AD(H)S: Verhaltensstörung oder Modekrankheit?


Vordiplomarbeit, 2008

34 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2 ADS und ADHS
2.1 Definitionen
2.2 Erscheinungsformen
Die Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (ADS)
Die Aufmerksamkeitsstörung mit Hyperaktivität (ADHS)
Hyperaktivität ohne Aufmerksamkeitsstörung
2.3 Symptome
2.4 Häufigkeit des AD(H)S

3 Geschichtlicher Aspekte

4 Ursachen des AD(H)S
4.1 Biologische Ursachen
Vererbung
Veränderte Hirnaufnahmen
Funktionsstörung des Gehirns
Neurotransmitterstörungen
4.2 Ernährung und Allergien
4.3 Psychosoziale Faktoren

5 Verhaltensauffälligkeiten von Kindern mit AD(H)S
5.1 Der tägliche Umgang im Elternhaus
5.2 Verhalten in der Schule
5.3 Spezielle Hilfen im Umgang mit AD(H)S
In der Schule
Im Elternhaus
5.4 Verlauf und Folgeprobleme der Aufmerksamkeitsstörung
Verlauf der Verhaltensstörung
Folgeprobleme

6. Diagnostik
Anamnese
Untersuchungen und Tests
Internationale Diagnosekriterien

7. Medikamentöse Behandlung
Vorgeschichte
Stimulanzien
Andere Medikamente
Die Schritte der Medikamentenabgabe
Pro und Contra zu Ritalin

8. Lebhaftes Verhalten oder Störung?

9 Fallbeispiele
Das Aufmerksamkeitsdefizit- Syndrom ohne Hyperaktivität (ADS)
Das Aufmerksamkeitsdefizit- Syndrom mit Hyperaktivität (ADHS)

10. Schlussfolgerung
Die Geschichte vom Zappelphilipp

Literaturverzeichnis
Bücher:
Internet:

1. Einleitung

In unserer Gesellschaft gelten Verhaltensweisen als konform, wenn sich Menschen an aufgestellte Regeln, Werte und Normen halten. Ein abweichendes Verhalten wird kritisch betrachtet und häufig sogar abgelehnt.

Die meisten Bürger glauben, dass falsches Verhalten vor allem durch Erziehungsprobleme hervorgerufen wird. Vernachlässigung des Kindes, zu hoher Medienkonsum und ein rasantes Lebenstempo werden als Gründe für eventuelle Auffälligkeiten angegeben.

In den letzten Jahren ist die Zahl der Eltern, die mit ihren Kindern einen Psychologen aufsuchen, sprunghaft angestiegen. Oftmals wird bei vermeintlichen Symptomen der Begriff der Aufmerksamkeitsstörung vorschnell verwendet. Das liegt vor allem an einer Überforderung der Eltern, dem Einfluss der Gesellschaft und der Medien, die mit schnellen Diagnosen locken. Selbst im Internet gibt es mittlerweile Tests, bei denen man angeblich glaubhaft herausfinden kann, ob sein Kind an einer Störung leidet.

Natürlich ist es für betroffene Eltern ein tröstlicher Gedanke zu wissen, warum ihr Kind sich nicht an Regeln hält und in der Schule keine Einser schreibt. Doch häufig sind es andere Gründe, die Kinder zu diesem Verhalten bewegen.

Nur weil ein Kind lebhaft und bewegungsfreudig ist, muss es noch nicht an AD(H)S leiden. Momentan könnte man die Störung als eine Modekrankheit bezeichnen. Überforderte Eltern, die sich das Verhalten ihrer Kinder nicht erklären können, nutzen diese oftmals als Ausrede. Andere Ursachen, wie beispielsweise Faktoren aus dem familiären Alltag werden konsequent ausgeschlossen. Ein Beispiel hierfür wäre der kleine Max, den ich in einem Praktikum vor zwei Jahren kennen lernte. Er war frech, unruhig und unkonzentriert. Äußerlich deutete alles auf das AD(H)S hin. Seine Mutter besuchte mit ihm einen Psychologen, um ihre Vorahnung bestätigen zu lassen. Sie war sehr überrascht, als dieser ihr mitteilte, dass das Verhalten von Max ganz normal sei. Der kleine Junge verhielt sich so, weil seine Eltern sich ein paar Monate zuvor getrennt hatten.

