Bekämpfung oder Kooperation

Analyse der Handlungsmöglichkeiten von Staaten im Umgang mit Terrorismus


Hausarbeit, 2009

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theorien und Definitionen
2.1 Der Neorealismus
2.2 Definitionen / Abgrenzung

3 Handlungsmotivationen der Akteure
3.1 Handlungsmotivationen von Staaten
3.2 Handlungsmotivationen von Terroristen

4 Kooperation und Bekämpfung
4.1 Bekämpfung
4.2 Kooperation
4.3 Kooperation vs. Bekämpfung

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Terrorismus ist nicht erst seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ein Thema, das die Menschen weltweit bewegt. Schon lange sehen sich Staaten damit konfrontiert, ihre Bevölkerung nicht nur vor Übergriffen anderer Staaten, sondern auch vor Gewaltakten einzelner Gruppen im Inneren zu schützen.

Nach dem 11. September 2001 rückte das Problem des international operierenden Terrorismus in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, viele Politiker, Wissenschaftler und Journalisten haben sich seitdem immer wieder damit beschäftigt, wie man mit Terrorismus umgehen sollte. Heutzutage existiert eine Fülle von Literatur zu diesem Thema, die sich besonders auf die Analyse der Gruppe Al-Qaida, welche für die oben genannten Terroranschläge verantwortlich ist, und auf die Bekämpfung des Terrorismus konzentriert. Dabei werden nicht nur Expost-Maßnahmen aufgezählt, es wird auch auf die Entstehung von terroristischen Gruppen eingegangen und wie diese im Keim erstickt werden kann.

Hier stellt sich jedoch die Frage, ob man Terrorismus nur bekämpfen kann, oder ob es nicht für den Staat auch eine Möglichkeit zur Kooperation mit Terroristen gibt. Mit dieser Frage beschäftige ich mich in der vorliegenden Arbeit.

Zunächst werde ich eine Theorie vorstellen, anhand der sich in meinen Augen das Verhalten der Akteure (in diesem Fall Staat und Terroristen) am besten erklären lässt, um dann zu definieren, was ich in dieser Arbeit unter dem Begriff Terrorismus verstehe und wie sich diese von anderen nicht-staatlichen Gewaltakteuren, wie zum Beispiel Guerilla-Gruppen, abgrenzen. Als nächstes werde ich auf die Handlungsmotivationen von Staaten und Terroristen eingehen, um eine mögliche Grundlage für Kooperation oder Bekämpfung zu finden. Ausgehend davon werde ich aufzeigen, wie Kooperation einerseits und Bekämpfung andererseits funktionieren könnte und welche Schwierigkeiten dabei auftreten können. Abschließend komme ich dann zu einer Entscheidung für Kooperation beziehungsweise für Bekämpfung.

2 Theorien und Definitionen

2.1 Der Neorealismus

Der Neorealismus ist eine Weiterentwicklung des Klassischen Realismus von Edward Hallett Carr und Hans Morgenthau. Ich beziehe mich in dieser Arbeit auf den Neorealismus von Kenneth N. Waltz, welchen er 1979 in seiner Arbeit „Theory of International Politics“ vorgestellt hat.

Waltz konstruiert die internationale Politik als ein System, welches aus „structure“ und aus „interacting units“ besteht.[1] Die Struktur des System beeinflusst die einzelnen „Units“ ebenso wie es umgekehrt der Fall ist. Die wichtigsten, aber nicht einzigen Einheiten, welche das internationale System strukturieren, sind für Waltz die Staaten, sie sind die Hauptakteure.[2]

Er konstruiert das internationale System als anarchisch, das heißt, es gibt keine übergeordnete Instanz, die kontrolliert oder regelt, da auch internationale Organisationen nicht über allen stehen. Aufgrund dieser Anarchie gibt es zwischen den Einheiten, das heißt besonders den Staaten, keine Arbeitsteilung, jeder Staat übernimmt in etwa dieselben Aufgaben wie die anderen Staaten.[3] Um die Staaten innerhalb des internationalen Systems unterscheiden beziehungsweise hierarchische einordnen zu können, nutzt Waltz das Machtpotential eines jeden Staates. Große Macht hat ein Staat dann, wenn er das Verhalten anderer Staaten in größerem Maße beeinflussen kann als diese sein Verhalten.

