In Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind die Auswahl des Mandantenportfolios und dessen wiederkehrende Risikobewertung wesentliche Prozesse zur Risikoüberwachung und -einflussnahme. In der Vergangenheit wurde vor der Zielsetzung, möglichst viele neue Mandanten aufzunehmen und rentable Mandate fortzuführen, die Einschätzung des mit dem Mandanten verbundenen Risikos jedoch häufig vernachlässigt.
Im Gegensatz zu früheren Ansätzen der Risikobewertung, die größtenteils erst nach der Auftragsannahme ansetzten, wird gegenwärtig die Notwendigkeit zur Risikobewertung vor der Auftragsannahme hervorgehoben. Die Analyse des Risikos vor der Mandatsannahme wird so zu einem wichtigen Instrument, um das Gesamtrisiko zu minimieren. Dadurch sind auch berufsrechtliche und gesetzliche Bestrebungen zu erklären, die den Prüfer verpflichten, das mit den Mandanten verbundene Risiko kontinuierlich zu überwachen und seine Portfolioentscheidungen an den daraus gewonnenen Erkenntnissen auszurichten.
Portfoliomanagement-Entscheidungen der Prüfungsgesellschaft umfassen auch die Entscheidung über die Fortführung bestehender Mandate. Für die Prüfungsgesellschaften wird durch zielgerichtete Portfoliomanagement-Entscheidungen der Grundstein für eine langfristige finanzielle Sicherheit gelegt. Für den Mandanten sind hingegen insbesondere negative Entwicklungen infolge einer möglichen Mandatsniederlegung durch den Prüfer relevant, wie z.B. sinkende Aktienkurse oder mangelnde Kreditwürdigkeit.
Im zweiten Abschnitt folgt einführend eine Darstellung des Portfoliomanagement-Prozesses innerhalb einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und möglicher dabei zu be-rücksichtigender Risiken.
Der dritte Abschnitt beinhaltet die theoretische Darstellung des Portfolio- und Risikomanagements einer Prüfungsgesellschaft. Erkenntnisse der finanzwirtschaftlichen Portfoliotheorie, die zum Verständnis in Grundzügen dargestellt wird, werden dabei auf das Portfoliomanagement in Wirtschaftsprüfungsgesellschaften übertragen.
Die Ergebnisse empirischer Erhebungen über Portfoliomanagement-Entscheidungen der Prüfungsgesellschaften werden im vierten Abschnitt aufgezeigt. Dabei wird untersucht, welche Risikofaktoren einen Einfluss auf Portfoliomanagement-Entscheidungen haben.
Abschnitt fünf stellt die Grundsätze und Methoden des angewandten Portfoliomanagements anhand des Beispiels zweier großer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften dar.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Darstellungsverzeichnis
Anhangverzeichnis
1. Hintergrund und Ziel der Untersuchung
2. Portfoliomanagement und Risiko
2.1 Portfoliomanagement in Wirtschaftsprüfungsgesellschaften
2.2 Rechtliche Rahmenbedingungen
2.3 Risikomodelle
2.3.1 Klassischer Ansatz: Prüfungsrisikomodell
2.3.2 Moderner Ansatz: Business Risk Model
2.3.2.1 Grundlagen
2.3.2.2 Prüfungsrisiko
2.3.2.3 Geschäftsrisiko des Mandanten
2.3.2.4 Geschäftsrisiko der Prüfungsgesellschaft
3. Theoretische Grundlagen
3.1 Finanzwirtschaftliche Portfoliotheorie
3.1.1 Grundlagen
3.1.2 Moderne Portfoliotheorie nach Markowitz
3.1.2.1 Investoren
3.1.2.2 Rendite, Risiko und Effizienz
3.2 Das Modell von Simunic / Stein (1990)
3.2.1 Grundlagen
3.2.2 Kostenfunktion
3.2.3 Rendite
3.2.4 Prüfungsgebühr und Risiko
3.2.5 Komparativ-statische Analyse des Prüfungsrisikos
3.2.6 Kritische Würdigung
3.3 Modellerweiterung Beck / Wu (2006)
3.3.1 Grundlagen
3.3.2 Modell
3.3.3 Ergebnisse
4. Empirische Studien
4.1 Mandatsannahmeentscheidungen
4.2 Mandatsfortführungsentscheidungen
4.3 Zusammenfassung und Wertung
4.4 Die Studie von Johnstone / Bedard (2004)
4.4.1 Einführung
4.4.2 Hypothesen
4.4.3 Methodisches Vorgehen
4.4.3.1 Datenbasis
4.4.3.2 Relevante Variablen und Tests
4.4.4 Ergebnisse
4.4.4.1 Risikovergleich der Subportfolios
4.4.4.2 Risikoarten
4.4.4.3 Prüfungsgebühren
4.4.5 Kritik
5. Praxis des Portfolio Managements in großen WPG
5.1 Grundlagen
5.2 Pricewaterhouse Coopers: FRISK
5.3 KPMG: KRisk
5.4 Kritik
6. Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Darstellungsverzeichnis
Darstellung 1: Portfoliomanagement einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Darstellung 2: Prüfungsrisikomodell
Darstellung 3: 2-Mandanten-Prüfungsmodell einer Prüfungsgesellschaft
Darstellung 4: Modell der Mandatsannahme
Darstellung 5: Signifikanz der Koeffizienten im Mandatsannahmemodell
Darstellung 6: Modell der Risikoeinschätzung und Auftragsannahmeentscheidung
Darstellung 7: Modell der Mandatsannahmeentscheidung
Darstellung 8: Mandantenbestand der Jahre 1987 und 1994
Darstellung 9: Variablen zur Messung des Finanzrisikos
Darstellung 10: Variablen zur Messung des Prüfungsrisikos
Darstellung 11: KRisk System Ablaufdiagramm
Darstellung 12: Deskriptive Statistik 1
Darstellung 13: Deskriptive Statistik 2
Darstellung 14: Effizienzkurve, Marktportfolio und Kapitalmarktlinie
Anhangverzeichnis
Anhang A1: Deskriptive Statistik zu Jones Raghunandan (1998)
Anhang A2: Effizienzkurve, Marktportfolio und Kapitalmarktlinie
1. Hintergrund und Ziel der Untersuchung
In Wirtschaftsprüfungsgesellschaften[1] sind die Auswahl des Mandantenportfolios und dessen wiederkehrende Risikobewertung wesentliche Prozesse zur Risikoüberwachung und -einflussnahme.[2] In der Vergangenheit wurde vor der Zielsetzung, möglichst viele neue Mandanten aufzunehmen und rentable Mandate fortzuführen, die Einschätzung des mit dem Mandanten verbundenen Risikos jedoch häufig vernachlässigt.[3]
Im Gegensatz zu früheren Ansätzen der Risikobewertung, die größtenteils erst nach der Auftragsannahme ansetzten, wird gegenwärtig die Notwendigkeit zur Risikobewertung vor der Auftragsannahme hervorgehoben.[4] Die Analyse des Risikos vor der Mandatsannahme wird so zu einem wichtigen Instrument, um das Gesamtrisiko, dem die Prüfungsgesellschaft ausgesetzt ist, zu minimieren.[5] Dadurch sind auch berufsrechtliche und gesetzliche Bestrebungen zu erklären, die den Prüfer verpflichten, das mit den Mandanten verbundene Risiko kontinuierlich zu überwachen und seine Portfolioentscheidungen an den daraus gewonnenen Erkenntnissen auszurichten.
