„Wissend falsches Wissen weiterzugeben ist eine schwere Sünde“ (Qur´an, Surat Albaqara 2, 159).
Die Überlieferungskette wird in der islamischen Haditwissenschaft zwar Rigal al-hadit „Männer der Überlieferung“ genannt, doch in den Isnaden~ biographische Prüfung der Kette~ tauchen oft Frauen als Autoritäten der Hadite auf(Sayeed 2005: 407/ 1-4). Hadit bedeutet im Arabischen „Erzählung, Tradierung“ und bezeichnet die Überlieferungen der Dinge, die Muhammad gesagt, getan oder geduldet hat. Diese Sammlung von Geschichten bildet die Sunnah des Propheten: Die normative Gewohnheit des Propheten und seiner Begleiter. Eine der zwei Hauptrichtungen des Islam bilden die Sunniten, welche vor allem auf die Quellen von Buhari und Muslim großen Wert legen, aber auch auf Abu Dawud, Tirmidi, an-Nasai und Ibn Maja. Die zweite Hauptrichtungen stellen die Schiiten dar, welche nur die Überlieferungen, die auf die Familie Alis , des Vetters Muhammads, zurückgehen, anerkennen; die größten von ihnen für richtig aufgefassten Haditsammlungen sind die von Al- Kulini, Ab-Babuya Al-Qummi und At-Tusi. Die einzelnen Glieder der Kette der Tradierer werden in beiden Strömungen zurück bis zum Propheten biographisch geprüft (isnad) und außerdem der Inhalt des Überlieferten nach seiner Richtigkeit (matn). Ein Überlieferer musste genau, vertrauenswürdig, persönlich und religiös tadellos sein und die Person, von der er/ sie weiter überlieferte, persönlich gekannt und zudem ein gutes Erinnerungsvermögen besessen haben. Es wird unterteilt in Hadite des Grades sahih „gesund, richtig“, hasan „gut“, da´winn „schwach“ und maudu ` „fabriziert, geschmiedet“.
Es wird berichtet, dass sich keine einzige Überlieferung von Frauen als falsch erwiesen hat. Der Inhalt dieser Arbeit umreißt das Thema Frauen als Überlieferer religiösen Wissens vom ersten bis zum achten Jahrhundert islamischer Geschichte, konzentriert sich allerdings hauptsächlich auf die Anfänge dessen, also auf eng mit ihm verbundene Zeitgenossinnen Muhammads.
Inhaltsverzeichnis
A Frauen in der Rigal al-Hadit
1. mündliche Hadit überlieferung zum Erhalt der Texte
2. Anfänge der weiblichen Hadit tradierung
2. 2 die Frauen Muhammad s
2. 2 Aysah als größte weibliche Autorität in der Überlieferung
2. 3 weitere bedeutende weibliche Autoritäten
2. 4 Besonderheit Aysah s
3. weibliche Überlieferung nach der Zeit Muhammad s
3. 1 in Bezug auf al-Buhari: Karima bint Ahmed, Karima al- Marwazijja, Shuda
3. 2 Zaynab bint al- Kamal - Einfluss auf Ibn Battuta und al- Buhari
B Die Stellung der Frau in der islamischen Welt- oft indirekt, aber fundamental
Bibliographie
A
„Wissend falsches Wissen weiterzugeben ist eine schwere Sünde“ (Qur´an, Surat Albaqara 2, 159).
Die Überlieferungskette wird in der islamischen Hadit wissenschaft zwar Rigal al-hadit „Männer der Überlieferung“ genannt, doch in den Isnaden~ biographische Prüfung der Kette~ tauchen oft Frauen als Autoritäten der Hadite auf(Sayeed 2005: 407/ 1-4). Hadit bedeutet im Arabischen „Erzählung, Tradierung“ und bezeichnet die Überlieferungen der Dinge, die Muhammad gesagt, getan oder geduldet hat. Diese Sammlung von Geschichten bildet die Sunnah des Propheten: Die normative Gewohnheit des Propheten und seiner Begleiter. Eine der zwei Hauptrichtungen des Islam bilden die Sunniten, welche vor allem auf die Quellen von Buhari und Muslim großen Wert legen, aber auch auf Abu Dawud, Tirmidi, an-Nasai und Ibn Maja. Die zweite Hauptrichtungen stellen die Schiiten dar, welche nur die Überlieferungen, die auf die Familie Alis[1], des Vetters Muhammad s, zurückgehen, anerkennen; die größten von ihnen für richtig aufgefassten Hadit sammlungen sind die von Al- Kulini, Ab-Babuya Al-Qummi und At-Tusi. Die einzelnen Glieder der Kette der Tradierer werden in beiden Strömungen zurück bis zum Propheten biographisch geprüft (isnad) und außerdem der Inhalt des Überlieferten nach seiner Richtigkeit (matn). Ein Überlieferer musste genau, vertrauenswürdig, persönlich und religiös tadellos sein und die Person, von der er/ sie weiter überlieferte, persönlich gekannt und zudem ein gutes Erinnerungsvermögen besessen haben. Es wird unterteilt in Hadite des Grades sahih „gesund, richtig“, hasan „gut“, da´winn „schwach“ und maudu ` „fabriziert, geschmiedet“.