Die Staaten im internationalen System, welche Waltz als einheitliche und rational handelnde Akteure konstruiert, verfolgen in etwa die gleichen Interessen, wobei das Minimalziel jedes Staates das Überleben, das Maximalziel hingegen die „universelle Dominanz“ ist.[4] Beide Ziele sind nach Waltz vor allem militärisch zu erreichen, weswegen das Streben nach Sicherheit für die Staaten das wichtigste Anliegen ist. Innerhalb des internationalen Systems interagieren die einzelnen Einheiten, das heißt die Staaten, wie oben beschrieben miteinander, was zur Folge hat, dass die Staaten immer in einem Kontext mit anderen Staaten agieren und reagieren und somit immer gleiche Handlungsmuster auftauchen.[5]

Auf einige hier genannte Aspekte wird im Verlaufe der Arbeit noch einmal genauer eingegangen.

2.2 Definitionen / Abgrenzung

Wie bereits in der Einleitung angedeutet, gibt es gerade heutzutage viele Wissenschaftler, die sich mit Terrorismus beschäftigen. Das hat zur Folge, dass zu diesem Thema eine Reihe von verschiedenen Definitionen vorliegt. Gerade weil das Thema Terrorismus oft emotional beladen und sehr subjektiv betrachtet wird, suchen die Wissenschaftler immer wieder nach neuen Möglichkeiten, Terrorismus von anderen Gewaltakten und Terroristen von anderen Gewaltakteuren abzugrenzen, denn je nach dem, aus welcher Sicht man einen Terroristen betrachtet, kann er auch als Freiheitskämpfer erscheinen.

Deutlich wird dies an folgender Aussage von Jassir Arafat, dem früheren Präsidenten des palästinensischen Autonomiegebietes:

„Der Unterschied zwischen dem Revolutionär und dem Terroristen liegt in dem Grund, warum er kämpft. Denn wer immer sich für eine gerechte Sache und für die Freiheit und Befreiung seines Landes von Eindringlingen, von Siedlern und Kolonisten einsetzt, kann unmöglich als Terrorist bezeichnet werden.“[6]

Diese Definition von Terrorismus stützt sich auf die Handlungsmotivation der Akteure und bewertet sie zugleich. Durch die Bewertung wird sie als Grundlage für wissenschaftliche Arbeiten nutzlos, denn sie schafft keine eindeutige Kategorie, die einen Terroristen von anderen Gewaltakteuren, wie zum Beispiel Revolutionäre oder Guerilla-Kämpfern, abzugrenzen hilft.

Der Ansatz über die Handlungsmotivation bringt also keine geeignete Definition von Terrorismus. Um den Terroristen von anderen nichtstaatlichen Gewaltakteuren abgrenzen zu können, ist es wichtig, in der Definition auch festzuhalten, wie und zu welchem Zweck die Gewalt eingesetzt wird.

Sehr präzise ist dies Ulrich Schneckener gelungen: Er definiert Terrorismus als

„eine Gewaltstrategie nichtstaatlicher Akteure, die aus dem Untergrund agieren und systematisch versuchen, eine Gesellschaft oder bestimmte Gruppen in Panik und Schrecken zu versetzen, um nach eigenen Angaben politische Ziele durchzusetzen“.[7]

Für Terroristen ist also nicht die physische Gewalt, das heißt Zerstörung von Militäreinrichtungen oder eine möglichst hohe Zahl an Menschenopfern, sondern die psychische Gewalt, die Wirkung ihrer Taten, das wichtigste. Sie haben meist nicht die Mittel, um einen offenen Krieg gegen staatliche Truppen zu führen oder ihnen ernsthaften Schaden zuzufügen.

Diese Definition liegt auch meiner Arbeit zugrunde, da sie in meinen Augen umfassend ist und hilft, Terroristen genauer von anderen nicht-staatlichen Gewaltakteuren abzugrenzen.

