Wegzugsbesteuerung versus Niederlassungsfreiheit natürlicher Personen in Europa


Masterarbeit, 2005

74 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung und Themenabgrenzung
I. EG-Vertrag und direkte Steuern
II. Doppel- und Wegzugsbesteuerung
III. Durchsetzbarkeit der Grundfreiheiten im Steuerrecht
IV. Grundfreiheiten, insbesondere Niederlassungsfreiheit
1. Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften
a) Gründungstheorie
b) Sitztheorie
c) Primäre und sekundäre Niederlassungsfreiheit
(1) Daily Mail
(2) Centros
(3) Oberseering
(4) Inspire Art
(5) Status
2. Niederlassungsfreiheit natürlicher Personen
a) Hughes de Lasteyrie du Saillant
b) Status

B. Auswirkungen auf die deutsche Wegzugsbesteuerung
I. Wegzugsbesteuerung nat:Irlicher Personen (§ 6 AStG)
1. Beschrankung der Niederlassungsfreiheit
2. M|gliche Rechtfertigung und Verhaltnismafligkeit
3. Ergebnis
II. Wegzugsbesteuerung juristischer Personen (§§ 12, 11 KStG)
1. Beschrankung der Niederlassungsfreiheit
2. M|gliche Rechtfertigung und Verhaltnismafligkeit
3. Ergebnis

C. Ausblick
I. Aktuelles Schreiben des BMF zur Anwendung des AStG
II. Kapitalverkehrsfreiheit und Drittlander
III. Vorentwurf fur eine Sitzverlegungsrichtline
IV. M|gliche weitere Auswirkungen
- Zuzug auslandischer Kapitalgesellschaften
- Grenzuberschreitende Umwandlung/Fusion und Europaische Aktiengesellschaft SE
- einbringungsgeborene Anteile (§21 UmwStG)
- Einkunfteberichtigung (§ 1 AStG)
- Erweiterte beschrankte Steuerpflicht nat:Irlicher Personen (§ 2 AStG)
- Hinzurechnungsbesteuerung (§ 7-14 AStG)
- Gesellschafterfremdfinanzierung (§ 8a KStG)
- Dividendenbesteuerung (§ 8b Abs. 5 KStG)
- Entnahme von Wirtschaftsgtitern durch Oberftihrung in eine auslandische Betriebsstatte (§ 6 V 1 EStG)
- Erweiterte Dokumentationspflichten (§ 90 Abs. 3, 162 AO)
- Besteuerung von Alterseinktinften (§95 EStG)
- Verlustausgleich tiber die Grenze (§ 2a EStG) und grenztiberschreitende Organschaft

D. Schlusswort

Anlagen

Abktirzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Einleitung und Themenabgrenzung

Vor w enigen M onaten hat der E uGH i m Fal l H ughes de Las teryie du S aillant[1] die Anwendungen der französischen Regeln zur Wegzugsbesteuerung einer natürlichen Person als Verstoil gegen die Niederlassungsfreiheit angesehen. Diese Entscheidung hat v ielfältige A ufsätze nach s ich gezogen, di e unt erschiedliche S chwerpunkte und Auswirkungen bes chreiben, i nsbesondere di e o ffensichtliche E uroparechtswidrigkeit des deut schen § 6 A StG, di es unt erstützt dur ch ei ne P ressemeldung[2] bzgl. ei nes Vertragsverletzungsverfahrens der K ommission g egen D eutschland au fgrund de r deutschen Regelungen des § 6 AStG.

Obwohl s ich das ak tuelle U rteil auf di e N iederlassungsfreiheit nat ürlicher P ersonen bezieht, wird dieses Urteil auch als wichtiger Meilenstein für die Wegzugsbesteuerung juristischer P ersonen gesehen und i n di e For tsetzung der U rteilsreihe D aily Mail, Centros, Oberseering und Inspire Art 3 eingestuft.

Diese A rbeit w ill den S tatus der Wegzugsbesteuerung i n D eutschland, der Niederlassungsfreiheit i m R ahmen der R echtsprechung des E uGH, unterschieden nach nat ürlichen P ersonen und G esellschaften, bel euchten un d m ögliche Auswirkungen der aktuellen R echtsprechung de s E uGH au f d ie deut sche Wegzugsbesteuerung darstellen.

