Diese Masterarbeit entstand im Rahmen meines Studiums der Theologie und Religionspädagogik. Ich gehe dabei systematisch der Frage nach, wie Paulus zu Beginn des 21. Jahrhunderts verstanden werden kann. Der erste Teil ist ein Streifzug durch die Stationen der Paulusforschung. Es folgt eine Erkundung des antiken Judentums zur Zeit des Zweiten Tempels sowie eine Untersuchung, welche Rolle die Tora für das Judentum spielte. Anschließend wird Paulus in seiner Person als Diasporajude und Pharisäer, sein Damaskus-Erlebnis vor dem Hintergrund alttestamentlicher Schriften und seiner Eschatologie und schließlich sein Verhältnis zu seiner jüdischen Herkunft untersucht. Zuletzt wird Fragen im Zusammenhang mit seiner Wirkung nachgegangen: In welchem Verhältnis sah Paulus die Heiden und Juden in der Verkündigung des Evangeliums? Welche Rolle spielte dabei die Tora für Juden wie für Nichtjuden? Wie sind die vielzitierten Gesetzeswerke zu verstehen und wie stand es schließlich um die Beschneidung? Dabei wird immer wieder der Standpunkt der Lutherischen und der Neuen Paulusperspektive sowie der Radikal Neuen Perspektive aufgegriffen und voneinander abgegrenzt.
Das erkenntnisleitende Interesse dieser Arbeit ist es, Paulus im Kontext seiner Zeit und seines Umfelds, seiner Herkunft und Vision, zu verstehen. Dabei wurden in den vergangenen Jahrhunderten eine Reihe von Vorschlägen gemacht, die dazu dienen sollen, Paulus in seinem Denken und Wirken gerecht – vielleicht sollte man sagen: gerechter – zu werden. Diese Konzeptionen tragen alle den Versuch in sich, die historische Situation aufzuhellen und stehen sich teils konträr gegenüber. Mittlerweile besteht unter Forschenden zumindest darin weitgehender Konsens, dass das antike Judentum viel zu lange durch eine durch und durch christliche (oder heidnische) Brille verstanden wurde, und jener Zweig der Paulusforschung, der ihn in relative Nähe zum Judentum rücken möchte, brachte in den vergangenen Jahrzehnten eine Menge neuer Erkenntnisse in die Diskussion mit ein. Diesem Anliegen folgt auch die vorliegende Arbeit. Es geht also darum, zu untersuchen, inwiefern der Apostel Paulus innerhalb jüdischer Vorstellungszusammenhänge verstanden werden kann. Insbesondere seine theologischen Ansichten zur Tora und ihren Geboten, das erwählte Gottesvolk Israel an sich und auch das Verhältnis zwischen diesem und den anderen Nationen sollen dabei untersucht und reflektiert werden.
Inhaltsverzeichnis
- I. EINLEITUNG
- A. STATIONEN DER PAULUSFORSCHUNG
- Antijudaismus als ideologischer Ausweg
- Von Augustinus zu M. Luther
- F. C. Baur und die Tübinger Schule
- Die Religionsgeschichtliche Schule
- R. Bultmann und seine Schüler
- Die Neue Perspektive auf Paulus
- Die Radikal Neue Perspektive auf Paulus
- II. ORIENTIERUNG
- A. DAS JUDENTUM ZUR ZEIT DES ZWEITEN TEMPELS
- Palästina als das Stammland des jüdischen Volkes
- Leben in der Diaspora
- B. DIE TORA ALS (EIN) HERZSTÜCK DES JUDENTUMS
- Was bedeutet es, die Tora zu befolgen? Hermeneutische Betrachtungen
- Die Befolgung der Tora im ersten Jahrhundert am Beispiel von 1Kor 8-10
- C. FAZIT
- III. PERSON
- A. DIASPORAJUDE AUS TARSUS UND PHARISÄER IN JERUSALEM
- Kulturelle Prägung und Bildung
- Religiöse Prägung
- Diaspora oder Palästina?
- Sind feste Denkkategorien unverzichtbar?
- B. DAS DAMASKUS-EREIGNIS - VOM SAULUS ZUM PAULUS?
- Die Verfolgung der frühen ekklesia
- Eine Offenbarung Christi innerhalb jüdischer Apokalyptik?
- Die Bedeutung alttestamentlicher Schriften für Paulus
- Eschatologische Neuorientierung
- C. PAULI VERHÄLTNIS ZU SEINER JÜDISCHEN HERKUNFT
- D. FAZIT
- IV. WIRKUNG
- A. DAS UMFELD DER PAULINISCHEN VERKÜNDIGUNG
- Die Heiden in paulinischen Gemeinden
- Israel und die Nationen
- B. DIE TORA BEI PAULUS
- Die Rolle der Tora für Juden und Nichtjuden
- Werke des Gesetzes
- Die Beschneidung
- C. FAZIT
- V. GESAMTFAZIT
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Masterarbeit befasst sich mit der Person und dem Wirken des Paulus, dem Apostel der Nationen, im Kontext des frühen Christentums. Sie untersucht seine Beziehungen zum Judentum und zur Tora, wobei sie auch die historischen und theologischen Entwicklungen innerhalb des frühen Christentums beleuchtet. Die Arbeit zielt darauf ab, ein differenziertes Bild von Paulus zu zeichnen, indem sie die traditionellen und aktuellen Forschungsperspektiven auf seine Person und Lehre berücksichtigt.
- Die Entwicklung des Paulusbildes in der Forschung
- Die Bedeutung des Judentums und der Tora für Paulus
- Die Rolle der Tora im frühen Christentum
- Das Verhältnis zwischen Juden und Christen im frühen Christentum
- Die Bedeutung der paulinischen Theologie für das heutige Verständnis des Christentums
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein und erläutert die Relevanz der Paulusforschung. Das Kapitel „Orientierung“ beleuchtet den historischen Kontext des Judentums zur Zeit des Zweiten Tempels und die Bedeutung der Tora als zentrales Element des jüdischen Lebens. Das Kapitel „Person“ beschäftigt sich mit Paulus' Leben und seiner Entwicklung vom Pharisäer zum Apostel der Nationen. Das Kapitel „Wirkung“ analysiert Paulus' Verkündigung im Kontext des frühen Christentums und beleuchtet seine Auseinandersetzung mit Judentum und Tora.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Themen der Paulusforschung, darunter die Bedeutung des Judentums und der Tora für Paulus' Leben und Theologie, die Rolle der Tora im frühen Christentum, das Verhältnis zwischen Juden und Christen, sowie die historische und theologische Entwicklung des Paulusbildes.
- Citar trabajo
- David Hinderer (Autor), 2021, Die Paulusforschung. Das Judentum, die Tora und der Apostel der Nationen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1382887