Gerade die von Arafat angeführten Freiheitskämpfer, auch Guerilla-Kämpfer genannt, können leicht mit Terroristen verwechselt werden. Beiden Gruppen geht es darum, eine bestehende Ordnung umzustürzen und für die Gesellschaft ein neues, in ihren Augen besseres System zu etablieren. Beide Gruppen bedienen sich dazu der Gewalt, sie führen eine Art Krieg gegen das herrschende Regime. Die Definition von Schneckener hilft hier, eine Linie zwischen Guerillakämpfern und Terroristen zu ziehen.

Die Guerillakämpfer stützen sich auf die einfache Bevölkerung, sie verstehen sich als Befreier des einfachen Volkes und werden auch als solche angesehen und daher unterstützt. Sie verbreiten ihr Gedankengut in der Bevölkerung und rekrutieren aus ihr gleichzeitig weitere Kämpfer. Die Gewalt richtet sich gegen das Militär der Regierung und gegen die Soldaten beziehungsweise andere Menschen, die im Dienst der Regierung stehen, es geht um den materiellen Schaden und am Ende um den Sieg über das Militär.[8]

Der Terrorist hingegen, wie Schneckener in seiner Definition sagt, setzt die Gewalt nicht zum Zweck des Sieges über das Militär ein, sondern um Angst und Schrecken zu verbreiten, das heißt, um einen psychischen Effekt zu erzielen. Wie die Guerilla-Kämpfer verstehen auch die Terroristen sich als Befreier des einfachen Volkes, doch da sich ihre Angriffe oftmals auch gegen Zivilisten richten und sie zudem aus dem Verborgenen agieren, können sich Terroristen nur in den seltensten Fällen auf Unterstützung aus der Bevölkerung verlassen. Sie haben daher auch nicht die Möglichkeit, den Feind, also das herrschende Regime, militärisch zu besiegen oder bestimmte Gebiete zu erobern.

Terroristen und Guerilla-Kämpfer unterscheiden sich folglich vor allem hinsichtlich der Strategie und der Ziele ihrer Gewaltakte.

Ausgehend von dieser Abgrenzung des Terrorismus-Begriffes gehe ich nun auf die Handlungsmotivationen von Staaten und Terroristen ein.

3 Handlungsmotivationen der Akteure

3.1 Handlungsmotivationen von Staaten

Wie in Kapitel 2.1 bereits erläutert, ist, so die neorealistische Sicht, das Minimalziel eines jeden Staates das eigene Überleben zu sichern. Hierzu zählt neben der Aufrechterhaltung der Staatsstrukturen auch die Sicherheit der Bevölkerung. Dazu kommt, dass Staaten ein großes Interesse daran haben, von ihren internationalen Partnern als stark angesehen zu werden, um das eigene Gewicht in der Weltpolitik zu erhöhen und als ernstzunehmender Verhandlungspartner zu gelten.

Doch für das Überleben des Staates reicht es heute nicht mehr aus, lediglich Sicherheit nach innen und Macht nach außen zu demonstrieren. Durch die zunehmende Demokratisierung der Welt und die Vielfalt an internationalen Organisationen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, über die Rechtmäßigkeit der internationalen Beziehungen zu wachen, ist ein jeder Staat zudem gezwungen, friedlich und kooperativ aufzutreten, um nicht als Aggressor zu erscheinen und damit seine internationale Anerkennung zu gefährden.

Dieser Spagat zwischen Machtdemonstration einerseits und Friedfertigkeit andererseits wird noch durch die Bedürfnisse, Wünsche und Forderungen der eigenen Bevölkerung verkompliziert. Jede außenpolitische Aktion eines Staates hat innenpolitische und internationale Reaktionen zur Folge, welche im schlechtesten Fall konträr zueinander stehen.

