Kritik der punitiven Dimension Sozialer Arbeit


Trabajo Universitario, 2007

14 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis:

1. Die Begriffe „Punitivität“/“punitiv“ : Begrifflichkeit und Verortung

2. Kritik der punitiven Dimension Sozialer Arbeit vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit Foucaults Werk „Überwachen und Strafen“ (1975) sowie der von Cremer-Schäfer und Steinert (1998) entwickelten sozialwissenschaftlichen Perspektive „sozialer Ausschließung“
2.1 Foucault: Kritik der punitiven Dimension Sozialer Arbeit
2.2 Cremer-Schäfer/Steinert: Kritik der punitiven Dimension Sozialer Arbeit

3.Fazit: Soziale Arbeit: Sozialintegration vs. Soziale Ausschließung/Ausgrenzung

Literaturverzeichnis

Die punitive Dimension Sozialer Arbeit

1. Die Begriffe „Punitivität“/“punitiv“ und „Soziale Arbeit“

1.1 Begrifflichkeit und Verortung: „Punitivität“/“punitiv“

Die im deutschen Sprachraum geläufigen Begriffe „Punitivität“/“punitiv“ leiten sich vom lateinischen Wort „punire=strafen“ ab und haben ihre Wurzeln in der Philosophie und Soziologie des Strafrechts.

Umgangssprachlich wird mit dem Begriff „Punitivität“ eine verallgemeinerte Haltung oder gesellschaftspolitische Tendenz beschrieben, mit belastenden/negativen Sanktionen (=gesellschaftliche Reaktion/Zurechtweisung/ Sicherungs-/Zwangsmaßnahme/staatliche Strafe) auf wahrgenommene, zuvor von der Gesellschaft formulierte, Normabweichungen von Individuen/Institutionen zu reagieren. „Punitiv“ verhält sich somit eine Gesellschaft/Individuen/Institutionen, wenn sie das Handeln anderer Individuen/Institutionen unter normativen Gesichtspunkten als vom Normalen abweichend bezeichnen und sich für eine belastende/negative Sanktion aussprechen (Lautmann/Klinke 2004: 1).

Im Rahmen der vorliegenden Ausarbeitung wird der Begriff „Punitivität“ im kriminaltheoretisch spezieller gefassten Sinne benutzt und auf die Art und Weise, die Handlungsmöglichkeiten, bzw. das Ausmaß angewandt, wie Strafjustiz und Gesellschaft auf rechtswidriges, bzw. von der Norm abweichendes Verhalten von Individuen/Institutionen reagieren können. Folglich werden „Polaritäten der Punitivität“ unterschieden, welche in einem bipolaren Kontinuum von „punitiv-repressiv“ bis „punitiv-permissiv“ reichen 1) Im Rahmen der aktuellen Diskussion über expansive Strafentwicklungen wird der Begriff „Punitivität“ in Anlehnung an dieses bipolare Verständnis häufig auf die Tendenz von Kriminalpolitik, Strafjustiz und Gesellschaft bezogen, vorzugsweise vergeltende Strafsanktionen anzuwenden und versöhnende zu vernachlässigen; „punitiv“ gilt hier der Ruf aus Politik und Gesellschaft nach mehr, härterer und längerer Strafe (ebenda: 1, Dinges/Sack 2000: 10).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2. Kritik der punitiven Dimension Sozialer Arbeit vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit Foucaults Werk „Überwachen und Strafen“ (1975) sowie der von Cremer-Schäfer und Steinert (1998) entwickelten sozial-wissenschaftlichen Perspektive „sozialer Ausschließung“

2.1 Foucault: Kritik der punitiven Dimension Sozialer Arbeit

„Überwachen und Strafen“ ist Foucaults wissenschaftliches Werk über „die Macht und das Wissen“, welches meiner Ansicht nach einerseits als „anarchische Gegenwehr gegen Bevormundung“ interpretiert werden kann, sowie andererseits als „Aufruf zum Abbau öffentlicher Institutionen“. „Überwachen und Strafen“ stellt einen Bestandteil von Foucaults Phase der „Genealogie 2)3) (Foucault 1995: 41) dar, in welcher er die „Genealogie“ in Anlehnung an Nietzsche als eine historisch-philosophische Analysemethode anwendet, um die Entstehung des modernen (französischen) Gefängnis- und Bestrafungssystems und seiner Disziplin vom Spätmittelalter bis zur Neuzeit zu untersuchen (ebenda: 38). Ergebnis seiner Betrachtung der historischen Veränderungen in der Strafpraxis ist die Feststellung, dass Bestrafung als komplexe gesellschaftliche Funktion verstanden werden muss und die Art und Weise des Strafens, der Umgang mit dem menschlichen Körper sowie der Strafzweck in starker Abhängigkeit zum jeweiligen, in der Gesellschaft vorherrschenden, „Machttyp“4) steht (ebenda: 290).

