Nachrichtendienste als Regierungsinstrument

Zwischen gouvernementaler Steuerung und rechtsstaatlicher Kontrolle


Hausarbeit, 2009

16 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Nachrichtendienste als Regierungsinstrument

3. Aufgabenfelder der Nachrichtendienste in der Bundesrepublik Deutschland

4. Steuerung der Nachrichtendienste
a. Die Steuerung der einzelnen Dienst
i. Das Bundesamt für Verfassungsschutz
ii. Der Militärische Abschirmdienst
iii. Der Bundesnachrichtendienst
b. Koordination der Arbeit der Nachrichtendienste
c. Zwischenfazit

5. Kontrolle der Nachrichtendienste
a. Parlamentarische Kontrolle
i. Plenum, Ausschüsse, Abgeordnete
ii. Das Parlamentarische Kontrollgremium
iii. Die G 10-Komission
iv. Das Vertrauensgremium im Haushaltsausschuss
v. Gremium nach Art. 13 Abs. 6 GG
b. Sonstige Kontrollinstitutionen
i. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz
ii. Der Bundesrechnungshof

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Die Kenntnis der Götter- und Geisterwelt wird durch das Orakel erlangt; naturwissenschaftliche Informationen können durch Erfahrung gewonnen werden; die Gesetze des Universums lassen sich durch mathematische Schlüsse beweisen. Doch die Pläne des Gegners sind einzig durch geheime Agenten und nur durch sie zu ermitteln.“[1]

Heute, zwanzig Jahre nach Ende des Kalten Krieges stellt sich die Frage, ob diese Annahme des chinesischen Philosophen Sun Zi aus der Zeit um 500 v. Chr. stimmt. Lassen sich moderne Nachrichtendienste als Regierungsinstrumente identifizieren? Wie verhält es sich mit nachrichtendienstlicher Tätigkeit in einem demokratisch verfassten Staat, namentlich der Bundesrepublik Deutschland?

Interessant scheint der Gegensatz zwischen zwei Grundsätzen: auf der einen Seite muss nachrichtendienstliche Arbeit geheim bleiben. Nur so können Quellen geschützt, Informationen verwertet und Bedrohungen minimiert werden. Aber gerade nach der Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, die von zwei totalitären Diktaturen geprägt war, ist es fraglich, wie ungezügelt Geheimdienstarbeit walten darf. Wie weit dürfen Grundrechte eingeschränkt werden, um Sicherheit zu erlangen. Zahlt unsere Gesellschaft für die erlangte Sicherheit einen hohen Preis - den Preis der Rechtsstaatlichkeit? Die Feststellung Karl Loewensteins mahnt: „Unkontrollierte Macht aber ist ihrem Wesen nach böse.“[2]

Wem obliegt die Steuerung, d.h. die Auftragserteilung und die Verantwortung für nachrichtendienstliches Handeln in Deutschland? Welche Mechanismen gibt es, ausgreifendes nachrichtendienstliches Handeln zu beschränken, Kontrolle der Bürger zu kontrollieren und zu beschränken? Wird nachrichtendienstliche Effizienz und Handlungsfähigkeit geopfert, um Kontrolle zu ermöglichen?

Dieses Spannungsfeld zwischen erforderlicher Geheimhaltung und nachrichtendienstlicher Effizienz auf der einen sowie notwendiger Machtverschränkung und demokratischer, transparenter und rechtsstaatlicher Kontrolle auf der anderen Seite will diese Arbeit beleuchten.

Diese Arbeit soll die angesprochenen Aspekte nicht normativ betrachten, auch kann sie nur eine Untersuchung auf Grundlage der Verfassung und der Gesetze darlegen. Darüber zu berichten, inwieweit die Realität davon abschweift bleibt jenen vorbehalten, die unmittelbar mit der Materie betraut sind.

2. Nachrichtendienste als Regierungsinstrument

Es ist Aufgabe der Bundesregierung, Bedrohungen für die freiheitlich-demokratische Grundordnung sowie die Existenz des Bundes oder seiner Gliedstaaten von außen wie von innen zu erkennen und Gefahren zu minimieren. Ihr Interesse an zuverlässigen und zeitnahen Informationen über Vorgänge im Ausland, die von außen auf die Bundesrepublik Einfluss nehmen könnten ist daher groß. Dies gilt „(...) insbesondere dann, wenn aus diesem Umfeld [dem internationalen Umfeld, P.E.] Gefahren für die eigene Sicherheit oder Interessenlage erwachsen können(...).“[3] Für die Planung klugen außenpolitischen Handelns sind Kenntnisse über internationale Vorgänge daher unabdingbar.[4] Ferner wachsen Gefahren von innen durch antidemokratische Kräfte in der in Deutschland lebenden Gesellschaft.[5] Um Aktivitäten extremistischer Gruppierungen und „(...) politischen Einwirkungen (...) gegnerische[r] Ideologien und deren Organisationen entgegenzuwirken“[6] benötigt die Bundesregierung Informationen.

