Zitate wie „wenn der Krieg ausbricht, ist das
erste Opfer die Wahrheit“ (US-Senator Hiram Johnson) oder „Public Oppinion wins war“ (General
Eisenhower) zeigen, dass die Medien und die öffentliche Meinung in Kriegszeiten eine ganz
besondere Stellung einnehmen. Es bestehen auch Anzeichen dafür, dass die Massenmedien die
gesellschaftliche und politische Wirklichkeit in Krisen und Kriegen verzerrt abbilden, darin sogar
selbst zu Akteuren werden und die Öffentlichkeit damit stark beeinflussen können.
Für Informationsbeschaffung über das Ausland müssen sich die meisten Menschen auf Erfahrungen
aus zweiter Hand verlassen, die insbesondere durch die Massenmedien vermittelt werden. Die Art
und Weise der Wirklichkeitserschaffung durch den Menschen und die Medien bietet die Grundlage für
die Erschaffung eines Feindbildes. Feindbilder sind spezifischer und facettenreicher geworden. So
werden Iran, Irak und Nordkorea von den USA als „axis of evil“ bezeichnet. „So wie die Sowjetunion
für Ronald Reagan das ‚evil empire‘ war, charakterisiert George Bush [Senior] Saddam Hussein als
neuen Hitler […]“ und somit zum Inbegriff des Bösen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Feindbilder
2.1 Feindbilder im Kalten Krieg zwischen Moskau und Washington
2.2 Das komplexe Feindbild „Sowjetunion“
2.3 Entstehung des Feindbildes in der Sowjetunion
2.4 Das sowjetische Bild vom amerikanischen Gegner
2.5 Entstehung des Feindbildes in den Vereinigen Staaten
2.6 Das amerikanische Bild von der Sowjetunion
3 Teilfazit
4 Der Krieg in den Medien
4.1 Feindbildschaffung in den Medien und Mediale Globalisierung
4.2 Objektive Berichterstattung im Georgienkrieg?
4.3 Kurze Chronologie des Georgienkrieges
4.4 Auswahl der Printmedien
4.4.1 Berichterstattung in der FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung)
4.4.2 Berichterstattung in der NZZ (Neue Zürcher Zeitung)
4.4.3 Berichterstattung in der TAZ (Die Tageszeitung)
4.4.4 Berichterstattung im FOCUS
4.4.5 Berichterstattung im SPIEGEL
4.5 Zusammenfassung
5 Fazit
6 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Die Rolle der Medien bzw. der Berichterstattung beschriebt Carl von Clausewitz wie folgt: „Ein großer Teil der Nachrichten, die man im Kriege bekommt, ist widersprechend, ein noch größerer ist falsch und bei weitem der größte ist einer ziemlichen Ungewissheit unterworfen. […] Mit kurzen Worten: die meisten Nachrichten sind falsch […].“
Karl Büchner argumentierte insofern treffend, „dass jedem Krieg mit den Waffen ein Krieg mit Druckerschwärze zur Seite geht, in dem jede Partei die öffentliche Meinung für sich zu gewinnen sucht.“
Fraglich ist, ob die Feindbilder des Kalten Krieges bestehen blieben. Diese Frage kann gerade in Bezug auf die Eskalation in der Georgienkrise beantwortet werden.
„Das Böse ist der Felsen, an dem alle Systeme Schiffbruch erleiden.“ (Karl Jaspers)
Für Informationsbeschaffung über das Ausland müssen sich die meisten Menschen auf Erfahrungen aus zweiter Hand verlassen, die insbesondere durch die Massenmedien vermittelt werden.
Zitate wie „wenn der Krieg ausbricht, ist das erste Opfer die Wahrheit (US-Senator Hiram Johnson) oder „Public Oppinion wins war“ (General Eisenhower) zeigen, dass die Medien und die öffentliche Meinung in Kriegszeiten eine ganz besondere Stellung einnehmen. Es bestehen auch Anzeichen dafür, dass die Massenmedien die gesellschaftliche und politische Wirklichkeit in Krisen und Kriegen verzerrt abbilden, darin sogar selbst zu Akteuren werden und die Öffentlichkeit damit stark beeinflussen können.