I. EG-Vertrag und direkte Steuern

Im EG -Vertrag[4] selbst ist der Aufgabenbereich Steuern i n den A rtikeln 90 bis 93 E G geregelt. Zi el i st di e H armonisierung de r i ndirekten S teuern, w ie bei spielsweise der Mehrwertsteuer. D ie E U s elbst dar f keine S teuern ei nführen oder erheben. D ie Zuständigkeit für die direkten Steuern, insbesondere die Einkommenssteuer für natürliche Personen und die Körperschaftssteuer (oder ihr jeweiliges nationales Pendant) für juristische P ersonen, v erbleibt bei den j eweiligen nat ionalen Mitgliedstaaten. Allerdings ist die Beseitigung von Doppelbesteuerungen Ziel des EG-Vertrages (Art. 293 EG). Da ein Harmonisierungsauftrag der direkten Steuern fehlt, sind d ie Mitgliedstaaten ftir di e B esteuerung und di e Fes tsetzung der Besteuerungsgrundlagen z ustandig. A llerdings m tissen s ie di eses R echt unt er Wahrung des G emeinschaftsrechtes aus tiben.[5] Ftir g renztiberschreitende V orfalle kann dann im Vertragswege mit sog. Doppelbesteuerungsabkommen versucht werden, eine D oppelbesteuerung z u vermeiden, i ndem i nsbesondere die A nkntipfungspunkte ftir die Aufteilung der Steuerhoheit festgelegt werden.[6]

Nachdem seit Ende des Jahres 1969 die 0bergangszeit abgelaufen ist, binden die im EG enthaltenen N ormen di e Mitgliedstaaten unmittelbar, al so oh ne w eitere Konkretisierung[7]. Dies ftihrt zu einer Bindungswirkung ftir die nationalen Behtirden und Gerichte der gestalt, dass sie die V ertragsnormen unmittelbar anw enden m tissen, entgegenstehendes nationales Recht also nicht berticksichtigt werden darf[8]. Dadurch werden die EU-Btirger vor unzulassigen s taatlichen S teuereingriffen g eschtitzt[9], was ftir jeden einzelnen B esteuerungssachverhalt von Relevanz ist und z u einer groflen Bedeutung der europarechtlich garantierten G rundfreiheiten f tir die grenztiberschreitende Besteuerung ftihrt.[10]

Mitgliedstaaten ktinnen sich zur Verteidigung ihrer nationalen Steuerordnung weder auf das Fehl en ei ner g emeinschaftsweiten S teuerharmonisierung be rufen, noch au f di e Inhalte oder Nicht-lnhalte ihrer Doppelbesteuerungsabkommen (DBA).[11]

Den Verlust von Steueraufkommen, der dadurch entstehen kann, dass Marktbtirger wirtschaftliche A ktivitäten i n ander e M itgliedstaaten v erlagern ode r i nnerhalb der Gemeinschaft au f mehrere M itgliedstaaten v erteilen, m uss der nat ionale Fi skus i m Grundsatz hinnehmen.[12]

II. Doppel- und Wegzugsbesteuerung

Die heutigen Doppelbesteuerungsabkommen[13] richten sich im Wesentlichen nach dem OECD[14] Musterabkommen[15] . Erstmals 1963 publiziert wird es seitdem regelmäflig aktualisiert und kommentiert. Die meisten DBA richten sich nach diesem Muster. Einige wenige, v or 1963 ab geschlossene, D BA folgen noc h ei nem i ndividuellen A ufbau. Wichtigste P unkte ei nes D BA s ind di e B esteuerung v on D ividenden, Zi nsen, Lizenzgebühren und K apitalgewinnen. A uch g ibt es R egelungen z u per iodisch wiederkehrenden E innahmen ( z.B. M ieten) und der B esteuerung von Grundstücken etc. Es wird im Wesentlichen eine Unterscheidung zwischen Quellenstaat, wo ggf. die Einnahme entsteht, und dem Sitzstaat, wo der Empfänger ansässig ist, vorgenommen; auflerdem w erden B esteuerungsrechte, au sschliefllich oder ni cht-ausschliefllich, zugewiesen. Wichtige P unkte sind auc h A nrechnungs- oder Freistellungsvereinbarungen der jeweils vom anderen Staat erhobenen Steuern sowie die Definition des gegenseitigen Informationsaustausches.

Spätestens seit dem Urteil St. Gobain 16 kann man auc h davon aus gehen, dass die Grundfreiheiten bei ihrer Verletzung Vorrang vor nationalem (Steuer-)Recht und s omit auch Vorrang vor bilateralen DBA haben, also auch Steuerrecht und D BA letztlich die Grundfreiheiten garantieren bzw. respektieren müssen und sich im Falle eines Eingriffs der Prüfung der Gründe und der Rechtmäfligkeit stellen müssen.