Die Aufgabenbereiche und die nachrichtendienstliche Tätigkeit sind in Deutschland für den Bereich der Arbeit im In- und Ausland getrennt; der Militärische Abschirmdienst (MAD) arbeitet im In- und Ausland, jedoch beschränkt auf den Bereich der Bundeswehr. Die deutschen Dienste haben im Gegensatz zu amerikanischen und französischen Nachrichtendiensten keinerlei Exekutivbefugnisse.[7]

Die Arbeit von Nachrichtendiensten umfasst das Sammeln und Auswerten von frei zugänglichen sowie amtlichen Informationen. Weiter bedarf ein umfassendes Lagebild der Beschaffung geheimer Informationen, so vor allem in militärischen und außenpolitischen Fragen, weiterhin bei der Nachrichtenbeschaffung in Ländern, in denen keine Pressefreiheit besteht und Zensur betrieben wird.[8] Auch zur Verhinderung terroristischer Anschläge müssen nicht öffentlich zugängliche Informationen beschafft werden, muss mitunter in Grundrechte eingegriffen werden. „Die nachrichtendienstliche Beschaffung [von Informationen, P.E.] ist notwendig, um nicht der Manipulation von Informationen zum Opfer zu fallen.“[9]

3. Aufgabenfelder der Nachrichtendienste in der Bundesrepublik Deutschland

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) dient sowohl als Koordinationsstelle für die Landesämter für Verfassungsschutz als auch als eigenständig arbeitende Sicherheitsbehörde.[10] Seine Aufgaben sind gemäß § 3 I Verfassungsschutzgesetz der Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Bund und Ländern sowie der Schutz von Verfassungsorganen mit nachrichtendienstlichen Mitteln.[11]

Der Militärische Abschirmdienst (MAD), amtliche Langform: Amt für den Militärischen Abschirmdienst, ist auf nachrichtendienstliche Tätigkeiten im Bereich der Bundeswehr beschränkt. Er ist weiterhin auf rein defensive Aufgaben festgelegt. So hat er vor allem die militärische Geheimhaltung und die Sicherheit des Personals der Bundeswehr sowie ihrer Einrichtungen, Gegenstände und Anlagen sicherzustellen.[12] Die Beschaffung von Informationen über andere Militärs im Ausland obliegt dem BND.[13]

Anders als MAD und BfV ist der Bundesnachrichtendienst (BND) nicht auf die Arbeit im Inland, sondern auf die Arbeit im Ausland festgelegt. Seine Aufgaben sind „[die] nachrichtendienstliche Auslandsaufklärung durch Beschaffung und Auswertung von Informationen auf außenpolitischem, wirtschaftlichem, rüstungstechnischem und militärischem Gebiet; die Aufklärung der gegnerischen Nachrichtendienste [...]; die Erledigung sonstiger nachrichtendienstlicher Aufträge des Bundeskanzleramtes und der Bundesregierung im Ausland; die Spionageabwehr innerhalb des Bundesnachrichtendienstes[...].“[14]

4. Die Steuerung der Nachrichtendienste

a. Die Steuerung der einzelnen Dienste

i. Das Bundesamt für Verfassungsschutz

Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist dem Bundesministerium des Innern zugeordnet. Seine Abteilung Öffentliche Sicherheit, die auch die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes bearbeitet, ist einem Staatssekretär untergeordnet, der seinerseits direkt dem Bundesminister des Innern untergeordnet ist.[15] Die politische Steuerung des BfV erfolgt ausdrücklich durch die Regierung und die Ministerialbürokratie, die eine Einheit bilden.[16] Eine Beteiligung des Parlamentes oder der Öffentlichkeit an der Steuerung des Verfassungsschutzes findet nicht statt.

ii. Der Militärische Abschirmdienst

Das Amt für den Militärischen Abschirmdienst ist dem Bundesministerium der Verteidigung unterstellt. Es untersteht fachlich einem der Staatssekretäre im Ministerium, truppendienstlich jedoch einem der Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr.[17] Auch hier zeigt sich, dass die Öffentlichkeit oder zumindest der Bundestag als Repräsentant der Bürger nicht an der Steuerung beteiligt ist und somit Einflussnahme von außerhalb der Regierung und der Ministerialbürokratie verhindert wird.

iii. Der Bundesnachrichtendienst

Die politische Steuerung des Bundesnachrichtendienstes obliegt dem Bundeskanzleramt. Die Abteilung 6 des Bundeskanzleramtes beaufsichtigt und steuert den BND politisch.[18] Dem Chef des Bundeskanzleramtes, wenngleich als Beauftragter für die Nachrichtendienste des Bundes und als „Geheimdienstkoordinator“ für alle drei Nachrichtendienste des Bundes zuständig, kommt bei der Steuerung des BND eine besondere Rolle zu. Er ist primär für den BND verantwortlich, die Abteilung 6 erledigt jedoch das „Tagesgeschäft“.[19] Auch bei der politischen Steuerung des BND obliegt der Bundesregierung die alleinige Kompetenz. Eine Integration des Bundestages oder der Öffentlichkeit in den Steuerungsprozess ist nicht gegeben.

