Mit der Bombardierung der damaligen serbischen Provinz Kosovo, setzten die westlichen alliier-ten Streitmächte unter der Führung der USA 1999 den Kriegen auf dem Staatsgebiet des ehemaligen Jugoslawien vordergründig ein Ende. Etwas, das bei vielen bewaffneten Konflikten eine Art „offizielles Ende“ markiert, fehlte hier jedoch gänzlich: Die Entmachtung der unterlegenen Kriegsgegner, sowie ihre meist öffentlichkeitswirksam inszenierte Verurteilung, die nicht selten mit einem Todesurteil endet. Im ehemaligen Jugoslawien war alles anders: Der politische Führer der bosnischen Serben, Radovan Karadžić, sowie sein militärischer Oberbefehlshaber Ratko Mladić konnten lange Zeit trotz angeblich intensiver polizeilicher und nachrichtendienstlicher Fahndung nicht ausgeliefert werden.
Schon früh machten dagegen Gerüchte in internationalen Medien die Runde, denen zu Folge die beiden Hauptverdächtigen an den mutmasslichen Kriegsverbrechen bei den Belagerungen der Städte Sarajewo und Srebrenica weiterhin auf dem Gebiet von Serbien leben würden. Da lag die Schlussfolgerung nahe, dass beide wohl von ehemaligen politischen und / oder militärischen Weggefährten unterstützt und beschützt würden.
Als Radovan Karadžić 2008 zu einem für viele Beobachter überraschenden Zeitpunkt doch noch verhaftet und an den ICTY ausgeliefert wurde, platzierte dieser eine Behauptung von ungeheu-rer politischer Sprengkraft: Die USA, genauer gesagt ihr Sondergesandter Richard Holbrooke, sollen Karadžić angeblich im Rahmen des Friedensabkommens von Dayton Straffreiheit zugesichert haben. Im Gegenzug dafür sollte sich Karadžić komplett aus der Politik und dem Militär zurückziehen und auch den Parteivorsitz abgeben.
Gewiss: Die Aussage von Radovan Karadžić kann sehr schnell als simple Schutzbehauptung abgetan werden, mit der er darüber hinaus noch die moralische Reputation des ehemaligen Kriegsgegners schädigte. Slavica Vesić konnte zudem starke Verbindungen zwischen der militärischen und politischen Führung der Serben und kriminellen Subjekten und Organisationen nachweisen (Vesić, 2008).
Doch es dauert geschlagene 13 Jahre, bis Radovan Karadžić an das Tribunal in Den Haag ausgeliefert wird. Wieso dauerte dies so lange?
Ein weiterer möglicher Erklärungsansatz wäre der Einsatz Karadžić‘ als Druckmittel, mit dessen Auslieferung sich politische Zugeständnisse seitens der EU erlangen liessen. Und nicht zuletzt sollte auch die Möglichkeit eines Versagens der Fahndungskräfte berücksichtigt werden.
Inhaltsverzeichnis
- Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Aufbau der Arbeit
- Historischer Überblick
- Das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen
- Jugoslawien während des 2. Weltkrieges
- Das kommunistische Jugoslawien unter Tito
- Die Unabhängigkeit von Slowenien, Kroatien und Mazedonien
- Der Krieg in Bosnien
- Das Verhalten der UNO und der NATO
- Srebrenica
- Potočari
- Zusammenfassung über den historischen Überblick
- Fallstudie
- Die Fallstudie in der Sozialwissenschaft
- Quellen von Fallstudien (allgemein)
- Verfügbarkeit und Verlässlichkeit der Dokumente
- Expertenbefragung
- Konstruktion der Fragen
- Theoretische Herleitung der Fragen
- Geheimabkommen zwischen den USA und Radovan Karadžić
- Two-Level-Game nach Robert Putnam
- Das diplomatische Verhalten der EU
- Die Qualität der Fahndungsmassnahmen
- Zusammenfassung Fallstudie
- Konstruktion des Fragebogens
- Inhaltsanalyse
- Definition der Inhaltsanalyse
- Quantitative vs. qualitative Inhaltsanalyse
- Allgemeines inhaltsanalytisches Modell (nach Mayring)
- Festlegung des Materials
- Analyse der Entstehungssituation
- Formale Charakteristika des Materials
- Richtung der Analyse
- Theoretische Differenzierung der Fragestellung
- Definition der Analysetechniken und Festlegung des konkreten Ablaufmodells
- Definition der Analyseeinheiten
- Analyse der Annual Reports: Definitionen
- Analyse der Annual Reports: Vorgehen
- Analyse der Annual Reports: Zusammenfassungen
- Analyse der Completion strategies: Zusammenfassungen
- Interviews
- Interviewfragen und Verteilung der Antworten
- Aussagen der Experten
- Ergebnisse
- Die Suche nach dem Geheimabkommen
- Das Multi-Level-Game Oder: Wieso die Serben auf allen Ebenen falsch spielten
- Das diplomatische Verhalten der EU: Zuckerbrot ohne Peitsche
- Die Qualität der Fahndung des ICTY
- Fazit
- Hypothesen und Ausblick
- Anhang
- Für die Inhaltsanalyse extrahierte Textstellen
- Abkürzungsverzeichnis
- Abbildungsverzeichnis
- Diagrammverzeichnis
- Tabellenverzeichnis
- Verzeichnis der Annual Reports des ICTY
- Verzeichnis der Completion Strategies des ICTY
- Verzeichnis der Resolutionen des UNO Sicherheitsrates
- Verzeichnis der elektronischen Quelle
- Verzeichnis der Filmdokumente
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Fahndung nach Radovan Karadžić, dem ehemaligen Präsidenten der bosnischen Serben, von 1996 bis 2008. Sie analysiert die Strategien und Maßnahmen des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in dieser Zeit und beleuchtet die Rolle internationaler Akteure wie der UNO, der NATO und der EU.
- Die Komplexität der Fahndung nach einem Kriegsverbrecher im Kontext eines internationalen Konflikts
- Die Herausforderungen der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen internationalen Organisationen
- Die politische Dimension des Strafverfahrens und die Rolle diplomatischer Beziehungen
- Die Wirksamkeit der Fahndungsmaßnahmen und die Frage der Verantwortlichkeit
- Die Auswirkungen der Fahndung auf die Stabilität und den Friedensprozess in der Region
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einem historischen Überblick über die Ereignisse in Jugoslawien von der Gründung des Königreichs bis zum Beginn des Bosnienkrieges. Sie beschreibt die Entstehung des Konflikts und die Rolle Radovan Karadžićs im Bosnienkrieg. Das zweite Kapitel beleuchtet das Verhalten der UNO und der NATO während des Krieges und die Rolle der internationalen Gemeinschaft bei der Verhinderung von Massakern wie dem in Srebrenica. Das dritte Kapitel widmet sich der Fallstudie und untersucht die Quellen und Methoden, die zur Erforschung der Fahndung nach Karadžić verwendet wurden. Es analysiert die theoretischen Rahmenbedingungen der Studie und stellt die wichtigsten Fragen der Untersuchung dar. Das vierte Kapitel beschreibt die Konstruktion des Fragebogens, der für die Inhaltsanalyse verwendet wurde. Das fünfte Kapitel erläutert die Methode der Inhaltsanalyse und die Anwendung des Modells von Mayring. Es analysiert die Annual Reports und Completion Strategies des ICTY und untersucht die strategischen Entscheidungen des Gerichtshofs. Das sechste Kapitel präsentiert die Ergebnisse der Interviews mit Experten, die Einblicke in die Fahndung nach Karadžić liefern. Das siebte Kapitel fasst die Ergebnisse der Untersuchung zusammen und diskutiert die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit.
Schlüsselwörter
Fahndung, Radovan Karadžić, Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY), Bosnien-Krieg, Srebrenica, Internationale Beziehungen, Diplomatie, Zwei-Ebenen-Spiel, Internationale Zusammenarbeit, Strafverfolgung, Kriegsverbrechen, Humanitäre Intervention, Internationale Politik, Politikwissenschaft.
- Arbeit zitieren
- Daniel Caduff (Autor:in), 2009, Die Fahndung nach Radovan Karadzic 1996 bis 2008, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140889