Portfoliomanagement-Entscheidungen der Prüfungsgesellschaft umfassen jedoch, neben der Entscheidung über die Annahme neuer Mandaten, auch die Entscheidung über die Fortführung bestehender Mandate. Beide sind sowohl für die jeweilige Prüfungsgesellschaft als auch für den Mandanten von besonderer Bedeutung. Für die Prüfungsgesellschaften wird durch zielgerichtete Portfoliomanagement-Entscheidungen der Grundstein für eine langfristige finanzielle Sicherheit gelegt. Für den Mandanten sind hingegen insbesondere negative Entwicklungen infolge einer möglichen Mandatsniederlegung durch den Prüfer relevant, wie z.B. sinkende Aktienkurse oder mangelnde Kreditwürdigkeit.[6] Analog kann die Fortführung eines Mandats eine positive Wirkung auf den Aktienkurs des Mandanten haben.[7]
Im zweiten Abschnitt folgt einführend eine Darstellung des Portfoliomanagement-Prozesses innerhalb einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und möglicher dabei zu berücksichtigender Risiken.
Der dritte Abschnitt beinhaltet die theoretische Darstellung des Portfolio- und Risikomanagements einer Prüfungsgesellschaft. Erkenntnisse der finanzwirtschaftlichen Portfoliotheorie, die zum Verständnis in Grundzügen dargestellt wird, werden dabei auf das Portfoliomanagement in Wirtschaftsprüfungsgesellschaften übertragen. Auf die Darstellung eines möglichen spieltheoretischen Ansatzes, in Hinblick auf die Mandatsfortführungsentscheidung des Prüfers, wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit verzichtet.[8]
Die Ergebnisse empirischer Erhebungen über Portfoliomanagement-Entscheidungen der Prüfungsgesellschaften werden im vierten Abschnitt aufgezeigt. Eingangs erfolgt dazu eine zusammenfassende Übersicht über die Ergebnisse verschiedener empirischer Erhebungen über Mandatsannahme- und Mandatsfortführungsentscheidungen. Die Studie von K. Johnstone und J. Bedard aus dem Jahr 2004, die gleichermaßen Annahme- und Fortführungsentscheidungen umfasst, bildet den Schwerpunkt dieses Kapitels. Dabei wird untersucht, welche Risikofaktoren einen Einfluss auf Portfoliomanagement-Entscheidungen haben.
Abschnitt fünf stellt die Grundsätze und Methoden des angewandten Portfoliomanagements anhand des Beispiels zweier großer Wirtschaftsprüfungsgesellschaften dar.
Die Arbeit schließt in sechsten Abschnitt mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse.
2. Portfoliomanagement und Risiko
2.1 Portfoliomanagement in Wirtschaftsprüfungsgesellschaften
Das Portfoliomanagement ist eine Planungsmethode, die zur Aufgabe hat, die Zusammensetzung eines Portfolios optimal zu bestimmen. Hierbei wird, mit dem Ziel, ein möglichst niedriges Risiko und eine möglichst hohe Rendite zu erzielen, der Portfoliobestand nach Erwartungswert und Standardabweichung der Rendite bewertet.[9] Ursprünglich bezieht sich diese Definition auf ein Wertpapierportfolio, sie kann aber auf andere Bereiche, hier das Mandantenportfolio einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, übertragen werden.
Je nachdem, ob die geschätzten Erlöse aus der Mandatsannahme bzw. -fortführung die mit dem Auftrag verbundenen Prüfungskosten und das Risiko des Mandanten decken, trifft die Prüfungsgesellschaft in jeder Periode Portfoliomanagement-Entscheidungen.
Neben der von der Prüfungsgesellschaft nicht beeinflussbaren Kündigung des Verhältnisses durch den Mandanten (mandantenseitige Kündigung), muss die Prüfungsgesellschaft in jeder Periode eine Entscheidung über Mandatsannahmen und -fortführungen treffen. Der Entscheidungsprozess ist in Darstellung 1 abgebildet. Ausgehend von dem Ursprungsportfolio einer Periode ergibt sich daraus ein neues Mandantenportfolio für die Prüfungsgesellschaft.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Darstellung 1: Portfoliomanagement einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft[10]
Begrifflich ist das Portfoliomanagement abzugrenzen vom Risikomanagement einer Prüfungsgesellschaft.
Als Ziele des Portfoliomanagements einer Prüfungsgesellschaft können, wie oben angeführt, einerseits die Maximierung der Rendite bei vorgegebenem Risiko oder andererseits die Minimierung des Risikos bei gegebener Rendite angeführt werden. Auch eine synchrone Optimierung beider Zielgrößen kommt in Betracht. Unter der Annahme eines perfekten Wettbewerbsmarktes ist jedoch die Gewinnerzielungsabsicht der Prüfungsgesellschaft zu vernachlässigen. Aufgrund dessen kann die Optimierung des Mandantenportfolios in Hinblick auf die Risikostruktur als vorrangiges Ziel des Portfoliomanagements der Prüfungsgesellschaft aufgefasst werden.
