overnight call rate wieder Werte von praktisch null Prozent. In den Folgejahren überflutete die Bank of Japan den Markt mit Liquidität und hielt die kurzfristigen Zinsen somit über Jahre auf dem Nullstand. Die Methodik ist in beiden Phasen mit Nullzins also sehr ähnlich, jedoch unterscheiden sich die Zielsetzungen. 1999 bis 2000 spekulierte die Bank of Japan mit der ZIRP darauf, dass sich die Finanzmärkte durch den angestrebten Zinssatz stabilisieren, ab 2001 jedoch wurde mittels QME versucht, die Inflationsrate auf einem bestimmten positiven Wert zu stabilisieren, auch wenn dieses von der Bank of Japan nie offiziell bestätigt wurde, inflationsfördernde Politik zu betreiben.
3. Japan und die Liquiditätsfalle
Das eigentliche Problem der Bank of Japan während der ZIRP Phase ist das Auftreten einer mehr oder weniger klassischen Liquiditätsfalle. In die hintersten Ecken der Lehrbücher verbannt und als theoretisches Konstrukt verschrien, so steht sie durch Japan plötzlich wieder im Mittelpunkt der Diskussion und offenbart sich als keineswegs ‚rein theoretisch’.
3.1 Grundzüge der IS-LM Analyse
Zum Verständnis der vorliegenden Liquiditätsfalle betrachten wir zunächst ein einfaches IS-LM Modell, welches 1937 von Sir John Hicks und Alvin Hanson zur Analyse des keynesianischen Systems vorgestellt wurde und erweitern es im Folgenden um eine temporale Komponente.[13] Nehmen wir einmal an, dass die Preise im Modell fix sind. Diese Annahme ist zulässig, da eines der Hauptziele der Zentralbanken die Preisstabilität ist. Das IS-LM Modell beschreibt nun das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zwischen dem realen Sektor und dem monetären Sektor. Der reale Sektor wird dabei dargestellt durch die IS-Kurve, welche das Gleichgewicht zwischen den Investitionen (I) und dem Sparen (S) auf dem Gütermarkt beschreibt. Ein niedrigerer Zinssatz bewirkt eine erhöhte Inlandsnachfrage und somit auch einen höheren realen Output. Im monetären Sektor zeigt uns die LM-Kurve das Geldmarktgleichgewicht zwischen Geldnachfrage (L) und Geldangebot (M). Mit steigendem Output wird durch die steigende Geldnachfrage der Zinssatz wieder angehoben. Zusammengeführt ergibt sich daraus in einem normal funktionierenden Wirtschaftsgefüge eine Grafik, wie sie in Abbildung 2 dargestellt ist. Das Gleichgewicht liefert uns den nominalen Zinssatz (i) und den zugehörigen nationalen Output[14] (y). Durch Fiskalpolitik wird die IS-Kurve beeinflusst, die Geldpolitik kann die LM-Kurve verschieben. So würde z.B. durch expansive Geldpolitik die LM-Kurve nach rechts verschoben werden. Der reale Output (also das Inlandsprodukt) steigt und der Zinssatz sinkt. Ein neues Gesamtmarktgleichgewicht stellt sich ein, wie es in Abbildung 3 dargestellt ist.
Abbildung 2: IS-LM System in 'normaler' Wirtschaft
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In Anlehnung an: Fuhrmann [1991]:
Makroökonomik, S. 145
Abbildung 3: Verschiebung bei expansiver Geldpolitik in 'normaler’ Wirtschaft
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In Anlehnung an Fuhrmann [1991]:
Makroökonomik, S. 147
Im Falle Japans können wir aber kaum von einer ‚normal’ funktionierenden Wirtschaft ausgehen, schließlich leidet sie seit Jahren an einer ‚Depression’, welche von diversen Autoren bereits vorsichtig mit der ‚Great Depression’ aus den 1930er Jahren verglichen wird.[15]
[...]
[1] gem. Absprache mit dem Betreuer der Abhandlung (Prof. Frank Westermann Ph.D.
[2] vgl. Koshiba, Nakao, Baba [2001] S. 1
[3] ZIRP: Zero Interest Rate Policy, PräZIRP-Phase beschreibt die Zeit nach dem Platzen der Blase in 1990/91 bis Februar 1999, als die BOJ die Zero Interest Rate Policy beschließt und einführt.
[4] vgl. Cargill, Hutchison, Itō [1997] S. 91-94
[5] vgl. Koshiba, Nakao, Baba [2001] S. 1-2
Um einem plötzlichen Verfall des US Dollars nach dem Crash der New York Stock Exchange in 1987 entgegenzuwirken betrieb die BOJ stark expansive Geldpolitik. Dieses Mehrangebot auf dem Geldmarkt förderte den Preisanstieg und damit auch die ‚bubble economy’.
[6] vgl. Friedmann [1998]
Anfang 1991 änderte die BOJ ihre Politik. Die expansive Geldpolitik wurde stark reduziert (von 13% auf 3% und im Folgejahr sogar auf kontraktive Geldpolitik umgestellt). Diese plötzliche Geldknappheit brachte die Blase Anfang 1991 zum Platzen.
[7] vgl. Krugmann [1999]: Still Trapped
Wenn durch Fehler in den monetären Strategien erst einmal Deflation auftritt, dann reichen schon allein die Erwartungen aus, dass sie andauern könnte, um die Deflation selbst zu verstärken. Dieser Prozess wird als ‚deflationäre Spirale’ bezeichnet
[8] vgl. Cargill [2001] S.114
[9] vgl. Fujiki, Okina, Shiratsuka [2002] S. 2
Gouverneur der BOJ, Masaru Hayami, sagte auf einer Pressekonferenz am 13. April 1999:
“until we reach a situation in which deflationary concerns are dispelled, we will continue the current policy of providing necessary liquidity to guide the uncollateralized overnight call rate down to virtually zero percent while paying due consideration to maintaining the proper functioning of the market.”
[10] vgl. OECD Main Economic Indicators Database
Die uncollateratized overnight call rate ist das direkte operationale Ziel der BOJ. Sie beschreibt den Zinssatz, den die Banken für kurzzeitige Kredite von der Zentralbank zahlen müssen. Meist werden diese Kredite zur Erfüllung von temporären Liquiditätsengpässen der Banken vergeben und sind nach wenigen Tagen wieder fällig.
[11] vgl. Fujiki, Okina, Shiratsuka [2001] S. 91-92
[12] vgl. FRBSF Economic Letter 2004 (33) S. 1
Quantitative Monetary Easing wurde bekannt als die Überschüttung der kommerziellen Banken mit liquiden Mitteln durch die BOJ, um die private Kreditnachfrage zu fördern und das Risiko der Liquiditätsengpässe zu minimieren.
[13] vgl. Krugman [1998]: Japan: Still Trapped
[14] auch als Volkseinkommen oder Gross Domestic Product (GPD) bezeichnet
[15] vgl. Clousse et al. [2000]; Krugman (diverse Artikel) oder Fujiki, Okina, Shiratsuka [2001]
- Arbeit zitieren
- Markus Koop (Autor:in), 2007, Japan's Great Stagnation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138221