Das integrierte Medienunternehmen AOL Time Warner - Eine kritische Analyse des Zusammenschlusses


Scientific Study, 2003

56 Pages, Grade: 1


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Konvergenz der Märkte
2.1 Technologische Konvergenz
2.2 Angebotsseitige Konvergenz
2.3 Nachfrageseitige Konvergenz

3. Theorien und Strategien zu Unternehmensübernahmen
3.1 Erklärungsansätze der ökonomischen Theorie
3.1.1 Monopolhypothese
3.1.2 Transaktionskostentheorie
3.1.3 Die „Economies of“- Theorien
3.1.3.1 Economies of scale
3.1.3.2 Economies of scope
3.2 Erklärungsansätze der Unternehmensstrategie
3.2.1 Das Kernkompetenzkonzept
3.2.2 Wettbewerbsvorteile durch Kostenführerschaft oder Differenzierung
3.3 Analyseinstrumente zur Umsetzung von Unternehmensstrategien
3.3.1 Die Portfoliotheorie nach Markowitz
3.3.2 Portfolioanalyse: Die Marktanteils-Marktwachstums-Matrix
3.4 Organisationsstrategien zu Unternehmensübernahmen
3.4.1 Integrationsformen
3.4.1.1 Vertikale Integration
3.4.1.2 Horizontale Integration
3.4.2 Diversifikationsstrategien
3.5 Marketingstrategien integrierter Unternehmensstrukturen in der TIME-Branche
3.5.1 Windowing
3.5.2 Versioning
3.5.3 Markentransfereffekte
3.5.4 Leistungs- und Preisbündelung

4. Das integrierte Medienunternehmen AOL Time Warner
4.1 America Online Inc vor der Fusion
4.2 Time Warner Inc. vor der Fusion
4.3 Die Beweggründe der Unternehmen zur Fusion
4.4 Die Fusion
4.4.1 Behördliche Auflagen
4.4.1.1 Die Europäische Wettbewerbskommission
4.4.1.2 Die Federal Trade Commission
4.4.1.3 Die Federal Communications Commission
4.4.2 Die Wettbewerber
4.4.2.1 Disney Inc.
4.4.2.2 Microsoft Inc.
4.4.2.3 News Corporation Ltd.
4.5 Das integrierte Geschäftsmodelle

5 Kritische Würdigung

6. Ausblick

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Konvergenztreiber in der TIME-Branche

Abbildung 2 Drei Identifikationstests für Kernkompetenzen

Abbildung 3 Baumorganisation des Kernkompetenzkonzeptes

Abbildung 4 Wettbewerbsstrategien nach Porter

Abbildung 5 Strategietyp, Marktanteil und Rentabilität

Abbildung 6 Die Risikoarten in der Portfoliotheorie

Abbildung 7 Idealtypischer Produktlebenszyklus

Abbildung 8 Vierfelder Matrix von BCG

Abbildung 9 Neun-Felder-Matrix von McKinsey mit Normstrategien

Abbildung 10 Vor- und Nachteile der vertikalen Integration

Abbildung 11 Möglich Dimensionen des Versioning

Abbildung 12 Netzwerk- und Markentransfereffekte

Abbildung 13 Hürdenreicher Weg der Fusion

Abbildung 14 Umsatz der weltweit größten Medienkonzerne 1999/2000

Abbildung 15 Besetzung der Geschäftsmodelle durch AOL Time Warner

1. Einleitung

Die Digitalisierung verändert das Gesicht der Medien. Sie lässt die Grenzen von ehemals getrennten Branchen verschwimmen und führt zusammen, was traditionell nicht zusammen gehört. Die Medienunternehmen reagieren auf diese Entwicklung verstärkt mit Unternehmenszusammenschlüssen, um sich auf dem neu entstehenden multimedialen Markt zu behaupten.

Die Fusion von AOL und Time Warner stellt hierbei eine historische Zäsur dar. Erstmals wurde ein etablierter Medienkonzern von einem jungen Internet-Unternehmen übernommen, ein Sieg der „neuen“ über die „alten“ Medien. Es entstand das erste voll integrierte Medienunternehmen, das nahezu die gesamte Wertschöpfungskette unter sich vereint. Gleichzeitig markiert jedoch dieser Zusammenschluss den Anfang des größten Unternehmensverlustes in der Geschichte der Weltwirtschaft. AOL Time Warner ist an einem Wendepunkt angelangt, an dem sich die in diese Fusion gelegten Hoffnungen und Erwartungen beweisen müssen.

