Die jüdische Evangelienparodie Toledoth Yeschu und das Verhältnis zu den Evangelien mit besonderer Beachtung der Wundergeschichten


Hausarbeit, 2008

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Entstehung und Geschichte des Toledoth Yeschu
1.1 Der Forschungsstand zum TY
1.2 Die jüdische Rezeption

2. Das Toledoth Yeschu und die Evangelien
2.1 Das Verhältnis des TY zu den Evangelien
2.2 Die Wundergeschichten des Jesus von Nazaret In TY und Evangelien als Gegenüberstellung

3. Fazit

4. Literaturverzeichnis

Einleitung

In meiner Hausarbeit „ Die jüdische Evangelienparodie Toledoth Yeschu im Vergleich zu den Evangelien mit besonderer Beachtung der Wundergeschichten“ im Rahmen des Einführungsseminars „ Die Juden im frühmittelalterlichen Frankenreich“ möchte ich mich zunächst mit der Geschichte des Toledoth Yeschu beschäftigen von der Entstehung in der Antike, über seine Hochzeit im Mittelalter und bis in die Neuzeit hinein ins 19. Jahrhundert und wie es dann seinerseits auf der gegnerischen Seite aufgenommen und weiter verarbeitet worden ist, was oft in Form der Adversus-Judaeos-Literatur geschah.

In der jüdischen Rezeption soll erschlossen werden, warum und inwiefern sich jüdische Gläubige in fast ganz Europa mit diesem Stoff über den christlichen Messias beschäftigen und welchen Sinn die Parodie in einer zunehmend antijudaistisch geprägten Welt für sie machte.

Anschließend möchte ich das Verhältnis zwischen Toledoth Yeschu und den Evangelien beziehungsweise der Apostelgeschichte näher bestimmen und mit genauerer Beleuchtung des kleinen Gebietes der Wundertätigkeit Jesu von Nazarets von beiden Standpunkten aus abschließen.

1. Geschichte und Entstehung des Toledoth Yeschu

Das Schriftstück Toledoth Yeschu bedeutet in etwa auf Deutsch „ Erzählungen über Jesus“, auch bekannt unter den Namen „ Taten des Gehängten“ (ma ʽase taluj), „ Voll bezeugt“ (tam u-muʽad)[1] und stellt eine Art antichristliche, polemische, romanhafte Evangelienparodie dar, die der jüdischen Volksliteratur entstammt. Aus jüdischer Sicht werden Geburt, Leben und Sterben des Jesus von Nazaret beschrieben, in manchen Versionen gibt es noch den Zusatz der Apostelgeschichte oder es werden zusätzlich passende Gedichte oder Kommentare über Jesus angehängt wie im Fall der Version „Falsitates Judeorum“ von Thomas Ebendorfer[2], auf den ich später nochmals zurück kommen werde. Dem groben, zentralen Inhalt nach ist Jesus der unehelich geborene Sohn der Mirjam, schon als Kind frech gegenüber seinen Lehrern. Er stiehlt den göttlichen Namen, das Schem aus dem Tempel, erlangt dadurch Zauberkräfte, was ihm ermöglicht Wunder zu wirken und bezeichnet sich somit als Messias. Durch den Verrat eines seiner Anhänger an die jüdische Obrigkeit wird er zuerst gesteinigt und anschließend aufgehangen. Die Leiche Jesu wird dann je nach Version unterschiedlich von den Juden entwendet und die Christusanhänger postulieren daraufhin die Auferstehung des Messias.[3]

