Erlebnispädagogik im Jugendstrafvollzug


Hausarbeit, 2009

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

1 Einleitung

2 Erlebnispädagogik – Versuch einer Begriffsdefinition
2.1 Allgemein
2.1.1 Merkmale
2.1.2 Ziele
2.1.3 Arbeitsfelder und Anwendungsbereiche der Erlebnispädagogik
2.2 Ursprünge und Geschichte
2.2.1 Frühe Vorreiter der Erlebnispädagogik: Rousseau und Thoreau
2.2.2 Die Entwicklung der heutigen Erlebnispädagogik infolge von Kurt Hahn
2.3 Kritik an der Erlebnispädagogik
2.4 Fazit

3 Der Jugendstrafvollzug
3.1 Jugendstrafvollzug allgemein
3.2 Sozialpädagogische Arbeit in Strafvollzug allgemein
3.3 Fazit

4 Erlebnispädagogische Arbeit im Jugendstrafvollzug
4.1 Allgemein
4.2 Auswirkungen von und Kritik an erlebnispädagogischer Arbeit im Jugendstrafvollzug
4.3 Fazit

5 Abschlussfazit

Literatur

1 Einleitung

In der vorliegenden Hausarbeit versuche ich, mich mit der sozialpädagogischen Methode der Erlebnispädagogik am Beispiel der Erlebnispädagogik mit straffälligen Jugendlichen im Jugendstrafvollzug kritisch auseinanderzusetzen.

Erlebnispädagogik. Diese Methode ist in der sozialpädagogischen Fachdiskussion sicherlich eine der faszinierendesten, aber zugleich auch umstrittensten. Die Idee, Lernen nicht mehr durch formelhaften Unterricht, sondern durch außergewöhnliche Erlebnisse und Erfahrungen zu vermitteln, hat eine eigene Faszination. Selbst mit sozialpädagogischen Methoden nicht unbedingt vertraute Laien haben, wenn sie den Begriff hören, automatisch Assoziationen im Kopf: Steilwandklettern, Kanufahrten, Segeltörns.

Man mag zur Erlebnispädagogik stehen, wie man möchte, unbestritten ist, dass erlebnis- pädagogische Angebote immer weiter zunehmen - die Methode der Erlebnispädagogik „boomt seit spätestens seit Mitte der 80er Jahre“ (Galuske 2008: 241) und „hat in den späten 80-ern und 90-ern eine Renaissance erfahren, die bis heute wirksam ist.“

(Kühn 2007: 3) Manche gehen sogar so weit zu sagen: „Erlebnispädagogik ist am Ende des 20. Jahrhunderts zu einem Wirtschaftsfaktor geworden.“ (Michl 2006)

Auch beim Stellenwert innerhalb der sozialen Arbeit besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass „Erlebnispädagogik einen erheblichen Anteil in der sozialen Arbeit [einnimmt].“ (Kunze 2003: 21)

Die Diskussion um Erlebnispädagogik ist also sehr aktuell, wahrscheinlich sogar aktueller denn je. Denn gerade der Boom der vergangenen Jahrzehnte sollte Anlass dazu geben, die Methode immer wieder kritisch zu hinterfragen. Wie bei jeder sozialpädagogischen Methode gibt es auch hier immer wieder viel Kritik, die, wie bei pädagogischen Methoden üblich, vor allem die Wirksamkeit und den Sinn immer wieder infrage stellen. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass man die Ergebnisse von pädagogischem Lernen nur schwer, wie es bei so vielen anderen Dingen im Leben üblich ist und gerne gemacht wird, in Zahlen und Statistiken nachweisen und belegen kann, sondern eine Menge mehr dazu gehört und die Ergebnisse beispielsweise immer interpretiert und im jeweiligen Kontext gesehen werden müssen.

Bei der Eingrenzung meiner Fragestellung fiel die Wahl auf erlebnispädagogische Maßnahmen im Rahmen des Jugendstrafvollzug, da mich die pädagogische Arbeit bei der Resozialisierung Straffälliger besonders interessiert und Erlebnispädagogik nach wie vor allem mit Jugendlichen durchgeführt wird, deshalb beschränke ich mich auf die Arbeit mit delinquenten Jugendlichen.

Die Fragestellung meiner Arbeit lautet also: Was ist Erlebnispädagogik, wie wird sie im Jugendstrafvollzug angewendet und wie erfolgreich ist sie dort?

Ziel meiner Arbeit ist es demzufolge, mir ein Bild von der erlebnispädagogischen Arbeit mit Insassen des Jugendstrafvollzuges zu machen.

Im folgenden Kapitel werde ich zunächst versuchen, den Begriff der Erlebnispädagogik allgemein näher zu erläutern. Im darauf folgenden Teil werde ich dann versuchen, die Entstehung und die Geschichte des erlebnispädagogischen Ansatzes nachzuzeichnen.

