Coaching-Kompetenz - angeboren oder erlernt?

Inwieweit sieht der Coach seine Kompetenzen als angeboren oder erlernt an?


Diplomarbeit, 2009

147 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. DARSTELLUNG DER UNTERSUCHUNGSPROBLEMATIK
1.1 DAS THEMA UND SEINE WISSENSCHAFTLICH-PRAKTISCHE RELEVANZ
1.2 FRAGESTELLUNG
1.3 HERANGEHENSWEISE

2. LITERATURSTUDIE ZUR UNTERSUCHUNGSPROBLEMATIK
2.1. COACHING
2.1.1 COACHING
2.1.2 DEFINITIONEN VON COACHING
2.1.3 VARIANTEN DES COACHING
2.1.4 ANWENDUNGSGEBIETE UND ANWENDUNGSBEREICHE
2.1.5 ABGRENZUNG ZU ANDEREN INTERVENTIONSMAßNAHMEN
2.1.6 UNTERSUCHUNGSDEFINITION COACHING
2.2 KOMPETENZ
2.2.1 KOMPETENZ
2.2.2 PÄDAGOGISCH RELEVANTE KOMPETENZ-DEFINITION
2.2.3 ANDRAGOGISCH RELEVANTE KOMPETENZ-DEFINITION
2.2.4 WEITERE RELEVANTE KOMPETENZ-DEFINITIONEN
2.2.5 ANGEBORENE UND ERLERNTE KOMPETENZ
2.2.5.1 angeborene Kompetenz
2.2.5.2 erlernte Kompetenz
2.2.6 UNTERSUCHUNGSDEFINITION KOMPETENZ
2.3 C OACHING -K OMPETENZ
2.3.1 COACHING-KOMPETENZ
2.3.2 PRAXISKOMPETENZ: BERUFS- UND LEBENSERFAHRUNG
2.3.3 SOZIALKOMPETENZ: BEZIEHUNGSFÄHIGKEIT
2.3.4 SELBSTKOMPETENZ: PERSÖNLICHKEIT
2.3.5 THEORIEKOMPETENZ: BASISWISSEN
2.3.6 FELDKOMPETENZ: ARBEITSFELDER
2.3.7 METHODENKOMPETENZ: SPEZIFISCHE QUALIFIKATIONEN
2.3.8 WEITERE BERUFSBEZOGENE KOMPETENZ-DEFINITIONEN
2.3.9 UNTERSUCHUNGSDEFINITION COACHING-KOMPETENZ
2.4 DER MENSCH ALS COACH - DER COACH ALS MENSCH
2.4.0 DER MENSCH
2.4.1. GESCHICHTLICHER HINTERGRUND
2.4.1.1 Der Mensch im griechischen Denken
2.4.1.2 Der Mensch im christlichen Denken
2.4.1.3 Der Mensch im Denken der Neuzeit
2.4.2 DER MENSCH UND SEINE COACHES − EIN BLICK IN DIE VERGANGENHEIT

3. EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG
3.1 UNTERSUCHUNGSMETHODIK
3.1.1 UNTERSUCHUNGSMETHODIK
3.1.2 ERARBEITUNG DES FRAGEBOGENS
3.1.3 GÜTE DES UNTERSUCHUNGSVERFAHRENS
3.2. DURCHFÜHRUNG DER UNTERSUCHUNG
3.2.1 DATENERHEBUNG
3.2.2 DATENERFASSUNG
3.3. DATENVERARBEITUNG
3.3.1 DATENBESTAND
3.3.2 DATENAUSWERTUNG UND DATENINTERPRETATION
3.3.2.1 Untersuchungspopulation
3.3.2.2 Spektrum der Coachingkompetenz
3.3.2.3 angeborene Kompetenz
3.3.2.4 erworbene Kompetenz
3.3.2.5 Kompetenzen in der Coaching-Praxis

4. RESÜMEE UND AUSBLICK
4.1 RESÜMEE
4.2 AUSBLICKE

I. LITERATURVERZEICHNIS
BUCHQUELLEN
INTERNETQUELLEN

II. ABBILDUNGS- UND GRAFIKVERZEICHNIS .
ABBILDUNGEN
GRAFIKEN

III. ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

IV. DANKSAGUNG

V. ANLAGEN
GESCHICHTEN
FRAGEBOGEN ( LEER )

1. Darstellung der Untersuchungsproblematik

1.1 Das Thema und seine wissenschaftlich-praktische Relevanz

Der Erfolg von Wirtschaftsunternehmen ist der Erfolg eines Landes und der Menschen, die darin leben. Diesen Erfolg dem Zufall zu überlassen, würde an Fahrlässigkeit grenzen und verantwortungslos sein. Es sollte vorausgesetzt werden, dass politisch engagierte wie wirtschaftlich orientierte Personen sowie Organisationen, Parteien, Vereinigungen, wissenschaftliche Einrichtungen dies in gleichem Maße wissen und beherzigen. Und es ist aufbauend auf dieser Annahme davon auszugehen, dass sie danach handeln. Aus der Notwendigkeit heraus, Wissenschaft, in meinem Fall die Pädagogik, in den Dienst der Wirtschaft zu stellen, entstand das Thema dieser Diplomarbeit „Coaching-Kompetenz − angeboren oder erlernt?“. Ausgangspunkt für das Thema und die damit verbundene Forschungsarbeit ist die Tatsache, dass einerseits die menschliche Effizienz wirksam gefördert werden soll, andererseits aber die Formen der Förderung inhaltlich und personell nur in Ansätzen wissenschaftlich standardisiert sind, dass es keine staatlich anerkannte Ausbildung des Personenkreises gibt, der fördernd in den Prozess eingreift (vgl. Rauen 2005, S. 22 u. S. 289ff). Dies mag unter anderem daran liegen, dass vielmals davon ausgegangen wird, Coaching-Arbeit sei in besonderem Maße von der Persönlichkeit des Coachs und von seinem „Talent“ abhängig. Talent aber könne man nicht erlernen, das besitzt man oder auch nicht.

Die Idee des Themas entstand jedoch nicht nur aus dem Zweck heraus die Pädagogik in den Dienst anderer Wissenschaften und/oder Bereiche zu stellen. Es sei vielmehr betont, dass Coaching als Form des „Beratenwerdens“ von Anfang an in das Gebiet der Erziehungswissenschaften fällt. Nicht durch die Erwachsenenpädagogik, sondern auch die Elementarpädagogik, Sonderpädagogik und die Bereiche der außerschulischen Jugendbildung beschäftigen sich sowohl in Lehre als auch Praxis mit Beratung bzw.

Coaching. Beratung − in unserem heutigen Sprachgebrauch oft oder hauptsächlich Coaching genannt − ist auf das Ziel ausgerichtet, dem Ratsuchenden mit Hilfe der Kompetenzen des Beraters (Coach), die Möglichkeit zu bieten, ein Leben in Autonomie und Mündigkeit zu führen. Wie Dörpinghaus in seinem Aufsatz „Gut beraten sein. Erwachsenenbildung als Praktik pädagogischer Beratung“ (2005) beschreibt, stellt der Text „Was ist Aufklärung“ von Kant „in aller Radikalität die Erwachsenenbildung als ein Problem gelingender Lebensführung und der gerechten Einrichtung eines weltbürgerlichen Zustandes der Menschen untereinander in den Mittelpunkt.“ (Dörpinghaus 2005, S. 80f).

Das Problem der Menschen ist nun aufgedeckt, die Lösung klar vermittelt. Wie jedoch erreicht bzw. gelangt man zur Mündigkeit. Sie stellt sich keineswegs stillschweigend oder automatisch ein. Nein, Mündigkeit bedarf der Anstrengung und dem Anspruch, sein Leben moralisch gut und nach allen Regeln der Vernunft zu führen. Eben diesen Anspruch erfüllt pädagogische Beratung (vgl. Dörpinghaus 2005, S. 80f). Coaching und die, die diesen Teilbereich pädagogischer Beratung ausüben sollten sich diesem Anspruch verbunden sehen und ihn aufgrund ihrer Kompetenzen, welche es in dieser Arbeit zu betrachten gilt, an die Ratsuchenden weitergeben.