Risikomanagement dagegen kann definiert werden als „die Gesamtheit der Maßnahmen einer Unternehmung, die die Verteilung der ökonomischen Ergebnisse steuert“,[11] indem durch die Regulierung des Risikos ein erwarteter Ertrag erzielt wird.[12] Das Risikomanagement einer Prüfungsgesellschaft umfasst dabei folgende wesentliche Prozesse: Definition von Risikofeldern, Identifikation der Risiken, Analyse und Bewertung der Risiken und die Steuerung und Überwachung dieser.[13] Die Risikofelder können dabei den sechs Risikogruppen der strategischen Risiken, Marktrisiken, Finanzmarktrisiken, politischen, rechtlichen und gesellschaftlichen Risiken, Risiken aus Corporate Governance und Leistungsrisiken zugeordnet werden. Der Bereich der Leistungsrisiken umfasst auch die Risiken aus der Mandatsannahme und -fortführung.[14] Portfoliomanagement kann so als ein Bestandteil des Risikomanagements einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aufgefasst werden.
2.2 Rechtliche Rahmenbedingungen
Die Pflicht für den Wirtschaftsprüfer, vor Auftragsannahme, bzw. kontinuierlich, das mit dem Mandanten verbundene Risiko zu überprüfen und darauf seine Auftragsannahme- bzw. Fortführungsentscheidungen zu begründen, ergibt sich aus den international anerkannten Grundsätzen zur Abschlussprüfung (ISA).[15] Das von der IFAC (International Federation of Accountants) bestellte IAASB (International Auditing and Assurance Standards Board) entwickelt diese Grundsätze, die für alle der IFAC angeschlossenen nationalen Berufsorganisationen verbindlich sind und in nationale Standards umgesetzt werden.[16]
§210 des „Code of Ethics for Professional Accountants“ der IFAC enthält Vorschriften zur Mandatsannahme und -fortführung.[17] Demnach soll der Wirtschaftsprüfer vor Auftragsannahme - und danach in regelmäßigen Abständen - prüfen, ob die Annahme des Mandanten zu Komplikationen in Hinblick auf die Einhaltung der Standards führt. Risiken können sich hier insbesondere aus möglichen illegalen Aktivitäten oder fraglicher Rechnungslegungspolitik des Mandanten ergeben. Bestehen solche Risiken und lassen diese sich nicht auf ein akzeptables Niveau senken, ist der Auftrag abzulehnen bzw. der bestehende Auftrag nicht fortzuführen.[18]
In Deutschland sind sowohl das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. als auch die Wirtschaftsprüferkammer Mitglieder der IFAC. Gemeinsam haben diese beiden Institutionen in einer Stellungnahme zu dem Anforderungen an die Qualitätssicherung in der Wirtschaftsprüferpraxis (VO 1/2006) die Verpflichtung zur Risikoüberwachung durch die Prüfungsgesellschaft in nationales Berufsrecht umgesetzt.[19] Danach darf ein Mandat nur angenommen oder fortgeführt werden, wenn nach der Analyse der Integrität des Mandanten und der mit dem Auftrag verbundenen Risiken „entweder keine besonderen Risiken vorliegen oder ausreichende Maßnahmen zur Risikobegrenzung ergriffen werden können“.[20] Entgegenwirken lässt sich bestehenden Risiken z.B. durch die Personalplanung der Prüfungsgesellschaft. So können im Fall eines riskanten Mandanten erfahrene oder besonders spezialisierte Prüfer eingesetzt werden, um das mit dem Mandanten verbundene Risiko auszugleichen.[21]
Als weiteres Beispiel für die Umsetzung der internationalen Standards lassen sich die vom u.s.-amerikanischen AICPA (American Institute of Certified Public Accountants) herausgegebenen Qualitätskontrollstandards anführen.[22] Diese verpflichten die Prüfungsgesellschaften, standardisierte Prozesse und Entscheidungshilfen für die Annahme neuer Mandanten oder die Fortführung bestehender Mandanten einzurichten. Unter anderem sollen die Bewertung der verfügbaren Finanzdaten des Mandanten, die Informationseinholung bei vorherigen Prüfern und Dritten und letztendlich die Bewertung der personellen und fachlichen Kompetenz der Prüfungsgesellschaft diesen Entscheidungen zugrunde gelegt werden.[23]
Hervorzuheben ist hier, dass sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene keine detaillierten Richtlinien zur Einrichtung eines diesbezüglichen Risikomanagement-Systems eingeführt worden sind. Stattdessen sind lediglich Grundsätze zur Risikoüberwachung verankert, die den Prüfungsgesellschaften große Freiheiten in der individuellen Umsetzung des Überwachungssystems überlassen. Jede Prüfungsgesellschaft kann so ein speziell auf ihre Bedürfnisse ausgerichtetes System implementieren. Es kann hier z.B. zwischen automatisierten Systemen, die die Risikobewertung innerhalb der Gesellschaft nach vorgegebenen Standards ausführen, und flexiblen Systemen, die dem verantwortlichen Prüfer oder Partner individuell einen größeren Bewertungsspielraum gewähren, unterschieden werden.[24]
2.3 Risikomodelle
Die von den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften durchgeführte Risikobewertung umfasst die Analyse von aktuellen und zukünftigen Mandanten.[25] Dabei kann zwischen verschiedenen Risikoausprägungen differenziert werden. Die folgenden Risikodefinitionen stellen zum Teil jedoch keine klar objektive Abgrenzung der möglichen Risiken dar. Vielmehr sind die Risiken miteinander verknüpft und einzelne Variablen zur Risikomessung können mehrere Risikoausprägungen beeinflussen.[26]
2.3.1 Klassischer Ansatz: Prüfungsrisiko modell
Das Prüfungsrisiko (audit risk) ist das Risiko, dass der Wirtschaftsprüfer einen mit wesentlichen Fehlern behafteten Abschluss mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk versieht.[27] Auch das Risiko, einem nicht fehlerhaften Abschluss einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk zu erteilen, ist grundsätzlich Teil des Prüfungsrisikos. Da dieses Risiko jedoch als sehr gering eingeschätzt werden kann, wird es in der folgenden Analyse, wie auch in weiten Teilen der Literatur, außer Acht gelassen.[28] Das Prüfungsrisikomodell verdeutlicht die Zusammensetzung des Prüfungsrisikos.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Darstellung 2: Prüfungsrisikomodell