Für Informationsbeschaffung über das Ausland müssen sich die meisten Menschen auf Erfahrungen aus zweiter Hand verlassen, die insbesondere durch die Massenmedien vermittelt werden.
2 Feindbilder
Grundlage zur Schaffung eines Feindbildes ist der Konstruktivismus, also die Art und Weise der Wirklichkeitserschaffung durch den Menschen. Wissen darf nicht als Abbild der externen Wirklichkeit verstanden werden, sondern als eine Funktion innerhalb des Erkenntnisprozesses. Entwürfe der Wirklichkeit bilden sich nicht willkürlich heraus. Sie sind das Produkt von sozialen, kognitiven und biologischen Bedingungen. Das „Feindbild’ ist das Produkt einer Propaganda, die mit semantischen, optischen und graphischen Mitteln den politisch-ideologischen Gegner dämonisiert, um [in der Regel] die eigene Herrschaft zu legitimieren“. Der Staat steht als Beschützer der Gesellschaft an oberster Spitze. Er muss gegen Gegner der Gesellschaft vorgehen.
In der internationalen Politik sind Feindbilder auf der Makroebene, also gegenüber Völkern, Nationen und Ideologien, präsent. Diese zeichnen sich durch eine besondere Stabilität aus und sind je stärker die Bilder affektiv besetzt sind, umso schwieriger zu modifizieren. Die ,,Hartnäckigkeit" von Feindbildern liegt zum einen an ihrer tiefen emotionalen Verwurzelung und zum anderen an der ,,Kontaktvermeidung mit dem Einstellungsobjekt“
Um zu verstehen wie Feindbilder generiert bzw. aktiviert werden, ist es notwendig zunächst einmal die Stereotypisierungsprozesse zu begreifen, durch die unsere mentalen Bilder geprägt sind. „Feindbilder sind ein Sonderfall von Stereotypen“, der „(…) in uns Abwehrbereitschaft, Feindseligkeit und Aggression auslöst“ . Haben sich extrem negativ besetzte Bilder in den Köpfen der Menschen festgesetzt, ist ihre Wahrnehmung dadurch äußerst nachhaltig strukturiert. Die „schablonenhafte, vereinfachte Rezeption der Realität“ , welche im sozio-politischen Kontext häufig eine stabilisierende Wirkung hat, kann fatalerweise bis hin zur Verzerrung eines Stereotyps zum Feindbild führen. Das Individuum lernt Stereotype von frühester Kindheit an im Zuge der Sozialisation als Ausdruck der öffentlichen Meinung. Sie sind durch das soziale Umfeld, also vor allem Erziehung, Familie und Milieu, geprägt und nicht durch direkte persönliche Erfahrung. Dieses Charakteristikum und die Tatsache, dass ein Stereotyp bezüglich seiner wertenden Funktion stets emotional geladen ist, erklären, warum es sich als so dauerhaft und resistent gegen Veränderungen erweist.
Ein weiterer Grundbestandteil von Feindbildern ist die Vorstellung einer Bedrohung. Diese kann sich auf militärische, ökonomische, kulturelle oder existenzielle Bereiche beziehen. Erst durch diese reale oder imaginierte Bedrohung macht aus einem Gegnerbild ein Feindbild.
Feindbilder, Stereotype und Vorurteile sind die wesentlichen Bestandteile eines Feindbildes. Sie werden häufig gezielt als subtiles Instrument der geistigen Kriegsvorbereitung eingesetzt. Oft bestehen Feindbilder aus einer staatlich gelenkten Feindbild-Ideologie. Heutzutage entstehen Feindbilder allerdings weniger durch den Staat. Sie werden erschaffen von unserer vielfältigen Medienlandschaft. Hier wird zum Teil sehr massiv ein Feindbild – Denken aufgebaut, das an Gefährlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt.
Kurt Spillmann erläuterte in seinem Vortrag in Bonn am 28.06.1989 sieben Merkmale, die das FEIND – Bild ausmachen: Misstrauen, Schuldzuschreibungen, negative Antizipationen, Identifikation mit dem Bösen, Nullsummendenken, De-Individualisierung, Empathieverweigerung. All diese Beschreibungen des Feindbildes treffen auf die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten in Zeiten des Kalten Krieges zu.
