Das Modell zur "Financial Fragility" nach Allen & Gale


Dossier / Travail de Séminaire, 2009

25 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Einordnung des Modells zur Financial Fragility nach Allen and Gale in die theoretischen Ansätze zu Finanzkrisen

3. Das Modell zur Financial Fragility nach Allen & Gale
3.1 Das Grundmodell
3.2 Die verschiedenen Gleichgewichte
3.2.1 Fundamentales Gleichgewicht ohne aggregierte Unsicherheit
3.2.2 Gleichgewicht mit aggregierter Unsicherheit
3.2.3 „Sunspot“ Gleichgewicht
3.3 Modellerweiterungen
3.3.1 Einführung risikofreudiger und risikoaverser Banken
3.3.2 Individuelle Liquiditätsschocks für Banken
3.3.3 Gleichgewichte ohne Insolvenzen einzelner Banken

4. Empirische Evidenz

5. Fazit und Modellkritik

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Diese Arbeit befasst sich mit der Entstehung von Finanzkrisen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzkrise scheint daher kaum eine Frage wichtiger als die nach der Ent-stehung solch einer Krise. Sind es zufällige Ereignisse, die spontan auftreten oder un-umgängliche Ereignisse, die dem Wirtschaftszyklus folgen? Bereits 2004 wiesen Schnabel and Shin in ihrer empirischen Studie über eine Welle von Bankeninsolvenzen in Nordeuropa 1763 darauf hin, dass sich Krisen schnell verbreiten und sich die Inter-mediäre gegenseitig „anstecken“, wenn sie stark vernetzt sind, was vor allem für mo-derne Finanzsystemen mit komplexen Derivatverträgen gilt.1 Die Richtigkeit dieser These wurde durch die derzeitige Krise schmerzhaft bewiesen.

Diese Arbeit soll dabei helfen, die Gründe solcher Finanzkrisen zu verstehen. Zunächst werden in Abschnitt 2 wichtige theoretische Ansätze zu Finanzkrisen sowie deren The-sen vorgestellt. Daraufhin wird im Abschnitt 3 das Modell nach Allen and Gale zur Fi­nancial Fragility ausführlich erläutert. Der Begriff Financial Fragility beschreibt „ [ ...]situations in which small shocks have a significant impact on the financial sy-tem“2 . Neben dem Modell und dessen Gleichgewichten werden anschließend einige Erweiterungen vorgestellt. Es folgen verschiedene empirische Studien, in denen die Autoren historische Finanzkrisen analysieren und nach Gründen für ihr Entstehen su-chen. Dieser Teil greift einige theoretische Ansätze aus Abschnitt 2 erneut auf. Letztlich werden in einem kurzen Fazit die Erkenntnisse dieser Arbeit zusammengefasst und ei-nige kritische Anmerkungen zum Modell der Financial Fragility gemacht.

2. Einordnung des Modells zur Financial Fragility nach Allen & Gale in die theoretischen Ansätze zu Finanzkrisen

Grundsätzlich gibt es zwei traditionelle Sichtweisen über die Entstehung von Finanzkri-sen. Zum einen die Ansicht, dass es sich bei den Krisen um spontane Ereignisse handelt, was mit Begriffen wie „mass hysteria“ oder „mobb psychology“ verbunden ist.3 Die neuere Literatur dieser These spricht dagegen von Krisen als Gleichgewichtskoordinati-onsfehler.4 In beiden Arbeiten bilden sich die Sparer Erwartungen über den Wert des Portfolios einer Bank. Die Konsumenten, die nun eine Auszahlung verlangen, werden entsprechend ihres Platzes in der Warteschlange bedient. Der Grund, eine Auszahlung zu verlangen, ist in beiden Fällen Informationsasymmetrie. Entweder ist es ein zufälli-ges Ereignis, das aber konkrete Auswirkungen auf die Bank hat. „This could be a bad earnings report, a commonly observed run at some other bank, a negative government forecast, or even sunspots“.5 Oder es wird angenommen, dass ein Teil der Einlagen risikobehaftet ist und damit nicht für alle die vereinbarten Auszahlungen zur Verfügung stehen. Dies weiß jedoch nur ein gewisser Anteil der Sparer, der dann vorzeitig verfügt und damit eine Panik auslöst.6 In beiden Fällen wird erwartet, dass der Wert des Portfo­lios nicht ausreicht, um alle Wartenden in der Schlange zu bedienen und eine Panik bricht aus.