Wegbereitend für eine kritische Würdigung der Fusion von AOL Inc. und Time Warner wird zunächst der Katalysator der Fusionswelle im Mediensektor in Form der Branchenkonvergenz dargestellt.

Anschließend werden Erklärungsansätze der ökonomischen Theorie und der Strategiediskussion zu Unternehmensfusion erläutert. Darüber hinaus werden ausgewählte Analyseinstrumente und Organisationsstrategien zur Umsetzung der Unternehmensstrategie vorgestellt. Auf die für integrierte Medienunternehmen speziellen Marketingstrategien wird in einem weiteren Schritt gesondert eingegangen.

Zur Darstellung der Tragweite des Zusammenschlusses werden zunächst die beiden Unternehmen AOL und Time Warner sowie ihre Fusionsintentionen vorgestellt. Die externen Einflüsse in Form von Behördlichen Auflagen und konkurrierenden Unternehmen werden anschließend untersucht. Die Integration der beiden Unternehmen auf Geschäftsmodellebene wird im darauf folgenden Punkt thematisiert.

Die Effektivität und die Effizienz der Fusion werden schlussendlich einer kritischen Würdigung unterzogen.

2. Konvergenz der Märkte

Das Wettbewerbsumfeld auf den TIME[1] - Märkten ist starken Veränderungen ausgesetzt. Diese Veränderungen sind durch immer neue technologische Innovationen und Branchenkonvergenz[2] gekennzeichnet.[3] Die Konvergenz beschreibt dabei die Zusammenführung bzw. Annäherung von bisher getrennten Märkten und Markt- Sektoren.[4] Somit entstehen in konvergierenden Branchen neue Wettbewerbstrukturen und als Folge auch eine Integration von Wertschöpfungsketten zu einem integrierten Leistungsangebot von Medieninhalten.[5] Diese Konvergenzentwicklung wird im Wesentlichen durch die technologische, angebotsseitige und nachfrageseitige Konvergenz bestimmt.[6]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Konvergenztreiber in der TIME-Branche[7]

Eine vollständige Konvergenz zu einem Multimediamarkt erfordert eine Konvergenz aller drei Teilbereiche. Die Nachfrage der Konsumenten kann die Innovationen der Medienübergreifenden Technologien beeinflussen und diese beeinflussen wiederum den Grad der Leistungsbündelung und somit die Integration von Wertschöpfungsstrukturen ehemals sektoral abgegrenzter Unternehmen[8]. Die drei Teilbereiche Technologie, Angebot und Nachfrage sind stark interdependent. Insofern ist auch eine andere Kombination o. g. Abhänge möglich.

2.1 Technologische Konvergenz

Die erste Determinante für die Entwicklung hin zu einer Branchenkonvergenz ist die Technologische Konvergenz. Unter technologischer Konvergenz wird i.A. die Entstehung einer gemeinsamen Basistechnologie verstanden, die es ermöglicht, Signale jeglicher Form über einen Distributionskanal zu übertragen.[9]

Der Ausgangspunkt der technologischen Konvergenz in der TIME-Branche ist die Digitalisierung. Sie beschreibt die Abtastung und Quantisierung analoger Signale in digitale Speichereinheiten (bits = binary digits), die mit 0 und 1 codiert werden.[10]

Mit dem Einzug der digitalen Technik in die Telekommunikationsbranche wurde es möglich, verschiedene mediale Inhalte zusammenzufassen und diese über digitale Distributionskanäle (z.B. Internet) zu vermarkten. Somit kam es zu einer Auflösung der traditionellen Kombination aus Datentyp und Transportmedium.

Ein weiterer Effekt der Digitalisierung war die Möglichkeit, gezielt, selektiv und zeitunabhängig auf mediale Inhalte zugreifen zu können.[11] Zusätzlich kam es im Zuge der Digitalisierung zu einer verbesserten Effizienz hinsichtlich der Vervielfältigung digitaler Produkte.[12] Diese Entwicklung wird im Allgemeinen als Fixkostendegression beschrieben.[13]

Um die zusätzlich entstandenen digitalen Distributionskanäle nutzen zu können muss auch eine Konvergenz der End- bzw. Empfangsgeräte erfolgen.[14] Hier kommt es im Laufe der Technologienangleichung und der Entwicklung kleiner werdender Mikrochips zu neuen Verknüpfungen verschiedener End- bzw. Empfangsgeräte, die stetig den Grad der Substitution verstärken. Als Beispiel seien hier die Verbindung von TV (Lean-Back-Medium) und Internet (Lean-Forward-Medium), sowie die in der Telekommunikationsbranche immer üblicher werdende Verknüpfung von Organizer, Mobiltelefon und neuerdings Digitalkameras genannt.