3.2 Handlungsmotivationen von Terroristen

Im Gegensatz zu den meist gleichen Handlungsmotivationen von Staaten – das eigene Bestehen zu sichern – gibt es bei Terroristen eine Vielzahl an Motivationen. Diese werden in der Wissenschaft zumeist drei Grundströmungen zugeordnet.[9]

Zunächst wäre der sogenannte sozialrevolutionäre Terrorismus zu nennen, dessen bekanntester Vertreter in Deutschland wohl die Rote Armee Fraktion (RAF) ist. Er hat eine Umordnung des herrschenden Systems und der Errichtung einer klassenlosen Gesellschaft zum Ziel, zumeist nach leninistischem bzw. marxistischem Vorbild.[10] Heute ist diese Form fast verschwunden, da die Unterstützung aus der Bevölkerung für diese Gruppen von Anfang an gering war und mit dem Zusammenbruch des Ostblocks auch die wichtigsten real existierenden sozialistischen Staaten als Vorbilder wegfielen.[11]

Eine weitere Strömung ist der so genannte ethnisch-nationalistische Terrorismus. Das Ziel dieser Strömung ist die „Befreiung einer (ethnischen oder nationalen) Bevölkerungsgruppe von Fremdherrschaft und Unterdrückung“.[12] Bei dieser Form rechtfertigen die Terroristen ihre Taten mit dem Wohl einer unterdrückten Minderheit, für die sie gleichzeitig auch Vertretungsanspruch erheben. Er entsteht dort, wo der Staat versucht, eine möglichst homogene Bevölkerungsgruppe zu bilden und dabei nationale, kulturelle u.a. Minderheiten unterdrückt. Bekanntere Beispiele hierfür sind die IRA (Irish Republican Army) in Irland oder die PLO (Palestine Liberation Organization) im Nahen Osten.

Die IRA kämpft seit dem Ersten Weltkrieg um die Gleichberechtigung der Katholiken in Großbritannien und erreichte 1949 eine Abspaltung Irlands vom britischen Königreich, abgesehen vom dem überwiegend protestantischen Norden der Insel. Die Diskriminierung der Katholiken in diesem Gebiet führte zum Fortbestand der Terrorgruppe, welche heute allerdings aufgrund mangelnder Erfolge und der Einsicht, dass ihr Handeln zu viele Opfer fordert, immer mehr auf friedliche Lösungen mittels ihres politischen Arms, der Sinn Fein, aus ist.

[...]


[1] K. N. Waltz.: Theory of International Politics, McGraw-Hill, Boston [u.a.] 1979, S. 79

[2] Ebd., S. 93.

[3] Ebd., S. 93.

[4] C. Masala: Kenneth N. Waltz – Einführung in seine Theorie und Auseinandersetzung mit seinen Kritikern, Nomos-Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2005, S. 56.

[5] Ebd., S. 73.

[6] B. Hoffman: Terrorismus – der unerklärte Krieg, Fischer-Verlag, Frankfurt a.M. 2006, S. 30f.

[7] U. Schneckener: Transnationaler Terrorismus: Charakter und Hintergründe des „neuen“ Terrorismus, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2006, S. 21.

[8] T. Hilker: Terrorismus: Grundwissen, Organisation, Angriffsmittel, religiöser Fanatismus, Suizidbomber, Verl.-Haus Monsenstein und Vannerdat, Münster 2006, S. 86 f.

[9] A. Hauninger: Moderner Terrorismus – Definition, Motive, Rechtfertigungen, VDM-Verlag, Saarbrücken 2007, S. 47.

[10] T. Hilker: Terrorismus – Grundwissen, Organisationen, Angriffsmittel, Religiöser Fanatismus, Suizidbomber, Verl.-Haus Monsenstein und Vannerdat, Münster 2006, S. 12.

[11] W. Dietl, K. Hirschmann, R. Tophoven: Das Terrorismus-Lexikon – Täter, Opfer, Hintergründe, Eichborn AG, Frankfurt a.M. 2006, S. 69.

[12] A. Hauninger: Moderner Terrorismus – Definition, Motive, Rechtfertigungen, VDM-Verlag, Saarbrücken 2007, S. 50.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Bekämpfung oder Kooperation
Untertitel
Analyse der Handlungsmöglichkeiten von Staaten im Umgang mit Terrorismus
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Veranstaltung
Internationale Beziehungen
Note
2,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
19
Katalognummer
V138525
ISBN (eBook)
9783640469598
ISBN (Buch)
9783640469925
Dateigröße
514 KB
Sprache
Deutsch
Arbeit zitieren
Julia Bohlken (Autor:in), 2009, Bekämpfung oder Kooperation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138525

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Bekämpfung oder Kooperation



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden