Freistellung von Wettbewerbsbeschränkungen aufgrund berechtigten Interesses und institutioneller Vorgegebenheiten

Fortgeltung der entwickelten Aspekte nach der 7. GWB Novelle


Seminararbeit, 2007

59 Seiten, Note: 9 Punkte


Leseprobe


Inhalt

A. Einleitung

B. Hauptteil
I. Die unter dem Aspekt des „berechtigten“ bzw. „anzuerkennenden Interesses“ freigestellten Wettbewerbsbeschränkungen nach § 1 GWB a.F.
1. Vorbemerkungen
2. Exkurs: Immanenztheorie – Die Sicht der Literatur
3. Die Rechtssprechungspraxis
a) „Bedside-Testkarten“
b) „Druckgussteile“
c) „Solelieferung“
d) „Subunternehmer“
e) „Verbundnetz II“
f) „OLG-Naumburg“
4. Resümee zur Freistellung vom Verbot des § 1 GWB a.F. anhand eines „anzuerkennenden Interesses“ (= berechtigen Interesses)
II. Die unter dem Aspekt der „institutionellen (Vor-) Gegebenheiten freigestellten Wettbewerbsbeschränkungen nach § 14 GWB a.F.
1. Der Handelsvertretervertrag
a) “EH-Partner“ und die Folgen
b) „OLG-München“
2. Kommissionsagent und Kommissionär
> „Zahnersatz aus Manila“
3. Exkurs: Franchising
a) Die Meinung der Literatur
b) „Sixt“ = „Preisbindung durch Franchisegeber I“
c) „Apollo-Optik“ = Preisbindung durch Franchisegeber II“
d) Resümee
4. weiter Fallgruppen der Freistellung – Erweiterung des Anwendungsbereichs der „institutionellen Gegebenheiten“
a) „context“
b) „Bundeswehrheim“
c) „Zahnersatz aus Manila“
5. Resümee zur Ausnahme auf Grundlage institutioneller (Vor-) Gegebenheiten
III. Fortgelten der Kriterien des anzuerkennenden Interesses und der institutionellen Gegebenheiten auf Wettbewerbsbeschränkungen gemäß § 1 GWB ?
1. Das System der Freistellung nach § 2 GWB
2. Die 7. GWB-Novelle und die Freistellung auf Grundlage „anzuerkennenden Interesses“
3. Kurzresümee zum Merkmal „anzuerkennendes Interesse“
4. Die Freistellung vom Verbot des § 1 GWB gemäß § 2 GWB – Berücksichtigung „institutioneller Gegebenheiten“?
a) Absatzmittlungsverhältnisse
b) Exkurs: Franchising und VO 2790/1999
c) Sonstige aufgrund institutioneller Gegebenheiten freigestellten Wettbewerbsbeschränkungen – Freistellung nach“ neuem“ Recht
5. Kurzresümee zum Merkmal „institutionellen Gegebenheiten“
6. Resümee zur Fortgeltung der Freistellungskriterien vom „anzuerkennenden Interesse“ und den „institutionellen Gegebenheiten“ nach der 7. Novelle

C. Konklusion

A. Einleitung

Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) ist es, wirksamen und freien Wettbewerb zu schaffen und zu erhalten.

Daher verbietet das GWB Beschlüsse, Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen, die den Wettbewerb beschränken.

In manchen Fallkonstellationen scheint es aber sachgemäß, bestimmte Wettbewerbsbeschränkungen freizustellen oder von vornherein auszunehmen.

Manchen Rechtsverhältnissen gehen gezwungenermaßen Beschränkungen des Wettbewerbs einher. Um diese nicht in ihrer Funktionsfähigkeit zu behindern oder sie vollständig funktionsunfähig zu machen haben Literatur und Rechtssprechung Ansätze entwickelt um einen angemessenen Ausgleich zu schaffen.

Hauptsächlich handelte es sich dabei um das Merkmal des „anzuerkennenden Interesses“ für horizontale Beschränkungen und um eine Ausnahme vom Verbot vertikaler Beschränkungen aufgrund „institutioneller Gegebenheiten“.