1.1 Der Forschungsstand zum Toledoth Yeschu

Bis heute wurden etwa 65 zum Teil fragmentarische, teils vollständige verschiedene Versionen, Handschriften erfasst[4], die auf fünf Hauttypen, nach Darstellung, Stil und Anordnung innerhalb des Textes geordnet, zurückgehen[5]. Es existieren frühe Stücke in Aramäisch und ganze Texte auf Hebräisch, mit zunehmender Verbreitung wurden auch Handschriften bzw. Drucke in den jeweiligen Landessprachen der jüdischen Leser erstellt oder auf Latein veröffentlicht, wie im Falle des Thomas Ebendorfers, Priester, Professor der Theologie und Gesandter Friedrich III. im 15.Jh, der in Zusammenarbeit mit einem jüdischen Konvertiten eine lateinische Übersetzung aus dem Hebräischen in Zusammenarbeit anfertigte. Sie gilt als eine der ältesten vollständigen Überlieferungen des Toledoth Yeschu[6] und ist wohl zu Zwecken der antijüdischen Polemik in Rahmen der Adversus- Judaeos- Literatur genutzt worden, da zu Zeiten des Königs Friedrich III. eine relativ judenfreundliche Politik in Österreich herrschte[7], was dem christlichen Gelehrten vielleicht ein Dorn im Auge gewesen sein mochte, eine präzise Datierung der Übersetzung ist allerdings nicht vorhanden.

Die Entstehungszeit der Evangelienparodie ist generell umstritten in der Forschung, schwankt je nach Forscher zwischen dem 3. und 10.Jh.. Das älteste Fragment eines Toledoths entstammt dem Typus Kairo aus dem 11.Jh. auf Aramäisch abgefasst und wurde in einer „Synagogen- Rumpelkammer“[8] in Kairo gefunden.

Die älteste komplette Fassung ist uns durch Raymundus Martinus, ein spanischer Geistlicher, bekannt, der sie in einer Streitschrift gegen die Juden „Capistrum Judaeorum“ im 13.Jh. verwendete[9]. Allerdings sind Hinweise bezüglich der Kenntnis von Inhalten des Toledoths schon im 3.Jh. verschriftet. So weiß der christliche Autor Tertullian in seinen „De spectaculis“ über den Vorwurf, Maria sei eine Prostituierte, der Missachtung der Sabbatruhe durch Jesus und die Entwendung seines Leichnams durch seine Schüler zur Behauptung der Auferstehung zu berichten. Ebenso äußert sich der pagane Philosoph Celsus z. B. über Jesus in Anlehnung an die jüdische Sicht der christlichen Religion[10].

Des Weiteren sind einige Stücke der jüdischen Jesusüberlieferung im 9.Jh., durch Agobard, Bischof von Lyon festgehalten, in den um 830 entstandenen „De judaicis superstitionibus“ erkennbar[11], die wiederum als Adversus- Judaeos- Literatur genutzt wurden in einer Zeit, zu der reiche Juden durch Fernhandel in der Gunst des Königs Ludwig des Frommen standen, der einige Privilegien und Formulae erließ, die die Rechte einzelner Juden bzw. -gruppen garantierten[12]. So geht die neueste Forschung nach William Horbury davon aus, dass die Entstehungsphase im 3.Jh. zu positionieren sei, aber es durchaus denkbar wäre, dass es verschiedene Arten von unabhängigen Versionen gebe, die teils erst später miteinander verbunden worden wären[13]. 1543 überführte Martin Luther den Inhalt des Toledoths in die deutsche Sprache auf der Grundlage des Raymundus –Martinustextes und gut hundert Jahre später gelangte Christoph Wagenseil, ein christlicher Professor, in den Besitz des ältesten erhaltenen Druckes einer hebräischen Fassung, die einer der fünf Haupttypen darstellt[14].

Zu der Gruppe der Haupttypen gehört auch der Modern- slavische Typus mit besonders viel satirischen Zugaben und slavischen Einflüssen, der daher interessant ist, weil an ihm ersichtlich wird, dass das Schreiben von jüdischen Evangelienparodien bis in die Neuzeit fortgeschritten ist[15].

1.2 Die jüdische Rezeption

Der Stoff des Toledoth Yeschu war seit der Entstehung recht weit verbreitet in jüdischen Kreisen, besonders in den einfachen und wurde z.B. am christlichen Weihnachtsfest vorgelesen[16]. Zum einen schuf diese Form der Parodie Unterhaltungswert, zum anderen aber sollte sie als antichristliche Polemik den jüdischen Leser in eine Position versetzen, die ihm eine Abwehr christlicher Einflussnahme ermöglichte, indem er die christliche Lehre, die sich ja ihrerseits auf Schrifthinweise im Alten Testament stützt, als Irrlehre ausweist, z.B. verkündete Jesus, dass er der Vielvölkerprophet aus Jer 1,5 sei, der schon vor seiner Zeugung zum Prophet geheiligt worden war, worauf die jüdische Partei mit Dtn 18,22 entgegnete, dass, wenn sich das Prophetenwort nicht erfülle, es nicht das Wort des Herrn gewesen sein könne[17].

