MTV Unplugged

Suche nach dem „Echten“ an drei exemplarischen Konzertbeispielen


Referat (Ausarbeitung), 2009

13 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Was verstehen wir unter Authentizität?

3. Der zeitgeschichtliche Kontext - Die 1990er

4. Die Idee hinter ‚MTV Unplugged‘

5. Die Suche nach dem Authentischen in den Unplugged Konzerten
5.1. The Cure - 1991
5.2. Bjork - 1994
5.3. Korn - 2007

6. Fazit

7. Quellen

1. Einführung

Als der Musiksender MTV in den USA am 1. August 1981 auf Sendung ging, brach ein neues Zeitalter der Vermittlung und Rezeption an. Bereits das erste dort ausgestrahlte Video der Buggles „VIDEO KILLED THE RADIO STAR“ verwies auf einen Trend, der die visuelle Komponente des Musikmachens stark in den Vordergrund hebt. Das Musikvideo wurde zum Aushängeschild eines Musikers, und MTV trug dieses in die Häuser von immer mehr Nationen. 2001 erreichte der Sender etwa 340 Millionen Haushalte weltweit und etablierte sich als größter TV Sender der Welt.[1]

Jordon Shur, Präsident von Geffen Records, fasst die Arbeit des Senders sehr prägnant zusammen, indem er MTV ein gutes Verständnis der Künstler und ihrer Ideen attestiert. Der Sender präsentiert die Künstler, wie sie präsentiert werden wollen.[2] Dieser Umstand führt unmittelbar in den Diskurs um die Konstruktion von Authentizität, dem diese Arbeit gewidmet ist. Kann man bei medialer Vermittlung eines Gegenstands im Rahmen einer inszenierten Veranstaltung noch davon sprechen, dass dieser Gegenstand einen Echtheitswert besitzt? Ist der Charakter eines Künstlers, der auf einer Bühne steht, identisch mit der Person, die hinter dahinter steckt?

Im Folgenden wird die Konzertreihe MTV Unplugged genauer betrachtet um dem Umstand nachzugehen, inwieweit die Darstellung der Musik auf scheinbar unverstärktem Weg mit der sonstigen Liveperformance des jeweiligen Künstlers zu vereinbaren ist. Im ersten Teil muss jedoch zunächst ein Grundverständnis geschaffen werden, wovon gesprochen wird, wenn der Begriff Authentizität fällt. Diese Definition darf in keinem Fall ihren zeitlichen Bezug verlieren, was eine Verortung in der Musikgeschichte ebenfalls unabdinglich macht.

2. Was verstehen wir unter Authentizität?

Ein paar Attribute können dem Begriff der Authentizität in ihrem Verhältnis zur handgemachten Musik zugesprochen werden. So würde sicher jeder zustimmen, dass derjenige authentisch ist, der direkt und ehrlich ist, sich nicht durch die Aussicht kommerziellen Erfolgs korrumpieren lässt und sich selbst stets treu bleibt.[3] In diesem Zusammenhang wird bereits deutlich, dass eine gewisse Unvereinbarkeit zwischen Authentizität und Mainstream herrscht. Derjenige, der sich selbst verkauft, ist nicht echt, derjenige, der durch seine authentische Art zu Erfolg kommt, hat diesen auch verdient.[4]

Synthetik und der Einsatz von Technik nehmen der Musik in dieser Ansicht ihren menschlichen, individuellen Charakter.[5] Authentizität definiert sich dabei immer über den Gegenstand als Ganzes. Alles, was den Künstler auszeichnet, was er tut und wie er sich gibt, fällt in die Betrachtung hinein.[6] Dabei kann die Zuschreibung als Distinktionsmerkmal verstanden werden, mit dem der Fan „seinen Künstler“ vor anderen positiv hervorhebt.[7] Geht der Blick näher ins Detail, lassen sich zwei grundsätzliche Definitionen von Authentizität in der Geschichte der Musik finden, die sich in den 1960er Jahren zum einen in England und zum anderen in den USA entwickelten und in der Tradition der Romantik (im Fall USA) und der Moderne (England) stehen.

