Rembrandt und Rubens - Ein Vergleich


Dossier / Travail, 2006

22 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Aemulatio. Der Wettstreit der Künste
2.1 Der Übergang von Lastman zu Rubens

3. Die Idealkonkurrenz zu Rubens
3.1. Die Rubens-GmbH
3.2 Christus am Kreuz
3.3 Die Kreuzabnahme
3.4 Der Raub der Proserpina

4. Resümee

Bibliographie

1. Einleitung

In der Vergangenheit wurden Rembrandt und Rubens meist als Antipoden der niederländischen Kunst gegenübergestellt. Rubens, der berühmteste und erfolgreichste Maler seiner Zeit, war so angesehen, dass man ihn mit höchst delikaten diplomatischen Aufgaben betraute, die er recht erfolgreich erfüllte. Dafür wurde er in London, Brüssel und Madrid zum Ritter geschlagen und genoss die höchste Wertschätzung der europäischen Höfe. Seine Zeitgenossen beschreiben den flämischen Malerfürsten als sympathischen, lebenslustigen und überschwänglichen Menschen.

Rembrandt hingegen sei ein launischer, verschrobener Mann gewesen, der nicht mit Geld umgehen konnte und seine Geliebte ins Gefängnis einweisen ließ. Er galt als der Prototyp des unverstandenen Genies. Rubens stand für das katholische, spanische Reich; der fast eine Generation jüngere Rembrandt für das calvinistische, bürgerliche Holland.

Zur Untermauerung dieser Klischees wurden jedoch nicht nur die Biographien beider Maler zum Vergleich herangezogen. Man gewinnt den Eindruck, dass die Malstile beider Künstler verglichen wurden, um diese durch die Abgrenzung zum anderen besser beschreiben zu können. Bei diesem Vergleich ließ man jedoch meist das Frühwerk von Rembrandt außer acht, da man dies lediglich unter den Einfluss seines Lehrers Pieter Lastmans und seines Malerkollegen Jan Lievens glaubte.

Auf der einen Seite stand der katholische Rubens, der zum Meister der Sinne stilisiert wurde und mit seinen großformatigen Gemälden für barocke Lebensfreude steht, während Rembrandt mit seinem dunklen Kolorit und den kleinformatigen Bildern eher als protestantischer Erzieher der Seele galt. Die Wurzeln für diese Antipoden liegen sicherlich zum einen in der konfessionellen Erstarrung (verzuiling) des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und zum anderen in dem aufkommende Nationalismus des frühen 19. Jahrhunderts, der Rembrandt zur nationalen Symbolfigur erhob.[1]

Rembrandt selbst erwarb das Gemälde “Hero und Leander” von Rubens 1637 und zahlte dafür die stattliche Summe von 424,5 Gulden.[2] Das Ideal des höfischen Kreises war die flämische Kunst, die mit ihrer dekorativen Festlichkeit und ihrer verherrlichenden Dynamik auch einem protestantischem Statthalter entgegen kam. Um ein erfolgreicher Maler in Holland zu werden, musste sich folglich auch der junge Rembrandt den Regeln des Kunstmarktes beugen und sich mit dieser Kunst und somit auch mit deren Meister Rubens, auseinandersetzen. Im Folgenden soll diese Auseinandersetzung mit dem Vorbild des erfolgreichen Flamen konkret an vier Gemälden untersucht werden .

Diese Beispiele sollen schließlich Aufschluss darüber geben, warum Rembrandt bewusst in Konkurrenz zu Rubens trat und in welcher Art und Weise er sich dessen Motive bediente.

2. Aemulatio. Der Wettstreit der Künste

Der holländische Kulturhistoriker Johannes Huizinga behauptet 1940 in seinem "Homo Ludens", dass der Wettbewerb zwischen verschiedenen Teilnehmern, der zur Messung der Fähigkeiten des Einzelnen und dessen Anerkennung dient, ein wichtiger Aspekt zur Herausbildung von Kultur sei. Schon die Mythen und Legenden alter Kultur berichten von kreativen Wettbewerben. So fordert Arachne Athena zu einem Webwettbewerb heraus, Marsyas indessen behauptet besser zu musizieren als Apoll und wird für diese Hochmütigkeit von ihm grausam bestraft.

Wenn der Konkurrenzkampf zwischen einem lebenden Künstler und einem anerkannten Künstler der Vergangenheit, der nicht zwingend tot sein muss, im Vordergrund steht, so spricht man von aemulatio. Dass Rivalität ein wichtiger Faktor der Interaktion von Künstlern war und ist, zeigten schon Texte aus der Antike. Plinius d.Ä. zitierte in seiner "Naturalis Historia" eine griechische Schriftstelle, derzufolge Zeuxis eines Tages so täuschend echte Weintrauben gemalt habe, dass Sperlinge herbeigeflogen seien, um an den Früchten zu picken. Als er dies gesehen habe, habe Parrhasios in mit in sein Atelier genommen und ihn gebeten, den reich verzierten Vorhang vor einem Gemälde beiseite zu ziehen. Als Zeuxis bemerkte, dass der Vorhang ebenfalls gemalt war, habe er seinem Konkurrenten den künstlerischen Vorrang zuerkannt, da dieser einen Menschen und nicht Tiere, zu täuschen in der Lage gewesen sei.

In späteren Wettbewerben diente jedoch nicht nur der Illusionismus als Kriterium des Besseren, sondern auch verschiedene Herangehensweisen, Methoden und Techniken.

Die aemulatio in der Kunst ist ferner eng mit der Praxis des Kopierens verbunden. Junge Maler wurden dazu ermutigt die Werke älterer Meister zu kopieren, um von diesen bestimmte Herangehensweisen und Techniken zu erlernen.[3] Die aemulatio ist jedoch mit einer künstlerischen Rivalität, und somit dem Wunsch den anderen zu übertrumpfen, gleichzusetzen.

2.1 Der Übergang von Lastman zu Rubens

In der Leidener und ersten Amsterdamer Zeit orientierte sich Rembrandt noch vornehmlich an Pieter Lastman. Doch wird gegen 1630 deutlich, dass Rembrandt den Kreis seiner Konkurrenten erweitert, was u.a. sicherlich auch mit der schwindenden Bilderproduktion des kränkelnden Lastmans begründet werden kann. In den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts dominierte Pieter Lastman die Historienmalerei in Amsterdam. Der Dichter Joost van den Vondel stellte ihn sogar auf eine Stufe mit Rubens. Rembrandt übernahm nicht nur die Vorliebe für diese seltenen Sujets von Lastman, sondern griff dieselben auf und veränderte diese. "David mit dem Haupt Goliaths vor Saul" von 1627 zeigt (Abb. 1), dass dieser Übergang fließend war, da Rembrandt sich hier in der Bildfindung sowohl an Lastman als auch an Rubens orientierte. Die Szene basiert auf Samuel 17, 57-58 und war vor Rembrandt Bild nie Sujet eines Gemäldes gewesen. Wahrscheinlich hatte er es in einer Radierung von Maerten van Heemskerck gesehen.[4] Trotz der dargestellten eng zusammenstehenden Menschenmenge werden die drei Hauptpersonen des Geschehens schnell ersichtlich. In der Bildmitte ist der imposante, in prächtige Kleider gewandete Saul im Profil zu sehen, der sich nach rechts zu der knienden Figur des jungen Davids wendet, welcher den Kopf des Goliaths in den Armen hält. Zwischen beiden befindet sich ein in blau gekleideter Greis, der sich zu dem jungen Mann herabbeugt und von dem man annimmt, dass es sich um Samuel handelt. Hinter der Hauptgruppe steht eine Menschenmenge, inklusive eines jungen Mannes mit Rembrandts Gesichtszügen, der direkt hinter Samuel über die Schulter eines anderen in rot gekleideten Greises nach vorne blickt. Über den Köpfen ist ein Wald von Bannern, Lanzen und Speeren, die die Anwesenheit einer Armee suggerieren, zu sehen. Diese Anordnung wird am linken Vordergrund von der Figur auf dem Pferd im profil perdu und einer im Halbschatten pyramidal angeordneten Gruppe von Soldaten, die im tiefen Schatten liegt, gerahmt. Aus dieser Gruppe heraus ragt ein Speer, dessen Spitze auf einen Hund mit goldenem Halsband zeigt, der den Kopf des Goliath anbellt.

Aus der Komposition des Heerlagers geht eindeutig hervor, dass Rembrandt Lastmans Gemälde "Coriolanus und die römischen Frauen" von 1625 als Vorlage benutzte (Abb. 2), von dem Rembrandt eine Nachzeichnung besaß.[5] Pieter Lastman war für seine Fähigkeit bekannt, Darstellungen mit einer großen Figurenzahl in klarer Weise zu komponieren. Der Bildaufbau entspricht den Forderungen der zeitgenössischen Kunsttheoretiker, die diese an Historiengemälde stellten. Die Hauptperson musste deutlich zu erkennen sein, wohingegen die übrigen Personen zu einer Gruppe zusammengefasst wurden. Durch die Verwendung von Repoussoirs und Kulissenfiguren, die sich wiederum durch eine große Verschiedenheit in Mimik und Figurentypen unterscheiden, wird die Tiefe des Gemäldes hergestellt.

Auch in Rembrandts Gemälde finden sich diese Elemente wieder. David nimmt die gleiche Haltung an wie die knienden Frauen bei Lastman. Wie bei diesem befinden sich am linken äußeren Bildrand die Repoussoirfigur des Reiters, sowie die aufrechten Lanzen und der Baldachin im Hintergrund. Sie wurden hier von Rembrandt lediglich in eine andere Beziehung gesetzt und anders beleuchtet.[6]

Die Figur des König Sauls entlehnte Rembrandt wiederum der Lyoner "Anbetung der Könige" von Rubens, welche ihm durch einen anonymen Stich, der wiederum nach dem Stich von Lucas Vosterman gefertigt wurde, bekannt war (Abb. 3) . In Rubens' Gemälde kniet einer der Könige vor dem Christuskind, das seine Hand liebevoll auf den Kopf des Mannes legt. Diesem folgt ein weiterer König, auf dessen Haupt ein Turban sitzt und dessen Schleppe von einem Kind getragen wird. In der Vergangenheit wurde oft behauptet, dass Rembrandt sich in seinem "Selbstbildnis mit Pudel" von 1631 (Abb. 4) auf die rubenssche Figur des Dritten Königs bezog, der ebenfalls mit einem Turban bekrönt ist, eine Schärpe um die Taille trägt und seinen Arm in der Hüfte abstützt (Abb. 5).[7] Kristin Bahre hat jedoch herausgearbeitet, dass die Orientalendarstellungen dieser Zeit auf zwei unterschiedlich Bildtraditionen zurückgehen. Während Jan Lievens Darstellung eines Orientalen (Abb. 6) unbestreitbar auf den Stich von Vosterman nach Rubens basiert, der wiederum auf einer Zeichnung von Gentile Bellini zurückgriff, rezipiert Rembrandt in seinem Selbstbildnis, einen traditionsreichen, weitverbreiteten Standardtyp, der durch die Machtpose des majestätisch auf einem Herrscherstab gestützten vorgestreckten Armes, während der andere Arm in die Hüfte gestemmt ist, charakterisiert ist.[8]

Obwohl die Vorbilder Lastmans und Rubens deutlich in Rembrandts Gemälde "David mit dem Haupt Goliaths vor Saul" wiederzuerkennen sind, bleibt festzuhalten, dass Rembrandt sich lediglich auf die Motive bzw. die Komposition bezog, nicht jedoch auf die ikonographische Bedeutung, da er sie in einen völlig neuen Kontext setzte.[9]

3. Die Idealkonkurrenz zu Rubens

Seit Beginn der 1630er Jahre zeichnete sich eine neue Phase im Schaffen von Rembrandt ab, da zwar auch in der frühen Amsterdamer Zeit weiterhin Kompositionen entstanden, die von Lastman geprägt wurden, doch gleichzeitig schon ein deutlicher Wille zu dynamischeren Kompositionen zu erkennen sind. Grund für diese neue Tendenz ist fraglos der intensive Kontakt zu Constantijn Huygens und dem Hof in Den Haag. Huygens war Sekretär des Statthalters Frederik Henrik und darüber hinaus ein außerordentlich interessierter und talentierter uomo universalis. Er schrieb Gedichte, komponierte, zeichnete und war ein bedeutender Kunstliebhaber.[10] Frederik Henrik vertraute auf sein Urteil und ließ sich in Sachen Kunst von ihm beraten. Die erst im 19.Jahrhundert durch Worp veröffentlichte Biographie Huygens, die er zwischen 1629 und 1631 in lateinischer Sprache abgefasst hatte, gibt uns heute Auskunft über den damaligen Kunstgeschmack am holländischen Hof und dessen Sammlungspolitik. So schätze man bei den Historienmaler die Utrechter Malerschule mit Bloemaert, Honthorst, Ter Brugghen und Van Barburen. Das größte Lob erfährt jedoch Peter Paul Rubens, den Huygens als "een van de zeven wereldwonderen" bezeichnet. Dessen Gemälde fanden sich auch am Hofe von Frederik Henrik neben anderen international geschätzten Malern wie Van Dyck und Honthorst. Dass diese Kunstwerke vom Haager Hof sehr geschätzt wurden, zeigt vor allem deren prominente Aufhängung über dem Kamin in den wichtigsten Räumen der Residenz im Haag und im Palast von Nordeinde.[11]