Die wissenschaftlich-praktische Relevanz des Themas liegt in der Situation begründet, die den Weiterbildungsmarkt im Allgemeinen und das Gebiet des Coachings im Besonderen betrifft. Die Tätigkeit des Coaches, des Trainers, des Beraters, des Supervisors, des Tutors, des Dozenten und des Weiterbildners gründet nicht auf einer staatlich anerkannten Ausbildung und einem entsprechend anerkannten Abschluss, sondern ist ein Produkt des freien Marktes. Somit bestimmen Angebot und Nachfrage Form, Dauer und Abschluss der Coaching-Ausbildung. Hinzu kommt, dass die Bezeichnung „Coach“ keine geschützte Berufsbezeichnung ist und sich demzufolge jeder als Coach bezeichnen darf und als solcher arbeiten kann, auch ohne dass er eine entsprechende Ausbildung absolviert hat (Rauen 2005, S.22). Ob der Coach die Möglichkeit erhält, als solcher tätig zu sein, hängt allein vom Auftraggeber ab. Diesem obliegt es, an Hand von Lebenslauf und Referenzen zu überprüfen, ob von einer qualifizierten Arbeit ausgegangen werden kann und ob eine erfolgreiche Erfüllung der gestellten Ziele zu erwarten ist. Unter diesem Aspekt, ist eine Abklärung des Sachverhaltes, welche Anforderungen Coaching beinhaltet und welche Kompetenz der Coach besitzen muss, um diesen gerecht zu werden, notwendig. Dies ist durchaus bereits geschehen und bildet die Grundlage der unterschiedlichen Aus- und Weiterbildungspläne der verschiedenen Weiterbildungsinstitute. Inwieweit dabei zwischen angeborener und erlernter Kompetenz unterschieden wird, muss untersucht werden. Gleiches gilt für jene Teile des Coachings, welche an den medizinischen Bereich grenzen beziehungsweise in diesen gehören. Somit ist in der Diplomarbeit abzuklären oder zu definieren, was die Begriffe angeboren, erlernt, Kompetenz beinhalten, gleichzeitig sind die Grenzbereiche zwischen Coaching und anderen Beratungsformen zu kennzeichnen. Auf der Grundlage gängiger oder selbst definierter Begriffe sind Untersuchungen durchzuführen, Ergebnisse zu dokumentieren, Erkenntnisse zu formulieren und Empfehlungen auszusprechen.

Die oben genannte Vorgehensweise verlangt theoretische wie praktische Kenntnisse und die Fähigkeit, auf der Grundlage dieser Einheit zu Erkenntnissen zu gelangen. Meine Erfahrung auf dem Gebiet der Pädagogik, mein bisheriges Eingebundensein in die Prozesse des Coachings, der pädagogischen und psychologischen Beratung sollen die praktische Basis des Vorgehens bilden. Mein im Pädagogik-Studium erworbenes Wissen und Können soll die Objektivität der erhobenen Daten, der ermittelten Fakten und die Korrektheit der abgeleiteten Empfehlungen gewährleisten.

Als Ergebnis der Diplomarbeit werden für folgende fünf Thesen und ihre Aussagen Verifizierung oder Falsifizierung angestrebt:

These 1 „Angeborenes bestimmt die wirksame Coaching-Arbeit.“

These 2 „Erlerntes ist zwingend erforderlich, um in diesem Tätigkeitsfeld dauerhaft erfolgreich zu sein“.

These 3 „ln allen Coaching-Bereichen sind erlerntes Wissen und Können unverzichtbar“.

These 4 „Die dafür erforderlichen spezifischen Kompetenzen müssen erlernt werden“.

These 5 „Coaching-Arbeit beinhaltet vorwiegend Problem- und Konfliktlösung und bedarf bei Grenzüberschreitung bzw. Überforderung der Unterstützung anderer Fachdisziplinen“.

1.2 Fragestellung

Die Fragestellung ist die Grundlage dieser Untersuchung und gleichermaßen die des Erkenntnisgewinns. Mit ihrer Hilfe soll es gelingen, die Thematik zu strukturieren, das Vorgehen zu planen und die Ergebnisse in den Forschungskontext einzuordnen. Die folgenden Fragen sollen diesem Vorhaben dienen. Sie werden sowohl theoretisch, als auch empirisch untersucht werden.

Fragenkomplex „Coaching-Kompetenz“

- Was bezeichnet man als Coaching-Kompetenz?
- Welche Aspekte der Coaching-Kompetenz sind als angeboren einzuordnen, welche als erlernt?
- Wie hoch ist der Anteil angeborener Kompetenz gegenüber dem der erlernten?
- Gibt es erlernte Kompetenz, die zwingend auf angeborener Kompetenz beruht und ohne diese nicht auszuprägen ist?
- Welche angeborene Kompetenz ist unverzichtbar für den Coaching-Beruf?

Fragenkomplex „Coaching-Arbeit“

- Für welchen Bereich der Coaching-Arbeit fühlt sich der Coach gut gerüstet?
- Für welchen Bereich der Coaching-Arbeit hat der Coach Bedarf an Wissenserwerb und an Könnensentwicklung?
- Hinsichtlich welcher Anforderungen fühlt sich der Coach nicht zuständig?
- Wie verhält sich der Coach bei Anforderungen, die anderen Fachdisziplinen zuzuordnen sind?
- Welche Unterstützung benötigt der Coach bei Anforderungen, die mit seinen spezifischen Kompetenzen nicht abzudecken sind?

1.3 Herangehensweise

Die Bearbeitung der Fragestellung und die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen bedarf einer Herangehensweise, die sowohl die theoretische Basis der behandelten Problematik, als auch die auf Praxisdaten beruhenden Erkenntnisse zur Grundlage hat. Das Forschungsvorgehen, wie auch die schriftliche Darstellung desselben tragen diesem Anliegen Rechnung.

Das Kapitel „Darstellung der Untersuchungsproblematik“ (1) soll die Praxisrelevanz des Themas aufzeigen und informiert über die angestrebten Forschungsergebnisse. Fragestellung, Fragekomplexe und Einzelfragen kennzeichnen den theoretischen und empirischen Inhalt der Forschungsarbeit. Die wissenschaftlich-praktische Herangehensweise wird erläutert.

Das Kapitel „Coaching“ (2.1) beinhaltet die Auseinandersetzung mit dem Thema Coaching. Allgemeine und spezielle Definitionen werden genannt und auf deren Entstehung sowie Gebrauch untersucht. Coaching-Konzepte und Coaching-Methoden werden charakterisiert, Anwendungsgebiete erörtert, Möglichkeiten und Grenzen des Coachings aufgezeigt.

Das Kapitel „Kompetenz“ (2.2) befasst sich mit dem Kompetenz-Begriff im Allgemeinen und dem der Coaching-Kompetenz im Besonderen. Wissenschaftliche Betrachtung und praxisbezogene Erörterung bilden den Schwerpunkt. Der Aspekt, inwieweit Kompetenz angeboren oder erlernt ist, wird ebenfalls behandelt. Der bei der

Coach-Befragung eingesetzte Fragebogen fußt überwiegend auf den in diesem Kapitel gewonnenen Erkenntnissen.

Das Kapitel „Coaching-Kompetenz“ (2.3) befasst sich mit den Kompetenzen, welche ein Coach besitzen sollte, um seiner Berufung erfolgreich nachgehen zu können.

Desweiteren befasst sich das Kapitel „Coaching-Kompetenz“ mit der Kennzeichnung, sprich Definition von Coaching-Kompetenz und geht auch der Frage nach, in welchen Teilen diese als angeboren oder als erlernt angesehen werden kann, beziehungsweise angesehen werden muss.

Das Kapitel „Coaching-Kompetenz“ bildet den Schwerpunkt des theoretischen Teils und die Grundlage für den empirischen Teil der vorliegenden Arbeit. In ihm wird der Kompetenz-Begriff im Allgemeinen und der, der Coaching-Kompetenz im Besonderen behandelt. Außerdem wird der Frage nachgegangen, inwieweit Coaching-Kompetenz erlernt oder aber angeboren ist. Die daraus resultierenden Erkenntnisse sind, wie die Kompetenz-Definition, Bestandteil der empirischen Untersuchung.