Natürlich gibt es viele Kinder, die tatsächlich an einer Aufmerksamkeitsstörung leiden. Um eine Abgrenzung aufzuzeigen möchte ich in meiner Vordiplomarbeit einen Einblick in die Welt der hyperaktiven Kinder ermöglichen. Hierbei werde ich vor allem auf die Ursachen der Störung eingehen und Diagnose sowie medikamentöse Behandlung näher beleuchten.

2 ADS und ADHS

2.1 Definitionen

Die Abkürzung ADS steht für Aufmerksamkeits- Defizit- Syndrom, welche von dem amerikanischen Begriff ADD, also Attention Deficit/Hyperactivity Disorder abstammt.

Nach dem Diagnostischen und Statistischen Manual der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung DSM-IV kann man drei Gruppen des AD(H)S unterscheiden: die Aufmerksamkeitsstörung mit Hyperaktivität, die Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität und die Hyperaktivitäts-, Impulsivitätsstörung ohne Aufmerksamkeitsstörung. Das DSM-IV ist ein Kriterienkatalog, der die Leitlinien zur Feststellung psychischer Auffälligkeiten und Erkrankungen enthält. Diese Leitlinien geben dem Kinder- und Jugendpsychiater die entsprechenden Hinweise, durch die er feststellen kann, ob AD(H)S vorliegt.

Ein anderes Klassifikationsschema, ICD-10, die Internationale Klassifikation psychischer Störungen, unterscheidet die einfache Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung von der Hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens.

In beiden Systemen sind der frühe Beginn der Störung und das zeitstabile Auftreten der Verhaltenscharakteristika in Elternhaus, Schule und Freizeit entscheidend. Die Klassifikation nach DSM-IV ist in Deutschland am geläufigsten (vgl. Krowatschek, 2001, S.19ff.).

Der Begriff der Aufmerksamkeit steht immer im Zusammenhang mit dem der Konzentration, also mit der willentlichen Absicht etwas zu erreichen und etwas zu leisten. Bei Menschen, die am AD(H)S leiden, ist diese Konzentration eher selten zu beobachten, ihnen mangelt es an Aufmerksamkeit. Sie sind abgelenkt, gleichgültig, verträumt, unruhig, desinteressiert und haben ein geringes Durchhaltevermögen. Aufmerksamkeit kann man am Verhaltensablauf der beobachtbaren Merkmale erkennen. Es muss eine dauerhafte, intensive Zuwendung zum Brennpunkt des Geschehens erkennbar sein, also eine Konzentration auf aufgabenrelevante Tätigkeiten. Ebenso erkennbar ist Aufmerksamkeit in den Verhaltensspuren, also in der Genauigkeit der Arbeitsergebnisse (vgl. Czerwenka, 2002, S. 19f.).

Allgemein bezeichnet man die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung als Verhaltensdiagnose für einen Zustand, der eine gemischte Gruppe von störenden Verhaltensmustern beschreibt. Dies bringt für die Betroffenen Schwierigkeiten in den Bereichen Entwicklung, Verhalten und Leistung, Familienbeziehungen und sozialer Interaktion mit sich (vgl. Holowenko, 1999, S.19).

In der gegenwärtigen medizinischen Literatur wird das ADS als ein neurologisches Syndrom mit drei Hauptsymptomen beschrieben. Diese sind Impulsivität, Ablenkbarkeit und Hyperaktivität oder überschüssige Energie. Es ist eine Verhaltensstörung, die meist im Kindergarten, jedoch spätestens in der Grundschule auftritt. Einige Menschen können ihr einfach entwachsen, bei anderen ist dies nicht der Fall (vgl. Freed, 1998, S.29f.).

2.2 Erscheinungsformen

Die Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität (ADS)