Mathematisch lässt sich das Prüfungsrisikomodell wie folgt beschreiben:[29]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Fehlerrisiko setzt sich dabei zusammen aus dem inhärenten Risiko und dem Kontrollrisiko und gibt die Wahrscheinlichkeit dafür an, dass „in einem Prüffeld des Jahresabschlusses wesentliche Fehler enthalten sind“.[30] Das inhärente Risiko stellt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten wesentlicher Fehler dar, unter der Annahme, dass keine internen Kontrollen vorhanden sind. Das Kontrollrisiko verdeutlicht das Risiko, dass diese wesentlichen Fehler durch das interne Kontrollsystem nicht aufgedeckt oder behoben werden.[31]
Auch äußere Einflüsse können die Gefahr des Auftretens von Fehlern im Jahresabschluss steigern und somit das inhärente Risiko erhöhen. Dieses sind, neben den Unternehmensbedingungen, die Branchenbedingungen und die makroökonomischen Bedingungen. Die Unternehmensbedingungen beziehen sich dabei auf „die Art und Größe des Unternehmens, seine wirtschaftliche Lage sowie die Integrität und Qualität der Mitarbeiter und des Managements“[32]. Die Branchenbedingungen umfassen branchenspezifische Risiken, wie beispielsweise die notwendige technische Weiterentwicklung oder die Entwicklung des Absatzmarktes. Makroökonomische Bedingungen haben insbesondere in Form des allgemeinen Wirtschaftswachstums oder Änderungen in der Gesetzgebung einen Einfluss auf das inhärente Risiko.[33] Daneben ist auch die Gefahr der bewussten Fehlerstreuung, z.B. aufgrund mangelnder Managementintegrität, im inhärenten Risiko inbegriffen.[34]
Das Entdeckungsrisiko ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Prüfer wesentliche Fehler nicht aufdeckt. Es kann als einzige Variable des Modells direkt vom Prüfer beeinflusst werden, indem zum Beispiel der Umfang der Prüfungshandlungen, sowohl analytischer als auch Detailprüfungen, erhöht wird. So kann insgesamt ein hinreichend geringes Prüfungsrisiko sichergestellt werden.[35]
2.3.2 Moderner Ansatz: Business Risk Model
2.3.2.1 Grundlagen
Huss / Jacobs / Patterson (1993) kritisieren das klassische Prüfungsrisikomodell als nicht zeitgemäß, da es auf die Bewertung des Risikos eines einzelnen Mandanten nach erfolgter Auftragsannahme abziele. In der aktuellen Forschung werde dieses Modell nicht weiter verfolgt und stattdessen das Prüfungsrisiko neben dem Geschäftsrisiko des Mandanten und dem Geschäftsrisiko der Prüfungsgesellschaft abgebildet.[36] Aufgrund der unzureichenden Betrachtung des Geschäftsrisikos wird angeführt, dass das Prüfungsrisikomodell keine ausreichende Grundlage für Prüfungs- und Prüfungsplanungsentscheidungen darstelle.[37]
Dem Geschäftsrisiko kommt, gerade in der Abgrenzung zum Prüfungsrisiko, in der neueren Forschung eine immer größere Bedeutung zu. So evaluieren z.B. Houston / Peters / Pratt (1999) unter bestimmten Voraussetzungen einen getrennten Einfluss dieser beiden Risikofelder auf die Prüfungsplanungsentscheidungen und den Risikoaufschlag der Prüfungsgebühren.[38] Auch Eilifsen / Knechel / Wallage (2001) stellen anhand der von ihnen erhobenen Daten die steigende praktische Bedeutung einer separaten Betrachtung des Geschäftsrisikos und deren Auswirkungen auf die vorgenommenen Prüfungshandlungen und Prüfungsschwerpunkte heraus. Gleichzeitig warnen sie jedoch davor, Detailprüfungen zugunsten analytischer Prüfungshandlungen, die das Geschäftsrisiko des Mandanten betreffen, zurückzustellen.[39]
Neben dem Prüfungsrisiko werden gesondert also auch das Geschäftsrisiko des Mandanten und das Geschäftsrisiko der Prüfungsgesellschaft betrachtet. Dieser Ansatz liegt im Weiteren auch der vorliegenden Arbeit zugrunde.
2.3.2.2 Prüfungsrisiko
Das Prüfungsrisiko umfasst nach Huss / Jacobs / Patterson (1993) folgende Faktoren:[40]
- das Risiko, dass der Abschluss aufgrund eines mangelnden internen Kontrollsystems wesentliche Fehler oder Falschaussagen enthält,
- das Risiko der absichtlichen Zurückhaltung von Informationen durch den Mandanten und
- das Risiko, dass wesentliche Fehler durch die durchgeführten Prüfungshandlungen nicht aufgedeckt werden.
Diese Definition stellt jedoch grundsätzlich keinen Wiederspruch zum oben dargestellten Ansatz des Prüfrisikomodells dar. So kann der erste angeführte Faktor als Kontrollrisiko und der letzte als Entdeckungsrisiko angesehen werden. Das Risiko der absichtlichen Zurückhaltung von Informationen durch den Mandanten kann, nach oben angeführten Kriterien des Prüfrisikomodells, dem inhärenten Risiko zugeordnet werden.
Hier wird jedoch auch der Unterschied zwischen den beiden verfolgten Ansätzen deutlich. Im Gegensatz zum Prüfrisikomodell sind nach der Definition von Huss / Jacobs / Patterson keine den finanziellen Status des Mandanten beeinflussenden branchenspezifischen oder makroökonomischen Faktoren im inhärenten Risiko enthalten. Stattdessen liegt der Schwerpunkt der Messung des inhärenten Risikos auf der Integrität und Qualität des Managements und der Mitarbeiter des Unternehmens.[41]
Die branchenspezifischen und makroökonomischen relevanten Faktoren werden hier also aus dem inhärenten Risiko ausgeklammert und in einem gesonderten Risikobereich, dem Geschäftsrisiko des Mandanten, zusammengefasst.
2.3.2.3 Geschäftsrisiko des Mandanten
Das Geschäftsrisiko des Mandanten (client´s business risk) wird teilweise auch als Finanzrisiko (financial risk) bezeichnet. Es ist das Risiko, dass sich die wirtschaftliche Situation des Mandanten, seine Profitabilität, verschlechtert, was bis zur Insolvenz des Mandanten führen kann.[42]
Zur Einschätzung dieses Risikos ist die Analyse mehrerer Faktoren ausschlaggebend:[43]
- allgemeine globale und regionale Wirtschaftsentwicklung,
- Branchenentwicklung und die Entwicklung des Mandanten innerhalb seiner Branche,
- Managementumfeld (Einfluss von Aktionären auf das Management, Managementphilosophie, Managementturnover),
- finanzielle Stabilität des Mandanten (Analyse finanzieller Kennzahlen, Analyse branchenspezifischer Kennzahlen, Abweichung des Unternehmens von der Branchenentwicklung).