Der gemeinsame Feind, sei er nationaler oder ideologischer Natur, dient der Festigung nationaler Selbstwertgefühle. Dieses Freund – Feind – Denken fördert die Akzeptanz der politischen Führung sowie des politischen Systems als Ganzes. Feindbilder erfüllen eine wichtige Funktion zur Stabilisierung bestehender Verhältnisse. Außenpolitische Feindbilder können als Integrationsideologien verstanden werden, die zur Bildung und Bekräftigung des innergesellschaftlichen Konsens` beitragen. Sie lenken die Bevölkerung von internen Schwierigkeiten ab und verdrängen systemimmanente Widersprüche.
Nicht zu letzt bieten sich Feindbilder auch als ein geeignetes Mittel an, um politische Gegner zu diffamieren. Besonders in Krisenzeiten werden innenpolitischen Kontrahenten häufig Verbindungen zu außenpolitischen Gegner nachgesagt. Ihre Position und ihr Glaubwürdigkeit sollen geschwächt werden.
Feindbilder verzerren die Wirklichkeit. Sie kategorisieren die Welt in „Gut“ und „Böse“. Ein weit verbreitetes Beispiel sind die „guten“ Amerikaner, die uns von den Qualen des Zweiten Weltkrieges erlöst haben und die „bösen“ Russen, die nach der deutschen Kapitulation geplündert und geraubt haben, wie der Barbar es nur tun würde. Mit Hilfe solchen Vereinfachungen wird versucht, die Welt einzuteilen und zu ordnen. Aber je weiter diese Verkürzungen von der Wirklichkeit entfernt sind, desto leichter können sie zu Vorurteilen und sogar zu Feindbildern führen. Feindbilder sind ja auch geradezu von Vorurteilen gekennzeichnet.
Während am Anfang des 20. Jahrhunderts das Feindbild eher durch Rasse, Religion und Kultur bestimmt wurde, sind die heutigen Feindbilder politisch aufgeladen. Diese „politischen Feindbilder“ sind nicht nur die Folge von Spannungen, Konflikten und Krisen; sie werden auch gezielt hergestellt und verbreitet, wenn Spannungen, Konflikte oder Krisen politische erzeugt werden sollen. Insofern entsteht zwar das politische Feindbild Russland in Deutschland, allerdings zum großen Teil durch die Massenmedien. Allerdings kann der gezielte Aufbau eines Feindbildes in Russland gegenüber den Georgiern und umgekehrt durchaus staatlich und politisch gelenkt sein. Zur Geschichte dieser Auseinandersetzung später mehr.
In Zeiten des Kalten Krieges begann jeder neue Aufrüstungsschritt der NATO damit, dass der Sowjetunion bedrohliche „Vorrüstung“ unterstellt wurde. Unliebsame Regierungen, wie der Iran, werden zur Weltgefahr hochstilisiert, insbesondere von den USA.
Feindbilder waren immer Mittel zum Zweck. Sie wurden „von oben“ zielgerichtet aufgebaut und in der Erziehung weiter gegeben. Historisch betrachtet sind Feindbilder durch den wirtschaftlichen Egoismus gekennzeichnet. Feindbild – Macher missbrauchen die Fähigkeit des Menschen, sich selbst von der Welt ein Bild zu machen. Negative Eigenschaften oder Taten werden hervorgehoben. Positive Eigenschaften werden herunter gespielt, gar nicht erst erwähnt oder umgedeutet. So wurden die Abrüstungsvorschläge der Sowjetunion nur als ein raffinierter Propagandatrick dargestellt. Insbesondere werden die menschlichen Gefühle und Grundbedürfnisse ausgenutzt.