Wird bei einem Kind das Aufmerksamkeitsdefizit- Syndrom festgestellt, so muss damit nicht automatisch die oftmals verbundene Hyperaktivität auftreten. Vor allem bei Kindern fällt das ADS häufig kaum auf, weil es durch starke Anpassung und sehr ruhiges Verhalten gekennzeichnet ist. Meist sind vor allem Mädchen davon betroffen. Sie sind oftmals durchschnittlich oder sogar hoch begabt, wobei das ADS jedoch zu erhöhten Leistungseinschränkungen führt. Eine Mehrzahl der betroffenen Menschen verfügt über ein sehr geringes Selbstbewusstsein. Lehrer beschreiben diese Kinder meist als „verträumt“. Sie ziehen sich sehr stark zurück und leben in ihrer eigenen Welt. In der Regel gehen Beobachter davon aus, dass es sich um so genannte „Spätzünder“ handelt, die in ihrer Entwicklung noch nicht auf dem Stand der Gleichaltrigen sind. Diese Einschätzung bringt die Kinder oftmals in noch größere Schwierigkeiten. Das Nicht- Erkennen des Problems führt dazu, dass Eltern regelmäßig verzweifeln und nicht verstehen, was mit ihren Kindern passiert. Vor allem in der schulischen Entwicklung sind es diese eher langsamen Kinder, die durch falsche Förderung oftmals an der Regelschule scheitern. Sie finden bei Aufgaben keinen Anfang und können ihre Konzentration nur schwer aufrechterhalten. Da sie als sehr „pflegeleicht“ gelten, glaubt jeder an eine baldige Verbesserung, auf die meist vergeblich gewartet wird (vgl. Krowatschek, 2001,S.23f.). Auch ein mangelndes Sozialverhalten ist häufig zu beobachten. Das Lernvermögen im sozialen Bereich und damit der Umgang mit anderen Kindern sind deutlich reduziert. Sie tun sich schwer, den richtigen Umgangston und eine Handlungsweise zu finden, die in der jeweiligen Gemeinschaft üblich und akzeptiert sind. Diese Probleme folgen oft bis ins Erwachsenenalter und erschweren Partnerschaft und Berufswahl (vgl. Eichlseder, 1999,S.19).

Die Aufmerksamkeitsstörung mit Hyperaktivität (ADHS)

Die in der Gesellschaft wohl bekannteste Form des Aufmerksamkeitsdefizit- Syndroms ist die, bei welcher auch Hyperaktivität auftritt. Als Symptom versteht man die körperliche Unruhe, welche der Verhaltensstörung zunächst den Namen gegeben hat. Bei Kindern kann man Hyperaktivität vor allem durch das Zappeln oder Herumlaufen, eine gewisse Getriebenheit und Redseligkeit sowie das Aufstehen in unpassenden Situationen beobachten.

Betroffene Menschen haben eine extrem kurze Aufmerksamkeitsspanne, also eine Unfähigkeit, sich auch nur kurzzeitig zu konzentrieren. Vor allem in der Schule zeigt sich dies durch Leichtsinnsfehler, unordentliche Heftführung und das unpünktliche Fertigstellen vorgeschriebener Aufgaben. Oft werden solche Kinder als faul bezeichnet. Sie sind jedoch nicht unwillig oder trotzig, sondern meist einfach hilflos, obwohl sie oftmals sehr intelligent sind. Ein weiteres Kennzeichnen des ADHS ist die Impulsivität, bei welcher die Kinder etwas tun, ohne vorher darüber nachzudenken. Früher nannte man solches Handeln „unbeherrscht“, jedoch sind die Betroffenen meist nicht in der Lage ihre Impulse zu steuern. Dieses Verhalten ist in jeder Lebenslage gefährlich, da es ein erfolgreiches Agieren verhindert und tägliche neue Konflikte erzeugt. Impulsive Kinder platzen überall dazwischen und stören andere beim spielen oder lernen. Anfangs wird ein solches Verhalten noch ignoriert, doch schon bald führt es zu Ablehnung. Sie können sich nicht an Regeln halten und gefährden dabei sich selbst und andere. Durch diese Erfahrungen entwickelt sich häufig ein aggressives Verhalten. Die Kinder versuchen durch Wutausbrüche in den Vordergrund zu treten und erhoffen sich, dass andere Fehltritte somit nicht mehr wahrgenommen werden (vgl. Eichlseder, 1999,S.15ff.).

Hyperaktivität ohne Aufmerksamkeitsstörung

Neben den zwei bekannten Formen des Aufmerksamkeitsdefizit- Syndroms gibt es eine Form bei welcher die kurze Aufmerksamkeitsspanne nicht im Vordergrund steht. Es handelt sich hierbei um Betroffene, die hauptsächlich hyperaktiv und impulsiv sind. Meist sind es Kinder im Alter von 4 bis 7 Jahren, die sehr lebhaft, unruhig und ungeduldig sind. Fachleute messen diesem Verhalten keine allzu große Bedeutung bei, da sich diese Kinder ebenso lange konzentrieren können wie Gleichaltrige. In einigen Fällen kommt im 3. und 4. Schuljahr eine Verschlechterung der Konzentrationsfähigkeit hinzu, worauf teilweise das ADHS festgestellt wird (vgl. Krowatschek, 2001,S.24).