Noch in der Entwicklungsphase befindet sich hingegen die Übertragung von TIME-Branchen- spezifischen Technologien in andere Märkte bzw. Lebensbereiche. Die Weiterentwicklung mobiler Endgeräte zu Pervasive Computing beschreibt diese Kombination. In dem heute üblichen Gebrauch zielen Multimedia-Anwendungen darauf ab, virtuelle Welten zu erzeugen. Dabei erfordert das jeweilige Endgerät zumeist die ungeteilte Aufmerksamkeit des Benutzers. Das Pervasive Computing hingegen bemüht sich um eine Einbindung der Technologien in die reale Welt, um eine Unterstützung im alltäglichen Leben zu bieten. Zudem soll die die Technologie, so die Vision, in den Hintergrund treten und den Benutzer bei alltäglichen Lebenssituationen begleiten.[15] Eine Konvergenzvision zielt bspw. auf die Verknüpfung von mobilen Endgeräten und Küchengeräten ab. So könnte es ermöglicht werden, Informationen oder Bedienung einzelner Küchengeräte über das mobile Endgerät abzurufen bzw. auszuführen.

2.2 Angebotsseitige Konvergenz

Die Vorraussetzung für eine angebotsseitige Konvergenz in der TIME- Branche ist die Festlegung eines ordnungspolitischen Rahmens, der es ermöglicht, integrierte Unternehmensstrukturen zu fördern.[16] Medienprodukte erfordern aufgrund ihres öffentlichen und meinungsbildenden Charakters einen erhöhten Bedarf an Regulierung.[17] Damit soll in der Regel die Informations- und Unterhaltungsvielfalt gewährleistet werden.

Bislang hatte jeder Markt seinen eigenen Grad der Regulierung. Der Medienmarkt unterliegt aus genannten Gründen weit strengeren Regulierungen als z.B. der seit Beginn der neunziger Jahre weitestgehend liberalisierte Telekommunikationsmarkt.[18] Es gilt nun, für die konvergenzbedingt zusammengeführten Märkte, neue Regulierungsmöglichkeiten zu finden. Die grundsätzliche Frage hierbei ist, ob ein Bedarf an Regulierung besteht oder ob der Markt sich selber reguliert.

Das Ziel der staatlichen Regulierungen ist die Korrektur des Marktversagens, das zu einer potentiellen Monopolstellung führen könnte. Die TIME- Ökonomie zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass Standards in Form von Programmen bzw. Technologien und neue Erlösmodelle zwar schneller zu Monopolstellungen führen, zugleich aber auch aufgrund kürzerer Produktlebenszyklen, der Substitutionsgefahr sowie rapider Verkürzung der Halbwertzeit der Technologie diese Monopolstellungen i.d.R. nur von kurzer Dauer sein können.[19]

Als Antwort auf diese Entwicklung sind die US-Regulierungsbehörden dazu übergegangen, die Märkte zu deregulieren. Zweck der Deregulierung ist das Zulassen von cross-sektoralem Wettbewerb, sowie die Liberalisierung von vertikaler Integration. Es wird deutlich, das die US-Regulierungsbehörden i. A. der Überzeugung sind, dass die Märkte in der Lage sind, sich selber zu regulieren.[20]

Das Resultat der technologischen Konvergenz und der angesprochenen Deregulierungs- und Liberalisierungstendenzen sind zunehmend auf Wertschöpfungskettenebene vertikal sowie horizontal integrierte Medienunternehmen. Diese Integration ermöglicht es, den Konsumenten auf vielen Distributionswegen zu erreichen. Gerade die durch die Deregulierung beständig wachsenden Wettbewerberzahlen und die aufgrund technischer Konvergenz entstehenden Substitutionsprodukte verpflichten Unternehmen nahezu, den Konsumenten möglichst viele Distributionskanäle zu offerieren. Es gilt, sich selbst zu kannibalisieren, bevor es ein anderer tut.[21] In diesem Sinne vertreiben viele Zeitungsanbieter ihren Inhalt zusätzlich noch übers Internet, mit Hilfe von Wireless Application Protocol (WAP) übers Mobilfunkgerät oder auch übers Fernsehen (Spiegel TV, MAX TV, Focus TV.