Nach der romantischen Definition, die originär im Folk zu finden ist, hebt sich der Künstler wenig von seinem Publikum ab. Er erhält seine Glaubhaftigkeit durch die Nähe zum Publikum. Er ist einfach gesprochen einer von ihnen. Stil und Person bilden eine Einheit, sowie die Fanbase ebenfalls eine homogene Masse ist. Im besten Fall entspricht der Künstler dem Stereotyp der Musikrichtung (im Rap bspw. dunkle Hautfarbe). Die Musik ist nicht unnötig kompliziert und beschränkt sich auf das notwendige um die Aussage des Künstlers nicht zu verblenden. Dies beinhaltet auch den Verzicht auf aufwendige Effekte oder präzise Abmischung.[8]

Für die moderne Authentizität ist der Egozentrismus ein bezeichnendes Merkmal. Der Künstler macht sozusagen Kunst um der Kunst willen und verschreibt sich nur der Suche nach völliger Entfaltung. Hierzu gehört, dass er sich bewusst von seinem Publikum abgrenzt, seine Wünsche ignoriert und unabhängig das tut, was er selbst möchte. Ist dieser Individualitätsgedanke konsequent spürbar, wird auch dieser Stil als echt und glaubhaft empfunden.[9]

Für die Rockmusik stellt Keir Keightley eine Gegenüberstellung von Eigenschaften auf, welche die Differenzierung der beiden Begriffe in kurzer Form anschaulich darstellt:[10]

Romantische Authentizität Moderne Authentizität

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Für die heutige Zeit kann noch eine neue, postmoderne Kategorie erschlossen werden, die sich jedoch nur in der Form von den vorgestellten Definitionen unterscheidet, als dass es weniger um den Künstler selbst, als um die von ihm geschaffene Kunstfigur - also eine konkrete Konstruktion - geht, die idealisiert wird. Der konsequente Umgang mit der Konstruiertheit dieser Figur erzeugt ebenfalls einen Grad an Echtheit. In ironisierter Weise kann hier von der Echtheit des Unechten gesprochen werden.[11]

3. Der zeitgeschichtliche Kontext - Die 1990er

Die 1990er erwiesen sich als schwere Zeiten für den Absatz von Live-Tonträgern. Nicht einmal Künstler, die in den 1970ern und 80ern mit ihren Konzertaufnahmen große Verkaufszahlen verzeichnen konnten, können noch Erfolge erzielen. So schaffte es zum Beispiel der Live-Soundtrack des Woodstock-Festivals 1994 nicht einmal in die Top 50, wobei der Mitschnitt von 1969 sich vier Monate in den Billboard Top 10 halten konnte.[12] Die Liste der Vergleiche kann beliebig fortgesetzt werden. Die Gründe für dieses Phänomen sind vielschichtig. Es kann argumentiert werden, dass MTV eine Mitschuld trägt, da der Sender das Live-Erlebnis durch die ständige mediale Präsenz der Stars und der Wiederholung von Konzerten abwertet.[13] Die globale, mediale Verbreitung von Bands und das Erschließen möglichst breiter Fansektoren bedingt zudem ein Abfallen des Publikumsbezugs, was gerade in der romantischen Theorie mit einer Inauthentisierung einher geht.[14] Das Erlebnis, selbst dabei zu sein, und die Ereignisse des Konzertes werden dadurch weniger einzigartig. Ein anderer Grund kann darin gefunden werden, dass die technische Nachbearbeitung eines Konzerts den individuellen Charakter des Ereignisses vernichtet.[15] Eventuelle Spielfehler, Zwischenrufe und Kommentare können digital retuschiert werden. Die Verkaufszahlen sprechen in jedem Fall eindeutig für ein abfallendes Interesse an Live-Alben. Auch schreitet in den 90ern die Disko Bewegung weiter fort und die Konstruktion von Karrieren in Form von Boy- und Girl-Bands etabliert sich. Der Umstand, wer der Künstler hinter der Darbietung ist, gerät immer weiter aus dem Fokus. Beispiele wie Milli Vanilli, New Kids on the Block oder Ace of Base unterstützen diese These. Die 90er übernehmen und perfektionieren in der Tradition ihres Vorjahrzehnts eine „Ästhetik des Synthetischen“[16] , welche auf Grund mangelnder Echtheitserwartung sogar gänzlich von der Musikwissenschaft ignoriert wird.[17]