Der Prüfer kann auf das Geschäftsrisiko des Mandanten keinen Einfluss ausüben, sondern muss entscheiden, ob er das Risiko akzeptiert oder nicht.[44] Es kann deshalb auch von einem mandantenspezifischen Risiko gesprochen werden.
2.3.2.4 Geschäftsrisiko der Prüfungsgesellschaft
Das Geschäftsrisiko der Prüfungsgesellschaft (auditor´s business risk) bezeichnet das Risiko, dass letztendlich aus der Mandatsannahme oder -fortführung ein Verlust entsteht.[45] Insbesondere das Prozessrisiko, das Risiko zur Haftung in Anspruch genommen zu werden und ein möglicher Reputationsverlust sind hier relevant. Ebenfalls ist die Reputation des Mandanten und auch die der Geschäftspartner des Mandanten zu beachten. Eine negative Reputation dieser kann sich gegebenenfalls auf die Prüfungsgesellschaft übertragen.[46] Durch eine vorsichtige und genaue Risikoanalyse der Mandanten kann der Prüfer also sein mögliches Geschäftsrisiko eingrenzen, indem risikoreiche Mandanten nicht in das Portfolio aufgenommen werden.[47]
Bei der Bewertung des Geschäftsrisikos der Prüfungsgesellschaft müssen auch das Geschäftsrisiko des Mandanten und das Prüfungsrisiko einbezogen werden, da diese eng miteinander verknüpft sind. So steigt z.B. das Geschäftsrisiko der Prüfungsgesellschaft mit der Gefahr sinkender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit oder der Gefahr der Insolvenz des Mandanten, also mit steigendem Geschäftsrisiko des Mandanten.[48] Lys / Watts (1994) fügen hinzu, dass die Prozessgefahr, die z.T. mit dem Geschäftsrisiko der Prüfungsgesellschaft gleichgesetzt wird, ebenfalls mit der Größe des Mandanten und mit dem Anteil des betreffenden Mandanten am Gesamterlös des Prüfers steigt.[49]
3. Theoretische Grundlagen
3.1 Finanzwirtschaftliche Portfoliotheorie
3.1.1 Grundlagen
Grundgedanke der modernen Portfoliotheorie ist es, dass das Risiko des Portfolios durch Diversifikation der riskanten Investitionen im Vergleich zu den Einzelrisiken verringert werden kann. Als Investitionen der finanzwirtschaftlichen Portfoliotheorie können z.B. Investitionen in Aktien aber auch Immobilien oder Edelmetalle verstanden werden.[50] Unsicher sind die betrachteten Investitionen deshalb, weil die durch die Investition erzielbare Rendite nicht genau vorhergesagt werden kann.
Werden verschiedene Investitionen getätigt, so ergibt sich die Gesamtrendite als gewichtetes Mittel der Einzelrenditen der Investitionen. Im Bereich des Risikos gilt dieses jedoch nicht. Werden zwei oder mehrere riskante Anlagen, die untereinander korreliert sind, miteinander kombiniert, ist das Gesamtrisiko des sich ergebenden Portfolios geringer oder höher als das gewogene Mittel der Einzelrisiken.[51]
Portfoliomanagement bezeichnet die Umsetzung dieser in der Portfoliotheorie gewonnenen Erkenntnisse in der Praxis und kann damit auch als „angewandte Portfoliotheorie“[52] bezeichnet werden. Die Aufgabe des Portfoliomanagements ist es also, verschiedene Anlagen in einem Portfolio derart zusammenzustellen (Diversifikation), dass eine möglichst hohe Rendite und ein möglichst geringes Risiko erzielt werden.
3.1.2 Moderne Portfoliotheorie nach Markowitz
3.1.2.1 Investoren
Es wird davon ausgegangen, dass die betrachteten Investoren risikoavers sind. Sie ziehen also bei der Betrachtung zweier Anlagemöglichkeiten mit gleicher Rendite diejenige mit dem geringeren Risiko vor. Um eine Investitionsentscheidung zu modellieren, müssen daher sowohl der Ertrag der Anlage als auch das mit ihr verbundene Risiko sowie die Korrelation der Risiken betrachtet werden. Das Optimierungsproblem kann z.B. derart gestaltet sein, dass bei gegebenem Ertrag das Risiko des Portfolios minimiert wird (risikoeffizientes Portfolio).[53]
3.1.2.2 Rendite, Risiko und Effizienz
Da zukünftige Renditen riskanter Anlagen mit Unsicherheit behaftet sind, betrachtet H.M. Markowitz[54] diese als Zufallsgrößen. Die Renditen der Einzelanlagen werden als normalverteilt angenommen, was zur Folge hat, dass auch die Renditen des sich aus den Einzelanlagen zusammensetzenden Portfolios normalverteilt sind.[55]
In einem Zweizeitpunktmodell mit den Zeitpunkten [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten], wobei in Zeitpunkt [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] eine Anlageentscheidung getroffen wird, ergibt sich die Rendite [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] einer Einzelanlage des Anfangsvermögens ([Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] als
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] stellt hierbei das aus der Anlage resultierende Endvermögen zum Zeitpunkt [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] dar. Der Erwartungswert der Rendite wird durch [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]beschrieben.