2.3 Nachfrageseitige Konvergenz

Die nachfrageseitige Konvergenz ist geprägt durch den steigenden Wunsch des Konsumenten, auf individualisierte Leistungsangebote und die Vernetzung der Informations- und Kommunikationsmittel zugreifen zu können.[22] Die Individualisierung spiegelt sich z.B. in der verstärkten Nutzung von Mobiltelefonen und dem Wunsch nach einer eigenen Homepage wider. Eine Vernetzung der Informations- und Kommunikationsmittel zeigt sich z.B. bei der Verknüpfung von Internet und Fernsehen (Internet TV) oder der Zusammenführung mobiler und stationärer Endgeräte im Telekommunikationssektor (fixed mobile conversion)[23]. Der Konsument verspricht sich davon Interaktionsmöglichkeiten, Convenience-Vorteile sowie ein personalisiertes Medienangebot, ohne dafür die für ihn knappe Ressource Zeit unnötig zu beanspruchen.

Diese Nutzerpräferenzen führen zu einer Bündelung der angebotenen Leistungen[24] und der Verschmelzung von Lean-Back- und Lean-Forward-Medien.[25] Zudem erfordert diese Entwicklung eine zielgenauere Ansprache[26] und stellt somit erhöhte Anforderungen an die Angebots- und Kommunikationspolitik der Unternehmen.

3. Theorien und Strategien zu Unternehmensübernahmen

In diesem Abschnitt werden die ökonomischen und betriebswirtschaftlichen Theorien sowie Managementphilosophien mit ihren Beiträgen zu Strategien im Hinblick auf Akquisitionen beschrieben. Dabei wird gesondert auf medienspezifische Strategieformen eingegangen.

3.1 Erklärungsansätze der ökonomischen Theorie

Dieser Abschnitt widmet sich bekannten ökonomischen Theorien und untersucht ihre Bedeutung für die Entscheidung zu Unternehmenszusammenschlüssen.

3.1.1 Monopolhypothese

Die Erlangung von Marktmacht ist im Rahmen dieses Erklärungsansatzes das wichtigste Ziel. Damit soll eine Preissetzungsmöglichkeit auf Absatz- und Faktormärkten durchgesetzt werden.[27] Diese mikroökonomische Figur stellt das Monopol als Optimierungsaufgabe dar, die Identität von Grenzkosten und Grenzerlösen herzustellen.[28] Als Referenz dient das Modell der vollkommenen Konkurrenz mit seiner Optimumsbedingung, nach der die Grenzkosten gleich dem Marktpreis sind. Im Gegensatz zum Konkurrenzmodell operiert der Monopolist somit aufgrund seiner Marktmacht mit einem Preis, der die Grenzkosten übersteigt und einem Outputniveau, das im Vergleich niedriger ist. Das Abzielen auf die entstehenden Monopolrenten wird bei fehlender „Natürlichkeit des Monopols“ durch Unternehmenszusammenschlüsse versucht. Die Antwort auf die Frage, wie die Monopolstellung erreicht wird, liegt in der Beziehung zwischen den Durchschnittskosten und der Nachfragekurve. Das entscheidende Maß ist die so genannte minimale effiziente Größe, minimum efficient scale (MES), jenes Outputniveau, bei dem die Durchschnittskosten, relativ zum Ausmaß der Nachfrage, im Minimum sind. So liegen monopolistische Tendenzen vor, wenn die Nachfrage im Verhältnis zur MES relativ klein ist, d.h. fast der gesamte Markt von einem Hersteller bedient werden kann, der das gesamte Volumen im Minimum seiner Durchschnittskosten produzieren kann. Wenn auch die vertikalen und konglomeraten Diversifikationen zu einer gewissen Konzentration führen, werden vorrangig die horizontalen Unternehmenszusammenschlüsse zur Erreichung einer marktbeherrschenden Position als geeignet eingeschätzt, da sie maßgeblich zur Verknappung des Marktes innerhalb einer Wertschöpfungsstufe beitragen. Es ist jedoch anzumerken, dass durch empirische Untersuchungen keine deutliche Unterstützung der Monopolhypothese bezogen auf die Unternehmenswertsteigerung nachgewiesen werden konnte. In Untersuchungen der Aktienkursentwicklung von Wettbewerbern in elf horizontalen Fusionen wurden in neun Fällen keine statistisch signifikanten Kurszuwächse analysiert.[29] So wird in der Literatur die Monopolhypothese aufgrund der fehlenden empirischen Evidenz und kartellrechtlicher Kontrolle nicht als allein hinreichende Erklärung für Unternehmenszusammenschlüsse angenommen.