Das Kapitel „Der Mensch als Coach – der Coach als Mensch“ (2.4) betrachtet den „rein menschlichen“ Aspekt der Coaching-Tätigkeit. Es wird dem Menschenbild in seiner Entwicklung und Beurteilung nachgegangen, das Selbstverständnis des Coaches und seine Tätigkeit unter diesem Aspekt beleuchtet. Dabei bleibt nicht unbeachtet, inwiefern die bewusste oder unbewusste Entscheidung für den Coaching-Beruf auf „angeborene Coaching-Kompetenz“ zurückzuführen ist.

Das Kapitel „Empirische Untersuchung“ (3.) beinhaltet den empirischen Teil der Arbeit. Die wissenschaftliche, personelle und praktische Vorbereitung der Datenerhebung wird dargestellt und Entwicklung und Einsatz des Fragebogens beschrieben. Ergebnisdarstellung und Dateninterpretation bilden den Schwerpunkt dieses Kapitels.

Das Kapitel „Resümee und Ausblick“ (4) fasst die Ergebnisse der Forschungsarbeit zusammen. Die gewonnenen Erkenntnisse werden den angezielten Aussagen gegenübergestellt. Nunmehr Feststehendes wird definiert und noch nicht Bewiesenes charakterisiert. Mit der Beschreibung des praktischen Nutzens der Forschungsarbeit endet dieses Kapitel und die Arbeit als Ganzes.

2. Literaturstudie zur Untersuchungsproblematik

2.1. Coaching

2.1.1 Coaching

Dieses Kapitel soll dazu dienen, den Begriff „Coaching“ zu kennzeichnen und aus der Vielfalt der Meinungen zu einer für diese Forschungsarbeit gültigen Definition zu gelangen. Viele Autoren und Wissenschaftler unternahmen bereits den Versuch, eine einheitliche Definition zu finden und diese als Lehrmeinung zu etablieren. Pallasch und Petersen (2005) kamen zu der Einsicht: „Wer sich heute einen Überblick über die Angebote, Programme, Ansätze und Konzepte, die unter der Überschrift Coaching, firmieren, verschaffen möchte, steht vor einer Sisyphusarbeit.“ (Pallasch/ Petersen 2005, S. 70ff). Ebenso sah es Uwe Böning, er sieht Coaching in einem „bunten“ Umfeld:

„Dies ist eine schillernde Regenbogenlandschaft, in die man blickt, wenn man den Begriff „Coaching“ dingfest zu machen versucht und verstehen will, was darunter genau zu verstehen ist. […] Der Begriff und seine Verwendung sind nicht geschützt.“ (Rauen 2005, S. 21). Coaching ist demnach ein Sammelbegriff, der sowohl in Seminarveranstaltungen der Astrologie, bis hin zur Zahnmedizin vertreten ist, aber auch in diversen Interneteinträgen: z. B.: „Flugangst - Coaching“, „Cancer - Coaching“ oder „Dance - Coaching (Rauen 2005, S. 22) vorkommt.

Weiterhin ist es für die Beantwortung der Frage − „Wie ein Trainer zu seinen Kompetenzen kommt?“ enorm aufschlussreich, den Begriff der Kompetenz zu erläutern, da er „auf praktisches Handeln, konkrete Situationen und die Aktivität des Subjekts“ verweist (Hof 2002, S. 80).

2.1.2 Definitionen von Coaching

Ausgehend davon, dass die Definitionen für Coaching vielfältig und vielgestaltig sind, erscheint es angebracht, die Entwicklung des Begriffs von seinem Ursprung her zu verfolgen. Wortgeschichtlich, aus dem Englischen stammend, bezeichnet „Coach“ die Kutsche oder den Kutscher. Der Transport von einem Ort zum anderen ist hier bereits inhaltlich gegeben, wobei bei der Begrifflichkeit nicht zwischen Transportmittel und Transportierendem unterschieden wird. Beide Formen stehen gleichberechtigt nebeneinander. Die Fortbewegung einer Person jedoch ist bereits jetzt gegeben. Dies mag auch die Ursache dafür sein, dass dieses Wort in späterer Zeit zur Kennzeichnung des Fortbewegens einer Person von einem Zustand A (Ist-Zustand) zu einem Zustand B (Soll-Zustand) verwendet wurde und sich als solcher etablierte.

Der Begriff „Coach“ erlangte durch die fachliche und psychologische Betreuung von Sportlern an Popularität und wurde in den USA auf den betrieblichen Bereich übertragen und entsprechend erweitert.

Der Coach bzw. das Coaching initiiert und begleitet die Veränderung einer Person. Wie dies zu geschehen hat, ist reglementiert und unterscheidet das Coaching von einigen anderen Formen der Beeinflussung des Menschen durch den Menschen. Allgemein formuliert, handelt es sich beim Coaching um eine Beratungsform, die auf Gleichberechtigung, partnerschaftlicher Zusammenarbeit, Personenzentriertheit, Professionalität, Ressourcenorientiertheit sowie Lösungsorientiertheit, Freiwilligkeit und gegenseitige Akzeptanz beruht. Diese Merkmale werden als Säulen des Coachings bezeichnet und finden sich in ihrer Gesamtheit oder in Einzelteilen in den verschiedenen Coaching-Definitionen wieder. Als Beispiel mögen die folgenden drei Begriffserklärungen dienen.

Begriffserklärung mit Schwerpunkt: Beratung für den Einzelnen

Coaching ist

- „ein personenzentrierter Beratungs- und Betreuungsprozess, der berufliche und private Inhalte umfassen kann und zeitlich begrenzt ist (Rauen 2005, S. 26) “, (keine Rat-Schläge, sondern individuelle Prozess-Beratung im Sinne einer auch präventiven Hilfe zur Selbsthilfe und zur Selbstverantwortung)
- auf der Basis einer tragfähigen und durch gegenseitige Akzeptanz gekennzeichneten Beratungsbeziehung in mehreren freiwilligen und vertraulichen Sitzungen abgehalten wird, (d.h. der Klient wünscht Coaching freiwillig von sich aus, und der Coach sichert ihm absolute Diskretion zu)
- für eine bestimmte Person (Gruppen-Coaching. für eine genau definierte Gruppe von Personen) mit Managementaufgaben
- durch einen (oder mehrere) Berater mit psychologischen und betriebswirtschaftlichen Kenntnissen sowie praktischen Erfahrungen bezüglich der thematischen Problemfelder (um die Situation des Klienten fundiert einschätzen und ihm qualifiziert helfen zu können)
- der auf der Basis eines ausgearbeiteten Coaching-Konzeptes agiert (um dem Klienten gegenüber sein Vorgehen und die verwendeten Interventionen erklären zu können und somit transparent und bewusstseinsfördernd zu arbeiten)“

Ziel ist immer die (Wieder-)Herstellung und/oder Verbesserung der Selbstregulationsfähigkeiten des Klienten, d.h. der Coach muss den Klienten derart beraten bzw. fördern, dass dieser den Coach nicht mehr benötigt (vgl. Beckermann und Unnerstal 1990, S. 26, zit. n. Rauen 2005).

Begriffserklärung mit Schwerpunkt: Wirtschaft/Beruf/Unternehmen

Coaching ist die professionelle Beratung, Begleitung und Unterstützung von Personen mit Führungs- und Steuerungsfunktionen und von Experten in Unternehmen und Organisationen. Das Ziel des Coaching ist die Weiterentwicklung von individuellen oder kollektiven Lern- und Leistungsprozessen bezüglich primär beruflicher Anliegen, Problemen und Aufgaben.

Als ergebnis- und lösungsorientierte Beratungsform dient Coaching der Steigerung und dem Erhalt der Leistungsfähigkeit. Als ein auf individuelle Bedürfnisse abgestimmter Beratungsprozess unterstützt Coaching die Besserung der beruflichen Situation und das Gestalten von Rollen unter anspruchsvollen Bedingungen.

Durch die Optimierung der menschlichen Potenziale soll die wertschöpfende und zukunftsgerichtete Entwicklung des Unternehmens/der Organisation gefördert werden.

Inhaltlich ist Coaching eine Kombination aus individueller Unterstützung zur Bewältigung verschiedener Anliegen und persönlicher Beratung. In einer solchen Beratung wird der Klient angeregt, eigene Lösungen zu entwickeln. Der Coach fungiert hierbei als „Wegweiser“ zum Erkennen von Problemursachen und dient daher zur Identifikation und Lösung der zum Problem führenden Prozesse. Der Klient lernt so im Idealfall, seine Probleme autonom zu lösen, sein Verhalten, sein Handeln und seine Einstellungen weiterzuentwickeln und effektive Ergebnisse zu erreichen.