Zum anderen werden Finanzkrisen als natürliches Ereignis des Wirtschaftszyklus ver-standen.7 Auch hier liegen Informationsasymmetrien vor, jetzt zwischen Banken und Sparern. Dies kann dazu führen, dass die individuellen Risiken für Verbindlichkeiten einer Bank nicht abzuschätzen sind und sich die Sparer aggregierter Informationen be-dienen. Dadurch wird das Risikoempfinden beeinflusst. Es werden drei Auffassungen unterschieden.8 Paniken werden entweder durch extreme saisonale Schwankungen aus-gelöst („Seasonal Hypothesis“), oder Insolvenzen großer Unternehmen, meist aus dem Finanzsektor, lösen eine Krise aus („Failure Hypothesis“). Paniken können schließlich auch durch heftige Rezessionen verursacht werden („Recession Hypothesis“).

Was beide Sichtweisen grundsätzlich teilen, ist die Existenz von Informationsasymmet-rien zwischen Banken und Sparern. Diese lassen externe Effekte zu, welche die Risiko-einschätzung bezüglich der Einlagen beeinflusst und ggf. eine Panik auslöst.

Das Modell nach Allen and Gale wird im Wesentlichen folgende Punkte verdeutlichen.9 Zum einen, dass selbst scheinbar belanglose Ereignisse wie geringfügige Liquiditäts-schocks enorme Auswirkungen auf das Finanzsystem haben können. Zum anderen wird die zentrale Rolle von Liquidität gewürdigt. Die Autoren zeigen, dass zunächst ver-gleichbare Intermediäre unterschiedliche Strategien wählen, je nachdem welchem Aus-fallrisiko sie sich gegenübersehen. Abschließend wird verdeutlicht, dass die Interaktion von Banken und Märkten eine Erklärung für systemische Krisen in der gesamten Öko-nomie sein kann. Das stellt einen wesentlichen Unterschied zur Theorie der individuel-len „bank runs“ dar.

Somit kombiniert das Modell die wichtigsten Erkenntnisse aus dem „sunspot“-Ansatz, dass kleine Schocks enorme Auswirkungen haben und dem Ansatz des Realwirtschafts-zyklus, der fundierte Vorhersagen trifft, unter welchen Bedingungen Krisen entstehen.10 Die zentrale Idee ist jedoch, dass auf unvollständigen Märkten Finanzinstitutionen ggf. darauf angewiesen sind, Vermögenswerte zu veräußern, um sich Liquidität zu beschaf-fen. Da zudem Angebot und Nachfrage der Liquidität oft unelastisch sind, kann bereits geringe aggregierte Unsicherheit große Preisschwankungen verursachen.11

3. Das Modell zur Financial Fragility nach Allen and Gale

3.1 Das Grundmodell

In dem Modell nach Allen and Gale gibt es zwei wesentliche Akteure, Banken und Konsumenten. Die Konsumenten besitzen jeweils eine Anfangsausstattung von (1,0,0) Einheiten eines Gutes, welches für den Konsum oder zur Investition genutzt werden kann. Die Konsumenten können dieses Gut den Banken zur Verfügung stellen, die dafür im Gegenzug einen Einlagenvertrag mit versprochenen Auszahlungen bieten. Das er-möglicht den Konsumenten entsprechend ihren Präferenzen zu unterschiedlichen Zeit-punkten zu konsumieren. Das bei den Banken gebündelte Kapital wird dann in ein indi-viduelles Portfolio investiert. Die Einlagenverträge ermöglichen den Konsumenten eine bessere Kombination von Renditen und Liquidität als die, die sie selber erreichen kön-nen. Sie maximieren also im Optimum die Wohlfahrt der Konsumenten,12 13 die im Übri-gen nicht diversifizieren können und ihr gesamtes Kapital nur einer Bank zur Verfügung stellen.

Es gibt nun drei relevante Zeitpunkte t = 0,1,2. Zum Zeitpunkt 0 werden die Einlagen-verträge geschlossen, und die Banken wählen ihre Portfoliostrategie. Konsum findet zum Zeitpunkt 1 oder 2 statt. Die Konsumenten sind ex ante identisch und haben alle dieselbe Anfangsausstattung (1,0,0). Ex post gibt es aber zwei verschiedene Konsumty-pen: solche mit hoher Gegenwartspräferenz und solche mit geringer. Zu welchem Typ ein Konsument gehört, wird erst zum Zeitpunkt 1 offenkundig.