Es wird berichtet, dass sich keine einzige Überlieferung von Frauen als falsch erwiesen hat. Der Inhalt dieser Arbeit umreißt das Thema Frauen als Überlieferer religiösen Wissens vom ersten bis zum achten Jahrhundert islamischer Geschichte, konzentriert sich allerdings hauptsächlich auf die Anfänge dessen, also auf eng mit ihm verbundene Zeitgenossinnen Muhammad s.
1.
In einer Zeit der mündlichen Tradition ging es darum, die Richtigkeit der verbreiteten Texte zu überprüfen; so machten sich Hadit schüler meist auf, um dem Vortrag einer Autorität auf diesem Gebiet beizuwohnen, um den Text, der in ihrem Besitz war, mit dem der vortragenden Autorität zu vergleichen und fehlerhafte Überlieferungen gegebenenfalls zu korrigieren, als solche kenntlich zu machen. Die Bedeutung der Arbeit der Hadit überlieferer lag also meist weniger darin, mit den anwesenden Schülern den Inhalt und Sinn eines Textes herauszuarbeiten, sondern den Erhalt und die Weiterverbreitung der als richtig angesehenen Texte zu sichern. Es wurden immer wichtige Eckdaten einer Hadit lesung festgehalten. Ein solches Zertifikat sah typischerweise folgendermaßen aus: Der/ die Name(n) des sayh(s) / der sayha(s), der Name des Textes, der behandelt wird, Ort und Datum des Treffens, der Name des Vorlesers, falls dies nicht durch den Lehrenden durchgeführt wurde und die Namen von ein paar anwesenden Studenten wurden dokumentiert (Sayeed 2005: 80/ 25- 30). Aufgrund dieser Vorgehensweise weiß man heute, wer die Hadit autoritäten waren und wann sie Lehrer und Schüler waren.
2.
2. 1
Um auszugsweise verschiedene Persönlichkeiten von Hadit überlieferinnen in einer bestimmten Zeitspanne und gleichzeitig die Anfänge der weiblichen Hadit tradierung darzustellen, habe ich die Ehefrauen des Propheten Muhammad und eine weitere Frau, mit der er Kontakt hatte, gewählt, also Überlieferinnen aus seiner und der Generation nach ihm. Über die Anzahl der Ehefrauen des Propheten existieren unterschiedliche Meinungen. Man ist sich jedoch darüber einig, dass neun dieser Ehefrauen nach seinem Tod noch lebten; sie alle überlieferten Informationen bezüglich seiner Taten, Ansichten und der Geschehnisse zu seiner Zeit, allerdings in unterschiedlichem Ausmaß und mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Von jenen seiner Ehefrauen, die vor ihm starben- die Ehe mit Muhammad und Tod vor dem seinen sind belegt bei Hadigah, Rayhanah bint Sayd und Zaynab bint Huzaynah - nimmt man an, dass sie nicht zu den Überlieferungen beitrugen.
Einer Gruppe von Muhammad s Frauen, den sieben Co- Frauen, sind jeweils weniger als 40 Hadite zuzurechnen (Sayeed 2005: 30/ 5-8, 51). Zu nennen wären an dieser Stelle
Zaynab bint Jahs, gestorben 20, 7 Hadite
Ramlah bint Abi- Sufyan, gestorben 44, 22 Hadite
Hafsah bint Umar, gestorben 45, 25 Hadite
Juwayriyah bint al- Harit, gestorben 50, 6 Hadite
Safiyyah bint Huyyay, gestorben 52, 8 Hadite
Sawdah bint Zam´ah, gestorben 54, 4 Hadite
und Maymunah bint al- Harit, gestorben 61, 37 Hadite.