Eine grundsätzliche Eigenschaft des professionellen Coachings ist die Förderung der Selbstreflexion und -wahrnehmung und die selbstgesteuerte Erweiterung, bzw.

Verbesserung der Möglichkeiten des Klienten bzgl. Wahrnehmung, Erleben und Verhalten (DBVC 2009).[1]

Begriffserklärung mit Schwerpunkt: Coach-Klienten-Beziehung

Coaching ist eine gleichberechtigte, partnerschaftliche Zusammenarbeit eines Beraters mit einem Klienten. Coaching bedeutet, dem Klienten in seiner Arbeitswelt einen

„ökologischen“ Zugang zu seinen Ressourcen, Optionen bzw. Wahlmöglichkeiten zu eröffnen. Der Klient soll durch die gemeinsame Arbeit an Entschlossenheit, Handlungs- und Bewältigungskompetenz gewinnen. Coaching ist eine handlungsorientierte, zielgerichtete, lösungsorientierte und demnach hilfreiche Interaktion.

Ein Coach gibt Rückmeldung. Er ermöglicht dadurch Reflexion bezüglich des Beratungskontextes und eröffnet dem Klienten neue Perspektiven. Die Beratung kann sich auf verschiedene Lebensbereiche erstrecken: Arbeitswelt, Karriere, Beziehung, Familie, Sport und Anderes. Vereinzelt wird von Business- oder Executive-Coaching gesprochen, wenn die Themen sich eher um Beruf und Karriere bewegen und wenn der Klient eine Führungsperson, entsprechend einer Stellung des Managers, des Funktionärs oder des Geschäftsführers etc., ist. Auf der anderen Seite spricht man von Personal-Coaching, Life-Coaching oder psychologischer Beratung, wenn die Themen der Beratung auch Partnerschaft, Familie, Work-Life-Balance und Ähnliches umfassen (vgl. Migge 2007, S. 22).

2.1.3 Varianten des Coaching

Die hier genannten drei Definitionen, die eher als Beschreibungen zu bezeichnen sind, sollen die Vielfalt der Betrachtungsweise und der dafür verwendeten Begrifflichkeit verdeutlichen. Eine kurze, prägnante und für alle Bereiche gültige Definition ist in der Literatur nicht zu finden. Das gilt auch für den Begriff „Coaching“. Es existiert eine Vielzahl von Ansätzen, Modellen und Coaching-Konzeptionen und ebenso viele Bezeichnungen: Individual-Coaching, Systemisches Coaching, Team-Coaching, Persönlichkeits-Coaching, Crash-Coaching, Meister-Coaching, Manager-Coaching, Selbst-Coaching, Mitarbeiter-Coaching, Gesundheits-Coaching, IT-Coaching, Conversion-Coaching. Hinzu kommt ein breites Spektrum an Coaching und Betreuung im Sport-Sektor. Allen Varianten des Coachings ist jedoch eines gemein: sie folgen einer Grundidee. Im Mittelpunkt des Coachings steht der Klient. Unabhängig davon, welcher Theorie das Coaching folgt, von welcher Schule es geprägt ist, welches methodisches Grunddesign bevorzugt wird und um welche Arbeitsfelder es sich handelt. Nach ihm richten sich alle Aktivitäten. Die folgenden Coaching-Varianten sollen das Grundprinzip und die unterschiedliche Herangehensweise in anschaulicher Art verdeutlichen(vgl. Pallasch/Petersen 2005, S. 70ff).

Contextuelles Coaching

Als „Contextuelles Coaching“ bezeichnet man „normales“ Coaching, d.h. dass es sich in dieser kontextbezogenen Beratungssituation um eine normale Fragestellung von „alltäglichen“ Menschen handelt. Diese Menschen befinden sich in einer zeitlich begrenzten Problemlage und gelangen mit „gewöhnlicher“ Coaching-Arbeit zusammen mit einem „durchschnittlichen“ Fachmann zur Lösung ihres Problems − kurzum: Coaching ohne thematische und methodische Besonderheiten (ähnlich einer Arztkonsultation bei harmlosem Infekt) (vgl. ebd. 2005, S. 74f).

Personales Coaching

Hier wird das Coaching definiert, in dem sich der Coachee (der Gecoachte) mit seiner gesamten Persönlichkeit in einer elementaren und thematisch sehr komplexen Problematik befindet. All seine kognitiven, emotionalen und sozialen Bezüge sind in diese Situation verwoben. Die Thematik ist lebensübergreifend, sie berührt und thematisiert die prinzipielle Lebensweise, die Lebenseinstellung und die zukünftige Lebensgestaltung. Erzwungene und plötzliche Ereignisse wie Trennungen vom Partner, schwere Krankheiten, persönliche Verluste von nahestehenden Personen, Entlassung, Umzug, Zweifel an den eigenen Kompetenzen, Berufswechsel, Belastung/Überforderung etc. sind Gründe bzw. lndikatoren für „Personales Coaching“. „Personales Coaching“ ist also im weiteren Sinne eine Art „Persönlichkeits- Coaching“ mit überwiegend personalem Fokus, der vor allem gesprächspsychotherapeutische Techniken oder andere therapeutische Interventionen fordert (vgl. ebd. 2005, S. 75).

Crash-Coaching

Beim Crash-Coaching wird auf Wunsch des Coachee eine eingegrenzte Problematik extrem sachorientiert ohne jegliche personale Bezugnahme und ohne psychologisch- therapeutische Interventionen äußerst schnell und zügig bearbeitet und gelöst. Somit steht in dieser Form des Coachings das Problem im Vordergrund, nicht die darin verwickelte Person. Es werden anstelle der helfenden pädagogischen und psychologischen Eingriffe eher sachlich intensive, möglichst kurze und klare, konfrontative, sehr aufgaben- und lösungsorientierte methodische Vorgehensweisen gewählt. Crash-Coaching könnte man demnach auch als „Kurzzeit-Coaching“ beschreiben (vgl. ebd. 2005, S. 78).

In der bisherigen Betrachtung von Coaching standen die Definition und die Begriffserklärung im Vordergrund. Das Vier-Ebenen-Modell von Pallasch und Petersen zeigt Coaching als einen Bestandteil von weltweit praktizierten Beratungsformen. Es führt uns ausgehend von der Ebene der Ansätze, Konzepte, Ausrichtungen über die Ebene der Coaching-Varianten bis hin zur Ebene der einzelnen Handlungsprinzipien, Techniken und Methoden. Das Modell verdeutlicht Gemeinsamkeiten und Besonderheiten der einzelnen Coaching-Formen und gibt damit einen guten Überblick über Form, Inhalt und Aktionen des Coachings.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: 4-Ebenen-Modell (angelehnt an Pallasch/Petersen 2005 S. 80)

2.1.4 Anwendungsgebiete und Anwendungsbereiche

Coaching ist eine der Antworten auf den Bedarf des Menschen, Defizite zu reduzieren beziehungsweise zu beseitigen und sich dabei der Hilfe und Unterstützung des Rates Dritter zu bedienen. Im Folgenden soll auf diesen Sachverhalt näher eingegangen werden, wobei Fachleute zu Wort kommen, die Weg und Ausweg charakterisieren.

Generell kann man feststellen, dass nahezu in jeder Situation, in der Menschen vor Problemen stehen, an Grenzen stoßen oder Weiterentwicklung und Weiterbildung suchen, Coaching zum Einsatz kommt (vgl. Rauen 2005, S. 21). Anlässe und demzufolge auch Anwendungsbereiche weisen nach Heß und Roth (2001) eine große Vielfalt und Bandbreite auf. Sie bestätigen Rauens Ansatz, dass in nahezu allen individuellen (persönliche Faktoren, berufliche Deformation, Burn-Out, Mobbing…) und kollektiven (Umstrukturierung, Krisen durch Fusionen, politische Veränderungen) Krisen sowie bei gänzlich allen individuellen (Karriereberatung, Rollenberatung…) und kollektiven (Etablierung von Qualitätszirkeln, Entwicklung neuer Angebote, Implementierung neuer Führungskonzepte) Verbesserungswünschen Coaching zum Einsatz kommt (vgl. Heß/Roth 2001, S. 25).