Im sich anschließenden dritten Kapitel folgt dann eine zunächst allgemeine Beschreibung des Jugendstrafvollzuges aus rechtlicher Sicht und der dort geleisteten pädagogischen Arbeit und dann im vierten Kapitel eine Beschreibung der erlebnispädagogischen Aktivitäten im Jugendstrafvollzug.

Am Ende der einzelnen Kapitel folgt dann jeweils ein kurzes Fazit, in dem ich die Erkenntnisse noch einmal kurz zusammenfassen werde.

2 Erlebnispädagogik – Versuch einer Begriffsdefinition

2.1 Allgemein

2.1.1 Merkmale

Wenn wir uns mit Erlebnispädagogik auseinandersetzen wollen, müssen wir zunächst einmal versuchen zu klären, was mit diesem Begriff eigentlich gemeint ist und wie er in der Fachdiskussion definiert wird.

Dabei stellt man schnell fest: „Der Begriff der Erlebnispädagogik ist nicht eindeutig definiert.“ (Klawe/Bräuner 2001: 11) Er ist „recht heterogen, da er in ganz unterschiedlichen theoretischen Zusammenhängen gesehen und verwendet wird.“ (Raithel/Dollinger/Hörmann 2008: 209)

Die Uneinheitlichkeit und Unübersichtlichkeit wird bereits bei der Vielzahl an unterschiedlichen Bezeichnungen für erlebnispädagogische Angebote und Programme deutlich, die alle unter dem Oberbegriff Erlebnispädagogik geführt werden, aber doch recht verschiedene Konzepte und Inhalte meinen.

Unter dem Begriff „Erlebnispädagogik“ firmiert eine große Anzahl verschiedener Namen, etwa „Abenteuerpädagogik, Aktionspädagogik, Wanderpädagogik, Erfahrungspädagogik, Outdoor-Pädagogik, Outward-Bound-Pädagogik, Experimental Learning, Wilderness Experience, Outdoor Development, Challenge Programmes, Adventure Programmierung, u.a.m.“ (Raithel/Dollinger/Hörmann 2008; wie zuvor).

Daneben gibt es laut Galuske zwei weitere die Definition erschwerende Probleme neben der uneinheitlichen Bennennung: Zum einen gibt es eine „Tendenz zur Entgrenzung“ (Galuske 2009: 243), die dazu führt, dass zunehmend jedes handlungs- oder lebensweltorientierte Lernen unter „Erlebnispädagogik“ geführt wird. Zum anderen ist da die Tatsache, dass die erlebnispädagogischen Angebote immer weiter ausdifferenziert werden. So kann ein erlebnispädagogisches Angebot aus wenige Tage dauernden Kurzzeitmaßnahmen bestehen, aber auch aus mehrere Monate dauernden Langzeitprojekten wie etwa Segeltouren oder lange Reisen im Ausland (vgl. Galuske, wie zuvor).

Diese Unübersichtlichkeit und Uneinheitlichkeit der Angebote macht es auch so gut wie unmöglich, eine einheitliche Definition zu finden, die auf all diese Angebote zutrifft. „Es gibt also keine Beschreibung, die auf alle unter dem Namen laufenden Aktionen und Programme zutrifft.“ (Boßmann 2007: 8)

Dennoch werde ich im Folgenden versuchen, einige Merkmale zu finden, die möglichst auf alle Angebote zutreffen.

Zentrales Anliegen aller erlebnispädagogischen Ansätze ist, wie bereits der Name deutlich macht, das Lernen am Erlebnis. Gemäß dem didaktischen Prinzip „nicht reden, sondern handeln“ (Gassner, o. J.) soll das Vermitteln pädagogischer Inhalte nicht, wie bei herkömmlichen Ansätzen, durch unterrichtartiges, lehrer- und formelhaftes Belehren, sondern durch Erleben und Erfahren geschehen. Man spricht deshalb häufig auch von „Erfahrungslernen“. (vgl. Gassner, o. J.)

„Ausgehend von prägenden Wirkungen von Erlebnissen zielt Erlebnispädagogik auf die Entwicklung einer autonomen, (selbst)verantwortlichen und sozial kompetenten Persönlichkeit ab.“ (Raithel/Dollinger/Hörmann 2008: 210)

Grundlegende Merkmale von Erlebnispädagogik sind also:

- Handlungsorientierung und Ganzheitlichkeit: Im Zentrum erlebnispädagogischen Lernens steht immer die aktive Lösung einer Aufgabe, die Handeln erfordert.
- Lernen in Situationen mit Ernstcharakter: Die Situationen haben einen Ernstcharakter, das heißt, sie erfordern ernsthaftes, eindeutiges Handeln.
- Gruppe als Lerngemeinschaft: Da Erlebnispädagogik immer auf die Förderung sozialer Kompetenzen zielt, erfolgt das Lernen fast immer in Gruppen.
- Erlebnischarakter: Während die zuvor genannten Punkte auch in alltäglichen Settings zutreffen können, unterscheidet sich Erlebnispädagogik dadurch, dass die Situationen außergewöhnlich und nicht alltäglich sind und Grenzerfahrungen ermöglichen.
- Pädagogisches Arrangement: Die außergewöhnlichen Situationen müssen natürlich pädagogischen Wert haben, um erlebnispädagogisch zu sein, was die Anwesenheit von (erlebnis-)pädagogischem Fachpersonal erfordert.