Ummahat al- mu´minin „Mütter der Gläubigen“ (Sayeed 2005: 30/ 11- 12) hatten mehr Privilegien und einen höheren Status als andere Frauen. (Sayeed 2005: 30/ 9-13). Nicht nur durch die Überlieferungen, sondern auch durch eigenes Verhalten und handeln formten sie religiöses Wissen mit (Sayeed 2005: 30/ 13-16). Hier bei ist zu beachten, dass es strenge Umgangsregeln gab, mit denen der Umgang mit diesen Frauen für Männer belegt war (vgl. Sayeed 2005: 31), selbst wenn diese bei den Frauen ihr religiöses Wissen erweitern wollten; davon ausgenommen waren nur ihre Väter, Söhne, Brüder, Söhne der Brüder, Söhne der Schwestern, Frauen und ihre Sklaven (Sayeed 2005: 31/ 13-14).
In Anbetracht dieser ständigen Konfrontation mit sexuell konnotierten Möglichkeiten, Gefahren oder Sünden, die es durch diese Umgangsgebote zu verhindern galt, was sich unter anderem in der Begrenzung ihrer Arbeit in der Überlieferung durch ebendiese Richtlinien bemerkbar machte, ist es nicht verwunderlich, dass die Reinheit ein gewichtiges Thema bei diesem Kreis von Frauen zu sein schien: Maymunah erzählt in fast 10 Hadit en, wie sich Muhammad im Umgang mit ihr während ihrer Periode benahm und wie er sich rituell nach dem Geschlechtsverkehr reinigte (Sayeed 2005: 52/7-9). Auch viele Berichte von Ramlah und Zaynab gehören in diese Kategorie. Hafsah hingegen hält beispielsweise sozio- politische Angelegenheiten fest (Sayeed 2005: 52/ 9- 12). Weiterhin überschneiden sich die Hadit e dieser Frauen oft mit denen Aysah s und Umm Salamah s (Sayeed 2005: 52/ 9-12), welche die zwei bedeutendsten Autoritäten in der Überlieferung zu dieser Zeit darstellen, weshalb die Überlieferungen der anderen Frauen etwas in den Hintergrund gerückt sind.
2. 2
Auf Aysah bint Abi Bakr[2], gestorben 58, sind mit Abstand die meisten Hadit e zurückzuführen, nicht nur im Vergleich mit den anderen Frauen Muhammad s, sondern auch mit den meisten männlichen Überlieferern (Sayeed 2005: 29/ 21- 30/ 1); dies beläuft sich auf eine Anzahl zwischen 1500 und 2400 Hadite n (Sayeed 2005: 32/ 6). Dass Aysah eine bevorzugte Frau Muhammad s war (Sayeed 2005: 33/1), wirkte sich sicher auf ihre Autorität als Überlieferin der Hadith e aus (Sayeed 2005: 33/ 2). Weiterhin besaß sie einen „critical sense for their meanings and understandings (figh) of their legal implications” (Sayeed 2005: 33/ 16).
Ein weiterer Punkt, der zu ihrer Autorität beitrug, ist, dass sie die einzige muslimische Frau der frühen islamischen Zeit war, deren Ansichten über Regeln und Werte auf moderne Weise dokumentiert und analysiert wurden (vgl. Sayeed 2005: 35/ Z.1-3). Unter anderem bestätigten Masruq (vgl. Sayeed 2005: 34/ 3-5), gestorben 63, und al- Zuhri, gestorben 126, (vgl. Sayeed 2005: 34/ 12-15) Aisah ´s Autorität. Sie war schon bei ihren Zeitgenossen und in der Generation nach ihr anerkannt. Zwar waren ihre Argumentation und Begründungen nicht immer bei allen akzeptiert (vgl. Sayeed 2005: 38/39), aber ihre Anwesenheit in der rechtlichen Domäne war in solchem Maße präsent, dass andere Anhänger ihre Ansichten akzeptieren mussten (Sayeed 2005: 39/ 4- 6). Az- Zarkasi belegt Aysah s kritische und engagierte Persönlichkeit, die schnell falsche Tradierungen berichtigte und die Gemeinschaft auf Übereinstimmung mit Muhammads Richtlinien überprüfte. Dies zeigt Sayeed am Beispiel Abu Hurayrahs auf (vgl. Sayeed 2005: 36/ 9- 16).
2. 3
Fahitah bint Abi Talib, Alis Schwester, war eine der Frauen, die Muhammad heiraten wollte, was ihm aber aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen von deren Vater verwehrt wurde; später geschah dies weiterhin durch einen göttlichen Urteilsspruch, dass er nur die Cousinen heiraten durfte, die mit ihm nach Medina ausgewandert waren. Ihr werden 28 Überlieferungen bezüglich 13 verschiedener Themen zugesprochen. Das Besondere ihrer Tradierungen ist, dass sie sich hauptsächlich auf ein oder zwei Begegnungen mit Muhammad beziehen, deren einzige Zeugin sie war, als er sie am Eroberungstag in Mekka besuchte (vgl. Sayeed 2005: 66). Sie wird als die drittwichtigste Autorität in der frühen islamischen Zeit angesehen (Sayeed 2005: 69/ 5) und ist, wie Aysah, aufgrund ihrer Nähe zu Muhammad von großer Bedeutung.