3.1.2 Transaktionskostentheorie

Bei der Übertragung von Verfügungsrechten entstehen Transaktionskosten, „costs of using the price mechanism“[30], also Kosten der Information und Kommunikation für die Anbahnung, Vereinbarung, Abwicklung, Kontrolle und nachträgliche Anpassung von Verträgen. Die entscheidungsrelevanten Opportunitätskosten für eine kostengünstigere Koordinationsform ergeben sich somit aus der Summe der Produktions- und Transaktionskosten. Eine Ersetzung der kaufvertraglichen Koordination von (Markt-) Transaktionen durch eine Koordination in der Hierarchie wird von Coase als „Internalisierung“ bezeichnet. Unter bestimmten Voraussetzungen werden Transaktionen in der Hierarchie effizienter abgewickelt als zwischen unabhängigen Marktparteien. Die Vorteile liegen in der nicht möglichen Antizipation der zukünftigen Umweltzustände und Verhaltensweisen der Unternehmen, die vertragsmäßig eine vielfach nicht zu leistende ex ante-Regelung mit hohen Transaktionskosten bedeuten würde. Pausenberger führt zur Illustrierung für prohibitiv hohe Transaktionskosten den Markt für Know-how an.[31] Gerade bei hoher Spezifität, Veränderlichkeit und Häufigkeit von Transaktionen mit denselben Vertragspartnern bietet sich die Entscheidung für einen Unternehmenszusammenschluss an.[32] Unternehmensübernahmen lassen sich in diesem Kontext als eine Internalisierungstendenz auffassen, wobei der Nettosaldo der internalisierten Transaktionskosten gegenüber denen aus Akquisitionen entstehenden Transaktionskosten Einsparungspotentiale hinsichtlich der Informations- und Kommunikationskosten bei marktlicher Koordination vermuten lassen muss. Hiermit wird ein Erklärungsansatz für vertikale Integration, also letztlich für die Entscheidung über die vertikale Leistungs- und Fertigungstiefe, geliefert.

3.1.3 Die „Economies of…“- Theorien

3.1.3.1 Economies of scale

Bereits 1910 wurde das so genannte „Gesetz der Massenfertigung“ von Kurt Blücher formuliert. Bei wachsender Betriebs- und Unternehmensgröße entstehen demgemäß Möglichkeiten der Kostendegression in den Bereichen Fertigung, Absatz, Organisation und F&E. Kosten werden hierbei als Stückkosten verstanden. Insbesondere bei einer partiellen Faktorvariation, also beim Vorliegen von Fixkosten, stellt sich die erwünschte Stückkostendegression ein. Die Anwendung dieser Theorie auf die Medienwirtschaft ist in sofern von besonderer Natur, da der Anteil der Fixkosten in Form der so genannten First-Copy-Costs[33] nahezu 100% der Kosten einer Medienproduktion ausmachen, wohingegen die variablen Kosten zu vernachlässigen sind. Der Sunk-Cost-Charakter der First-Copy-Costs beinhaltet ein hohes finanzielles Risiko für die produzierenden Unternehmen. Dieser Sachverhalt stellt eine entscheidende Ursache für die Integration auf horizontaler Ebene dar, weil die maximale Fixkostendegression durch das Angebotsmonopol auf dem betreffenden Markt realisiert werden kann, die nur durch eine regionale Nachfrage und kartellrechtliche Bestimmungen limitiert wird.[34] Durch die daraus realisierbaren Kostensenkungen können wiederum Markteintrittsbarrieren für Newcomer geschaffen werden, die aufgrund ihrer fehlenden Unternehmensgröße dem verschärften Preiswettbewerb nicht standhalten können.