(zusammengefasst nach Galuske 2009: 244f)

Bei aller Unterschiedlichkeit der Ansätze von erlebnispädagogischen Maßnahmen lassen sich doch drei Grundmodelle des erlebnisorientierten Lernens unterscheiden:

- „The Mountain speaks for itself”- oder ”The Mountains speak for themselves”-Modell1“: Dieses Modell „vertraut voll und ganz dem Sachzwang der Situation“ (Galuske 2009: 247) und bezieht seine Wirkung aus der Unmittelbarkeit der Situation. Die Situation, etwa das Erklimmen einer Steilwand, spricht für sich und erfordert eine eindeutige Handlungsabsicht. Der Pädagoge hält sich dabei zurück und überlässt die Teilnehmer sich selbst. Eine anschließende Reflexion erfolgt nicht.
- “Outward Bound Plus”-Modell: Die Kritik an dem zuvor genannten Ansatz, dass der Pädagoge sich zurückhält und deshalb keine Reflexion stattfindet, führte zu dem “Outward Bound Plus”-Modell, das im Prinzip genauso wie das vorige funktioniert, aber eine anschließende Diskussion vorsieht, in der das Erlebte von den Teilnehmern noch einmal reflektiert wird.
- Metaphorisches Modell oder „Metaphoric Model“: Dieses Modell ist hingegen auf die Bedürfnisse der Teilnehmer abgestimmt und versucht, bei den erlebnispädagogischen Aktivitäten Situationen und Probleme aus dem Leben der Teilnehmer nachzustellen, die während der Aktivität gelöst werden. Die Erkenntnisse können dann auf den Alltag der Teilnehmer übertragen werden. Eine Reflexion wie beim „Outward Bound Plus“-Modell ist nicht zwingend notwendig.

(vgl. u.a. Galuske 2009: 247 f.; Haier 2008: 25 f. )

2.1.2 Ziele

Auch die Ziele von erlebnispädagogischen Konzepten und Programmen lassen sich nicht mit einer einzigen, konsensfähigen Definition beschreiben. Die Programme fallen vielmehr je nach Angebot und Inhalt sehr unterschiedlich aus und können je nachdem verschiedene Schwerpunkte setzen. Die grundsätzlichen Ziele der Erlebnispädagogik sind jedoch eigentlich immer:

- Körperlichkeit, Körperbewusstsein und Körperbeherrschung (Erlebnispädagogik und Sport)
- Natur- und ökologisches Lernen
- Betonung der einfachen, konformarmen Bedingungen (Kritik an der Konsumgesellschaft)
- Soziales Lernen in Gruppenprozessen
- Individuelles Lernen/Selbsterfahrung

(vgl. Klawe/Bräuner 2001: 11; Gassner, o. J.)

Dies bewegt sich noch auf einer sehr allgemeinen Ebene. Die genaueren Ziele der einzelnen Angebote fallen sehr unterschiedlich aus und sind immer abhängig von zahlreichen Faktoren, wie etwa Träger, Ort, Umgebung und Fachkompetenz der Betreuer auf der einen und Alter, Geschlecht, Fähigkeiten, Entwicklungsstand und individuellen Lebensbedingungen der Zielgruppe auf der anderen Seite.

Zudem muss man immer auch unterschieden zwischen den Zielen der Betreuer und denen der Teilnehmer (vgl. Volk 1997).

[...]


1 Da ich bei meiner Recherche regelmäßig auf beide Schreibweisen gestoßen bin („The Mountain speaks for itself“ oder „The Mountains speak for themselves“) nehme ich an, dass beide Ausdrucksweisen richtig sind.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Erlebnispädagogik im Jugendstrafvollzug
Hochschule
Universität Kassel
Veranstaltung
Methoden der Sozialen Arbeit (Vorlesung)
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
23
Katalognummer
V140376
ISBN (eBook)
9783640474615
ISBN (Buch)
9783640474745
Dateigröße
439 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erlebnispädagogik, Jugendstrafvollzug
Arbeit zitieren
Torsten Scholz (Autor:in), 2009, Erlebnispädagogik im Jugendstrafvollzug, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140376

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