2.1 Feindbilder im Kalten Krieg zwischen Moskau und Washington
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist in Deutschland das Bild Russlands in ein Bild des Feindes umgewandelt worden. Die Revolution 1918/19 wurde als von den russischen Bolschwisten ferngelenkt hingestellt, die in Deutschland Chaos produzieren und die Sicherheit bedrohen. Die Konsequenz daraus war die Ermordung der führenden Revolutionäre Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Der Rapallo – Vertrag 1922 leitet einen vielfältigen Austausch in Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft ein. Dennoch blieb der Antibolschewismus das zentrale ideologische Motiv. Die nationalsozialistische Bewegung baute darauf auf und erweiterte dieses Motiv mit dem Antisemitismus. Die in Hitlers „Mein Kampf“ formulierten und aufgebauten Feindbilder wurden mit Wohlwollen betrachtet. Der Antibolschewismus wurde als Staatsdoktrin betrachtet. Die 1950er Jahre sahen dann neuen Wohlstand, neue Rüstung, aber alte Feindbilder. In der Ostpolitik gab es kaum Veränderungen. Die Rüstungsspirale konnte nicht gestoppt werden. Ganz im Gegenteil: Anfang der 80er Jahre wurde neue, noch gefährlichere Rüstungsprogramme gegen das „Reich des Bösen“ gestartet. Der Wille zum Durchbrechen der nuklearen Abschreckungssyteme brachte die Welt an den Rand des Abgrunds. Durch einseitige Abrüstungsschritte der UdSSR und kooperative Verhandlungen mit dem Westen hielt seit 1985 das „Neue Denken“ Einzug in die Weltpolitik.
Der Politologe und Mitarbeiter der Vereinten Nationen, Daniel Frei, stellte in seinem Aufsatz „Feindbilder und Abrüstung“ fest, dass die Beziehungen zwischen Washington und Moskau in Zeiten des Kalten Krieges sich nicht durch ein einfaches „Feindbild“ bestimmen lassen. Vielmehr geht es um drei Aspekte, die jeder zu beurteilen hat: das Bild von der Welt, das Bild vom Gegner, das Bild von der eigenen Rolle.
2.2 Das komplexe Feindbild „Sowjetunion“
Das komplexe Feindbild „Sowjetunion“ setzt sich aus zwei verschiedenen Aspekten zusammen. Zum Einen ist es der im Kalten Krieg immer wieder betonte Ost-West-Gegensatz. Die UdSSR war dabei immer der Gegenpol zum westlichen System. Hier Freiheit, dort Sozialismus; hier Marktwirtschaft, dort Planwirtschaft; hier eigenes Auto und Reihenhaus, dort Omnibus und Mietskaserene; hier Modevielfalt, dort Einheitskittel. Das symbolische Gleichgewicht zwischen den Systemen war die Logik dieses Feindbildes. Es musste also stets für ein Gleichgewicht gesorgt werden, auch im Sinne der Machtstrukturen: Panzer hier, Panzer dort, Atomraketen hier, Atomraketen dort, Apollo hier, Sputnik dort, Nicaragua hier, Afghanistan dort.
Um ein mythisches Feindbild handelt es sich bei der Sowjetunion bzw. Russland. Allein die Tatsache, dass sich dieses Bild vom Wilhelminischen Kaiserreich über die Weimarer Republik und den Nationalsozialismus bis in die Bundesrepublik unverändert halten konnte, zeigt dass es mit Realität wenig zu tun hat. Nach denk Oktoberrevolution 1917 bekam das Feindbild „Russland“ eine neue Dimension. Es ging von nun an um die Abwehr einer möglichen Systemalternative. Schon Marx und Engels hatten 1848 erklärt, dass der Sozialismus den alten Mächten Europas als Gespenst erscheinen würde. Dieses Gespenst nahm ab 1917 zum ersten Mal eine reale Gestalt an. Die Darstellung im Volk erfolgte mit dem Bild des Monsters. Einen Anschein von Wahrheit dieser Bilder kamen durch den Bürgerkrieg und den Staatsterror Stalins. Vor allem der Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan 1979/80 führten dazu, dass sich auch in der modernen Bundesrepublik die Feindbilder nicht abbauen konnten. Und so war es klar, dass die Russen in Georgien einmarschiert sind, dass die verbotene Streubomben auch gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt haben. Eine andere Möglichkeit gab es im August 2008 scheinbar nicht. Ministerpräsident Putin war gerade bei der Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking, Präsident Medwejew reiste durch das Land. In den ersten Berichterstattungen zur Georgienkrise war Russland der Angreifer, Georgien das Opfer. Auf Grund der in den Köpfen der Menschen verankerten Vorurteile schien diese Möglichkeit auch wahr zu sein. Aber sie verschlossen sich, einen anderen Blickwinkel auf das Geschehen zu suchen. Vereinzelt schrieben Zeitungen, dass es auch eine Invasion Georgiens in Südossetien gegeben habe. Dies wurde einfach oft überlesen. Wenn erstmal ein Feindbild oder ein Vorurteil entstanden ist, ist es schwer dieses aus den Köpfen der Menschen heraus zu bekommen. Die Meldungen vom August 2008 bestätigten nur das Bild im Kopf und riefen es endlich wieder hervor.