4. Die Idee hinter ‚MTV Unplugged‘

Alex Coletti, Supervising Producer von MTV Unplugged beschreibt in einem Presseartikel den Kerngedanken hinter der von Robert Small und Jim Burns im Jahre 1989 entwickelten Show mit einfachen Worten: „It was the whole Milli Vanilli time when you didn’t know who was making the music, who was real and who wasn’t. Se we did it for us to be credible.“[18] Es ging demnach bereits in der Entwicklungsphase darum, eine Plattform zu erschaffen, auf der „echte“ Künstler sich präsentieren können. Die Methode, in der dies geschieht, beschreibt MTV selbst als „ultimative strip-down-to-the-core“[19], was eine Neuinterpretation der Songs in einem intimen, akustischen Arrangement bedeutet, in dem das Publikum eine starke Nähe zu den Künstlern verspüren soll.[20] Erzielt wird diese Nähe durch das Aufführen in kleinen Räumlichkeiten, in denen das Publikum traditionell kreisförmig um die Künstler sitzt. Verstärker werden entfernt bzw. versteckt, auf Effekte wird verzichtet. Jede unnötige Form von Technik wird vor den Augen des Zuschauers verborgen, was ein Gefühl von unmittelbarem Dabeisein im Schaffungsprozess der Musik simuliert.[21] MTV findet mit dieser Idee Anschluss an die sich zeitgleich etablierende Grundhaltung des Grunge. Hier wird in beiden Fällen klar auf die Suche nach romantischer Authentizität hingewiesen.[22]

[...]


[1] vgl. Hay, Carla: Billboard Salutes Twenty Years of MTV. In: Billboard - The International Newsweekly of Music, Video and Home Entertainment 113:30 vom 28. Juli 2001, S. 52-70

[2] ebd.

[3] vgl. Keightley, Keir: Reconsidering Rock. In: Frith, Simon/ Straw, Will/ Street, John: The Cambridge Companion to Pop and Rock, Cambridge University Press 2001, S.131

[4] vgl. Keightley 2001, S. 132

[5] vgl. Keightley 2001, S. 133

[6] vgl. von Appen, Ralf: Der Wert der Musik. Zur Asthetik des Popularen, transcript Verlag Bielefeld 2007, S. 115

[7] vgl. Appen 2007, S. 118

[8] vgl. Appen 2007, S. 122ff

[9] vgl. Appen 2007, S. 119f

[10] vgl. Keightley 2001, S. 137 (frei ubersetzt)

[11] vgl. Appen 2007, S. 127

[12] vgl. Boehlert, Eric: Life Stiffs. In: Rolling Stone 727 vom 8. Februar 1996, S. 17

[13] ebd.

[14] vgl. Keightley 2001, S. 133

[15] ebd.

[16] zit. nach: Wicke, Peter: Rockmusik. Zur Asthetik und Soziologie eines Massenmediums, Reclam Verlag Leipzig 1987

[17] vgl. Appen 2007, S. 41

[18] zit. nach: Newman, Melinda: MTV's ,Unplugged' transplanted globally. In: Billboard - T h e International Newsweekly of Music, Video and Home Entertainment 109:40 vom 4. Oktober 1997, S. 73

[19] zit. nach: www.mtv.com/music/unplugged/ [Stand: 13. Juni 2009]

[20] ebd.

[21] vgl. Keightley 2001, S. 135

[22] vgl. Appen 2007, S. 127f

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
MTV Unplugged
Untertitel
Suche nach dem „Echten“ an drei exemplarischen Konzertbeispielen
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (FB03: Institut für Musikwissenschaften)
Veranstaltung
Nothing is Real – Die Konstruktion von Authentizität in der populären Musik
Note
2
Autor
Jahr
2009
Seiten
13
Katalognummer
V139144
ISBN (eBook)
9783640491018
ISBN (Buch)
9783640490899
Dateigröße
470 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
MTV, MTV Unplugged, Unplugged, Musik, Authentizität, The Cure, Bjork, Korn, 1990er, Echtheit, Konzert, Live, Fernsehen
Arbeit zitieren
Andy Blum (Autor:in), 2009, MTV Unplugged, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139144

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