2.3 Symptome

Die drei Formen des Aufmerksamkeitsdefizit- Syndroms weisen einige gemeinsame Merkmale auf. Vor allem die drei Hauptsymptome Impulsivität, Hyperaktivität und Ablenkbarkeit kann man in unterschiedlichem Ausmaß immer erkennen.

Die Kinder sind unaufmerksam und oft desinteressiert. Schnell driftet ihre Aufmerksamkeit ab und zügig wechselt der Brennpunkt ihres Interesses. Die Kinder sind entweder hyperaktiv, also sehr sprunghaft, zappelig und getrieben oder in sich gekehrt und verträumt. Ebenso sind sie sehr impulsiv. Meist handeln die Kinder ohne nachzudenken, leben ihre Gefühle sofort aus und sind sehr ungeduldig. Ein weiteres Symptom ist, das sie sehr vergesslich sind, besonders was alltägliche Dinge betrifft. Alles, was nicht besonders spannend ist, ist schnell aus dem Sinn. Die Kinder wirken häufig zerstreut und chaotisch und besitzen eine sehr geringe Eigenorganisation. Es fällt ihnen schwer, sich an Regeln zu halten, denen sie sich oft eigensinnig widersetzen. Große Probleme bringt das Arbeitsverhalten der Kinder mit sich. Ohne sich einen Überblick zu verschaffen oder eine Strategie zu entwickeln beginnen sie ihre Aufgaben. Weiterhin sind sie sehr emotional. Ihre Stimmung wechselt ständig von fröhlich zu betrübt. Meist haben die Kinder ein geringes Selbstwertgefühl, mimen nach außen den „Powerman“ oder den „Clown“, haben aber einen hochsensiblen Kern. Schwierig gestaltet sich auch das Sozialverhalten. Die mangelnde Einschätzung von sich selbst und anderen führt dazu, dass eine Integration in Gruppen sich als anstrengend darstellt. Oft erhalten sie dadurch die Rolle des Außenseiters, was nicht zuletzt dadurch entsteht, das Kinder mit dem AS(H)S häufig sehr aggressiv sind und ein geringes Selbstwertgefühl haben (vgl. Aust- Claus, 2001, S.65f.).

AD(H)S- Kinder haben eine andere Art der Wahrnehmung. Um gezielt Informationen aufnehmen zu können, ist es notwendig, aus einer Vielzahl der angegebenen Reize eine Auswahl zu treffen. Diese Reize müssen gewichtet und kanalisiert werden, damit man nicht von ihnen überflutet wird. Dies machen gesunde Menschen normalerweise automatisch jeden Moment und unglaublich schnell. Bei Menschen mit dem AD(H)S ist der Aufnahme- Kanal in der Regel zu weit gestellt. Sie nehmen mehr Informationen auf, als sie in der jeweiligen Situation bewältigen können. Durch verzerrte und verloren gegangene Informationen ist die Weiterverarbeitung in den Spezialabteilungen erschwert, dies nennt man auch Wahrnehmungs- Verarbeitungs- Störung. Hiervon betroffen ist sowohl die Seh- als auch die Hörwahrnehmung der Menschen. Durch die Probleme bei der Informationsaufnahme sind die Reaktionen der Betroffenen nicht immer adäquat. Es folgen Misserfolge, Motivationsverluste und ein mangelndes Selbstbewusstsein. All diese Faktoren führen im Endergebnis zu motorischer Unruhe, innerer Hektik, Verwirrtsein, mangelnder Übersicht und einer Blockade beim Arbeiten (vgl.Aust-Claus, 2001,S.117ff.).