Es würde zu weit führen, alle Situationen aufzuzeigen und zu charakterisieren, die Coaching erforderlich machen. Deshalb soll an dieser Stelle eine an Sonja Raddatz (2006, S. 85) orientierte, Darstellung erfolgen, die sich auf drei der wichtigsten Coaching-Felder bezieht: Beruf, Privatleben und Organisation.

Beruf: Karriereentwicklung, Berufswahl, Ausgefülltheit im Beruf, Probleme, die im Zusammenhang mit dem Berufsleben auftreten, Berufswechsel sowie Motivation und Leistung sind die am häufigsten genannten Momente und Situationen, die zu Coaching führen.

Privatleben: Harmonie/Zwietracht in der Familie, Probleme in der Partnerschaft, Freizeit und familiäre Verantwortung ins Gleichgewicht bringen, Umzüge, Abnabelung von den Eltern/Kindern, Gleichberechtigung zwischen Eheleuten/Partnern, Probleme mit dem Selbstbild und Probleme mit den eigenen Kompetenzen (fehlendes bzw. besonders ausgeprägtes Selbstbewusstsein) sind hier zu nennen, wenn es um die Inanspruchnahme von bzw. den Wunsch nach Coaching geht.

Organisation: Visions- und Strategieentwicklung, Überlegungen zur Unternehmensphilosophie/-kultur, Umstrukturierungen, Entscheidungsfindungen und die Entwicklung neuer Produkte oder Leistungen sind in diesem Anwendungsgebiet die am meisten geforderten und demzufolge am häufigsten „gecoachten“ Bereiche (vgl. Raddatz 2005, S. 85).

Die hier vorgenommene Trennung bedeutet nicht, dass diese drei Felder in der Praxis auch getrennt und unabhängig voneinander vorzufinden sind. Die Dreiteilung dient lediglich der Übersicht und ist auch so zu verstehen. Diesbezüglich ist außerdem festzustellen, dass Coaching einerseits separat, also innerhalb des jeweiligen Bereiches, und andererseits im Spannungsfeld zwischen diesen Bereichen und deren einzelnen Teilgebieten stattfindet (vgl. ebd. 2005, S. 86).

2.1.5 Abgrenzung zu anderen Interventionsmaßnahmen

Will man Coaching von anderen Interventionsmaßnahmen abgrenzen, ist es erforderlich, jene anderen zu beschreiben, Gemeinsamkeiten und Unterschiede darzustellen und diese zum Coaching in Beziehung zu setzen. Dies gelingt besonders gut mit dem von Pallasch und Petersen erstellten 4-Ebenen-Modell (siehe 2.1.2, S. 15).

Klassische Beratung: Klassische Beratung sind Beratungsleistungen in den Bereichen Planung und Organisation (Pallasch/Petersen 2005, S. 12).

Supervision: Supervision ist eine Form der Beratung, die Einzelne, Teams, Gruppen und Organisationen bei der Reflexion und Verbesserung ihres privaten, beruflichen oder ehrenamtlichen Handelns begleitet (vgl. Lippmann 2009,S. 10).

Intervision: Intervision ist eine kollegiale Beratungsform, die in ihrem Anliegen der Supervision nahe ist. Im Unterschied zur Supervision wird die Intervision reihum geleitet: Ein Kollege bringt einen Fall ein, ein anderer leitet die Beratung (vgl. ebd. 2009, S. 12).

Coaching: Coaching ist als die lösungs- und zielorientierte Begleitung von Menschen, vorwiegend im beruflichen Umfeld, zur Förderung der Selbstreflexion sowie der selbstgesteuerten Verbesserung der Wahrnehmung, des Erlebens und des Verhaltens zu verstehen. Der Coach begleitet den Klienten bei der Realisierung eines Anliegens oder der Lösung eines Problems (siehe 2.1.1, S. 9-12).

Mediation: Mediation ist ein strukturiertes freiwilliges Verfahren zur konstruktiven Beilegung oder Vermeidung eines Konfliktes. Die Konfliktparteien wollen mit Unterstützung einer dritten, unparteiischen Person zu einer einvernehmlichen Vereinbarung gelangen. Der Mediator trifft dabei keine eigenen Entscheidungen, sondern ist lediglich für das Verfahren verantwortlich (Breidenbach 1995, S. 4).

Therapie: Im Vier-Ebenen-Modell ist damit die Psychotherapie gemeint. Sie steht als Oberbegriff für alle Formen psychologischer Verfahren, die ohne Einsatz medikamentöser Mittel auf die Behandlung psychischer und psychosomatischer Krankheiten, Leidenszustände oder Verhaltensstörungen abzielen (vgl. Riederer/Laux/Pöldinger 1992, S. 460).

Vergleicht man Coaching mit anderen Verfahren, so zeigt sich, dass die Begleiterrolle, das Zusammensein von Coach und Klient über einen längeren Zeitraum das entscheidende Moment ist. Lediglich in der Psychotherapie ist dieser zeitliche Aspekt noch zu finden. Hier jedoch findet keine Begleitung im natürlichen Umfeld statt, sie beschränkt sich auf die Praxis. Psychotherapie ist in ihrem Vorgehen auf die Reflexion des Patienten angewiesen und kann den Verlauf der Problembewältigung nicht vor Ort verfolgen. Der Coach bewegt sich in der Regel im Problemfeld des Klienten und leitet sein Vorgehen zusätzlich seiner eigenen Wahrnehmung ab. Dass der Coaching-Prozess Parallelen zu anderen Interventionsmaßnahmen aufweist, ist selbstverständlich. Dies gilt auch für das Werkzeug des Coaches und für sein Methoden-Arsenal. Björn Migge betont in seinem Buch: „Handbuch Coaching und Beratung“ (2007): Coaching ist also weder Psychotherapie, noch Supervision, noch psychologische Beratung, jedoch sind die Grenzen nicht eindeutig definiert und daher eher als fließend zu betrachten (vgl. Migge 2007, S. 22f). Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Coaching, Psychotherapie, psychologischer Beratung und Supervision werden auch von Heß und Roth (2001) erörtert. Für das Anliegen dieser Arbeit, zu untersuchen, inwieweit Coaching-Kompetenz erlernt oder angeboren ist, sind diese Ausführungen jedoch nicht von Relevanz und finden demzufolge hier keinen größeren Niederschlag.

Festzuhalten ist, dass Coaching seit langem als eigenständiger und fest etablierter Beratungszweig existiert. Das Spektrum der Coaching-Inhalte hat sich im zurückliegenden Jahrzehnt erheblich erweitert und die Tatsache, dass Coaching ganz selbstverständlich zum Unternehmensalltag, vor allem größerer Wirtschafts- und Handelsunternehmen gehört, unterstreicht die nachgewiesene Wirksamkeit dieser Interventionsmaßnahme. Dies zieht nach sich, dass der Berufszweig des Coaches eine bemerkenswerte Ausweitung erfährt. Das geht einher mit einer Vervielfachung jener Personen, die sich zu dieser Tätigkeit berufen fühlen oder aber aus vielerlei anderen Gründen Coach sein wollen. Somit ist es nicht nur legitim, sondern durchaus notwendig, zu fragen, welche Kompetenzen für die Ausübung dieser Tätigkeit erforderlich sind und ob sie im Wesentlichen angeboren oder aber erlernt sind. Dieser Problematik soll in dieser Arbeit nachgegangen werden.

2.1.6 Untersuchungsdefinition Coaching

Die Diskussion des Begriffes „Coaching“ erfolgte mit dem Ziel, über eine Vielzahl von Begriffsbeschreibungen zu jener Definition zu gelangen, die in der empirischen Untersuchung verwendet werden soll. Die Untersuchungsdefinition hat umfassend, präzise und verständlich zu sein, die wesentlichen Komponenten des Untersuchungsobjektes als auch die Untersuchungsintention des Autors zu beinhalten. Außerdem muss die Untersuchungsdefinition in einer Sprache abgefasst sein, die in hohem Maße garantiert, dass der Proband den Sachverhalt so versteht, wie der Autor dies beabsichtigt und damit in der Lage ist, entsprechend des Untersuchungsvorhaben zu reagieren.