Das Risiko der Anlage wird durch die Standardabweichung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
gemessen. Je größer also die Abweichungen der tatsächlichen Renditen von der erwarteten Rendite sind, als desto riskanter wird eine Anlagemöglichkeit angesehen.[56]
Für die Betrachtung der Portfoliorendite und des Portfoliorisikos wird beispielhaft der Fall einer Kombination von zwei Anlagen herangezogen. Anlage [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] ist mit dem Anteil [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] im Portfolio enthalten, Anlage [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] mit dem Anteil [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten].[57] Negative Anteile, also Leerverkäufe, sind im Modell ausgeschlossen.[58] Die Portfoliorendite [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] setzt sich dabei aus den gewichteten Renditen der Einzelanlagen zusammen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Varianz der Portfoliorendite ergibt sich als:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Aus der Varianz ergibt sich die Standardabweichung der Portfoliorendite, die als Risikomaß für das Portfoliorisiko herangezogen wird:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[59]
Es wird anhand dieser Formel deutlich, dass das Portfoliorisiko nicht allein von den Risiken der Einzelanlagen abhängen, sondern zusätzlich von der Kovarianz der Renditen der Einzelanlagen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
stellt dabei den Korrelationskoeffizienten dar.[60] Da Leerverkäufe annahmegemäß nicht möglich sind, sollte es vermieden werden, in Anlagen mit einer hohen gegenseitigen Kovarianz zu investieren, um das Portfoliorisiko möglichst gering zu halten. Denn mit der Kovarianz, bzw. sich daraus ergebend mit dem Korrelationskoeffizienten, steigt das Portfoliorisiko. Einen geringen Korrelationskoeffizienten weisen regelmäßig Anlagen aus verschiedenen Branchen auf.[61]
Ausgehend von den Präferenzen des Investors dominiert ein Portfolio P das Portfolio Q, wenn gilt [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] und [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] oder [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] und [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Nach Markowitz ist ein gegebenes Portfolio genau dann effizient, wenn es kein anderes mögliches Portfolio gibt, das das gegebene Portfolio dominiert. Der Definition zufolge kann es mehrere effiziente Portfolios geben. Alle möglichen effizienten Portfolios liegen auf der sich im Risiko - Rendite - Diagramm ergebenden Effizienzkurve.[62]
Eine mögliche Nutzenfunktion des risikoaversen Investors stellt
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
dar. [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] steht dabei für den Grad der Risikoaversion. Mit steigender Risikoaversion sinkt der Nutzen des Investors aus der Portfolio-Investition.[63] Da der Nutzen des Investors von Erwartungswert und Varianz der Rendite des Portfolios abhängt, kann man hier auch von „Mean-Variance-Präferenzen“ des Investors sprechen.
Aus der Menge der effizienten Portfolios wählt der Investor dasjenige aus, das ihm den größten Nutzen bereitet. Das „Mean-Variance-Kriterium“ stellt demnach über die Nutzenfunktion des Investors dessen Entscheidungsregel dar.[64]
3.2 Das Modell von Simunic / Stein (1990)
3.2.1 Grundlagen
Analog zur finanzwirtschaftlichen Portfoliotheorie wird im Modell von Simunic / Stein (1990) die Aufnahme eines Mandanten in das bestehende Portfolio als Investitionsproblem betrachtet. Der hinzukommende Mandant wird hierbei mit einem riskanten Vermögensgegenstand gleichgesetzt.[65] Der Prüfer (Investor) bestimmt das Ausmaß der Prüfungsintensität selbst und in dem von ihm gehaltenen Portfolio werden Investitionen in Wertpapiere mit Investitionen in riskante Mandanten kombiniert, wobei die anfallenden Prüfungskosten den Investitionsbetrag darstellen.[66] Es wird davon ausgegangen, dass (analog zur oben erläuterten Theorie) der Prüfer risikoavers ist und „Mean-Variance-Präferenzen“ hat, also einen möglichst hohen Erwartungswert des Portfolios bei möglichst niedriger Standardabweichung vorzieht.[67]
Bei dieser Betrachtungsweise ist jedoch zu beachten, dass Investitionen in Prüfungsaufträge nicht zum Marktportfolio gehören, da diese weder teilbar sind noch am Markt ge- oder verkauft werden können. Leerverkäufe sind demnach ebenfalls nicht möglich. Ein Prüfungsauftrag ist deshalb als unverkäufliches Gut des Portfolios anzusehen. Der Auftrag kann aufgrund dessen auch nicht einfach in das bestehende Portfolio „eingekauft“ werden. Wie eingangs erläutert, bietet der Prüfer stattdessen dem Mandanten eine Prüfungsgebühr für den durchzuführenden Auftrag an, die dieser entweder annehmen oder ablehnen kann.[68]
Riskant sind die Aufnahme eines potentiellen neuen Mandanten und auch die Fortführung bereits bestehender Mandate deshalb, weil es nicht möglich ist, die Rendite aus der Mandatsannahme sicher vorherzusagen. Werden z.B. nach der Abgabe des Prüfungstestats Fehler im Abschluss bekannt, die der Prüfer nicht antizipiert hat, so hat die jeweilige Prüfungsgesellschaft aufgrund des Vorwurfs, dass sie fahrlässig gehandelt habe, teure Prozesse und einen Reputationsverlust zu befürchten. Da eine Prüfungsgesellschaft innerhalb einer Periode jedoch mehrere Prüfungen durchführt, ist das Risiko jedes Mandanten nicht separat, sondern im Kontext des gesamten Mandantenportfolios zu betrachten und zu bestimmen.[69]
Je höher das Prüfungsrisiko ist, also die Wahrscheinlichkeit, dass der Prüfer zu unrecht einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt hat, desto größer ist auch die Gefahr möglicher Prozesse und Reputationsverluste, desto geringer ist die erzielte Rendite des Prüfers. Die vom Prüfer erzielte Rendite kann also als Funktion des Risikos angesehen werden.[70] Im Portfoliokontext ist es jedoch nicht ausreichend, nur das Prüfungsrisiko in die Betrachtung einzubeziehen.[71] Vielmehr ist die Gefahr von möglichen Verlusten nach der Prüfung auch abhängig von anderen mandantenspezifischen Faktoren.[72] Anzuführen sind hier z.B. die Branchenzugehörigkeit, die geographischer Lage oder die Rechnungslegungspolitik des Mandanten.[73] Der zugrunde gelegte Risikobegriff wird durch Simunic / Stein weder genauer definiert noch werden Risikovariablen benannt. Aus den Ausführungen kann jedoch geschlossen werden, dass das der Theorie zugrundegelegte Risiko als Geschäftsrisiko der Prüfungsgesellschaft angesehen werden kann, auf das das Geschäftsrisiko des Mandanten und das Prüfungsrisiko einwirken.
Das aus einer Mandatsannahme entstehende Risiko kann definiert werden als die Veränderung der Standardabweichung der Rendite eines Portfolios, die durch die zusätzliche Aufnahme eines neuen Mandanten entsteht. Aufgrund der im Rahmen der Modernen Portfoliotheorie erklärten Zusammenhänge, hängt das Portfoliorisiko also von folgenden Faktoren ab:[74]
- Varianz der Rendite des neu aufgenommenen Mandanten und des Ursprungsportfolios,
- Kovarianz der Rendite des neu aufgenommenen Mandanten und des Ursprungsportfolios,
- Anteil der Investitionen in den neu aufgenommenen Mandanten und das Ursprungsportfolio.