Hind bint Abi- Umayyah, Umm Salamah, gestorben 59, hat die zweitgrößte Anzahl von Hadit en überliefert, man spricht von 175 bis 375 (Sayeed 2005: 32/ 8). Neben ihrer Abstammung aus dem einflussreichen Mahzumi Clan (vgl. Sayeed 2005: 44/ 1-6) trugen auch ihre erste Ehe mit Abu Salamah, gestorben 4, einem engen Gefolgsmann und einem der ersten zum Islam Konvertierten, sowie auch ihre Position im Haushalt des Propheten[3] (vgl. Sayeed 2005: 447/ 16-20) entscheidend zu ihrer Autorität in der Überlieferung bei. Sie leitete im Alltag sozusagen eine Gruppe von Frauen in ihrer aller Haushalt an, die entgegen Aysah s Ansichten gesinnt waren (vgl. auch Sayeed 2005: 45/ 23- 24, 48/ 16- 24), wie sich am folgenden Beispiel des Stillens Erwachsener zeigen lässt:
2. 4
Aysah war eine Frau, die am täglichen gemeinschaftlichen Leben aktiv teilnahm und sich auch nicht vor sexuell bezogenen Themen scheute (Sayeed 2005: 37/ 8- 10). Aysah war „devoted to Muhammad ´s precedent even in the face of overwhelming consensus against her“ (Sayeed 2005: 42/ 14- 15). Hierzu ist das Beispiel ihrer Meinung und Praktizierung dieser bezüglich des Stillens Erwachsener zur Herstellung von Verwandschaftbanden exemplarisch. Sie orientiert sich an dem Rat, den Muhammad einst der Sahlah bint Suhayl gab: Er erlaubte ihr, ihren Adoptivsohn Salim zu stillen, damit ihr Ehemann sich bei dessen Besuchen in seinem Haus nicht unwohl fühlen müsse, da dieser ja zuvor als erwachsener, nicht mit seiner Adoptivmutter verwandter Mann, kein Anrecht darauf hatte, in ihrer Gegenwart zu sein (Sayeed 2005: 14/ 10-14, 41/1-5). Zwar gab es Diskussionen darüber, welche Menge an Milch nun erforderlich sei, um Verwandtschaft zu bilden und ob dies tatsächlich der Fall sei, und wie viele Bezeuger des Vorgangs notwendig seien, dennoch war das Stillen Erwachsener zu dieser Zeit in islamischen Kreisen weit verbreitet und fungierte doch als verwandtschaftsbildende Substanz, was es den so miteinander verbundenen untersagte, sexuellen Kontakt zu haben. Aysah wandte diese Maßnahme nun an, um Männern, mit denen das Verbot dieses sexuellen Kontakts nicht schon durch das allgemeine Verwandtschaftsverständnis reglementiert war (siehe oben), es zu ermöglichen, bei ihr ihre Hadithkenntnisse zu erweitern (Sayeed 2005: 41/ 14- 42/ 4). Umm Salamah und die anderen Frauen lehnten dies im Gegensatz zu Aysah ab (Sayeed 2005: 42/ 5-6), waren somit allerdings in der Weitergabe ihrer Hadit e beschränkt.
Die stärkste Kluftenbildung zwischen Aysah und Umm Salamah fand bei der „Kamelschlacht (36)“ (Sayeed 2005: 48/ 21- 23) statt. Man könnte Aysah auch als Mutter der Sunniten und Umm Salamah als Mutter der Schiiten bezeichnen, da Umm Salamah Hadit e zugeschrieben werden, in denen der Prophet seine Vorliebe für Ali und seine Nachkommen deutlich macht und Aysah auf der anderen Seite steht (vgl. Sayeed 2005/ 48).
[...]
[1] Ali b. Abi Talib, Vetter Muhammad s und Ehemann Fatimah s wird sowohl in schiitischer als auch in sunnitischer Tradition berücksichtigt (Sayeed, 2005: 141).
[2] Erster der vier rechtgeleiteten Kalifen nach den Sunniten
[3] Zaynab bint Jahsh, Ramlah bint Abi Sufyan, Juwayriyah bint al- Harit und Maymunah bint al- Harit standen bei Auseinandersetzungen und Unstimmigkeiten auf Aishah s Seite.
- Citation du texte
- Carina Bauer (Auteur), 2007, Frauen in der Hadit-Überlieferung - fundamentale Glieder der Kette, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139537