Der in der empirischen Untersuchung verwendete Begriff für Coaching lautet folgendermaßen:

Coaching ist ein interaktiver, personenzentrierter Beratungs- und Begleitungsprozess, der berufliche und private Inhalte umfassen kann, wobei die beruflichen in der Regel den Anlass des Coachings bilden.

Der Coach ermöglicht dem Klienten das Erkennen von Problemursachen und befähigt ihn, eigene Lösungen zu entwickeln, Probleme eigenständig zu lösen, Verhalten und Einstellung so zu verändern, dass gewünschte Effekte und angezielte Ergebnisse erreichbar sind.

Ein grundsätzliches Merkmal des Coachings ist die Förderung der Selbstreflexion und Selbstwahrnehmung mit dem Ziel, beim Klienten eine selbstgesteuerte Erweiterung bzw. Verbesserung von Wahrnehmung, Erleben und Verhalten zu erreichen.

2.2 Kompetenz

2.2.1 Kompetenz

Das Kapitel „Kompetenz“ befasst sich mit der Kennzeichnung von Kompetenz und geht auch der Frage nach, in welchen Teilen diese als angeboren oder als erlernt angesehen werden kann beziehungsweise angesehen werden muss.

Kompetenz ist einer jener Begriffe, die in die Alltagssprache eingegangen sind und die damit verbundene Verknappung, Vergröberung und Verallgemeinerung erfahren haben. Hier ist es besonders wichtig, das umgangssprachlich gebrauchte Wort deutlich vom wissenschaftlich untermauerten Begriff „Kompetenz“ zu trennen die gängigen Definitionen zu analysieren und sich für eine derselben im Fortgang der Arbeit zu entscheiden.

Die Vielfalt der Kompetenz-Definitionen macht es erforderlich, ein Ordnungssystem aufzustellen, das eine vergleichende Betrachtung und Beurteilung ermöglicht. Dies ist in der Vergangenheit bereits geschehen und soll hier als Basis der Auseinandersetzung mit dem Kompetenz-Begriff dienen. Zuerst jedoch sei der Ursprung des Wortes angeführt. Das Wort „Kompetenz“ kommt aus dem Lateinischen und gibt mit seiner Bedeutung „angemessen“ (competens) und „zusammentreffen“ (competere) bereits die Richtung der Begrifflichkeit an. Im anglistischen Sprachgebrauch bedeutet „competence“ einerseits „the ability to do something well“, „a skill that you need in a particular job or for a particular task“ und andererseits “the power that a court, an organization or a person has to deal with something” (Oxford University Press 2008[2]). Fähigkeit, Tüchtigkeit, Zuständigkeit, Können und Befugnis werden als Inhalt von Kompetenz angesehen. Diese sehr allgemeinen „Zustände“ menschlicher Beschaffenheit müssen nicht zwangsläufig als Kompetenzbestandteil gesehen werden. Demzufolge erscheint es hilfreich, eine Kategorisierung vorzunehmen, die Kompetenzinhalte hinsichtlich ihrer Relevanz für verschiedene menschliche Lebens- und Arbeitsbereiche deutlich macht. Dies soll hiermit geschehen. Als relevante Definition wird demzufolge eine Begriffserklärung bezeichnet, welche auf den Inhalt eines speziellen Fachgebietes zugeschnitten ist und die eindeutige Verwendung des Begriffs in demselben ermöglicht. In der Fachliteratur werden pädagogisch, juristisch, biologisch, soziologisch, sprachwissenschaftlich und andragogisch relevante Definitionen angeführt und erläutert. Auch wenn ein Großteil der Definitionen in der vorliegenden Arbeit keine Beachtung findet, soll Aufgrund der besseren Übersicht eine kurze Charakteristik erfolgen.

2.2.2 Pädagogisch relevante Kompetenz-Definition

Die pädagogisch relevante Definition bezieht sich auf den pädagogischen Bereich. Es ist nicht verwunderlich, dass sie im Falle des Kompetenz-Begriffes die am Weitesten verbreitete ist. Schließlich findet Erziehung unentwegt und überall statt. Sie ist die Einflussnahme auf die Veränderung des Menschen und dessen alltäglichen Bestrebens.

Das gilt nicht nur für Pädagogen, sondern auch für eine Vielzahl anderer, privat und beruflich tätiger „Veränderer“ menschlichen Seins und Bewusstseins. Dass die ursprünglich auf den Knaben und später auf das Kind gerichtete Erziehungswissenschaft „Pädagogik“ im alltäglichen Sprachgebrauch auf alle Altersgruppen bezogen wird, sei hier angemerkt.

Der Duden (2006) erklärt Kompetenz mit Sachverstand, Zuständigkeit und Fähigkeit. Im Wörterbuch der Pädagogik von W. Böhm (2000) kennzeichnet man in Bezugnahme auf Chomsky Kompetenzen als „Handlungsmöglichkeiten und Regelstrukturen, [...] die [...] konkrete Handlungsweisen hervorbringen“(S. 309). Dabei ist die Performanz der sichtbare Ausdruck der Handlungspotenziale, der so genannten Kompetenzen (vgl. Vonken 2005, S. 19f). Die Beobachtung der Handlung lässt Rückschlüsse auf das Vorhandensein einer inneren Disposition bzw. einer Kompetenz zu (vgl. Reischmann 2003, S. 4). Andere Begriffsdefinitionen bringen Kompetenz mit individueller Selbstverwirklichung in Verbindung und bezeichnen sie als eine Grundbedingung von Erziehung. Im gleichen pädagogischen Kontext stehen auch jene Definitionen, die Kompetenzen als Ergebnisse von Lernprozessen bezüglich bestimmter Aufgaben und Anforderungen ansehen. H. Roth spricht von Kompetenz und Selbstkompetenz und meint mit letzterer die, durch Lernprozesse erworbene Fähigkeit, eigenverantwortlich handeln zu können. Letztendlich wird in allen Definitionen die Brückenfunktion der Kompetenz deutlich, wobei K. North explizit darauf verweist, dass zum Wissen (Sachverstand) und Können (Fähigkeit) auch die Erlaubnis (Zuständigkeit) zur Handlungsdurchführung gehört (vgl. Hof 2002, S. 85). Hof erweitert den Kompetenzbegriff durch das volitive (willentliche und mit vorgenommener Absicht behaftete) Element. Er stellt eine Beziehung, zwischen den individuell vorhandenen Kenntnissen (deklaratives Wissen), den Fähigkeiten und Fertigkeiten (Können), den Motiven sowie Interessen (Wollen) und den Möglichkeiten, Anforderungen genauso wie Restriktionen der Umwelt her. K. North übernimmt Kompetenzelemente verschiedener Autoren und ordnet diese auf einer „Kompetenz-Treppe“ an. Er fügt das „Kompetenzelement Informationsverarbeitung“ (Zeichen, Daten, Informationen) hinzu und weist damit darauf hin, dass Kompetenz ebenso auf der Aufnahme und Vernetzung von Informationen beruht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Wissenstreppe (angelehnt an North 1999, S. 41)

North stellt propositionales (den Inhalt einer sprachlichen Ausführung betreffendes) Wissen in den Mittelpunkt seiner Betrachtung, während andere Autoren dispositionales (das Gefüge des Sachverhalts betreffendes) Wissen als Grundlage für Handeln, Handlungsfähigkeit und Handlungsvermögen des Individuums (vgl. Brödel 2002, S. 45) ansehen. Damit entfernt sich North vom pädagogisch orientierten Kompetenzbegriff. Letztendlich aber ist der von North geschaffene Kompetenzbegriff eine unabdingbare Erweiterung. Denn nur auf der Grundlage von adäquater Informationsverarbeitung gelangt der Mensch zu kompetentem Handeln.

2.2.3 Andragogisch relevante Kompetenz-Definition

Andragogik ist der Fachbegriff für Erwachsenenbildung. Eine andragogisch relevante Definition von Kompetenz befasst sich demzufolge mit den Aspekten von Kompetenz im Erwachsenenalter, eingebettet in den Bildungsprozess. Für die Thematik dieser Arbeit ist diese Definition von besonderer Wichtigkeit, da Coaching fast ausschließlich eine Tätigkeit von Erwachsenen für Erwachsene ist. Die durch den Coach erfolgte

Intervention ist stets mit einem Lernprozess des Klienten (und oftmals auch des Coaches) verbunden, so dass der Aspekt der Bildung durchaus gegeben ist.

