Die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund im Bildungssystem

Ein Vergleich zwischen Deutschland und Kanada


Hausarbeit, 2009

33 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Die Bedeutung von Integration, Migration und Bildung

2. Migrationsgeschehen und –politik
2.1. Deutschland
2.2. Kanada

3. Darstellung der Schulsysteme
3.1. Deutschland
3.2. Kanada

4. Migrantenkinder und -jugendliche im deutschen und kanadischen Bildungssystem
4.1. Deutschland
4.1.1. Zahlen
4.1.2. Bildungsstand und Bildungsbeteiligung
4.1.3. Schülerleistungen
4.1.4. Erklärungsansätze für das schlechte Abschneiden von Migrantenkindern im deutschen Bildungssystem
4.1.4.1. Fehlendes kulturelles Kapital
4.1.4.2. Institutionelle Diskriminierung
4.1.5. Einschätzungen aus dem In- und Ausland
4.1.6. Fördermaßnahmen für Migrantenkinder und -jugendliche
4.1.7. Positivbeispiele
4.2. Kanada
4.2.1. Zahlen
4.2.2. Bildungsstand und Bildungsbeteiligung
4.2.3. Schülerleistungen
4.2.4. Erklärungsansätze für das hohe Bildungsniveau der Einwandererkinder
4.2.5. Fördermaßnahmen für Migrantenkinder und -jugendliche
4.2.6. Die Integrationsleistungen des Toronto District School Board

5. Ländervergleich

Literatur

Einleitung

Die Idee für die folgende Arbeit entstand während meines Praktikums in der Bertelsmann Stiftung im Sommer 2008. Ich war im Projekt zum Carl Bertelsmann-Preis beschäftigt, mit dem die Stiftung jährlich innovative Konzepte und nachahmenswerte Lösungsansätze für aktuelle gesellschaftliche Probleme auszeichnet. Das Thema des Preises 2008 lautete Integration braucht faire Bildungschancen, Schwerpunkt war die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Bildungssystem. Gewinner des mit 150.000 Euro dotierten Preises wurde der Toronto District School Board (TDSB), die lokale Schulbehörde Torontos. Der TDSB wurde damit für seine vorbildlichen Integrationsleistungen geehrt. Nicht nur Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund, sondern alle Kinder finden dort Chancengleichheit und Teilhabegerechtigkeit vor, denn diese sind bereits im Leitbild der Behörde festgeschrieben. Hinzu kommt, dass Kinder von Einwanderern in Kanada nahezu gleich gute Leistungen wie ihre einheimischen Gleichaltrigen erbringen.

Ein Vergleich der Realisierung von Integration durch Bildung in Deutschland und Kanada ist Thema der vorliegenden Arbeit. Die zentrale Fragestellung ist dabei, inwiefern die Bundesrepublik im Hinblick auf bessere Integrationschancen von Migranten im Bildungssystem von den kanadischen Erfahrungen und Lösungsansätzen profitieren könnte. Der Fokus der Arbeit bleibt dabei durchgehend auf Deutschland, die Verhältnisse in Kanada sollen lediglich als Vergleichswerte dienen.

Im ersten Kapitel soll zunächst die Bedeutung von Integration und Bildung dargestellt werden. Hierbei wird der Frage nachgegangen, was unter Integration zu verstehen ist und weshalb entsprechende Bemühungen gerade im Bildungssystem so wichtig sind. Das zweite Kapitel bietet anschließend einen kurzen Überblick über das Migrationsgeschehen und die Migra-tionspolitik in Deutschland und Kanada, während im dritten Kapitel die Bildungssysteme beider Länder vorgestellt werden. Im vierten und für die oben genannte Fragestellung zentralen Kapitel wird jeweils gesondert die Situation von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund in beiden Staaten beschrieben. Dabei werden internationale Schüler-leistungsstudien herangezogen und unterschiedliche Erklärungsansätze für deren Ergebnisse betrachtet. Neben einem Überblick über die Fördermaßnahmen für Migrantenkinder und -jugendliche in beiden Ländern wird im Kanada-Kapitel der Gewinner des Carl Bertelsmann-Preises nochmals gesondert im Hinblick auf seine Integrationsleistungen vorgestellt. Nachdem in Kapitel 5 beide Länder miteinander verglichen werden, soll im abschließenden Fazit die Frage beantwortet werden, was und wie Deutschland von Kanada lernen könnte.

In der gesamten Arbeit schließt die männliche Form von Personenbezeichnungen die weibliche mit ein. Der Lesbarkeit halber erfolgt die weibliche Bezeichnung (Schülerinnen, etc.) nur teilweise.

1. Die Bedeutung von Integration, Migration und Bildung

Den engen Zusammenhang zwischen Integration und Bildung hat inzwischen auch die deutsche Politik erkannt. Im Nationalen Integrationsplan der Bundesregierung heißt es auf Seite 62:

„Für die soziale Integration von Migrantinnen und Migranten haben die Bereiche Bildung und Erziehung, Ausbildung und Arbeit sowie Familie eine wesentliche Bedeutung. Das Gelingen oder Misslingen der Integration in diesen Kernbereichen beeinflusst die Integrationschancen von Menschen mit Migrationshintergrund insgesamt und damit ihre Lebenschancen.“

Dies bezieht sich auf die Definition von Integration als „Realisierung von Lebens-chancen“ nach Bommes (2004: 34). Damit ist die Gewährung gleichberechtigter Teilhabe-chancen an zentralen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens wie Arbeit, Recht, Gesundheit, Wohnen und eben auch Bildung gemeint.

Nach Heckmann (2001: 343f.) lässt sich der Integrationsbegriff in Anlehnung an Gordon (1964), Alba und Nee (1996) wie auch Esser (1990) zudem in kulturelle, strukturelle, soziale und identifikatorische Integration unterteilen. Kulturelle Integration meint dabei bestimmte Lernprozesse, die für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben notwendig sind, vor allem das Erlernen der Sprache des Aufnahmelandes. Strukturelle Integration bedeutet den Zugang zu Positionen und Status in der Gesellschaft, zum Beispiel die Eingliederung in den Arbeits-markt. Unter sozialer Integration ist das Eingehen von Beziehungen zwischen Migranten und Nicht-Migranten zu verstehen, bspw. Freundschaften oder Eheschließungen. Identifikato-rische Integration beschreibt ein subjektives Zugehörigkeitsgefühl zur Aufnahmegesellschaft bzw. dem Wohnort. Wenngleich Integration also sehr stark Veränderungsprozesse auf Seiten der Einwanderer beschreibt, bezieht sie sich ebenso auf Wandlungen der Aufnahme-gesellschaft durch den Einfluss der Migranten. (ebd.)

Findet Integration nicht statt, kann das erhebliche Folgen nach sich ziehen. Die von der Bertelsmann Stiftung in Auftrag gegebene Studie des Instituts BASS ergab Anfang 2008, dass sich die Kosten der unzureichenden Integration von Migranten für den deutschen Staat jährlich auf ca. 16, 3 Mrd. Euro belaufen. (Fritschi und Jann 2008: 35) Diese Zahl ist lediglich auf Personen mit Migrationshintergrund[1] im erwerbsfähigen Alter bezogen, ansonsten läge sie wahrscheinlich noch höher, da davon auszugehen ist, dass andere Altersgruppen ebenfalls unzureichend integriert sind. (ebd.: 34) Nach den Kriterien dieser Studie[2] sind nur 28 Prozent der Zuwanderer in Deutschland als bildungsintegriert zu bezeichnen, 61 Prozent gelten dagegen als weniger integriert. (ebd.: 21)

Eine geringe Integration im Bildungswesen zieht diverse Anschlussprobleme nach sich und wirkt sich vor allem auf die Beschäftigungschancen aus. (Konsortium Bildungsbericht-erstattung 2006: 182) 2007 waren 75 Prozent der erwerbsfähigen Personen ohne im Vergleich zu 68 Prozent der Personen mit Migrationshintergrund erwerbstätig. (Beauftragte der Bundesregierung 2007: 85) Noch deutlicher werden die Unterschiede, wenn man die Quali-fikationen der Erwerbspersonen betrachtet. Von den Erwerbstätigen mit Migrationshinter-grund haben 36 Prozent keinen Berufsabschluss - mehr als dreimal so viele wie bei den Personen ohne Migrationshintergrund (11%) (ebd.: 93) Auch bei der Art der Qualifikationen gibt es deutliche Abweichungen. (ebd.)

Eine geringe kulturelle Integration (Bildung) zieht also häufig eine ebenfalls geringe strukturelle Integration (Arbeitsmarkt, Status) nach sich. Weitere Folgen für die soziale und identifikatorische Integration sind zu befürchten. Bade (2008) beschreibt bspw. die Möglich-keit der Störung des sozialen Friedens durch benachteiligte Jugendliche, die sich als „soziale Verlierer“ (ebd.: 175) fühlen und ggf. in aggressiver Form gegen die Mehrheitsgesellschaft richten, wie es etwa 2005 in den französischen Vorstädten geschah. Integrationsförderung im Bildungsbereich ist also eine Notwendigkeit nicht nur im Interesse der Migranten, sondern auch der Gesamtgesellschaft. (ebd.: 176)

Umgekehrt wird die Bedeutung der Migration für das Bildungssystem deutlich, wenn man den hohen Anteil der Personen mit Migrationhintergrund in der für das Bildungssystem relevanten Altersgruppe betrachtet. Hier ist besonders die Altersgruppe der unter 25-Jährigen von Bedeutung, von denen mehr als ein Viertel (27,2%) einen Migrationshintergrund hat. Diese Tatsache stellt das Bildungssystem vor eine große Herausforderung und macht deutlich, dass gezielte Integrations- und Fördermaßnahmen von enormer Wichtigkeit sind. (Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 142)

2. Migrationsgeschehen und –politik

2.1. Deutschland

Die Bundesrepublik Deutschland entwickelte sich Mitte des 20. Jahrhunderts von einem Auswanderungsland zu einem der wichtigsten Einwanderungsländer Europas. Ab Mitte der 1950er Jahre wurden zur Kompensation des Arbeitskräftemangels nach dem Zweiten Welt-krieg so genannte ‚Gastarbeiter’ aus dem Ausland angeworben. Diese kamen vorrangig aus Italien, Spanien, Jugoslawien und der Türkei. Zur Zeit des Anwerbestopps 1973 lebten 2,6 Millionen ausländische Arbeitnehmer in der Bundesrepublik. Ursprünglich sollten sie nach einem Aufenthalt von wenigen Jahren das Land wieder verlassen, de facto traf dies jedoch nur für einen Teil von ihnen zu. Viele holten ab den 1970er Jahren ihre Familienangehörigen nach und richteten sich auf einen dauerhaften Aufenthalt in Deutschland ein. (Özcan 2007: 2)

Eine weitere Einwanderergruppe sind die so genannten (Spät)aussiedler aus Mittel- und Osteuropa, die bereits seit den 1950er Jahren, verstärkt aber ab Ende der 1980er Jahre in die Bundesrepublik immigrierten. Von 1988 bis 2005 kamen auf diesem Weg etwa drei Millionen Personen, wobei ihre Zahl seit Mitte der 1990er Jahre kontinuierlich zurückgeht. (ebd.: 2f.) Im Jahr 2006 zogen nur noch 7.626 Spätaussiedler und deren Angehörige nach Deutschland, die meisten von ihnen aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. (Bundesministerium des Innern 2007: 51)

Etwa zur gleichen Zeit wie die Aussiedler, Mitte der 1980er bis Anfang der 1990er Jahre, erreichte auch die Zahl der Asylbewerber mit 1,1 Millionen ihren Höhepunkt. Seit dem so genannten Asylkompromiss von 1993, der Personen aus sicheren Herkunftsstaaten die Anerkennung ebenso verweigert wie Personen, die aus einem sicheren Drittstaat einreisen, ist die Zahl der Asylbewerber erheblich zurückgegangen. (Özcan 2007: 2f.) 2006 waren es nur 21.029. Die Hauptherkunftsländer waren Irak, Türkei, Serbien und Montenegro, Russische Föderation, Vietnam, Iran, Syrien, Libanon, und Afghanistan. Die Anerkennungsquote lag bei 0,8 Prozent. (Bundesministerium des Inneren 2007: 90ff)

Der Wanderungssaldo, also der Überschuss an Zuzügen nach Deutschland, lag im Jahr 2006 bei 22.791. (ebd.: 16) Der größte Teil der Zuwanderer (72,5%) stammte aus Europa. Die Zuwanderung aus Drittstaaten geschah zu 28 Prozent im Rahmen des Familiennachzugs und ist auf einen dauerhaften Aufenthalt angelegt. Der Großteil dieses Personenkreises stammte aus der Türkei. Weitere Aufenthaltszwecke sind Studium oder Beschäftigung sowie zum geringeren Anteil humanitäre Gründe. (ebd.: 30f.) Weiterhin reisten im selben Jahr 80 Hochqualifizierte nach Deutschland ein, die Mehrheit von ihnen stammte aus den USA. Die geringe Zahl dieser Personen lässt sich sehr wahrscheinlich vor allem auf das Haupt-zugangskriterium, ein Jahresgehalt von mindestens 85.500 Euro, zurückführen. (ebd.: 81f.) Diese Summe ist inzwischen auf 63.600 Euro gesenkt worden. (Bundesministerium für Arbeit und Soziales 2008)

Insgesamt lebten 2006 7,2 Millionen Ausländer in Deutschland. (ebd.: 157) Die Einwanderer-bevölkerung insgesamt jedoch, bei der man nicht mehr nur nach Staatsangehörigkeit differen-ziert, wird unter dem Begriff Personen mit Migrationshintergrund zusammengefasst. Dies betrifft 15,3 Millionen Menschen bzw. 19 Prozent der Bevölkerung. Dabei handelt es sich entweder um selbst eingewanderte Personen (erste Einwanderergeneration) oder um deren Nachkommen (zweite bzw. dritte Generation). (ebd.: 170ff)

Die Tatsache, dass sich die Bundesrepublik zu einem Einwanderungsland entwickelt hatte, wollte man in der Politik jahrzehntelang nicht wahrhaben, so dass Einbürgerungen in größerer Zahl erst mit der Reformierung des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2000 und verstärkte Integrationsbemühungen von Seiten des Bundes erst mit dem Zuwanderungsgesetz 2005 ihren Anfang nahmen. (Bade 2006) Daher ist die nachholende Integrationsförderung heute die wichtigste Säule der Integrationspolitik, denn es gilt viele Versäumnisse aus der Vergangen-heit wettzumachen. (Bade 2008: 173)

2.2. Kanada

Kanada gilt als so genanntes klassisches Einwanderungsland, das seit seiner Gründung etwa 16 Millionen Menschen aufgenommen hat. Bereits 1889 wurde dort das erste Einwanderungs-gesetz erlassen mit dem Ziel der Besiedelung des kanadischen Westens durch Einwanderer aus Europa. Nichteuropäer waren aufgrund ihrer als andersartig wahrgenommenen Kulturen keine Zielgruppe. Erst ab den 1960er Jahren veränderte sich die eurozentrische Einwan-derungspolitik hin zu einer gesteuerten Zuwanderungspolitik für qualifizierte Arbeitskräfte unabhängig von ihrer Herkunft. Bereits 1967 wurde das für viele andere Staaten als Vorbild geltende Punktesystem zur Auswahl fähiger Migranten eingeführt, in dem unter anderem Kriterien wie Bildung, Sprachkenntnisse und Berufserfahrung den Ausschlag für die Einreise-genehmigung geben. (Elrick 2007: 1ff)

Das Einwanderer- und Flüchtlingshilfegesetz erlaubt neben qualifizierten Arbeitnehmern auch Familienangehörigen sowie Flüchtlingen zu einem gewissen Prozentsatz die Einwanderung. So umfasste die Gruppe der so genannten Wirtschaftsimmigranten 2007 insgesamt zwar 55,4 Prozent der Migranten, tatsächlich nach dem Punktesystem ausgewählte Personen als Haupt-antragsteller machten jedoch nur 17,4 Prozent der Einwandererbevölkerung aus. Ein großer Teil der Anderen setzte sich aus deren direkten Angehörigen zusammen. Flüchtlinge waren 11,8 Prozent. (ebd.: 2ff.; Citizenship and Immigration Canada 2008: 8) In Kanada zählen nur Menschen, die selbst eingewandert sind, als Einwanderer. Ihr Anteil beträgt 19,1 Prozent der Bevölkerung. Die meisten von ihnen leben in den Provinzen Ontario (47%), British Columbia (16,5%) und Quebec (19,1%) und dort vor allem in den Metropolen Toronto, Vancouver und Montreal. Seit den 1960er Jahren haben sich, wie bereits erwähnt, die Herkunftsländer der Migranten von Europa nach Asien sowie Süd- und Mittelamerika als auch Afrika verschoben. 2007 waren die wichtigsten Herkunftsländer China, Indien, die Philippinen, USA, Pakistan, Großbritannien, Iran, Südkorea und Frankreich. Abgesehen von den qualifizierten Arbeitnehmern, die nach dem Punktesystem ausgewählt wurden, hatten daher im Jahr 2005 über 30 Prozent der Einwanderer keine ausreichenden Kenntnisse der Amtssprachen Englisch bzw. Französisch. (Elrick 2007: 4f.; Citizenship and Immigration Canada 2008: 30)

Dennoch – oder gerade wegen dieser Herausforderungen – ist die kanadische Integrations-politik im internationalen Vergleich als vorbildlich anzusehen. Die Staatsbürgerschaft etwa ist für Einwanderer leicht zu erlangen; im Jahr 2001 waren 70 Prozent der Migranten einge-bürgert. (ebd.: 6) 1971 bekannte sich Kanada als erstes Land zum Multikulturalismus; 1988 wurde ein entsprechendes Gesetz, der Canadian Multiculturalism Act, erlassen. Darin wird die Anerkennung und Wertschätzung von Vielfalt festgeschrieben und die Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung gefordert. Daraus folgte eine Vielzahl von Programmen zur Förderung des Multikulturalismus in Schulen, sozialen Einrichtungen, etc. sowie zur Förde-rung der aktiven Teilhabe von Einwanderern am öffentlichen Leben. (ebd.: 7; Department of Justice Canada)

3. Darstellung der Schulsysteme

3.1. Deutschland

Das Bildungssystem der Bundesrepublik Deutschland beginnt mit dem Kindergarten und endet im Bereich der Weiterbildung. Im Folgenden liegt jedoch der Fokus auf dem Schul-system, so dass das Hochschulwesen sowie der Bereich Weiterbildung nicht näher beschrie-ben werden.

Da die Kulturhoheit und somit die Gesetzgebungsbefugnis bei den Bundesländern liegt, können Teile des Schulwesens in den einzelnen Ländern unterschiedlich gestaltet sein. Allerdings folgen sie alle einem Grundgerüst, das vom Bund festgelegt wird und für alle Länder gilt. (KMK 2008: 32) Dieses gliedert sich wie folgt (vgl. Abb. 1):

Der Elementarbereich umfasst vorschulische Einrichtungen wie Kindergärten und ähnliche Institutionen (Schulkindergärten, Vorklassen) für Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren. Der Besuch dieser Einrichtungen ist in der Regel freiwillig. (ebd.: 34) Zur Finanzierung werden im Gegensatz zum kostenlosen Schulbesuch nach Einkommen gestaffelte Eltern-beiträge erhoben; in einigen Ländern ist seit jüngster Zeit das letzte Kindergartenjahr beitrags-frei. (Avenarius et al. 2007: 62)

Mit Erreichen des schulpflichtigen Alters, nach Vollendung des sechsten Lebensjahres, treten die Kinder in eine – der Vorgabe nach - für alle Schülerinnen und Schüler gleiche[3] Grund-schule ein. In der Regel umfasst der Primarbereich die Jahrgangsstufen von 1 bis 4 und ist im Gegensatz zum Elementarbereich verpflichtend. Für Kinder mit speziellem Förderbedarf gibt es unterschiedliche Typen von Sonder- bzw. Förderschulen. Diese spezielle Förderung setzt sich auch im Sekundarbereich fort. (KMK 2008: 34)

Der Übergang vom Primar- in den Sekundarbereich, ist höchst selektiv und spielt daher eine große Rolle für den weiteren Bildungsverlauf. Am Ende der Grundschulzeit entscheidet sich, welche weiterführende Schule die Schülerinnen und Schüler bis zum Ende der allgemeinen Schulpflicht besuchen werden bzw. welchen Bildungsweg sie zukünftig einschlagen werden. Als Grundlage für die Entscheidung für eine der weiterführenden Schulformen dient das Empfehlungsschreiben der Grundschule. Entscheidend ist hierbei vor allem die Erfüllung der vorausgesetzten Leistungskriterien sowie die Kapazität der gewünschten weiterführenden Schule. Nach einer Beratung der Eltern entscheiden entweder die Eltern selbst oder die Schule bzw. die Schulaufsicht über den weiteren Bildungsverlauf der Kinder. (ebd.: 34; 116) Hierbei sind große soziale Unterschiede zu beobachten: Je höher der soziale Status der Familie, desto höher ist auch die Chance der Kinder, ein Gymnasium bzw. eine Realschule zu besuchen und Haupt- und Sonderschulen zu vermeiden. (Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 49f.)

Der Sekundarbereich wird in zwei Bereiche unterteilt. Zum einen in den Sekundarbereich I, die so genannte Mittelstufe, zum anderen in den Sekundarbereich II, die so genannte Ober-stufe. Die Sekundarstufe I umfasst verschiedene Schulformen. In der Regel spricht man von einem dreigliedrigen System, das die Hauptschule, die Realschule sowie das Gymnasium umfasst. Allerdings existieren heute in fast allen Ländern auch Gesamtschulen, welche die drei anderen Formen bündeln, innerhalb der Schule jedoch ebenso differenzieren. Darüber hinaus gibt es diverse länderspezifische Schulformen, bei denen die Bildungsgänge der Haupt- und Realschule organisatorisch zusammengefasst werden. Die Sekundarstufe I endet nach dem 10. Schuljahr mit dem Erwerb des Hauptschulabschlusses bzw. der mittleren Reife. Bei guten Leistungen erhalten die Schülerinnen und Schüler die mittlere Reife mit einem Qualifikationsvermerk, der zum Eintritt in die Oberstufe berechtigt. (KMK 2008: 34ff.; 107ff.) Wechsel zwischen den verschiedenen Schultypen sind zu 60 Prozent Abstiege in eine niedrigere Schulform und nur zu 20 Prozent Aufstiege in eine höhere[4]. (Konsortium Bildungs-berichterstattung 2006: 51)

Die Sekundarstufe II umfasst zum einen die berufsbildenden Schulen, bestehend aus der Kombination von betrieblicher und schulischer Berufsausbildung, der Berufsfachschule, der Fachoberschule, zum anderen aber auch allgemein bildende Schulen wie die gymnasiale Oberstufe. Wie im Bereich der Sekundarstufe I gibt es auch in diesem Bereich länder-spezifische Schulformen wie das Berufskolleg, die Berufsoberschule oder das Berufliche Gymnasium bzw. Fachgymnasium. Die Sekundarstufe II endet je nach Bundesland und Abschlussart nach dem 12. oder 13. Schuljahr. Ein erfolgreicher Abschluss der Oberstufe berechtigt zum Eintritt in den tertiären Bereich. (KMK 2008: 34ff.; 110ff.)

[...]


[1] Der Begriff „Personen mit Migrationshintergrund“ schließt Ausländer ein, umfasst aber auch bestimmte Teile der Bevölkerung mit deutscher Staatsangehörigkeit, die einen persönlichen bzw. familiären Migrationshinter-grund haben.

[2] Eine Person sollte mehr als neun Jahre Bildung absolviert haben und mindestens über einen Hauptschul-abschluss verfügen. Mindestens zwei Jahre Bildung sollten in Deutschland erfahren worden sein.

[3] Dass Grundschulen de facto nicht gleich sind, sondern je nach Standort, sozialer und ethnischer Herkunft der Schülerschaft sowie pädagogischem Profil sehr unterschiedliche Arbeit leisten, was sich auch stark auf die Übergänge in weiterführende Schulen auswirkt, beschreibt eindrücklich Radtke (2004: 164ff.).

[4] Bei den restlichen 20 Prozent handelt es sich um Wechsel, die nicht als Auf- oder Abwärtsbewegung gezählt werden können, z.B. zwischen der Gesamtschule und Schulen des dreigliedrigen Bildungssystems. (Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: 51)

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund im Bildungssystem
Untertitel
Ein Vergleich zwischen Deutschland und Kanada
Hochschule
Universität Osnabrück  (Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien)
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
33
Katalognummer
V139892
ISBN (eBook)
9783640500703
ISBN (Buch)
9783640500574
Dateigröße
659 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Integration, Migrantenkinder, Bildungssystem, Kanada
Arbeit zitieren
Denise Roellig (Autor:in), 2009, Die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund im Bildungssystem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139892

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