Im Zuge der Harmonisierung des deutschen Kartellrechts mit dem EG-Gemeinschaftsrecht erfasst § 1 GWB nun sowohl horizontale als auch vertikale Beschränkungen.

Ob nun die Überlegungen, welche zu den Kriterien „anzuerkennendes Interesse“ und „institutionelle Gegebenheiten“ auf den neuen § 1 GWB Anwendung finden, soll in dieser Arbeit erörtert werden.

Dazu wird in den ersten beiden Kapiteln die Entwicklung und Anwendung der Kriterien anhand der Rechtsprechungspraxis und der Literaturmeinungen dargestellt und erörtert.

Im dritten Kapitel wird dann erläutert, wie sich die Novellierung des GWB auf die Anwendung auswirken.

B. Hauptteil

I. Die unter dem Aspekt des „berechtigten“ bzw. „anzuerkennenden Interesses“ freigestellten Wettbewerbsbeschränkungen nach § 1 GWB a.F.

1. Vorbemerkungen

Vor Inkrafttreten der 6. GWB Novelle am 01.01.1999 mussten Wettbewerbsbeschränkungen „zu einem gemeinsamen Zweck“ geschlossen sein, um dem Verbot des § 1 GWB a.F. zu unterliegen.

Mit Einführung der 6. Novelle wurde das Merkmal des „gemeinsamen Zwecks“ durch den Passus „zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen“ ersetzt.

Durch diesen Austausch sollten und sind keine sachlichen Änderungen der Tatbestandsvoraussetzungen erfolgt.[1]

Daher werden die für das Entstehen und die Wandlung des Merkmals vom „anzuerkennenden Interesse“ charakteristischen und prägenden Urteile des BGH sowie die dazu veröffentlichten Aufsätze werden im Folgenden zur Beurteilung der Freistellung vom Verbot des § 1 GWB a.F. herangezogen.[2]

Die 6. Novelle zog einige Änderungen mit sich.

Zuvor wurden Vereinbarungen von § 1 GWB a.F. erfasst, welche „zu einem gemeinsamen Zweck“ getroffen wurden. Nach der Neuerung mussten sie das Merkmal „zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen“ erfüllen.

Dieses Merkmal diente der Abgrenzung horizontaler (zwischen konkurrierenden Unternehmen) von vertikalen Beschränkungen (Absprachen zwischen Unternehmen unterschiedlicher Wirtschaftsstufen).[3]

Wettbewerbsbeschränkungen vertikaler Art wurden vor der 6. Novelle nach § 15 GWB a.F. und nach Inkrafttreten der Novelle nach § 14 GWB a.F. beurteilt.

Schlossen zwei oder mehr Wettbewerber eine Vereinbarung über die Einschränkung des Wettbewerbs untereinander, so war das Merkmal „zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen“ offensichtlich und klar gegeben. Eine horizontale Wettbewerbsbeschränkung lag vor und war gemäß § 1 GWB a.F. verboten.

Abgrenzungsprobleme warf die Beurteilung einer Vereinbarung dann auf, wenn sowohl ein Verbot nach § 1 GWB a.F. und § 15 GWB a.F. (später § 14 GWB a.F.[4] ) in Betracht kam.[5]

Konstellationen dieser Art sind vor allem in Fallgruppen der Austauschverträge und Gesellschaftsverträgen in Form von Wettbewerbsverboten, Kundenschutzklauseln oder Alleinbezugsvereinbarungen denkbar.[6]

Diese Arbeit wird sich im Folgenden überwiegend mit Wettbewerbsbeschränkungen in Austauschverträgen beschäftigen.[7]

Bei solchen Austauschverträgen stehen die beteiligten Unternehmen, beispielsweise Produzent und Abnehmer stehen meist nicht direkt in Wettbewerb zueinander.

Dennoch ist denkbar, dass Unternehmen nicht nur über Händler ihre Produkte dem Markt anbieten, sondern auch direkt zu verkaufen, in solchen Fällen spricht man von einer Dualdistribution.[8]

Hersteller und Händler stehen zwar grundsätzlich auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen, sind aber in diesem Fall auch direkte Wettbewerber. Sie treten sich auf diesem Marktsegment sowohl auf horizontaler wie vertikaler Ebene gegenüber.