Stellte das Verbrechen (=Verstoß gegen den Willen des Souveräns) den Ausführungen Foucaults zufolge in Zeiten der „souveränen Macht“ (=Ancien Régime) die Verletzung der Macht des Herrschers dar und diente die Bestrafung in Form der öffentlich praktizierten körperlichen Marter des Verbrechers der Rache des Souveräns, bzw. der Wiederherstellung seiner Macht, bestand der

Strafzweck in Zeiten der „Vertragsmacht“ (=18.Jahrhundert) vorwiegend in der Wahrung und Verteidigung bürgerlicher Besitztümer. Strafe als „vertragliche Strafe“ (=Verletzung des gesellschaftlichen Vertrages des Gebens und Nehmens/Rousseau) wurde demnach auf Grundlage eines differenzierten Strafsystems (Gewaltenteilung/ordentliche Gesetzbücher/modernes Gerichtswesen/Polizei) auf die Art des Verbrechens (=Verstoß gegen Straftatbestände, die vom Strafgesetzbuch definiert sind) abgestimmt, gezielt spezial- und generalpräventiv eingesetzt (=ökonomisch) und Gefängnisstrafe (=Zwangs- und Arbeitshäuser) als eine Strafart unter vielen angewandt. Die „Disziplinarmacht“ (=seit dem 19.Jahrhundert) der kapitalistischen Produktions-/modernen Industriegesellschaft schließlich knüpfte laut Foucault den Strafzweck an die Erhaltung und Steigerung der Arbeitskraft des Ver-

brechers (=Person, die gegen Straftatbestände, die vom Strafgesetzbuch definiert sind, verstoßen hat; zugleich Urteil über Ursprung/Anteil des Willens zum Verbrechen:

„Im Affekt“/“Vorsatz“/“mildernde Umstände“=Qualifizierung des Individuums/Sozial-prognosen), übergab die Bestrafung Verwaltungsapparaten, wandte sich von (öffentlicher) körperlicher Bestrafung ab, und richtete ihr Augenmerk seit Mitte des 19.Jahrhunderts (Abschaffung der Marter 1848) zunehmend auf das „Innere“ des Menschen („Seele“/„Psyche“-der Wille), auf seine Veränderung mit dem Ziel der Optimierung seiner Arbeitskraft, Reintegration in den gesellschaftlich-materiellen Reproduktionsprozess, bzw. Einordnung in die Sozialordnung durch systematische Unterwerfung, Überwachung, Disziplinierung, Behandlung/ Besserung, kurz: gesellschaftlich nützliche, spezifische, normierende „Dressur“(ebenda: 38, 178, 191). Wie Foucault an dieser Stelle hervorhebt, stellte die gerichtliche Verurteilung eines Verstoßes gegen Regeln/Normen somit nicht mehr eine bloße Beurteilung von Schuld oder Unschuld dar (=Ende 19.Jahrhundert/20.Jahrhundert), sondern, aufgrund von Normalitätsabschät-zungen und Prognosen, Klassifizierungen des Täters (ebenda: 390). Demzufolge habe sich, neben neuen Strafformen, wie überwachter Freiheit, medizinischer Behandlungsvollzug, Aufenthaltsverbot etc., das Gefängnis5) /die Gefängnisstrafe als die bis heute (=21.Jahrhundert) prominenteste Strafpraxis etabliert, weil sie nach Ansicht Foucaults als „individualisierende Dressurstrafe“ dem Strafzweck der disziplinierenden und normierenden Macht

am besten entspreche: einerseits durch ihre machtstrukturellen Charakteristika, wie Isolierung, Separierung (=Aufteilung auf Zellen), kontrollierte effiziente Zeitnutzung, Strukturierung von Abläufen der Inhaftierten, Aufstellung von Verpflichtungen/Verboten und andererseits durch die Möglichkeit einer gezielten Beobachtung, Analyse, Anwendung/Erprobung, Sammlung/ Optimierung von spezifischen Erkenntnissen, Techniken und Wissen über die zielorientierte Veränderung menschlicher Verhaltensweisen durch Überwachung (vgl. ebenda: 38, 178, 244, 191). Dem Behandlungsgedanken der Gefängnisstrafe, die folglich erst nach erfolgreicher Verhaltensänderung des Inhaftierten beendet sein soll, wird laut Foucault Rechnung getragen, indem das Gefängnis durch flexible Strafzeiten, spezielle Haftvergünstigungen/-verschärf- ungen (=Gewährung und Entzug von Freigang, Vollzugslockerungen etc.),

[...]


1) Polaritäten der Punitivität (Lautmann/Klimke 2004: 1f.):

2) Der Begriff „Sozialer Ausschluss“ wird als Sammelbegriff für Ausgrenzung von Individuen aus Gruppen und sozialen Verbänden, formellen Organisationen oder gar Gesellschaften verwendet, unabhängig davon, aufgrund welcher Merkmale und mit welchen Begründungen zwischen Ein- und Ausgeschlossenen differenziert wird. Sozialer Ausschluss im Sinne einer Benachteiligung von Personen oder Kategorien von Personen stellt ein generelles soziales Phänomen dar, welches Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung innewohnt. „Soziale Ausgrenzung“ hingegen beschreibt eine neue Qualität sozialer Ungleichheit, bzw. eine neue Ausprägung gesellschaftlicher Strukturierung und Entwicklung. Sie basiert auf der Annahme, dass Ausschluss aus gesellschaftlichen Teilbereichen Einfluss auf gesellschaftliche Teilhabe haben kann und verweist somit auf eine Dynamik (Steinert 1995:31). Ausschluss aus Teilhabemöglichkeiten führt jedoch erst durch Kumulation zu sozialer Ausgrenzung und gleichzeitig kann Ausschluss aus einem Teilbereich Ausschluss aus anderen nach sich ziehen. Sozialer Ausschluss ist somit nur zu verstehen, wenn Interdependenzen zwischen den einzelnen Dimensionen erkannt werden (Kronauer 1997:39ff.).

3) In seinem Werk „Zur Genealogie der Moral“ bestimmt Nietzsche den Begriff der „Genealogie“ als eine historische Methodik, deren Ziel es ist, die falschen Universalbegriffe des abendländischen Denkens zu entlarven, indem sie in ihrer historisch-kontingenten Gewordenheit aufgezeigt werden. Hiernach sind die wesentlichen Attribute des humanistischen Subjekts, wie Bewusstsein, Gewissen, Nächstenliebe, Willensfreiheit etc. nicht a priori gegeben, sondern das Produkt gewaltsamer Techniken, Prozeduren und Mechanismen der Bestrafung und der Unterwerfung, die unmittelbar an den Körpern ansetzen und schließlich internalisiert werden. Die Position, die der Genealoge einnimmt, ist nicht die des außenstehenden Beobachters, sondern sie zeichnet sich durch die Anerkennung der eigenen Unhintergehbarkeit aus. Die kritische Genealogie ist selbst das Produkt jener Strukturen von Macht und Wissen, die sie zu beschreiben und zu analysieren versucht (Posselt 2003: 2).

4) „Machttyp“ meint hier eine bestimmte Art und Weise der Verfestigung von Beziehungsweisen und der Ausnutzung von Kräfteverhältnissen (Foucault 1995: 322ff.).

5) Das „Panopticum“ von Bentham kann als architektonisches Parademodell für das Gefängnis gelten: Der Häftling wird darin überwacht, indem aus einem zentralen Turm in der Mitte des Gefängnisses auf alle Häftlinge gleichzeitig geschaut werden kann. Der Häftling überwacht sich letztlich jedoch selbst, da er in der Regel nicht sehen kann, ob er gerade beobachtet wird und verhält sich im optimalen Fall stets so, als würde er gerade gesehen (ebenda: 178, 191, Abbildungen 17-26).

Final del extracto de 14 páginas

Detalles

Título
Kritik der punitiven Dimension Sozialer Arbeit
Universidad
University of Applied Sciences Fulda  (Fachbereich Sozialwesen)
Curso
Grundlagentheoretische Bezüge Sozialer Arbeit
Calificación
1,3
Autor
Año
2007
Páginas
14
No. de catálogo
V141081
ISBN (Ebook)
9783640510382
ISBN (Libro)
9783640510566
Tamaño de fichero
448 KB
Idioma
Alemán
Notas
Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit Foucaults Werk "Überwachen und Strafen" (1975) sowie der sozialwissenschaftlichen Perspektive "sozialer Ausschließung", wie sie von Helga Cremer-Schäfer und Heinz Steinert (1998) entwickelt wurde.
Palabras clave
Soziale Arbeit und Punitivität, Faucault "Überwachen und Strafen", Cremer-Schäfer/Steinert "Straflust und Repression"
Citar trabajo
Klaudia Gabriele Geisler (Autor), 2007, Kritik der punitiven Dimension Sozialer Arbeit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141081

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