Zur Methodik von Stiluntersuchungen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Bisherige Vorschläge zur Stilanalyse

3. Methoden von Stiluntersuchungen
3.1 Pragmalinguistischer Analyseansatz
3.2 Textlinguistischer Analyseansatz
3.3 Das methodische Konzept des Vergleichens
3.4 Strukturalistische Stiluntersuchung
3.4.1 Beispielanalyse

4. Fazit

5. Anlage

6. Bibliographie

1. Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit der Methodik von Stilunter­suchungen. Das Thema ist von Interesse, da allen Texten zwar Stil zuge­sprochen wird, die Frage aber, mit welchen Methoden er analysiert wer­den kann, in der Sekundärliteratur nur unzulänglich bzw. wider­sprüchlich beantwortet wird. Gibt es möglicherweise eine universelle Stil­ana­lyse oder muss für jeden Text die passende Methode gesucht wer­den?

„Mit der Erörterung methodologischer und methodischer Fragen der Stilunter­suchung stehen wir vor einer äußerst schwierigen Aufgabe. Es gibt zwar manche Vorarbeiten und Lösungsversuche in bezug auf eine theoretische Begründung der in der Stilistik verwen­deten Grundbegriffe; in bezug auf die Methodik der Stilunter­suchung gibt es jedoch kaum theoretische Grundlagen, ja auf diesem Gebiet sind der Subjektivismus und Praktizismus innerhalb der Stilistik am stärksten ausge­prägt.“ (Michel 1968, S. 65)

Es ist zu klären, ob diese Aussage, die Georg Michel vor 34 Jahren traf, im 21. Jahrhundert zu differenzieren ist, ob dem „Subjektivismus“ Einhalt geboten werden konnte oder ob noch immer die grundlegenden Regeln bzw. Unter­suchungsprinzipien fehlen. Dazu sollen zunächst die historisch wichtigsten Metho­den zur Stilanalyse knapp diskutiert werden. Anschlie­ßend sollen vier Methoden zur Untersuchung von Stil erörtert und die Vor- und Nachteile herausgearbeitet werden.

Diese ausgewählten Methoden beleuchten die Perspektiven der Pragma- und der Textlinguistik. Das Konzept des Vergleichens soll im Kapitel 3.3 beleuchtet werden. Abschließend wird anhand der strukturalistischen Untersuchungsme­thode eine praktische Stilanalyse an einem Gedicht von Friedrich Hölderlin durchgeführt.

Das Fazit und ein Ausblick sollen die Hausarbeit, die auf der Referatsleistung des Hauptseminars „Perspektiven auf Stil“ beruht, abrunden.

2. Bisherige Vorschläge zur Stilanalyse

Die sprachwissenschaftliche Disziplin Stilistik entwickelte sich im 19./20. Jahrhundert und lehnt sich an die traditionelle Sprachpflege, Rhetorik und der Literaturinterpretation an (vgl. Bußmann 1990, S. 737).

Die ältesten Formen der Stilanalyse stammen bereits aus dem beginnen­den 19. Jahrhundert. Unter einer Stiluntersuchung wurde meist nur das Erfassen „der Stilelemente, meistens der rhetorischen Figuren und Tropen literarischer Texte“ (Sowinski 1999, S. 138) verstanden. Ein erstes metho­disches Konzept, das über das bloße Auflisten der Stilmittel hinausgeht, ist jenes von Leo Spitzer, der erstmalig eine sukzessive Herangehens­weise praktiziert. Dieses Stufenmodell umfasst:

„1. intuitive Detailbetrachtung; 2. Feststellung von Gemeinsamkeiten im scheinbar Zufäl­ligem; 3. Rückschluß auf den Seelenzustand des Verfassers beim nochmali­gen Lesen des Ganzen, wobei auch das Formprinzip des Ganzen erschlossen wird.“ (Sowinski 1999, S. 138)

Wie später im Vergleich mit heutigen Methoden deutlich wird, besitzt die­ses Untersuchungsverfahren (um 1928) bereits viele Komponenten der späteren Analysen. Es geht vom Spezifischen zum Ganzheitlichen, es sind Ansätze des Vergleichens vorhanden, hermeneutisch wird versucht, auf die Intentionen des Produzenten zu schließen und ein nochmaliges Lesen ist auch im 21. Jahrhun­dert von außerordentlicher Wichtigkeit.

Wie Leo Spitzer rückt auch Wolfgang Kayser („Das sprachliche Kunst­werk“ (1948)) die Intuition in den Mittelpunkt: „Eine Stiluntersuchung ist kein mathe­matischer Beweis; um beginnen zu können braucht sie Finger­spitzengefühl und Intuition [...].“ (Michel 1968, S. 65) Georg Michel kritisiert zu Recht, dass es sich dabei nicht um eine wissenschaftliche Methodik handelt. Es ist eher eine aus der Selbstbeobachtung ge­wonnene, intuitive Vorgehensweise. In­tuition ist grundsätzlich und auch in der Stilistik keinesfalls fehl am Platz, sie muss jedoch von der Theorie ge­stützt werden. Und die Theorie zeigt, welche Ordnungs­prinzipien den ver­schiedenartigsten Stilelementen eines Textes logisch zu Grunde liegen. Eine wissenschaftliche Stiluntersuchung stützt sich auf beleg­bare Zu­sammenhänge, nicht auf intuitive Vermutungen.

Eine bis heute unabdingbare Komponente der Stilanalyse liefert der be­reits zi­tierte Georg Michel (1968). In seinem Schema folgt nach dem Er­fassen aller stilistischer Merkmale eine stilbeschreibende Synthesestufe. Konkret wird auf dieses Modell im Kapitel 3.2 eingegangen.