Der stellvertretende Chefredaktuer der ZEIT, Bernd Ulrich, analysiert in seinem Artikel „Der Machtverlust des Westens“ die „globale Machtverschiebung“. Danach basier die Weltordnung auf einem multipolaren System, dass die bipolare Ordnung des Kalten Krieges und die Einteilung in erste, zweite und dritte Welt längst der Vergangenheit angehören. Dieses System tritt seit langem mit neuen, Furcht einflößenden Akteuren auf. Ulrich beschreibt so den Übergang zu einer Vier – Welten – Ordnung. Diese „Vier Welten“ bestehen aus dem Westen, den Ulrich als Absteiger bezeichnet, Asien und Lateinamerika, die Aufsteiger, den Energieproduzenten Russland und die islamischen Staaten, die Aggressiven, und die Länder Afrikas, die sich schnell mit den Aggressiven verbünden könnten. Hierzu führt Ulrich aus, dass die EU in einer gefährlichen „Überdehnungs- und Überforderungskrise“ stecke, dessen Beispiel allein schon der Kampf um die Verfassung sei. Ein Blick auf die Lissabonner Verträge und das irische Referendum zeigen, das die EU inzwischen zu groß geworden ist, um handlungsfähig zu bleiben. Wie kann ein kleines Land, dazu noch eine Insel, die ganze Funktionsweise der EU Lahm legen? Die Vereinigten Staaten kämpfen um ihre Vormachtstellung. Der Westen stecke in einer tiefen Krise und er sei so desorientiert wie noch nie. Ausschlaggebend dafür seien der Kampf der Vereinigten Staaten gegenölreiche Diktaturen, wie dem Irak. Für Ulrich erwächst daraus die klare Forderung, unsere politische Kultur so zu erneuern, dass die EU und ihre wichtigsten Staaten in dieser Systemkonkurrenz wettbewerbsfähig bleiben.
Im Weiteren führt Ulrich aus, die Diskussion um eine unipolare oder multipolare Welt schon fast statisch sei: „… weltfremd ist es, so zu tun, als könne die westliche Politik das noch entscheiden.“ Spätestens seit der Georgien – Krise im August 2008 ist diese Denkweise der G 8 überholt. Die Türkei bringt sich selbst immer wieder ins Gespräch, Georgien und die Ukraine wollen der NATO beitreten, die vorderasiatischen Staaten, wie Israel, Palästina, Iran, Irak, Afghanistan und Syrien demonstrieren dem Westen ihre Stärke. Gerade im Hinblick auf die Ressourceneffizienz weist Ulrich darauf hin, dass sich die Erdölproduzenten nach Asien wenden. „Wir spüren jeden Tag an der Tankstelle, was uns die Energieabhängigkeit finanziell kostet. Und wir sehen bei jedem Auftritt des iranischen Präsidenten, was sie uns politisch kostet. Wir haben begonnen, Wladimir Putin, den Herrn über die Erdgasröhren, mit anderen Augen zu sehen.“ Und auch Peter W. Schulzeerklärt hierzu: „Bedingt durch die ungebrochene Nachfrage nach Energie und Rohstoffen auf dem Weltmarkt erlangte Moskau eine Sonderstellung als globaler Gasproduzent. Seither geistert das Schreckgespenst eines globalen Gas – Kartells unter der Führung Russlands umher.“ Welche Macht Russland damit beweist, kann gut am Gasstreit mit der Ukraine gesehen werden. Plötzlich reagiert Europa und spielt Vermittler. Natürlich, denn auch Europa ist abhängig von den Pipelines, die durch die Ukraine nach Europa führen. Dieses Einschreiten Europas und insbesondere Deutschlands bestärkte Russland nur noch weiter in seiner Macht.