b. Koordination der Arbeit der Nachrichtendienste

Wie bereits oben erwähnt übernimmt ein Staatsminister, ein Staatssekretär oder der

Chef des Bundeskanzleramtes[20] die Rolle des Beauftragten für die Nachrichtendienste des Bundes, in der er die Arbeit der Dienste koordiniert. Zurzeit übernimmt diese Aufgabe der Chef des Bundeskanzleramtes Bundesminister Thomas de Maizière. Dieser Koordinator führt den Vorsitz im Staatssekretärsausschuss für das geheime Nachrichtenwesen und die Sicherheit, der mindestens wöchentlich tagt und sich von den Führungen der Dienste über die aktuelle Lage, Entwicklungen und Bedrohungen unterrichten lässt. Außerdem bietet er ein Forum, in dem die zuständigen Staatssekretäre und die Spitzen der Nachrichtendienste Absprachen treffen und ihre Arbeit konzertieren können. Inwieweit dies geschieht lässt sich von außen nicht analysieren. Dieser Staatssekretärsausschuss, bestehend aus Staatssekretären aller beteiligten Ministerien informiert den Bundeskanzler, die zuständigen Bundesminister und das übrige Kabinett regelmäßig über Entwicklungen und Kenntnisstände.[21]

[...]


[1] Sun Zi, zitiert nach: Wieck, Hans-Georg, Geheimdienste und Demokratie (=Otto-von-Freising-Vorlesungen der Katholischen Universität Eichstätt, Bd. 11, München: Oldenbourg 1995, S. 2.

[2] Loewenstein, Karl, Verfassungslehre, Tübingen: J.C.B. Mohr 1959, S. 8.

[3] Wieck, Geheimdienste, S. 3.

[4] Vgl. ebd., S. 4.

[5] Vgl. Mayntz, Gregor, Die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste, herausgegeben vom Deutschen Bundestag, 2. Auflage, Berlin 2004, S. 5.

[6] Wieck, Geheimdienste, S. 4.

[7] Vgl. König, Marco, Trennung und Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten (= Schriften zum Recht der Inneren Sicherheit, Bd.7), Freiburg: Boorberg 2005, S. 86ff.

[8] Vgl. Wieck, Geheimdienste, S. 5ff.

[9] Ebd., S. 11.

[10] Vgl. Mayntz, Parlamentarische Kontrolle, S. 9.

[11] Vgl. Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz, § 3 I.

[12] Vgl. BT-Prot. 05/150 vom 24. Januar 1968, S. 7720 C.

[13] Vgl. König, Trennung und Zusammenarbeit, S. 97.

[14] Dienstanweisung des Chefs des Bundeskanzleramtes BT-Drs. 07/3246 vom 19.2.1975, S.47. Zitiert nach: König, Trennung und Zusammenarbeit, S. 96.

[15] Vgl. Bundesministerium des Innern, Organigramm,

<http://www.bmi.bund.de/cae/servlet/contentblob/150176/publicationFile/34673/PDF_Organigramm_BMI.pdf>, am 06.08.2009.

[16] Vgl. Rudzio, Wolfgang, Das politische System der Bundesrepublik Deutschland, 7. aktual. u. erw. Auflage, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2006, S. 200.

[17] Vgl. Mayntz, Parlamentarische Kontrolle, S. 9.

[18] Vgl. Bundeskanzleramt, Organigramm,

<http://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Bundesregierung/Bundeskanzleramt/Organigramm/organigramm.html>, am 06.08.2009.

[19] Vgl. Mayntz, Parlamentarische Kontrolle, S. 10.

[20] Vgl. Wieck, Geheimdienste, S. 22.

[21] Vgl. Mayntz, Parlamentarische Kontrolle, S. 10.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Nachrichtendienste als Regierungsinstrument
Untertitel
Zwischen gouvernementaler Steuerung und rechtsstaatlicher Kontrolle
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Kanzlerdemokratie? Die Kanzler von Adenauer bis Merkel und ihre Regierungen
Note
2,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
16
Katalognummer
V140342
ISBN (eBook)
9783640484102
ISBN (Buch)
9783640484256
Dateigröße
424 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Ein fundierter Überblick über die politische Steuerung sowie parlamentarische und rechtsstaatliche Kontrolle der Nachrichtendienste der Bundesrepublik Deutschland unter besonderer Beleuchtung des Spannungsverhältnisses zwischen gouvernementaler Steuerung und rechtsstaatlicher Kontrolle.
Schlagworte
Politische Systeme, Politisches System der Bundesrepublik Deutschland, Nachrichtendienste, Parlamentarische Kontrolle, gouvernementale Steuerung, rechtsstaatliche Kontrolle, Regierungsinstrumente
Arbeit zitieren
Philipp Ebert (Autor:in), 2009, Nachrichtendienste als Regierungsinstrument, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140342

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