Auffällig ist, dass nachfolgende Stilistiker eigene Analysevorschläge „aus bestehenden Ansätzen“ (Sowinski 1999, S. 148) ableiten. Bernd Spillner, Herbert Seidler u.a. nahmen teilweise die Ideen von Spitzer auf und er­gänzten bzw. modifizierten die Methode. Neu ist meist, dass Stil nicht nur beschrieben und erklärt, sondern gedeutet werden muss.

Mit der pragmatischen Wende rückte die pragmalinguistische Perspektive auf Stil in den Vordergrund (Spillner und Sandig können hier als Autoren angeführt werden). Dabei wird Stil als Handeln verstanden, der immer et­was über Produzent und Rezipient mit aussagt. Ausführlicher wird diese Analyseform im nachfolgenden Abschnitt beleuchtet.

Zusammenfassend können den kurz dargestellten Methoden neben eini­gen Unterschieden auch auffällige Gemeinsamkeiten zugesprochen wer­den. Die Analyse wird in mehrere Stufen unterteilt, die meist von kleinen auffälligen Erscheinungen eines Textes (Stilelemente) auf makrostilis­tische Zusammen­hänge schließt. Die Betrachtung der Stilzüge und ihre Funktion für das Textganze folgt abschließend in der Synthesestufe. Im 21. Jahrhundert hat „jede Stilanalyse [...] eine analytische und eine syn­thetische Seite.“ (Fix; Poethe; Yos 2001, S. 51)

3. Methoden von Stiluntersuchungen

3.1 Pragmalinguistischer Analyseansatz

Unter der pragmalinguistischen Untersuchungsmethode wird die Analyse verstanden, die den Stil nicht mehr nur bei einzelnen Wörtern oder Sätzen, sondern innerhalb ganzer Texte und Kommunikationsprozesse berücksichtigt. Eine kommunikationsorientierte Stilauffassung, die als „produktive Weiterent­wicklung des sprechakttheoretischen Ansatzes“ (Fix; Poethe; Yos 2001, S. 35) zu sehen ist und bei der Stil über verschiedene Aspekte Aussagen machen kann:

1. Aussagen über Kommunikationsbereich, Textsorte und Intention
2. Aussagen über die Beziehung von Produzent und Rezipient
3. Aussagen über das Selbstbild des Produzenten
4. Aussagen über das Verhältnis des Senders zur Sprache
5. Aussagen über das Verhältnis des Produzenten zum dargestellten

Gegenstand (vgl. u.a. Fleischer; Michel; Starke 1993, S. 28).

Stil gilt demnach seit der pragmatischen Wende (Ende der 60er Jahre) als Teil der Textbedeutung und wird nicht wie in der Antike „nur“ als Rede­schmuck an­gesehen. „Stil ist als Handeln aufzufassen.“ (Fix; Poethe; Yos 2001, S. 35) Das bedeutet, dass jede Aussage in der Sprechakttheorie ein in­tentionaler Akt ist. Eine Sprachhandlung teilt dem kompetenten Hö­rer den Produzentenstandpunkt zu den fünf genannten Aspekten mit. Um es mit der kommunikations-theoretischen „Lasswell-Formel“ auszudrücken: Wer – sagt was – auf welchem Wege – zu wem – mit welcher Wirkung? Der letzte Aspekt rückte erst mit der Pragmatik in den Vordergrund. In diesem sogenannten perlokutionären Akt sollte der Rezipient die vom Produzenten intendierte Reaktion zeigen. Dass dieser Teilakt der Sprechakttheorie nicht konventionali­siert ist, zeigen viele alltäg­liche Beispiele. Produzent: „Der Hund ist bissig.“ Der Hörer kann nun ver­schiedene Reaktion zeigen: Er schreckt zurück, er schüttelt den Kopf, er nimmt die Information sachlich auf oder er kauft den Hund, da der Rezi­pient genau so einen Hund suchte. Um solche Missverstände zu umgehen, benötigen die Gesprächsteilnehmer kommunikative Handlungskompetenz. Der Produzent sollte seine sprachlichen und stilistischen Mittel so wählen, dass die gewünschte Intention übertragen und verstanden wird. Und der Rezipient sollte das Bestreben des Gesprächsteilnehmers mit Hilfe seines Weltwissens erken­nen. Die Art der Formulierung bestimmt zum Teil die Funktion einer Äußerung und ist gleichzeitig eine „Sekundärinformation“ (vgl. Fix; Poethe; Yos 2001, S. 35) für den Rezipienten. Die Formulie­rungsebene, das „wie“, wird in der „Lass­well-Formel“ jedoch nicht be­rücksichtigt. Birgit Stolt modifiziert darum diese Formel, um sie für eine pragmatische Stilanalyse zu verwenden:

„- Mit welcher Art von Text?
- äußert Wer?
- zu Wem?
- Was?
- Zu welchem Zweck?
- Wie?“ (Stolt, In: Spillner 1984, S. 165).

[...]

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Details

Titel
Zur Methodik von Stiluntersuchungen
Hochschule
Universität Potsdam  (Germanistik)
Veranstaltung
Perspektiven auf Stil
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
19
Katalognummer
V13999
ISBN (eBook)
9783638195102
Dateigröße
378 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Methodik, Stiluntersuchungen, Perspektiven, Stil
Arbeit zitieren
Sebastian Krüger (Autor:in), 2003, Zur Methodik von Stiluntersuchungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13999

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