3.1.3.2 Economies of scope

Das Konzept der economies of scope versucht, Kostenvorteile von Unternehmensgröße bei heterogenen Produktprogrammen zu begründen. Die maßgebliche Beziehung in diesem Konzept liegt also zwischen der Produktvielfalt und der Wirtschaftlichkeit. Es können demnach so genannte Verbundvorteile durch Verwendung desselben Inputs für unterschiedliche Produktionsprozesse geschaffen werden, die eine Produktion verschiedener Produkte aus einer Hand effizienter werden lassen als die Produktion durch jeweils unterschiedliche Unternehmen. Solche Vorteile werden im Verbund ähnlicher oder unterschiedlicher Produktionen, also in Formen diagonaler Verflechtung realisiert, wobei sich unter der Beachtung der Kernaktivitäten eines Unternehmens und einer engeren Diversifizierung die Beschränkung auf einen Verbund von ähnlichen Produktionen anbietet.[35] Die enge Diversifizierung ist für den Mediensektor in Form des Medienverbunds oder des Multimediakonzerns typisch.[36] Die Integration zu einem Multimediakonzern lässt sich dementsprechend mit der Möglichkeit der Umschichtung von Ressourcen aus langsam wachsenden Industrien in schneller wachsende Industrien und mit der Suche nach komparativen Wettbewerbsvorteilen in Industrien mit neuerem technischen Wissen begründen.[37] Dies stellt eine Erklärung für die typische Ausbreitung von ursprünglich reinen Printmedienunternehmen in den Bereich elektronischer Medien dar. Weitere Verbundvorteile im Mediensektor bestehen in der multimedialen Mehrfachnutzung des gleichen Inputs wie Recherche, Lieferungen von Nachrichtenagenturen oder Korrespondenten, Archive und Dokumentationen, da Informationen per se durch die Nichtrivalität im Verbrauch gekennzeichnet sind.[38] Auch die Mehrfachnutzung des gleichen Personals im Bereich der technischen Produktion, des Managements und der Verwaltung können zu Kosteneinsparungen führen.[39]

3.2 Erklärungsansätze der Unternehmensstrategie

Es werden exemplarisch zwei Strategiekonzepte dargestellt und hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit auf Unternehmensakquisitionen kritisch beleuchtet.

3.2.1 Das Kernkompetenzkonzept

Prahalad und Hamel haben einen weiteren Vorschlag der Diskussion um die Konzernstrategie hinzugefügt. Sie versuchen anhand der Frage nach den Gründen der sehr unterschiedlichen Entwicklung zweier Firmen (GTE und NEC) mit relativ ähnlichen Portfolios ihr Konzept der Kernkompetenzen als Erklärungsmöglichkeit darzustellen. Dabei setzen sie ähnlich wie Porter mit einem wettbewerbstheoretischen Zugang an, verfolgen aber dann vorrangig die unternehmensinterne Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen. Auch hier ist die Suche nach und die Nutzung von Synergien zwischen den einzelnen Strategischen Geschäftseinheiten strategisches Ziel auf der Konzernebene. Aus diesem Ansatz kann dann eine Akquisitions-, Desinvestitions- und Kooperationsstrategie abgeleitet werden.

Die Kernkompetenzen als die Wurzel der Wettbewerbsvorteile verstehen die Autoren als „the collective learning in the organization, especially how to coordinate diverse production skills and integrate multiple streams of technologies. […] Core competence is communication, involvement, and a deep commitment to working across organizational boundaries.”[40] Hiermit grenzen sie sich explizit gegen die Verwandtschaft mit den Theorien der economies of scale und scope ab. Sie sehen mit ihrem Konzept der Kernkompetenzen eine über die vertikale Integration hinausgehende Möglichkeit, langfristig Wettbewerbsvorteile zu generieren, „from the ability to build, at lower cost and more speedily than competitors, the core competencies to spawn unanticipated products.“[41] Den Ursprung der langfristigen Wettbewerbsvorteile sehen sie – entgegen der in der Regel nur kurzfristig greifenden Verbesserung der Preis/Leistungs-Relation – in der Managementfähigkeit, die unternehmensweiten Technologien und Produktionsfertigkeiten in Kompetenzen zu konsolidieren, die eine schnelle Anpassungsfähigkeit an neue Chancen und Risiken ermöglichen. Damit werden Parallelen zu dem Verflechtungsansatz von Porter ersichtlich. Die Kernkompetenzen werden zu einem Kristallisationspunkt, der eine Kohärenz und Harmonisierung der verschiedenen Technologien und Geschäftsbereiche herstellen soll.[42] Prahalad und Hamel geben drei Identifikationstests für diese unternehmensoriginären Kernkompetenzen an:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Drei Identifikationstests für Kernkompetenzen[43]

Prahalad und Hamel leiten aus ihrem Konzept die „Baumorganisation“ ab, die sie als „hierarchy of core competencies, core products, and market-focused business units“[44] beschreiben:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Baumorganisation des Kernkompetenzkonzeptes[45]

[...]