Ulrich wirft dem Westen Desorientierung vor und erklärt, dass die USA in den letzten Jahren unter George W. Bush jr. an Ansehen verloren habe. Diese neue Überforderung und die Suche des Westens nach seiner Identität werden historisch begründet. Bis zum Ende des Kalten Krieges gab es für den Westen trotz aller Bedrohungen vom Osten keine ökonomische Konkurrenz. Selbst die Grenzen des Wachstums waren trotz zweier Ölpreiskrisen kaum spürbar. Es gab nur den ordentlichen, beherrschbaren und stets bekannten Feind: die Sowjetunion. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs wird der erfolgsverwöhnte Westen unter Druck gesetzt. Es gibt schwierige Feinde, knappe Energie und ein massives Entwicklungstempo. Hierzu führt Ulrich aus, dass die neue Systemkonkurrenz nicht mehr eine zwischen zwei Großmächten sei, bei der allen anderen dazwischen stehen. Vielmehr ginge es um eine Auseinandersetzung zwischen dem Kapitalismus mit Demokratie und dem Kapitalismus ohne Demokratie. Dass der Kapitalismus vorherrsche ist nun endlich bekannt, aber seine Ausformungen nehmen neue Gestalten an. „Zurzeit werden auf der Welt zahlreiche Mischformen von Marktwirtschaft und Staat geprobt. In Russland die gelenkte Demokratie […].“
Schulze äußert hierzu, dass sich Medwedew und sein Außenminister Lawrow nicht mehr mit einer Außenseiterrolle begnügen wollen. Russland strebe daher eine „grundlegende Veränderung der Sicherheitsarchitektur des euro – atlantischen Raumes an.“
2.3 Entstehung des Feindbildes in der Sowjetunion
Wie nimmt die sowjetische Partei- und Staatsführung das weltpolitische Umfeld wahr? Wie sieht die politische Weltkarte in sowjetischer Sicht aus? Bekannt ist, dass der Sozialismus die Welt in Klassen einteilt, dessen oberster und ehrenwertester Rang die Arbeiterklasse war, denn nur sie kann den Sozialismus voranbringen und vollenden. In Zeiten des Kalten Krieges wurde die Welt beherrscht durch den Widerspruch zweier verfeindeter Klassen. Die Arbeiterklasse stand der „monopolistischen Bourgeoisie“ gegenüber. Politisch ausgedrückt: es standen sich der Sozialismus mit seiner Arbeiterklasse einerseits und der Kapitalismus mit seiner „Bourgeoisie“ andererseits gegenüber. Aus sowjetischer Sicht wurde eine Zweiteilung der Welt seit der Oktoberrevolution 1917 gesehen. Dazu gehörten neben der UdSSR die sozialistischen Länder und die Arbeiterbewegungen im kapitalistischen Ausland. Eine „Dritte Welt“ hatte in dieser Anschauung keinen Platz. Die Schuld am Wettrüsten würde ausschließlich auf amerikanischer Seite liegen.
Kennzeichen dieser Gegner ist, dass in den Beziehungen zwischen den beiden mächtigsten Ländern die eine Seite andauernd das Wettrüsten anheize, während die andere sich grundsätzlich friedlebend verhalte und gegen den eigenen Willen sich zu eigenen Rüstungsanstrengungen veranlasst sehe. Ein objektives Naturgesetz nach der sowjetischen Weltanschauung ist die Verschiebung des Kräfteverhältnisses in der Welt zugunsten des Sozialismus. Der Sieg des Kommunismus sei historisch unausweichlich.