Diverse eur opäische S taaten kennen ei ne s og. Wegzugsbesteuerung. I m Wesentlichen versteht man darunter die Besteuerung stiller Reserven, die im Wegzugsstaat steuerverstrickt sind und letztlich durch Abschreibungen die historischen Steuerzahlungen g emindert (in A ktiva/Betriebsvermögen), aber ei nen höher en Restwert bz w. T eilwert haben, ode r di e Wertzunahme ei nes G esellschaftsanteiles einer Kapitalgesellschaft (bei natürlichen Personen), die aufgrund noch nicht durchgeführter Realisierung noch nicht steuerpflichtig ist, es bei der Realisierung aber werden würde. I n Deutschland regelt dies für natürliche Personen der § 6 AStG, der die S teuerpflicht gem. § 17 E StG, ei gentlich für den Fall der V eräuflerung ei ner Beteiligung, auc h für d en Fal l des Wegzuges, al so dem Ende der u nbeschränkten Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes (§ 8 AO) oder des gewöhnlichen Aufenthalts (§ 9 A O), einführt. A uch werden ei nige ander e Tatbestände di esem Fal l gleichgestellt. E s gibt ei ne Fi ktion de r V eräuflerung; de r a ktuelle Wert der Anteile, vermindert um die hi storischen A nschaffungskosten, wird al s G ewinn festgestellt und versteuert.

Für Gesellschaften gelten in Deutschland die §§ 11, 12 KStG. Sie haben in etwa die gleichen Fol gen w ie oben dar gestellt. A bgesehen dav on, das s D eutschland der zeit eine i dentitatswahrende S itzverlegung gar ni cht z ulasst und di e V erlegung al s Auflösung be trachtet, w erden i m noc h naher z u bes chreibenden Wegzugsfall und seinen A lternativen, ent weder dur ch ei ne S chlussbesteuerung ode r Liquidationsbesteuerung, di e s tillen R eserven b esteuert, ohne das s tatsachlich ei ne Realisierung, sprich Verauflerung, stattgefunden hat.

Im R ahmen di eser A rbeit s oll g eprüft w erden, i nwieweit di eses V orgehen de r Besteuerung s tiller R eserven nur aus A nlass des „ Wegzuges", al so der unterschiedlichen Behandlung eines Vorganges, je nach dem, ob er sich innerstaatlich oder innerhalb der EG grenzüberschreitend vollzieht, ei nen möglichen Verstofl gegen die N iederlassungsfreiheit der Art. 43-48 EG be deutet und i nwieweit, so ei n Verstofl festgestellt werden k ann, dieser ggf . g erechtfertigt s ein k önnte. Dabei wird nach natürlichen Personen und Gesellschaften unterschieden.

III. Durchsetzbarkeit der Grundfreiheiten im Steuerrecht

Die N iederlassungsfreiheit g em. A rt. 43 ff. EG g ibt - wie auc h die ander en Grundfreiheiten - natürlichen P ersonen und G esellschaften ei ne w eitreichende Rechtsposition gegenüber de m na tionalen G esetzgeber. Bereits i m Steuererhebungsverfahren kann sich das Steuerrechtssubjekt wegen des Grundsatzes der G emeinschaftstreue ( „effet ut ile", Art. 10 I EG) gegenüber der Fi nanzverwaltung auf den A nwendungsvorrang des EG-Rechts oder eine richtlinienkonforme Auslegung der nationalen Steuernorm berufen.[17] Deutsche Behörden, wie das Finanzamt, sind gem. A rt. 20 A bs. 3 GG an Gesetz und R echt gebunden und da mit auc h an Entscheidungen des EuGH [18]. Im Rechtsstreit vor den nationalen Gerichten sind diese ebenfalls an das unmittelbar geltende Gemeinschaftsrecht gebunden. Dabei können in Streitfragen di e U ntergerichte ei ne R echtssache dem E uGH z ur V orabentscheidung gem. A rt. 234 II E G v orlegen, w ährend der B FH al s l etztinstanzliches G ericht z ur Vorlage verpflichtet ist, Art. 234 III EG. Im Fal le einer Verletzung dieser Pflicht ist die Verfassungsbeschwerde z um B VerfG (Art. 93 I N r. 4a G G, §§ 13 N r. 8a , 90 ff. BVerfGG) au fgrund de r E ntziehung des g esetzlichen R ichters ( Art. 1 01 I 2 G G) möglich. Ohne einen Rechtsstreit kann eine nationale Regelung auf ihre Vereinbarkeit mit dem EG-Vertrag ansonsten nur auf Tätigwerden der Kommission gem. Art. 226 EG überprüft werden.