Darüber hinaus erfasste der Tatbestand des § 1 GWB a.F. auch potentiellen Wettbewerb zwischen den Beteiligten[9]

Potenzieller Wettbewerb ist immer dann gegeben, wenn ein Unternehmen auf einem bestimmten Markt nicht tätig ist, aber in der Lage wäre, auf diesem als Wettbewerber tätig zu werden.[10]

Eine Einordnung als Wettbewerber, was die Anwendbarkeit des § 1 GWB a.F. zur Folge hat, käme somit auch dann in Betracht, wenn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses kein Wettbewerb besteht.

Die Trennung horizontaler von vertikalen Vereinbarungen im deutschen Recht basiert auf der Annahme, dass horizontale Wettbewerbsbeschränkungen sich auf wirksamen Wettbewerb weit negativer auswirken, als vertikale Vereinbarungen, die durchaus auch förderliche Aspekte enthalten können.[11]

Um eine Unterscheidung zwischen beiden Fallgruppen zu erreichen, führte die Rechtssprechung bereits vor der 6. Novelle zur Restriktion des Tatbestands die Auslegung des Merkmals des „gemeinsamen Zwecks“ unter „Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB“ ein.[12]

In der Literatur erfolgte die Abgrenzung der Vereinbarung und damit die Frage, ob die Wettbewerbsbeschränkung nach § 1 GWB a.F. verboten war, oder ob ausschließlich § 14 GWB a.F. Anwendung fand, außerhalb des Tatbestands über die Immanenztheorie.[13]

2. Exkurs: Immanenztheorie – Die Sicht der Literatur

Der Einbezug der Immanenztheorie in die Diskussion um die Anwendbarkeit des Verbots nach § 1 GWB a.F. lässt sich auf Fritz Steindorff zurückführen.[14]

Kerngedanke der Immanenztheorie ist, dass Vereinbarungen, welche den Wettbewerb beschränken, aber notwendigerweise mit legitimen Rechtsinstituten einhergehen vom Verbot des § 1 GWB a.F. auszunehmen sind.[15]

Der Tatbestand wird einer teleologischen Reduktion unterworfen.[16]

Den ursprünglich rein „zivilistischen Ansatz“ dehnte Steindorff dahingehend aus, dass für jeden Einzelfall unter Berücksichtigung der Zielsetzung des GWB festzustellen ist, ob die kartellrechtsbedenkliche Vereinbarung als erforderlich angesehen und von § 1GWB a.F. ausgenommen werden kann.[17]


Wettbewerbsbeschränkungen, die generell unter § 1 GWB a.F. fallen würden sollten dann nicht verboten sein, wenn die Rechtsnatur des Vertrages oder der Hauptzweck der Vereinbarung kartellrechtsneutral ist und die Wettbewerbsbeschränkung für die Durchführung des Vertrags erforderlich war und ihn notwendigerweise begleitete.[18]

[...]


[1] Bunte/Einführung zum GWB/Rn. 86; Bahr in GRUR 2001, 1111, 1112; Kahlenberg in BB 1998, 1593, 1594; so auch Schmidt in AG 1998, 551, 552.

[2] Bechthold/Uhlig in NJW 1999, 3526, 3527; Langen/Bunte/ Bunte /§ 1 Rn 89; Bahr in GRUR 2001, 1111, 1116; Kahlenberg in BB 1998, 1593, 1594; so auch: Köhler in WuW 1999, 445, 449; für eine Fortführung der BGH-Rechtsprechung nach der 6. Novelle: Rittner in WuW 2000, 696, 700; Lange/Lange/Kap. 2 § 1 Rn 33; FK/Huber/Kurzdarstellung § 1 n.F. Rn. 17, 19; sieht die 1997 ergangenen Urteile als im Vorgriff auf die Novelle: Sandrock/§ 1 Rn 21.

[3] Kling/Thomas/Kap. 2 Rn. 198; Langen/Bunte/Bunte/§ 1/Rn 86; Schmidt in AG 1998, 551, 552; zur Trennung von horizontalen und vertikalen Vereinbarungen im deutschen im Vergleich zum europäischen Recht: Bahr in GRUR 2001, 1111, 1111; Emmerich/Seite 25; so auch: Fuchs in WRP 2005, 1384, 1384; Hartog in WRP 2005, 1397, 1397; Baums in ZIP 1998, 233, 234; Bechthold in NJW 2001, 3159, 3160.