Bei der Wahl des Portfolios stehen den Banken zwei Anlageformen zur Verfügung: eine kurzfristige und eine langfristige. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Rendite. Eine Einheit der kurzfristigen Anlage erzielt in t+1 eine Rendite von einer Einheit. Die- se Investition können die Banken zu den Zeitpunkten t = 1 und t = 2 tätigen. Die lang-fristige Anlage weist eine höhere Produktivität auf und erzielt eine Rendite von R > 1 Einheiten zum Zeitpunkt 2. Diese Investition ist nur in t = 0 möglich. Darüberhinaus können Ansprüche aus der langfristigen Anlage in t = 1 auf einem Markt gehandelt werden.14 Die Konsumenten können nicht auf diesem Markt agieren, weshalb von einer unvollständigen Marktteilnahme die Rede ist. Dieser Kapitalmarkt bietet Banken die Chance, sich zusätzliche Liquidität durch den Verkauf von Anteilen der langfristigen Anlage zu beschaffen bzw. durch den Kauf überschüssige Liquidität anzubieten.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Konsument eine hohe Gegenwartspräferenz besitzt, wird mit X bezeichnet. Die Gegenwahrscheinlichkeit (1-X) bezeichnet Sparer, die es vorziehen später zu konsumieren. Der Konsum wird mit ct (für t=1,2) bezeichnet und führt zur ex ante Nutzenfunktion der Konsumenten von:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten15

Ein bedeutender Einflussfaktor für die Modellökonomie ist eine ggf. vorhandene Unsi-cherheit. Es wird zwischen intrinsischer und extrinsischer Unsicherheit unterschieden. Intrinsische Unsicherheit wird durch stochastische Schwankungen der fundamentalen Variablen der Nutzenfunktion beschrieben. Ein Beispiel hierfür wäre ein Ereignis, wel-ches die Liquiditätsnachfrage der Konsumenten beeinflusst. Extrinsische Unsicherheit hingegen hat keinen Einfluss auf die fundamentalen Variablen.

Für die intrinsische Unsicherheit kann es drei Gründe geben. Die individuelle Unsicher-heit der Konsumenten über ihre Konsumpräferenzen, die individuelle Unsicherheit der Banken über die Anzahl der Konsumenten mit hoher Gegenwartspräferenz oder die aggregierte Unsicherheit in der Gesamtökonomie über den Anteil der Sparer, die es vor-ziehen früher zu konsumieren. Man beachte, dass alle Konsumenten ex ante identisch sind und erst in t=1 erkennen, welche Konsumneigung sie besitzen.

Das Modell konzentriert sich vornehmlich auf die aggregierte Unsicherheit, die mit dem Zustand s beschrieben wird. Diese aggregierte Unsicherheit nimmt mit einer Wahr-scheinlichkeit von it den Wert H an und mit einer Wahrscheinlichkeit von (1-it) den Wert L. H bezeichnet demnach hohe aggregierte Unsicherheit, L geringe.

[...]


1 Vgl. Schnabel 6 Shin (2004), S. 953.

2 Allen and Gale (2007), S. 126.

3 Vgl. Kindleberger (1978).

4 Vgl. Bryant (1980) und Diamond and Dybvig (1983).

5 Diamond and Dybvig (1991), S. 410.

6 Vgl. Bryant (1980), S. 340.

7 Vgl. Gorton (1988) und Calomiris and Mason (1997) sowie Allen and Gale (2007), S.1-23.

8 Vgl. Gorton (1988), S. 224.

9 Vgl. Allen and Gale(2007), S. 127.

10 Vgl. Allen and Gale (2007), S. 147.

11 Vgl. Allen and Gale (2007), S. 127.

12 Vgl. Allen and Gale (2007) S. 128-132 – ergänzende Verweise durch weitere Fußnoten.

13 Andernfalls würden neue Banken in den Markt eintreten und einen positiven Gewinn erzielen können.

14 Einen solchen Markt gibt es in t=0 nicht, er existiert im Modell nur im Zeitpunkt t=1.

15 U() ist eine neoklassische Nutzenfunktion, die steigend, strikt konkav und zweifach stetig differen-zierbar ist. Man verwendet den Erwartungsnutzen wegen der im Modell existierenden Unsicherheit.

Fin de l'extrait de 25 pages

Résumé des informations

Titre
Das Modell zur "Financial Fragility" nach Allen & Gale
Université
University of Cologne
Cours
Hauptseminar in Bankbetriebslehre
Note
1,7
Auteur
Année
2009
Pages
25
N° de catalogue
V138921
ISBN (ebook)
9783640485130
ISBN (Livre)
9783640484980
Taille d'un fichier
486 KB
Langue
allemand
Mots clés
Finanzkrise, bank-run, systemische Krise, Gorton, financial fragility, sunspots
Citation du texte
Stefan Huesmann (Auteur), 2009, Das Modell zur "Financial Fragility" nach Allen & Gale, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138921

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