Dieser Art gibt es noch einige weitere Beweisführungen von jüdischer Seite, die gegen den christlichen Missionierungswillen anleiten wollen, da sie seit der Spätantike in der Diaspora und oft unter stark zusetzender christlicher Herrschaft lebten. Papst Gregor I. (590-604) sah in der jüdischen Religion noch eine Art Konkurrent zur katholischen Kirche in einer Auseinandersetzung um die Exklusivität des Glaubensanspruches zwischen beiden Parteien, wollte möglichst viele von ihnen zum konvertieren bewegen und verbot somit auch den Bau von Synagogen[18]. Dies spitzte sich im Laufe des fortschreitenden Mittelalters weiter zu, trotz der mittlerweile großen Vormachtstellung und Festigung des Christentums, bis hin zum Pariser Talmudprozess von 1240, in dem es zu Diskussionen über den Talmud und Verhören von Juden kam, mit dem Ziel, diesen zu diffamieren und zu beseitigen, woraufhin später auf Befehl des Papstes viele Exemplare konfisziert und verbrannt wurden. Zum immer stärker werdenden Antijudaismus trug auch die Pestwelle von 1348 bei, die man aus Erklärungsnot den Juden zuschrieb[19].

[...]


[1] Thoma, Clemens, Art. Toledot Jeschu, in: LThK 10 (2001), 94-95.

[2] Callsen, Brigitta u.a. (Hg.), Das jüdische Leben Jesu. Toldot Jeschu. Die älteste Übersetzung in den

Falsitates Judeorum von Thomas Ebendorfer, Wien/ München 2003, S.10.

[3] De´ah, Yoreh, Art. Toledot Yeshu, in: Encyclopaedia Judaica 15 (1972), 1208-1209.

[4] Schlichting, Günter, Ein jüdisches Leben Jesu. Die verschollene Toledot-Yeschu-Fassung Tam ū-mūʽād.

Einleitung, Text, Übersetzung, Kommentar, Motivsynopse, Bibliographie, Tübingen 1982, S.6.

[5] Krauss, Samuel, Das Leben Jesu nach jüdischen Quellen, Berlin 1902, S. 27.

[6] Callsen, B., ebd., S. 18-20.

[7] Callsen, B., ebd., S.32.

[8] Krauss, S., ebd., S. 36.

[9] Callsen, B., ebd., S.15.

[10] Krauss, S., ebd., S.2f.

[11] Klausner, Joseph, Jesus von Nazareth. Seine Zeit, sein Leben und seine Lehre, Berlin 1934, S.63.

[12] Ben-Sasson, Haim Hillel, Geschichte des jüdischen Volkes. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. 5.,

überarb. Aufl., München 2007, S.505.

[13] Callsen, B., ebd., S.14.

[14] SChilling, G., ebd., S.3.

[15] Krauss, S., ebd., S.36.

[16] Klausner, J., ebd., S.58.

[17] Schlichting, G., ebd., S37.

[18] Ben-Sasson, H.H., ebd., S.501.

[19] Ben-Sasson, H.H., ebd., S.595f.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die jüdische Evangelienparodie Toledoth Yeschu und das Verhältnis zu den Evangelien mit besonderer Beachtung der Wundergeschichten
Hochschule
Universität zu Köln  (Historisches Seminar)
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
14
Katalognummer
V140172
ISBN (eBook)
9783640502202
ISBN (Buch)
9783640501984
Dateigröße
464 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Proseminararbeit
Arbeit zitieren
Christine Schmidt (Autor:in), 2008, Die jüdische Evangelienparodie Toledoth Yeschu und das Verhältnis zu den Evangelien mit besonderer Beachtung der Wundergeschichten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140172

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