[4] Wenn im Folgenden nur von § 14 GWB a.F. (6. Novelle) die Rede ist, schließt dies auch § 15 GWB a.F. der 5. Novelle ein.

[5] Emmerich/Seite 28.

[6] Emmerich/Seite 28; Bahr in GRUR 2001, 1111, 1112; Schmidt in AG 1998, 551, 553.

[7] Zu Gesellschaftsverträgen vgle: BGH NJW 1994, 384 ff. = „Ausscheidender Gesellschafter“; BGH NJW 1998, 2825 ff. = „carpartner“; kritisch zu „carpartner“: Bunte in NJW 1999, 93 ff..

[8] Den Begriff der Dualdistribution erläuternd: Bahr in GRUR 2001, 1111, 1112.

[9] FK/Huber/Kurzdarstellung § 1 n.F. Rn. 12; Kling/Thomas/Kap. 2 Rn 202; Bahr in GRUR 2001, 1111, 1112.

[10] Kling/Thomas/Kap. 2 Rn 100.

[11] Bahr in GRUR 2001, 1111, 1111; Kahlenberg in BB 1998, 1593, 1594.

[12] BGH NJW 1977, 804, 804 = „Fertigbeton“; BGH NJW 1979, 1605, 1605 = „Frischbeton“; BGH NJW 1980, 185, 185 = „Erbauseinandersetzung“; Ulmer in NJW 1982, 1975, 1976.

[13] Steindorff in BB 1977, 569, 571; Bahr in GRUR 2001, 1111, 1113; Schmidt in AG 1998, 551, 553; Schmidt in ZHR 149, 1, 7; Immenga/Mestäcker/Immenga § 1 Rn 165; Schwintowski in WuW 1997, 769, 770; Schmitz in WuW 2002, 6, 11; Emmerich/Seite 47; Brinker/Diller/Spoerr in NJW 1997, 3056, 3060, bezieht sich auf eine übereinstimmende Anwendung der Immanenztheorie in Literatur und Rechtsprechung; eine Anwendung der Immanenztheorie hält für überflüssig: Rittner in WuW 2000, 696, 700.

[14] Steindorff in BB 1977, 569, 569 ff.; Rittner in WuW 2000, 696, 700.

[15] Ivens in DB 1988, 215, 215.

[16] So u.a. Fuchs in BB 1993, 1893, 1895.

[17] Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/ Nordemann /§ 1 Rn 148; Steindorff in BB 1977, 569, 571.

[18] Schmidt in AG 1998, 551, 553; Emmerich/Seite 47; Bahr in GRUR 2001, 1111, 113; Kling/Thomas/Kap. 2 Rn 235; Köhler in ZHR 148, 487, 491; Schmidt in ZHR 149, 1, 7; Köhler in WuW 1999, 445, 449; für eine Anwendung der Immanenztheorie auf Wettbewerbsverbote bei Unternehmensveräußerung: Schwintowski in WuW 1997, 769, 770; beschreibend: Schmitz in WuW 2002, 6, 11.

Ende der Leseprobe aus 59 Seiten

Details

Titel
Freistellung von Wettbewerbsbeschränkungen aufgrund berechtigten Interesses und institutioneller Vorgegebenheiten
Untertitel
Fortgeltung der entwickelten Aspekte nach der 7. GWB Novelle
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
9 Punkte
Autor
Jahr
2007
Seiten
59
Katalognummer
V139956
ISBN (eBook)
9783640501335
ISBN (Buch)
9783640501205
Dateigröße
621 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Freistellung, Wettbewerbsbeschränkungen, Interesses, Vorgegebenheiten, Fortgeltung, Aspekte, Novelle, Punkte
Arbeit zitieren
Sebastian Ochs (Autor:in), 2007, Freistellung von Wettbewerbsbeschränkungen aufgrund berechtigten Interesses und institutioneller Vorgegebenheiten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139956

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