IV. Grundfreiheiten, insbesondere Niederlassungsfreiheit

Zu den wichtigsten Zielen des EG-Vertrages zählt die Schaffung eines gemeinsamen Marktes (Art. 2 EG) bzw. einheitlichen Binnenmarktes (Art. 3 I c, 14 EG). Grundlegend für die Errichtung dieses Marktes ist die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 ff. EG). Lutter bezeichnet sie sogar als die „Magna Charta"[19] des europäischen Gesellschaftsrechts. Das Recht auf freie Niederlassung ist somit neben der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 39 ff. E G), de r D ienstleistungsfreiheit ( Art. 49 ff. E G) und de r Warenverkehrsfreiheit (Art 2 8 ff. E G) eine der v ier G rundfreiheiten des E G. Hinzu k ommt noc h di e Freizügigkeit des Kapitalverkehrs (Art. 56 ff. EG). Im Sinne des Zieles des einheitlichen Binnenmarktes s oll di e S tandortwahl ei nes Unternehmens al lein a bhängig v on persönlichen und ö konomischen D eterminanten sein, ei n Wettbewerb u m die besten ökonomischen Bedingungen soll die Niederlassungsentscheidung beeinflussen und nicht das jeweilige nationale Recht. Bei dem Recht auf freie Niederlassung handelt es sich s omit u m das R echt der A ngehörigen ei nes M itgliedstaats, bz w. der nac h de m Recht ei nes M itgliedstaates gegründeten und innerhalb der E U ni edergelassenen Gesellschaften, sich auf dem Territorium eines anderen EU-Mitgliedstaats niederzulassen und dort eine selbständige Tätigkeit zu verfolgen[20]

Verankert i st di e N iederlassungsfreiheit i m K apitel „ Niederlassungsrecht" des E G-Vertrages i n A rt. 4 3 - 48 E G[21] . A rt. 4 3 EG regelt den I nhalt des R echts au f freie Niederlassung ftir nattirliche Personen, während Art. 48 EG dieses Recht auf die nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegrtindeten Gesellschaften ausdehnt.

Wie alle Grundfreiheiten findet auch die Niederlassungsfreiheit nur auf Rechtsbeziehungen A nwendung, di e ei nen r äumlichen B ezug z ur G emeinschaft haben, also ein grenztiberschreitendes Moment aufweisen. Dagegen ist sie ftir rein interne Mal nahmen eines Mitgliedstaats unbeachtlich[22] Ftir die Abgrenzung der Niederlassungsfreiheit zur Arbeitnehmerfreiztigigkeit gem. Art. 39 EG wird vor allem auf das Merkmal der Selbständigkeit abgestellt. Eine selbständige T ätigkeit - und dam it ei n de r Niederlassungsfreiheit unterfallender Sachverhalt - liegt i n der Regel dann vor, wenn auf eigenes Risiko und auf eigene Rechnung gehandelt wird [23]. Bei Gesellschaften sind mit der herrschenden Auffassung aus dem A rbeitsrecht auc h di e 0 rgane de r G esellschaft, al so V orstand ode r Geschäftsftihrer, als Selbständige i.S.d. Niederlassungsfreiheit anzusehen, da sie die unternehmerischen Entscheidungsträger sind[24] .

Auch z ur Dienstleistungsfreiheit gem. A rt. 49 E G k önnen A bgrenzungsprobleme entstehen. V ornehmliches U nterscheidungskriterium i st di e D auer der Tätigkeit. Während nämlich die Niederlassungsfreiheit die „andauernde Integration" in die Wirtschaft des Aufnahmestaates ermöglichen soll, hält sich der Erwerbstätige bei der Dienstleistungsfreiheit nur vortibergehend in einem anderen Mitgliedstaat auf, um dort die Lei stung zu erbringen; generell oper iert e r weiter von seinem u rsprtinglichen S itz aus[25].

Die R echtsprechung de s E uGH [26] hat i n den l etzten J ahren ei ne V eränderung des Eingriffsbegriffs i n die N iederlassungsfreiheit vom reinen D iskriminierungsverbot z um absoluten B eschränkungsverbot v ollzogen, di e von T eilen der Li teratur s chon s eit längerem gefordert wurde[27] . Dartiber hinaus sind keine Anzeichen ersichtlich, dass sie eine Inländerdiskriminierung ftir mit dem EG-Vertrag unvereinbar halt.

1. Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften

Gem. Art. 48 I EG gilt die Niederlassungsfreiheit nicht nur ftir nattirliche Personen (Art. 43 E G), s ondern auc h f tir G esellschaften, di e nac h den R echtsvorschriften ei nes Mitgliedstaats gegrtindet w urden und ihren s atzungsmäaigen S itz, i hre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben.

Gesellschaften s ind dam it den nat tirlichen P ersonen i m H inblick au f di e Niederlassungsfreiheit gleichgestellt. S ie v erftigen da mit tib er das R echt, ei ne Hauptniederlassung i n einem ander en S taat zu et ablieren oder ei ne s ekundäre Niederlassung zu errichten, wobei die sekundäre Niederlassung innerhalb der Gemeinschaft eben eine Hauptniederlassung in der Gemeinschaft als Voraussetzung hat. Allerdings w erden i m E G-Vertrag di e K riterien z ur B estimmung des Gesellschaftsstatuts nach der Grtindungs- oder der Sitztheorie kumulativ angewendet, ohne näher darauf einzugehen, was die Frage nach deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht problematisch macht[28].

Die Problematik der Niederlassungsfreiheit der Gesellschaften in Europa wird gepragt von zwei unt erschiedlichen A uffassungen hi nsichtlich i hrer R echtsfahigkeit. Wahrend im a nglo-amerikanischen R aum [29] die s og. G rtindungstheorie v ertreten w ird, folgt beispielsweise di e deut sche R echtsprechung der Sitztheorie, s o sie ni cht au fgrund anderer Vorgaben, z.B. EuGH E ntscheidungen, anders vorgehen muss. D ifferenziert werden diese beiden Theorien vor allem anhand ihrer entsprechenden Ankntipfungspunkte.

a) Gründungstheorie

Im Sinne der Gründungstheorie bestimmt das Recht des Staates, in dem die jeweilige Gesellschaft gegründet wurde, auch das Statut der Gesellschaft.[30] Es ist unerheblich, ob die G esellschaft i m Gründungsstaat ei nen t atsächlichen A nknüpfungspunkt (z.B. Verwaltungssitz, P roduktionsstätte, et c.) hat . A usschlaggebend i st al lein der rechtsgültige Gründungsakt. S omit w ird v on d ieser Theorie ei ne i dentitätswahrende Sitzverlegung[31] von Gesellschaften ermöglicht. Während der Wegzugsstaat bei Verlegung des S itzes der G esellschaft i n ei n ander es Land dav on ausgeht, dass die Gesellschaft aufgrund des fehlenden Statutenwechsels weiterhin besteht, erkennt auch der Zuzugsstaat die Gesellschaft als rechtskräftig an, da das IPR dieses Staates auf das Recht des Staates verweist, in dem die Gesellschaft gegründet wurde[32] und i n dem di e G esellschaft weiterhin f ortbesteht. Z war f ührt di e G ründungstheorie z ur Freizügigkeit der Gesellschaften hi nsichtlich der Wahl ihres Standortes, ein häufiger Diskussionspunkt i st die I dee, das s s ie auc h z u ei ner Fl ucht der G esellschaften i ns regelungsärmere Recht („race to laxity" bzw. „race to the bottom") führen könnte und damit ei ne B enachteiligung D ritter ( Gläubiger, S chuldner, S taat, A rbeitnehmer) einherginge, da sich das regelungsärmere Recht bei Auswahlmöglichkeit durchsetzten würde.

Belegt w ird dies g erne m it dem so g enannten D elaware-Effekt, der na ch dem U S-amerikanischen B undesstaat bena nnt i st. D ieser B undesstaat w eist, i m V ergleich z u anderen U S-amerikanischen Bundesstaaten, ein relativ grollzügiges Gesellschaftsrecht au f[33] , w as daz u f ührt, dass s ich v erhältnismällig v iele Gesellschaften diesem Recht unterstellen. Der Nachweis, dass daraus allerdings massive Nachteile für die Drittinteressenten entstanden sind, fehlt jedoch.