3.2.2 Kostenfunktion
Die Kostenfunktion des j-ten Prüfers der Investition in i-ten Mandanten ergibt sich wie folgt:[75]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
mit:
Zunächst wird davon ausgegangen, dass für jeden möglichen Prüfer j die Kosten [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] und [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] gleich sind. Der mögliche Verlust aus der Prüfung des Mandanten i durch Prüfer j ist bedingt durch den Vektor der Prüfungsintensität über alle Mandanten des Prüfers, inkl. dem neu aufgenommenen Mandanten i ([Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten].[76]
Es kann angenommen werden, dass Erwartungswert und Varianz des möglichen Verlustes aus der Prüfung des neu aufgenommenen Mandanten sowie auch die Kovarianz aus der Verlustmöglichkeit des neu aufgenommenen und der bestehenden Mandanten mit steigender Prüfungsintensität des Prüfers sinken. Eine perfekte Prüfung mit „unendlicher“ Prüfungsintensität würde demnach die genannten abhängigen Variablen auf Null setzen. Die Kosten ergäben sich in diesem Fall durch
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Eine derart perfekte Prüfung ist in der Realität, z.B. aus Kostengründen oder wegen vorliegender Informationsasymmetrie, jedoch auszuschließen.[77]
Eine wesentliche Annahme stellt hier dar, dass die Verteilung der Verlustmöglichkeiten grundsätzlich nicht unabhängig zwischen den einzelnen Mandanten bzw. Investitionen ist. Die Kovarianz ist also nicht gleich Null. Dieses kann z.B. durch eine gemeinsame Branche der Mandanten, gemeinsame geographische Gegebenheiten oder ähnliche Rechnungslegungspolitiken verursacht werden. Das Risiko einer Prüfungsgesellschaft kann deshalb nicht isoliert auf einzelne Mandanten betrachtet werden, sondern muss auf das Gesamtportfolio bezogen werden und eine Risikodiversifikation ist möglich.[78]
3.2.3 Rendite
Setzt man den Vektor der Prüfungsintensität [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] zu Beginn einer Periode auf einem ex ante optimalen Level [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] fest[79] und nimmt eine Vertragsgestaltung des neu aufgenommenen Mandanten derart an, dass zu Beginn der Periode die Prüfungsintensität [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] sowie die vom Prüfer erhobenen Prüfungsgebühren [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] und die entstehenden Kosten [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]festgelegt sind, setzen sich die gesamten Kosten der Prüfung [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] zusammen aus:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Es lässt sich die Rendite, der Gewinn pro Einheit eingesetztem Kapital, des Prüfers wie folgt beschreiben:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Sowohl die Kosten als auch die Rendite sind normalverteilt, da sie von der normalverteilten Zufallsvariable [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] abhängig sind.
Daraus ergibt sich eine der Erwartungswert der Rendite als:[80]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.2.4 Prüfungsgebühr und Risiko
Um die Gebührenfindung bei Aufnahme eines neuen Mandanten vereinfacht darzustellen, wird davon ausgegangen, dass das Ausgangsportfolio des Prüfers nach dem CAPM-Modell eine Kombination aus einer Investition in das Marktportfolio und einer risikolosen Anlage oder Kreditaufnahme darstellt, die nach der modernen Portfoliotheorie seinen Nutzen maximiert. Wird ein riskanter Mandant zu diesem Portfolio hinzugefügt, ergibt sich hieraus eine erwartete Rendite von:[81]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mit:
Die Standardabweichung des sich nach Aufnahme des neuen Mandanten ergebenden Portfolios ist unter anderem abhängig von der Kovarianz der Renditen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] stellt dabei den Korrelationskoeffizienten dar. Dieser kann Werte im Bereich von [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] annehmen. Ein positiver Korrelationskoeffizient gibt dabei einen positiven Zusammenhang zwischen den beiden Risiken an, z.B. aufgrund gleicher Branchenzugehörigkeit des Mandanten und der Ursprungsinvestition. Bei einem Korrelationskoeffizienten von 0 besteht kein Zusammenhang. Ein negativer Korrelationskoeffizient scheint in der Realität wenig wahrscheinlich, ist jedoch im Fall eines oligopolistischen Marktes oder zweier perfekter Substitute vorstellbar.[82]
Als Standardabweichung des neuen Portfolios ergibt sich:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Formel (15) verdeutlicht, dass je geringer der Korrelationskoeffizient [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] ist, desto geringer das Risiko des neu gebildeten Portfolios ausfällt.
Die Veränderung des Risikos vom Ursprungsportfolio zum neu entstandenen Portfolio kann als Risiko des neu hinzukommenden Mandanten aufgefasst werden: [83]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die minimale Gebühr, die der Prüfer erheben muss, um den neuen riskanten Mandanten in sein Portfolio aufzunehmen, ergibt sich aus der Restriktion, dass der Nutzen des Prüfers nach Aufnahme des Mandanten nicht geringer sein darf, als der Nutzen aus dem Ursprungsportfolio, also mindestens konstant bleiben muss:[84]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Durch Differenzieren und anschließende Umformung der Gleichung ergibt sich für die minimal zu erhebende Prüfungsgebühr näherungsweise:[85]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Es lässt sich feststellen, dass die minimal zu erhebende Gebühr aus drei Teilen besteht:[86]
- durch die Prüfung des neuen Mandanten anfallende Kosten inkl. des möglichen Verlustes [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten],
- Opportunitätskosten der Investition in den neuen Mandanten anstatt in das Ursprungsportfolio [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten],
- Risikoprämie (RP) für das durch die Aufnahme des Mandanten geänderte Portfoliorisiko [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten].
3.2.5 Komparativ-statische Analyse des Prüfungsrisikos
Die vom Prüfer eingeforderte Risikoprämie (RP)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
[...]
[1] Im Folgenden auch „Prüfungsgesellschaften“ oder „Prüfer“, was als Synonym für eine gesamte Prüfungsgesellschaft angesehen werden kann. Siehe auch Simunic / Stein (1990), S. 331.
[2] Bedard et al. (2008), S. 190.
[3] Vgl. Ethridge / Marsh / Canfield (2007), S. 1.
[4] Vgl. Huss / Jacobs / Patterson (1993), S. 52.