Dewe, Frank und Huge (1988, S. 159) greifen im Rahmen der Andragogik auf die Begrifflichkeiten von Chomsky zurück, der zwischen Kompetenz und Performanz unterscheidet. Sie verweisen darauf, dass eine Vielzahl von Definitionen eine „innere“ und eine „äußere“ Seite (Reischmann 2003) der Kompetenz beziehungsweise eine materiale (innere) und formale (äußere) Seite (vgl. Bunk 1994) besitzen.

Die innere Seite

Die innere Seite der Kompetenz beinhaltet die individuell-psychischen Voraussetzungen und Fähigkeiten des Menschen (vgl. Erpenbeck/Heyse 1996, S. 36). Diese Dispositionen gelten als Voraussetzungen für das Handeln. Hof spricht in diesem Zusammenhang von geistigen, instrumentellen, kommunikativen und reflexiven Handlungen (vgl. Hof 2002, S. 84). Die Voraussetzungen, diese Handlungen selbstorganisiert auszuüben, bezeichnet Hof in Anlehnung an Erpenbeck und Heyse als Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und personale Kompetenz (ebd.). Reischmann entgegnet, dass Dispositionen nicht als Kompetenz bezeichnet werden könnten, da diese hypothetische Konstrukte seien und deren Vorhandensein demzufolge nicht nachweisbar ist. Nach Reischmann könne man erst durch die Konkretisierung einer Handlung − die Performanz − auf das Vorhandensein einer Kompetenz schließen (Reischmann 2003, S. 4). Insofern sei die Ausführung von Handlungen das entscheidende Merkmal der Kompetenz. Dies mag unkommentiert stehen bleiben. Wichtig jedoch ist, dass auch Reischmann der Kompetenz eine innere und eine äußere Seite zuschreibt.

Die äußere Seite

Die äußere Seite der Kompetenz beinhaltet Zuständigkeit und Befugnis. In Anlehnung an den juristischen Gebrauch des Begriffs wird jemand als kompetent bezeichnet, wenn er die Erlaubnis und die Zuständigkeit besitzt, in einer bestimmten Art zu handeln. Damit stellt sich eine Verbindung her „zwischen Person und Umwelt, genauer zwischen dem Wissen (Sachverstand) und dem Können (Fähigkeit) einer Person sowie der Erlaubnis (Zuständigkeit) zur Handlungsdurchführung“ (Hof 2002, S. 85). In der bisherigen Diskussion wurde der Begriff der Handlungsbereitschaft (das Wollen) wenig beachtet, obwohl er für das Zustandekommen einer Handlung von herausragender Bedeutung ist. Gliedert man den volitiven Aspekt in die Definition ein, so umfasst Kompetenz „beruflich relevante Kenntnisse (Wissen), Fähigkeiten (Können) und Einstellungen (Wollen), die selbstorganisiert und sich selbst aktualisierend im Hinblick auf die Ausführung konkreter Handlungen (Zuständigkeit) im situativen Kontext angewendet werden (Performanz)“ (Bender 2002, S. 5).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Kompetenz als situationsbezogene Relation zwischen Person und Umwelt (vgl. Hof 2002, S. 86)

Das Schema verdeutlicht den Hof’schen Denkansatz und verweist auf den Zusammenhang und das Zusammenspiel der Elemente Person, Situation und Umwelt. Da Hof in Anlehnung an Chomsky zwischen Kompetenz und Performanz unterscheidet, wird die „Situation“ zum Kompetenzrahmen. Das mag für die wissenschaftliche Auseinandersetzung von Nutzen sein, für empirisches Vorgehen stellt sich dies jedoch als Hindernis dar. Hier bietet es sich an, den Begriff „Kompetenz“ ganzheitlich zu verwenden und somit Disposition und Handlung in die Erhebung einzubeziehen.

2.2.4 Weitere relevante Kompetenz-Definitionen

Juristisch relevante Definition: Kompetenz wird im juristischen Fachbereich als Zuständigkeit definiert und seit dem 18. Jahrhundert in diesem Sinne verwendet. (Drosdowski 1989).

Biologisch relevante Definition: Kompetenz ist im biologischen Fachbereich die Bezeichnung für „die oft zeitlich begrenzte Bereitschaft von embryonalen Zellen, auf einen bestimmten Entwicklungsreiz zu reagieren“ (DTV 1984, zit. n. Brake 1997, S. 155).

Psychologisch relevante Definition: Kompetenz ist im psychologischen Fachbereich „die allgemeine Bezeichnung für die sachliche Zuständigkeit eines Menschen bei der Lösung von Problemen“ (Fröhlich 1987, S. 206).

Soziologisch relevante Definition: Kompetenz ist im soziologischen Fachbereich die „Zuständigkeit, Befugnis, die klar umrissene Übertragung bestimmter Aufgaben mit den zur Aufgabenerfüllung notwendigen Handlungs-, Verhalten und Entscheidungsvollmachten an eine bestimmte Instanz oder Position in einer Organisation“ (Hartfiel 1982, S. 393).

Sprachwissenschaftlich relevante Definition: Kompetenz wird im sprachwissenschaftlichen Fachbereich häufig im Zusammenhang mit kommunikativer Kompetenz verwendet (Dewe, et al. 1988, S. 146ff.). In Anlehnung an Chomsky beinhaltet der Begriff „Kommunikative Kompetenz“ die „Verfügbarkeit von grammatikalischen Regeln bzw. Regelsystemen, welche dem Verstehen und dem Hervorbringen einer unendlichen Vielzahl von Sätzen zugrunde liegen“ (Fröhlich 1987, S. 206).

2.2.5 Angeborene und erlernte Kompetenz

Die Frage danach, in welchem Maße das, was wir können angeboren ist oder im Laufe des Lebens erlernt wurde, ist allumfassend und von stetigem Interesse. Das gilt für Laien ebenso wie für Experten. Im privaten, wie im beruflichen Bereich wird aufmerksam verfolgt, welche „Talente“ in jedem Einzelnen schlummern und wie diese gefördert und auch gefordert werden können. Bereits vor der Geburt des Menschen hoffen Eltern und Großeltern, Bekannte und Verwandte, dass die positiven, die herausragenden Merkmale von Mutter und Vater harmonisch in dem neuen Erdenbürger vereint sein mögen. Dies gilt nicht nur für äußerliche Merkmale, sondern auch für die körperlichen und geistigen Fähigkeiten in ihrer Gesamtheit und für den Charakter. Was ist so wichtig an dem, was man ins Leben mitbringt? Haben wir nicht Zeit genug zu erproben, was das Leben von uns verlangt und uns so je nach Anforderung so zu entwickeln, wie die Umwelt es erfordert? Diese Frage kann mit „Ja“ und „Nein“ beantwortet werden. Ja, wir haben Zeit genug, um das zu tun. Nein, wir können uns ohne entsprechende „Programmierung“, ohne die entsprechenden Erbanlagen nicht an die Umwelt anpassen. Wollen/sollen wir nur als Produkt unserer Umwelt existieren? Wollen wir nicht auch unverwechselbar sein? So privat die Frage nach Angeborenem und Erlerntem sein mag, so philosophisch, politisch und ideologisch scheint sie zu sein. Jede Zeit, jede Gesellschaft stellt sich auf dem Hintergrund ihrer Kenntnisse und Erkenntnisse, auf dem Hintergrund ihrer führenden Religion, auf dem Hintergrund ihres Glaubens und Aberglaubens die Frage nach dem, was der Mensch mitbringt und nach dem, was er sich im Laufe des Lebens aneignet. Es geht um Fähigkeiten und Fertigkeiten, um geistige und körperliche Möglichkeiten, um Charaktereigenschaften und anderes mehr. Die Frage des Mitbringens und die Frage des Erwerbens stellen sich auch im Zusammenhang mit dem Beruf des Coachs, mit der Eignung und Qualifizierung für dieses Tätigkeitsfeld. Wie der Coach das selbst sieht, wie er den Anteil an erlernter und angeborener Coaching-Kompetenz einschätzt und wie er seine Kompetenz erhöht, sie vervollständigt, den Forderungen des Praxisalltags anpasst, ist Gegenstand des empirischen Teils dieser Arbeit. Was angeboren und was erlernt ist, findet sich in diesem Teil der Arbeit.