Hierzu führt Frei aus, dass Regierungen offenbar zögern, sich festzulegen. Sie würden es vorziehen, unklare und zweideutige Aussagen zu machen, um dem künftigen Verhalten einen großen Spielraum zu lassen. Jede Abweichung vom Gesagten verlangt nach einer Rechtfertigung und kann so zum Autoritätsverlust führen. Die Regierung der Sowjetunion trat immer – und das tut sie heute auch noch – mit einer beeindruckenden Geschlossenheit auf, die sich auch in allen offiziellen Quellen widerspiegeln. Der ehemalige Außenminister Andrei Gromyko (1957 – 1985) und der Politiker Boris Ponomarv verweisen auf die Notwendigkeit der Philosophie von Lenin und Marx. Der marxistisch – leninistische Ansatz sei danach die einzige Erkenntnismethode für das Verständnis der internationalen Politik.
Interessant ist auch die Frage, wie sich die Sowjetunion in der amerikanischen Sichtweise selbst sieht. „Das amerikanische Bild von der Sowjetunion sei falsch, verzerrt und sogar absichtlich verlogen.“ Im Westen herrsche ein verzerrtes Bild von der Bedeutung des marixistisch – leninistischen Konzepts der „Weltrevolution“. Es bedeute daher gerade nicht das Expansionsstreben der Sowjetunion. Die sei ein weiterer Aspekt dafür, dass der West den Grundsatz der „friedlichen Koexistenz“ nicht begriffen habe. Insofern bestehe gar keine Bereitschaft, die sowjetische Politik objektiv zu sehen. Grund dieser Fehlwahrnehmung seien die „innerkapitalistischen Widersprüche“ des Systems. Aber auch Daniel Frei stellt zu Beginn seines Aufsatzes fest: „Je stärker die Beziehungen zwischen zwei Mächten durch Konflikt beherrscht werden, desto mehr wächst die Gefahr, dass die Wahrnehmung der Gegenseite zur Fehlwahrnehmung wird.“
2.4 Das sowjetische Bild vom amerikanischen Gegner
Imperialistische Aggressivität sei das Hauptziel der US-amerikanischen Politik. Diese Aggressivität erklärt sich aus der Natur der amerikanischen Gesellschaft. Hierzu führt die Sowjetische Militärenzyklopädie aus:
„Das aggressive Wesen des Imperialismus hat sich nicht geändert, und solange er besteht, bleibt auch die Gefahr von Kriegen und militärischen Konflikten […] Das aggressive Wesen des Imperialismus hat sich nicht geändert. Es offenbart sich in der Verstärkung des Militarismus, in der systematischen Aufblähung der Militärbudgets der kapitalistischen Staaten […]. Die Hauptrolle spielen dabei die USA. Die Kräfte der Reaktionen des Imperialismus versuchen, den historisch unvermeidlichen Fortschritt der Menschheit zum Sozialismus aufzuhalten und die Unerschütterlichkeit der kapitalistischen Ordnung zu beweisen.“
Diese Aggressivität kann sich nicht verändern, da sie zu tief im amerikanischen (imperialistischen) Volk verwurzelt sei. Grundlage dieser Weltanschauung ist die Haltung der USA nach der Oktoberrevolution 1917. Die Sowjetunion sei schon damals das „Opfer amerikanischer und alliierter Interventionen und bewaffneter Aggression“ gewesen. Die zentrale Aussage ist also, dass sich die USA niemals (friedlich) verändern kann auf Grund seiner imperialistischen Gesellschaft. Dies trifft ebenso auf den Westen in Europa zu, die nur die Marionetten des Imperialismus seien. Kurzum: Nach sowjetischer Weltanschauung, kann sich der Imperialismus nicht verändern und wird dadurch immer wieder zu neuen Konflikten führen. Insbesondere der Widerstand gegen eine Verschiebung des internationalen Kräfteverhältnisses in die UdSSR und somit auch zum Sozialismus, wird als ein Kennzeichen für die Aggressionspolitik des Westens verstanden. Aber gilt das selbe nicht auch umgekehrt? Kann man nicht auch den Widerstand des Ostens gegen eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses als Aggressionspolitik verstehen? Nun ist aber dem sowjetischen Verständnis nach „Aggression“ ein Kennzeichen des Imperialismus, das nicht in sozialistischen Staaten existiert. Aber was wäre, wenn man „Aggression“ einfach mit „Weltanschauung“ oder im speziellen Sinne mit „Klassendenken“ ersetzen würde?
[...]
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