b) Sitztheorie

Im Gegensatz zur Gründungstheorie knüpft die Sitztheorie an tatsächliche Kriterien an. Demnach bestimmt sich das Gesellschaftsstatut nach dem Recht des Staates, in dem die Gesellschaft ihren Hauptsitz (Hauptverwaltung, Verwaltungssitz) hat[34]. Unerheblich ist hierbei, was hinsichtlich des Sitzes in der Satzung angegeben ist. Aufgrund der Sitztheorie kommt es also bei einer Verlegung des Verwaltungssitzes regelmäflig auch zu ei nem S tatutenwechsel[35] der G esellschaft, di e nun nac h dem R echt des Zuzugsstaates beur teilt w ird. E ine identitätswahrende Sitzverlegung im Sinne der europäischen Niederlassungsfreiheit wird somit durch diese Theorie unmöglich gemacht. Fu r D eutschland, das der S itztheorie folgt, e rgibt s ich s treng genommen folgendes Szenario:

Der B eschluss ei ner deut schen G esellschaft z ur V erlegung i hres S itzes aus Deutschland her aus i ns A usland bei nhaltet nach deut schem V erstlndnis den Beschluss, die Gesellschaft zu l iquidieren [36]. Eine identitätswahrende Sitzverlegung ist damit unmöglich, egal ob der Zuzugsstaat der Sitz- oder der Grtindungstheorie folgt.

Umgekehrt, e gal ob de r Wegzugsstaat de r S itz- oder G rundungstheorie folgt, ni mmt Deutschland bei Begrtindung oder Verlegung des Verwaltungssitzes einer im Ausland wirksam gegrtindeten Gesellschaft nach Deutschland den Sitz in Deutschland an. Dies hat zur Folge, dass die Gesellschaft deutschem Gesellschaftsrecht unterstellt wird.

Dadurch verliert diese Gesellschaft ihre (Teil-) Rechtsfahigkeit[37], da s ie nach wie vor ein aus landisches G esellschaftsstatut bes itzt un d s omit gegen den Typenzwang i m deutschen Gesellschaftsrecht verstöRt[38] . Selbst wenn der Wegzugsstaat von der Grtindungstheorie ausgeht, verliert die Gesellschaft deshalb ihre (Teil-) Rechtsfahigkeit. Hinzu kommt die fehlende Eintragung im Handelsregister.

Somit ex istierte die ausländische G esellschaft f•r das deutsche Recht bi sher ni cht Dies hat te bi sher w eit r eichende K onsequenzen f ur di e Gesellschaft und i hre Gesellschafter:

- Alle Gesellschafter und Handelnden hafteten persönlich,
- die Gesellschaft verlor ihre Parteifähigkeit und konnte u.a. keine Klage vor nationalen Gerichten erheben,
- die Gesellschaft war nicht fähig, Rechte wie Eigentum, Grundschuld etc. zu erwerben.

Somit bl eibt festzuhalten, das s es ei ner aus ländischen G esellschaft bi sher ni cht[39] moglich war, ihren Sitz unter Wahrung ihrer Identität in einen der Sitztheorie folgenden Staat z u v erlegen. E benfalls k onnte ei ne G esellschaft aus ei nem de r S itztheorie folgenden Staat ihren Satzungssitz nicht identitätswahrend ins Ausland verlegen. Die Auflosung und N eugründung ei ner Gesellschaft s tellt keine Alternative f ür di e Gesellschaft dar , da es s o z u ei ner A uflosung der stillen R eserven ( inklusiver Versteuerung dieser) kommen würde.

Die V ereinbarkeit der A nwendung der S itztheorie i n B ezug auf di e Niederlassungsfreiheit w ar Gegenstand m ehrerer Verfahren vor dem E uGH, di e nachfolgend dargestellt werden. Der EuGH hat dabei schon 1988 in seinem Urteil Daily Mail[40] zwischen dem Zuzug und dem Wegzug unterschieden und di es auch bis heute beibehalten. Für den Zu zug ist die Sachlage heute quasi vollständig g eklärt. M it den Urteilen z u Centros[41], U berseering[42] und I nspire A rt[43] wurde der A nwendung de r Sitztheorie für Zuz ugsfälle, al so der Versagung der Rechts- und P arteifähigkeit ausländischer, i m H erkunftsland w irksam gegründeter Gesellschaften eine A bsage erteilt, e benso w ie weiteren m öglichen H indernissen i n S achen P ublizität und Eintragung für zuziehende Firmen.