2.2.4.1 angeborene Kompetenz

Die moderne Säuglingsforschung bestätigt und belegt, dass der Mensch mit einer Vielzahl von Kompetenzen auf die Welt kommt. Man spricht in diesem Zusammenhang vom „kompetenten Säugling“, welcher aktiv, eben durch die genetischen Dispositionen, mit der Umwelt in Kontakt tritt und versucht auf sie einzugehen und sie zu verändern (Oerter/Montada 2008, S. 180/S. 413/S. 523; Seukwa 2006, S. 66ff).

Desweiteren manifestieren sich zahlreiche konstitutionelle Faktoren, wie Temperament, Aktivität und Vitalität durch die genetische Vorgabe des Menschen. Biopsychische Faktoren sind im Wesentlichen in Form von Dispositionen vorgegeben, sprich als Potentiale angelegt. (vgl. Stangl 2004)[3]

Zu den angeborenen Kompetenzen zählen Intelligenz, Kreativität sowie bestimmte Charaktereigenschaften, wie Emotionalität, Soziabilität oder ähnliche (Simon 2006, S. 13). Weiterhin lassen sich Kompetenzen, wie die Kommunikationsfähigkeit, die Sprache (Seukwa 2006, S. 66ff) und die Wahrnehmungsfähigkeit hinzuzählen (Oerter/Montada 2008, S. 413).

Jede dieser genannten Kompetenzen ist für die zu untersuchende Fragestellung wichtig.

Intelligenz wird als Fähigkeit verstanden, sich neuen Gegebenheiten anzupassen. Zugleich wird sie aber auch als eine Fähigkeit angesehen, die Umwelt verändern zu können (vgl. Piagets Begriffe der Assimilation und Akkomodation).[4] Intelligenz gilt somit heute als Ergebnis basaler und mentaler Prozesse, die sich in unterschiedlichen Kontexten auch verschieden manifestieren (Oerter/Montada 2008, S. 249). Intelligenz kann somit als Voraussetzung für alle weiteren Kompetenzen, die sich ein Mensch im Laufe seines Lebens aneignet und aneignen kann, gelten. Sie ist ein Sammelbegriff für die kognitiven Fähigkeiten des Menschen, also die Fähigkeit zu verstehen, zu abstrahieren, Probleme zu lösen, Wissen anzuwenden und Sprache zu verwenden. In der Intelligenzforschung ist es hinlänglich bekannt, dass Intelligenz erblich ist (Riemann/Spinath 2005, S. 617; Aspendorf 2004, S. 5). Weitere Studien zur Vererbung von Intelligenz bestätigen diese Tatsachen und sorgen für ein wissenschaftliches Fundament (Weiss 2000, S. 77ff). Jedoch bleibt weiterhin strittig in welchem Ausmaß die Gene die Verantwortung für höhere oder niedrigere Intelligenz tragen (Borkenau 1993, S. 133).

Aus der eben beschriebenen, angeborenen Kompetenz der Intelligenz geht eine weitere hervor, nämlich die der Kreativität. Dies verdeutlicht ihre Definition: Der Begriff Kreativität und seine Komposita stehen für Genie, genial, aber auch für schöpferisch und sind mit den Begriffen Originalität, Erfindungsreichtum, Flexibilität des Denkens und Intelligenz assoziiert. Kreativität kann als die Fähigkeit bestimmt werden, originale Denkergebnisse hervorzubringen, neue Lösungen zu finden, Probleme neu zu definieren bzw. überhaupt zu entdecken und somit die vorgegebenen Lösungen und Wege bzw. den eingeschränkten Horizont zu verlassen und überschreiten zu können (Böhm 2000, S. 314).

Emotionalität wird definiert als kulturell überformter psychischer Prozess, welcher für eine motivbezogene Regulation von Handlungen sorgt. Emotionen signalisieren hierbei, welche Ziele und Handlungsergebnisse motivdienlich bzw. motivundienlich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erfahrungen . Durch die Akkomodation wird das Neue zu den schon vorhandenen kognitiven Strukturen hinzugefügt, wodurch sich nicht nur die Struktur selbst ändert, sondern auch das Einzufügende. Die häufigste Ursache von Akkomodation ist die sprachliche Interaktion (vgl. Lefrancois/Leppmann, 1994, S. 123ff).

sind und initiieren demnach motivdienliche Handlungen (Oerter/Montada 2008, S. 554). Rolf Oerter und Leo Montada beschreiben 5 angeborene emotionale Ausdrucksformen/Ausdrucksreaktionen die ein Mensch besitzt und woraus sich im Laufe der Ontogenese alle weiteren Emotionen entwickeln.

1. Schreien signalisiert einen dringenden Bedarf nach Nahrung oder Körperkontakt und
umfasst die Emotion „Disstress“ (seelisches Leid).
2. Lächeln markiert den Abschluss eines An- oder Entspannungsprozesses und signalisiert somit den Aufbau von Reizkontingenten. Die zum Ausdruck gebrachte Emotion ist „Wohlbehagen“.
3. Eine weitere angeborene Emotion ist die (visuelle) Aufmerksamkeitsfokussierung mit leicht geöffnetem Mund. Sie signalisiert die Emotion „lnteresse“ und deutet auf die Neuartigkeit von externen Stimulationen und deren ansprechende Reize hin.
4. Der Schreckreflex beinhaltet weit aufgerissene Augen und extreme Körperspannung. Er kennzeichnet eine bedrohliche Überstimulation und demnach die Emotion
„Erschrecken“.
5. Naserümpfen mit vorgestreckter Zunge hingegen dient dem Ausspucken von Nahrung und beinhaltet die Emotion „Ekel“ (ebd. 2008, S. 554f).

Soziabilität wird von W. Böhm unter Anderem als Gesellschaftsfähigkeit bezeichnet (Böhm 2000, S. 499). Ebenso beschreibt H. Esser Soziabilität als Fähigkeit zur Aufnahme und zum Erhalt von sozialen Beziehungen (Esser 1999, S. 161). Nicht umsonst ist in der modernen Säuglingsforschung vom kompetenten Säugling die Rede. Denn der Säugling ist von Natur aus in der Lage Signale zu senden, die es ihm ermöglichen mit seiner Umwelt in Kontakt zu treten. Da es sich bei der Umwelt des Säuglings um eine überwiegend mütterliche Umwelt handelt, baut der Säugling, bedingt durch seine ausgesendeten Signale, eine Beziehung zu seiner Mutter auf. Er ist also von Geburt an in der Lage Beziehungen zu Mitmenschen aufzubauen und sie auch aufrecht zu erhalten (Schäfer 2001, S. 30f).

[...]


[1] http://www.dbvc.de/cms/index.php?id=361, Zugriff am 26.05.2009, Uhrzeit: 19:33

[2] http://www.oup.com/oald-bin/web_getald7index1a.pl Zugriff am 02.04.2009 Uhrzeit: 15:35 Uhr

[3]http://www.familienhandbuch.de/cmain/f_Aktuelles/a_Kindliche_Entwicklung/s_578.html Zugriff am 05.05.2009, Uhrzeit: 13:53

[4] Unter dem Begriff der Assimilation versteht Jean Piaget den Umgang mit etwas Neuartigem als Assoziation von etwas Bekanntem. Ähnlich dem Lochkartensystem wird der Organismus ein Erlebnis in bereits verfügbare kognitive Strukturen einpassen. D.h. der Organismus nimmt nur das wahr, was in seine schon bekannten Strukturen hinein passt. Assimilation ist stets eine Reduzierung neuer

Ende der Leseprobe aus 147 Seiten

Details

Titel
Coaching-Kompetenz - angeboren oder erlernt?
Untertitel
Inwieweit sieht der Coach seine Kompetenzen als angeboren oder erlernt an?
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
147
Katalognummer
V139096
ISBN (eBook)
9783640469765
ISBN (Buch)
9783640470082
Dateigröße
2412 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Coaching-Kompetenz, Inwieweit, Coach, Kompetenzen, Thema Coaching
Arbeit zitieren
Simon Schrumpf (Autor:in), 2009, Coaching-Kompetenz - angeboren oder erlernt?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139096

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