Hör- Wahrnehmung eines AD(H)S- Kindes

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Aust-Claus,2001,S. 133)

2.4 Häufigkeit des AD(H)S

Zur Häufigkeit von AD(H)S werden sehr verschiedene Zahlen genannt. Meist stammen diese aus älteren wissenschaftlichen Untersuchungen mit sehr einfachen Fragemethoden. Auf diese Weise wurden in den USA, Kanada, Neuseeland, Schweden und Leipzig 10 bis 20% aller Kinder als hyperaktiv und unaufmerksam eingestuft. Diese Zahlen halten den heutigen Nachprüfungen jedoch nicht stand. In einer Untersuchung an 5099 Münchner Schulkindern betrug der Anteil betroffener Kinder bei den Jungen 6% und bei Mädchen 3%. Das Verhältnis zwischen männlich und weiblich wird weltweit mit 4:1 oder höher angegeben (vgl. Eichlseder, 1999,S.56).

Diese Prozentzahlen variieren enorm von Klasse zu Klasse und von Schule zu Schule. Eine Aufmerksamkeitsstörung ist das bei Kindern am häufigsten diagnostizierte psychische Problem. Heutzutage besteht die große Gefahr das jedes Kind, welches ein hohes Energieniveau aufweist, sich in der Schule langweilt oder frech gegenüber dem Lehrer auftritt mit dem Merkmal „aufmerksamkeitsgestört“ versehen wird. Auch Hyperaktivität ist mittlerweile ein beliebter Sammelbegriff für die Häufung anderer Probleme und Zustände. Die zunehmende Etikettierung der Kinder wird in hohem Maße zur Normalität, wobei häufig auch kulturelle Einflüsse und das Versagen des Erziehungssystems einen großen Einfluss ausüben. Ebenfalls führen falsche Diagnosen dazu, dass in manchen Schulklassen die Hälfte der Kinder Medikamente gegen ein vielleicht gar nicht vorhandenes Aufmerksamkeitsdefizit- Syndrom einnimmt.

3 Geschichtlicher Aspekte

Der Begriff des AD(H)S wurde das erste Mal unter der Bezeichnung ADD in Amerika verwendet. 1809 beschrieb Dr. Haslam, der Leibarzt des Kaisers Napoleon I ein Kind, das die Züge des ADHS aufwies. Im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts mehrten sich Fachberichte aus allen Teilen Europas. Die bekannteste Form verfasste Dr. med. Heinrich Hoffmann im Jahr 1844 in seinem Buch „Struwwelpeter“. Die darin beschriebenen Kinder zeigen deutliche Symptome des AD(H)S. Beispielsweise schreibt Hoffmann vom Zappelphilipp und dem bösen, aggressiven Friedrich. Zwar wollte der Nervenarzt mit diesen Geschichten nie eine krankhafte Störung darstellen, dennoch ist der Begriff des „Zappelphilipp- Syndroms“ heute weit verbreitet (vgl. Eichlseder, 1999,S.56). (Siehe Anhang, Nummer 2)

Schon vor über 100 Jahren hat sich William James, der von vielen als der Vater der modernen Psychologie betrachtet wird, in seinen Principles of Psychology auf die Symptome bezogen, die bei uns unter der Bezeichnung AD(H)S zusammengefasst werden.

Der britische Kinderarzt George Still veröffentliche 1902 einen Bericht, in welchem er 20 von ihm behandelte Kinder als leidenschaftlich, trotzig und boshaft bezeichnete. So soll AD(H)S auch den Eingang in Ärzteberichte gefunden haben. Anfangs glaubte Still, dass eine leichte Hirnverletzung für die Verhaltensstörung verantwortlich sei. Erst in den 40er und 50er Jahren und nach Studien von Soldaten, die im zweiten Weltkrieg Kopfverletzungen erlitten hatten, wurde diese Konstellation von Symptomen als minimaler Hirnschaden also als MCD bezeichnet.

1937 berichtete der amerikanische Kinderarzt Bradley, das die Verabreichung von Stimulanzien bei Kindern mit diesen AD(H)S- Symptomen eine unerwartete Wirkung zeigt. Ab Mitte der 70er Jahre wurde Methylphenidat (Ritalin) als häufigstes Medikament verabreicht.

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Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
AD(H)S: Verhaltensstörung oder Modekrankheit?
Hochschule
Ernst-Abbe-Hochschule Jena, ehem. Fachhochschule Jena
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
34
Katalognummer
V140587
ISBN (eBook)
9783640528301
ISBN (Buch)
9783640528431
Dateigröße
1727 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
AD(H)S, Verhaltensstörung, Modekrankheit
Arbeit zitieren
Annekatrin Mannel (Autor:in), 2008, AD(H)S: Verhaltensstörung oder Modekrankheit?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140587

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