Für den B ereich m öglicher Wegzugshindernisse i m H erkunftsstaat i st nach w ie vor Daily Mail m afIgeblich, das di ese s einerzeit billigte bz w. ni cht dem S chutz der Niederlassungsfreiheit u nterstellte, aber gleichzeitig s einerzeit schon darstellte, dass der Wegzug nicht gänzlich verhindert werden dürfe[44]

c) Primäre und sekundäre Niederlassungsfreiheit

Zu unt erscheiden ist die primäre und die s ekundäre Niederlassungsfreiheit. Primäre Niederlassungsfreiheit ist das i n Art. 43 I 1 E G genannte Recht, durch Obersiedlung eine T ätigkeit i n ei nem ander en M itgliedstaat neu au fzunehmen oder dor t s ein Haupthaus als Entscheidungszentrum zu errichten, während im Herkunftsland des Erwerbstätigen keine od er nur ei ne von di esem H aupthaus abhän gige Betriebstätte verbleibt[45]. Dagegen liegt ein Fall sekundärer Niederlassungsfreiheit gem. Art. 43 I 2 EG vor, wenn zwar das Gesamtunternehmen seinen Standort nicht verändert, jedoch einzelne or ganisatorisch oder w irtschaftlich abhängige Betriebsteile wie Zweigstellen, Montagewerke, K undendienststellen o. ä. i n ander e M itgliedstaaten v erlagert werden, um dann dor t über di ese S tandortvorteile w ahrnehmen z u k önnen und s ich i n den dortigen Wirtschaftskreislauf einzugliedern[46] .

Art. 43 I 2 E G nennt als A rten sekundärer N iederlassung neben den A genturen und Zweigniederlassungen auch die vom Hauptunternehmen rechtlich selbständigen Tochtergesellschaften.

Nach jüngerer Rechtsprechung des EuGH[47] ist eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit s owohl dur ch di skriminierende al s auc h ni cht-diskriminierende Maanahmen möglich (allgemeines Beschränkungsverbot).

Eine diskriminierende Maanahme ist nur möglich, wenn eine Vergleichbarkeit zwischen der s teuerlich bev orteilten und der benac hteiligten G ruppe bes teht. Dies i st ( ähnlich wie bei nationalen Gleichheitsgrundrechten) danach zu entscheiden, ob beispielsweise ein s achlicher U nterschied i n der r echtlichen und t atsächlichen S ituation ei ner Betriebstätte gegenüber derjenigen einer bevorzugten Gesellschaft besteht[48]. Nur bei Vorliegen ei ner s olchen V ergleichbarkeit i st nach dem E uGH ei n E ingriff i n di e Grundfreiheit anzunehmen, der aber ggf. gerechtfertigt werden kann.

Auch eine nicht-diskriminierende Maanahme kann einen Eingriff bedeuten. Durch die Ausdehnung des E ingriffsbegriffes au f ni cht-diskriminierende M aanahmen und di e gewünschte P arallelität der G rundfreiheiten i st j edoch der E ingriffsbegriff du rch entsprechende A nwendung de r „ Keck"-Formel[49] auch ftir di e N iederlassungsfreiheit teilweise wieder dahi ngehend z u verengen, das s nur pr oduktbezogene ni cht-diskriminierende Mal nahmen einen Eingriff in die Art. 43 ff. EG darstellen.

Bei der Rechtfertigung eines solchen Eingriffs ist zunächst einmal zu prtifen, ob nicht möglicherweise abschlieflende sekundärrechtliche Bestimmungen aufgrund der Art. 94, 95 E G einer Rechtfertigung entgegenstehen. Wurden nämlich rechtsangleichende Mal nahmen aufgrund der Art. 94, 95 EG getroffen, besteht ftir die Mitgliedstaaten u.U. kein S pielraum z ur B erufung au f e ine ev entuelle pr imärrechtliche Rechtfertigungsmöglichkeit nach Art. 46 EG[50] Liegt abe r keine solche die Rechtfertigungsspielräume der M itgliedstaaten s perrende Maanahme vor, ist auf der ersten Rechtfertigungsebene nach einer Schranke der Niederlassungsfreiheit zu fragen. Dabei wird wieder die oben getroffene Unterscheidung v on di skriminierenden und nicht-diskriminierenden M aanahmen relevant:

Nicht-diskriminierende Vorschriften können nac h A nsicht des E uGH[51] nämlich dann eine z ulässige S chrankenregelung s ein, w enn s ie zwingenden G rtinden des Allgemeininteresses, also z.B. einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, dem Schutz der öffentlichen G esundheit, der Laut erkeit des H andelsverkehrs oder des Verbraucherschutzes, e ntsprechen[52]. I nsofern ti berträgt der E uGH auc h hi er di e Grundsätze der zur Warenverkehrsfreiheit entwickelten „Cassis"-Rechtsprechung[53] auf die Niederlassungsfreiheit, wobei er die zwingenden Grtinde des Allgemeinwohls zum Rechtfertigungsgrund erhebt. Die Obertragung dieser Grundsätze erscheint durch die Konvergenz der G rundfreiheiten geboten u nd auf grund der E rweiterung de r Niederlassungsfreiheit zum allgemeinen Beschränkungsverbot auch erforderlich[54] .

