Der Talkshow-Moderator Hans Meiser berichtet 1997 in der Zeitschrift „Der Spiegel“, er begegne auf Schritt und Tritt einem „TV-geilen Volk“, das sich vor der Kamera produzieren wolle. „Wenn ich unterwegs bin [...] begegnen mir Leute, die erklären: ‚Ich kann zu jedem Thema etwas sagen‘.“ Der Fernsehwert scheint in unserer Gesellschaft zu steigen, während andere Werte immer mehr verschwinden. Traditionen und Institutionen verlieren ihren Einfluss, jeder definiert immer mehr für sich selbst, was richtig oder falsch bzw. gut oder schlecht ist. Der Philosoph Bloom behauptet, der moderne Mensch sei „geistig ungerüstet, beziehungslos, isoliert, mit keinerlei ererbter oder vorbehaltloser Bindung an irgendwas oder irgendwen“. Deutlich zeigt sich in unserer Gesellschaft ein Trend zum Individualismus sowie zur Lustmaximierung und damit zur Selbstinszenierung. Durchschnittlich zu sein scheint nicht mehr gut genug. Ausdruck dieser Entwicklung ist auch die Veränderung in der Fernsehlandschaft. Gewinnshows, Reality-TV und Talkshows überschwemmen den Markt. Hierbei hat der Normalbürger als Gast die Möglichkeit auszubrechen aus dem Kreis der Unscheinbaren und Normalsterblichen. Vorallem in Talkshow kann er sich aus seiner Isolation herauslösen und sich in seiner Identität durch die Zustimmung der Öffentlichkeit bestätigen. Welche Verantwortung den Medien beim Aufgreifen persönlicher Schicksale sowie gegenüber der so genannten Kurzzeit-Prominenten zukommt, soll hier erörtert werden...
Inhaltsverzeichnis
- Einleitendes
- Wer wird Talkgast?
- Über den Weg vom Rezipienten zum Fernsehakteur
- Die Motivation zum Auftritt
- Motivtypen nach Bente/ Fromm
- Motiv: Parasoziale Beziehung (PSB)
- Der Fernsehauftritt
- Ein für den Talk- Gast befriedigender Verlauf einer Aufzeichnung
- Exkurs: Der Moderator als Therapeut?
- Ein für den Talk- Gast unbefriedigender Verlauf einer Aufzeichnung
- Die Folgen des Auftritts
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Frage, ob Talkshows eine Kurztherapie oder psychische Vergewaltigung darstellen. Dabei wird analysiert, welche Motivtypen den Wunsch nach einem Fernsehauftritt antreiben und wie sich der Verlauf einer Talk-Sendung auf die Gäste auswirkt. Ziel ist es, die potenziellen Folgen des Auftritts für die Gäste zu beleuchten und die ethischen Aspekte des Genres kritisch zu hinterfragen.
- Motivation und Motive der Talkgäste
- Der Einfluss des Moderators und die Rolle des Publikums
- Die Authentizität des Talks und die Darstellung der Realität
- Die Folgen des Auftritts für die Talkgäste
- Ethische Aspekte der Talkshow-Produktion
Zusammenfassung der Kapitel
Im ersten Kapitel werden die allgemeinen Eigenschaften und Merkmale von Talkshows vorgestellt und in den gesellschaftlichen Kontext eingebettet. Es wird der wachsende Trend zum Individualismus und zur Selbstinszenierung in der heutigen Gesellschaft aufgezeigt, wobei Talkshows als ein Spiegelbild dieser Entwicklung betrachtet werden.
Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit den Motiven der Talkgäste. Es werden verschiedene Motivtypen und deren Hintergründe beleuchtet, wobei der Fokus auf der Rolle der parasozialen Beziehung zwischen Gast und Publikum liegt. Im dritten Kapitel wird der Fernsehauftritt selbst analysiert. Es werden die potenziellen Folgen des Auftritts für die Gäste untersucht, sowohl positive als auch negative Aspekte werden betrachtet. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, ob der Moderator als Therapeut fungiert und die Sendung selbst eine Form von Kurztherapie darstellt.
Schlüsselwörter
Talkshows, Kurztherapie, psychische Vergewaltigung, Motivation, Fernsehauftritt, parasoziale Beziehung, Moderator, Zuschauer, Authentizität, Folgen des Auftritts, ethische Aspekte, Medienkritik, Medienkultur.
- Quote paper
- Sandra Wesp (Author), 2001, Talkshows - Kurztherapie oder psychische Vergewaltigung?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14119