Huygens, der Rembrandt und dessen Kollegen Lievens wahrscheinlich 1628 in Leiden besuchte, erkannte das Talent der beiden jungen Maler schnell und würdigte sie in seiner Autobiographie in einer Passage, die der Lobpreisung des Rubens folgt, als zwei der wohl talentiertesten Maler ihrer Generation. Nach seiner Meinung kommen sie ihren berühmten Zeitgenossen gleich und werden diese bald übertreffen. Laut Huygens zeichne sich Jan Lievens v.a. durch seinen Erfindungsreichtum und seine kühnen Themen und großformatigen Kompositionen aus, während Rembrandt in kleinformatigen Bildern ein höchste emotionale Dichte und individuelle Ausdrucksweise erzeuge.

Es wird wohl auch Huygens gewesen sein, der Lievens und Rembrandt dazu ermutigte, sich mit den großen Künstlern der Zeit zu messen.[12]

[...]


[1] MANUTH, Volker: Mit Verlaub, bist du Mennonit, Papist, Arminianer oder Geuse? Kunst und Kofession bei Rembrandt. S. 51-63, in: Ausst. Kat. Berlin, Gemäldegalerie, 2006: Rembrandt. Genie auf der Suche, S. 51.

[2] SCHAMA, Simon: Rembrandts Augen. Berlin 2000, S. 405.

[3] TEN-DOESSCHATE CHU, Petra: Competition. in: http://www.groveart.com (26.10.2006).

[4] TÜMPEL, Christian: Rembrandt. Mythos und Methode. Königstein im Taunus 1986, S. 49.

[5] Vgl. TÜMPEL 1986, S. 49.

[6] BRYUN, Josua., HAAK, Bob, Levie, Simon H., VAN THIEL, Pieter J. J., VAN DE WETERING (Hrsg.): A Corpus of Rembrandt Paintings 1625-1631. Bd. 1. Den Haag, Boston, London 1982, S. 134.

[7] Vgl. SCHAMA 2000, S. 306.

[8] BAHRE, Kristin: Orientalisierende Motive im Werk Rembrandts. S. 129-143, in: Ausst. Kat. Berlin, Gemäldegalerie, 2006: Rembrandt. Genie auf der Suche, S. 132-133.

[9] Vgl. RRP Corpus 1982, S. 134.

[10] NAKAMURA, Toshiharu: Rembrandt's Blinding of Samsan: A Work for Arstic Emulation with Rubens? S. 123-138, in: KOFUKU, Akira (Hrsg.): Rembrandt and Dutch History Painting in the 17th Century. Tokio 2003, S 124.

[11] GROHÉ, Stefan: Rembrandts mythologische Historien. Köln 1996, S. 46-48.

[12] Vgl. NAKAMURA 2003, S. 124-126.

Fin de l'extrait de 22 pages

Résumé des informations

Titre
Rembrandt und Rubens - Ein Vergleich
Université
University of Cologne  (Institut für Kunstgeschichte)
Cours
Rembrandt
Note
1,0
Auteur
Année
2006
Pages
22
N° de catalogue
V139648
ISBN (ebook)
9783640498765
ISBN (Livre)
9783640498895
Taille d'un fichier
482 KB
Langue
allemand
Mots clés
Rembrandt, Rubens, Vergleich
Citation du texte
Ilka Dischereit (Auteur), 2006, Rembrandt und Rubens - Ein Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139648

Commentaires

  • invité le 11/11/2017

    Etliche Rechtschreibfehler und der Schwerpunkt liegt eher auf den Arbeiten Rembrands. Ein guter Vergleich sieht anders aus, das war die 13 € definitv nicht wert.

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