[5] Vgl. Huss / Jacobs (1991), S. 17.
[6] Vgl. Johnstone / Bedard (2004), S. 660 f., siehe auch Wells / Loudder (1997), S. 142 f.
[7] Vgl. Beneish et al. (2004), S. 3.
[8] Weiterführend siehe Bockus / Gigler (1998).
[9] Vgl. Gabler (2000), S. 2434 f.
[10] Vgl. Johnstone / Bedard (2004), S. 664.
[11] Göppl / Schlag (2006), S. 5020.
[12] Vgl. Göppl / Schlag (2006), S. 5020 f.
[13] Vgl. Pfizter et al. (2002), S. 2006.
[14] Vgl. Pfizter et al. (2002), S. 2005 f.
[15] Vgl. IFAC (2008), S.127 ff.
[16] Anmerkung: Eine Liste der der IFAC angeschlossenen Mitglieder ist unter http://www.ifac.org/About/ MemberBodies.tmpl zu finden.
[17] Vgl. IFAC (2006), S. 35 ff.
[18] Vgl. IFAC (2006), § 210.1 - 210.6.
[19] Vgl. WPK / IDW (2006).
[20] WPK / IDW (2006), RZ 58.
[21] Vgl. Asare / Cohen / Trompeter, S. 494 ff.
[22] Vgl. AICPA (2003), Nr. 20.14 - 20.16.
[23] Vgl. Huss / Jacobs / Patterson (1993), S. 52.
[24] Vgl. Gendron (2001), S. 287.
[25] Vgl. Huss / Jacobs / Patterson (1993), S. 52.
[26] Vgl. Huss / Jacobs (1991), S. 22.
[27] Vgl. Marten / Quick / Ruhnke (2007), S. 214.
[28] Vgl. Stibi (1995), S. 49 ff.
[29] Vgl. Wagenhofer / Ewert (2007), S. 425.
[30] Stibi (1995), S. 58.
[31] Vgl. Marten / Quick / Ruhnke (2007), S. 214 f.
[32] Stibi (1995), S. 68.
[33] Vgl. Stibi (1995), S. 68 ff.
[34] Vgl. Wagenhofer / Ewert (2007), S. 425.
[35] Vgl. Marten / Quick / Ruhnke (2007), S. 215 f.
[36] Vgl. Huss / Jacobs / Patterson (1993), S. 56.
[37] Vgl. Houston / Peters / Pratt (1999), S. 282.
[38] Vgl. Houston / Peters / Pratt (1999), S. 291 ff.
[39] Vgl. Eilifsen / Knechel / Wallage (2001), S. 205 f.
[40] Vgl. Huss / Jacobs / Patterson (1993), S. 58.
[41] Vgl. auch Ethridge / Marsh / Canfield (2007), S. 3
[42] Vgl. Johnstone / Bedard (2004), S. 661.
[43] Vgl. Huss / Jacobs / Patterson (1993), S. 56 f.
[44] Vgl. Ethridge / Marsh / Canfield (2007), S. 2.
[45] Vgl. Johnstone / Bedard (2004), S. 661.
[46] Vgl. Huss / Jacobs / Patterson (1993), S. 59 f.
[47] Vgl. Ethridge / Marsh / Canfield (2007), S. 2.
[48] Vgl. Francis / Reynolds (2002), S. 1.
[49] Vgl. Lys /Watts (1994), S. 65.
[50] Vgl. Mertens (2006), S. 7.
[51] Vgl. Mertens (2006), S. 1.
[52] Spremann (2006), S. 48.
[53] Vgl. Mertens (1006), S. 1.
[54] H. M. Markowitz kann als Begründer der modernen Portfoliotheorie verstanden werden, vgl. Gabler (2000), S. 2061.
[55] Vgl. Spremann (1006), S. 180.
[56] Vgl. Spremann (2006), S. 92.
[57] Siehe auch Markowitz (1952), S. 80 f. für eine allgemeine Darstellung mit Anlagen.
[58] Vgl. Markowitz (1952), S. 81.
[59] Vgl. Spremann (2006), S. 179 f., siehe auch Markowitz (1952), S. 80 f.
[60] Vgl. Spremann (2006), S. 86 f.
[61] Vgl. Markowitz (1952), S. 89.
[62] Vgl. Spremann (2006), S. 183 ff., siehe auch Markowitz (1991), S. 470, siehe auch Anhang A2.
[63] Vgl. Spremann (2006), S. 180 f.
[64] Vgl. Markowitz (1952), S. 79 f.
[65] Bedard et al. (2008), S. 190.
[66] Vgl. Simunic / Stein (1990), S. 340.
[67] Vgl. Simunic / Stein (1990), S. 330 f.
[68] Vgl. Simunic / Stein (1990), S. 334.
[69] Vgl. Simunic / Stein (1990), S. 329.
[70] Vgl. Simunic / Stein (1990), S. 330, siehe auch Huss / Jacobs (1991), S. 19.
[71] Vgl. Simunic / Stein (1990), S. 330.
[72] Vgl. Bedard et al. (2008), S. 190.
[73] Vgl. Simunic / Stein (1990), S. 332.
[74] Vgl. Formel (5), siehe auch Simunic / Stein (1990), S. 330.
[75] Vgl. Simunic / Stein (1990), S. 331.
[76] Vgl. Simunic / Stein (1990), S. 331.
[77] Vgl. Simunic / Stein (1990), S. 332.
[78] Vgl. Simunic / Stein (1990), S. 332 f.
[79] Anmerkung: Der optimale Vektor der Prüfungsintensität, der die marginale Änderung in Ertrag aus Risikoreduktion und Kosten aus Erhöhung der Prüfungsanstrengungen ausgleicht, wird hier nicht explizit berechnet. Dieser Vektor ändert sich mit jedem neu aufgenommenen Mandanten. Vgl. dazu Simunic / Stein (1990), S. 339.
[80] Vgl. Simunic / Stein (1990), S. 333.
[81] Vgl. Simunic / Stein (1990), S. 334.
[82] Vgl. Beck / Wu (2006), S. 6.
[83] Vgl. Simunic /Stein (1990), S. 335.
[84] Vgl. zur Herleitung Simunic / Stein (1990), S. 335.
[85] Vgl. Simunic / Stein (1990), S. 336.
[86] Vgl. Simunic / Stein (1990), S. 336.
- Arbeit zitieren
- Miriam Brosig (Autor:in), 2008, Portfolio Management von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138294