[1] TIME ist die Abkürzung von Telekommunikation, Informationstechnologie, Medien, Entertainment.

[2] Branchenkonvergenz wird auch als industrielle Konvergenz beschrieben, vgl. Sjurts (2000), S. 128.

[3] Vgl. unter anderem Jansen (2002), S. 7 oder Töpfer (2000), S. 11.

[4] Vgl. Keuper / Hans (2003), S. 36, Wirtz (2001), S. 39f und Online Heuer (2002).

[5] Vgl. Töpfer (2000), S. 11 und Wirtz (2001), S. 518.

[6] Vgl. Sjurts (2000), S. 128 ff.

[7] Vgl. Wirtz in Wirtz 2001, S. 41.

[8] Vgl. Keuper / Hans (2003), S. 56.

[9] Vgl. Sjurts (2000), S. 128 und Ozanich / Wirth in Alexander (1998), S. 95.

[10] Vgl. Heinrich (1999), S. 49.

[11] Vgl. Keuper / Hans, S. 42.

[12] Vgl. hierzu Punkt 3.1.3.1.

[13] Vgl. Zerdick et al. (2001), S. 167 und Heinrich (1999), S. 50.

[14] Vgl. Hüning / Keuper (2002), S. 29.

[15] Vgl. Keuper / Hans (2003), S. 50f.

[16] Vgl. Heinrich (2001), S. 205.

[17] Vgl. Sjurts (2000), S. 129.

[18] Vgl. Heinrich (2001), S. 75 und Wirtz (2001), S. 40.

[19] Vgl. Zerdick et al. (2001), S. 282-296.

[20] Vgl. Wirtz (2001), S. 40.

[21] Sjurts (2000), S. 133.

[22] Vgl. Wirtz (2001), S. 40f.

[23] Keuper / Hans (2003), S. 45ff.

[24] Vgl. hierzu Punkt 3.5.4.

[25] Vgl. Zerdick et al. (2001), S. 251ff.

[26] Vgl. Sjurts (2000), S. 134.

[27] Vgl. Pausenberger (1993), S. 4442.

[28] Vgl. Varian (1991), S. 380ff.

[29] Vgl. Stillmann (1983).

[30] Coase, in: Heinrich (2001), S. 131.

[31] Vgl. Pausenberger (1993).

[32] Vgl. Williamson (1991), S.32.

[33] Vgl. Wirtz (2001), S. 506f.

[34] Vgl. Heinrich (2001), S. 129.

[35] Vgl. Tichy, in: Heinrich (2001), S. 133.

[36] Vgl. Heinrich (2001), S. 133.

[37] Vgl. Kaufer, in: Heinrich (2001), S. 133.

[38] Vgl. Heinrich (2001), S. 131.

[39] Heinrich (2001), S. 133.

[40] Prahalad / Hamel (1990), S. 82f.

[41] Ebenda, S. 81.

[42] Vgl. Prahalad / Hamel (1990), S. 85.

[43] Vgl. ebenda, S. 83f.

[44] Ebenda, S. 91.

[45] Vgl. ebenda, S. 81.

Excerpt out of 56 pages

Details

Title
Das integrierte Medienunternehmen AOL Time Warner - Eine kritische Analyse des Zusammenschlusses
College
Academy of Economy Hamburg
Grade
1
Authors
Year
2003
Pages
56
Catalog Number
V14113
ISBN (eBook)
9783638196024
File size
3588 KB
Language
German
Keywords
Medienunternehmen, Time, Warner, Eine, Analyse, Zusammenschlusses
Quote paper
Benjamin Kerneck (Author)Florian Gees (Author)Andreas Rauschenberger (Author), 2003, Das integrierte Medienunternehmen AOL Time Warner - Eine kritische Analyse des Zusammenschlusses, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14113

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