Auf der z weiten E bene m öglicher R echtfertigungen l iegt di e s o genannte Schrankentrias des A rt. 46 I E G. D anach d arf di e N iederlassungsfreiheit dur ch ausländerspezifische Sonderregelungen aus Grtinden der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränkt werden. Art. 46 I EG gilt tiber seinen Wortlaut hinaus unterschiedslos f tir diskriminierende und nicht-diskriminierende Maanahmen, um die ebenfalls Ober den Wortlaut hinausgehende Erweiterung des Art. 43 EG zum allgemeinen B eschränkungsverbot du rch di e " Gebhard"-Rechtsprechung z umindest teilweise zu kompensieren[55]. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH[56] ist damit zu prijfen, ob die Mailnahme der Verwirklichung eines vertragslegitimen Zieles dient und zu dessen Erreichung geeignet und erforderlich und angemessen ist. Uber die in Art. 5 III E G genannte E rforderlichkeitsprüfung hinaus i st dam it der g esamte Verhältnismäiligkeitsgrundsatz i n der A usformung gemeint, di e e r dur ch di e Rechtsprechung des E uGH gefunden ha t[57] . E rst w enn di e Mailnahme auc h dem Verhaltnismailigkeitsmailstab gentigt, l iegt ein g erechtfertigter E ingriff i n di e Niederlassungsfreiheit vor.

Aus gutem Grund hat der EuGH in den U rteilen seit Daily Mail, Centros, 0 berseering und Inspire Art zwischen Zuzug und Wegzug einer Gesellschaft unterschieden. Die neueren entschiedenen Fälle seit Daily Mai (Wegzug), nämlich Centros, U berseering und Inspire Art, betrafen die Sitzverlegung des Verwaltungssitzes juristischer Personen und behandelten somit immer die Zuzugsproblematik in den neuen Sitzstaat. Der Herkunftsstaat der juristischen Person war bisher immer unproblematisch, da er jeweils der G rundungstheorie f olgte und i n den j eweiligen E inzelfällen k eine Wegzugshindernisse bestanden.

(1) Daily Mail

In D aily Mail g ing es um di e Zul assigkeit ei ner eng lischen s teuerrechtlichen Wegzugsbeschrankung. A uch wenn di ese seinerzeit dur ch den E uGH ak zeptiert wurde, so muss man die Kernsatze des Urteils doch im Detail betrachten und nicht nur das ablehnende Ergebnis im Einzelfall.

So hat der EuGH in Daily Mail ausgef•hrt:

„Im Gegensatz z u nat Orlichen P ersonen w erden G esellschaften au fgrund ei ner Rechtsordnung, beim gegenwartigen Stand des Gemeinschaftsrechtes aufgrund einer nationalen R echtsordnung, g egrundet. J enseits der j eweiligen nat ionalen Rechtsordnung, die ihre Grundung und Existenz regelt, haben sie keine Realitat." [58]

„So betrachtet der EWG-Vertrag die Unterschiede, die die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten hi nsichtlich der f Or i hre G esellschaften e rforderlichen A nknOpfung sowie der Moglichkeit und g egebenenfalls der M odalitaten ei ner V erlegung des satzungsgemaflen oder wahren Sitzes einer Gesellschaft nationalen Rechts von einem Mitgliedstaat i n ei nen a nderen, al s P robleme, die dur ch die B estimmungen Ober di e Niederlassungsfreiheit nicht gelost s ind, s ondern ei ner Los ung i m Wege de r Rechtssetzung oder des Vertragsschlusses bedurfen; eine solche wurde noch nicht gefunden".[59]

Konkret wird festgestellt, dass „ ... die Artikel 52 und 58 EWG Vertrag (nach Anderung Art. 43 und 48 EG) beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechtes einer Gesellschaft, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegrundet ist und in diesem ihren s atzungsmassigen S itz hat , ni cht das R echt gewahren, de n S itz i hrer Geschaftsleitung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen."[60]

Es wird also auf den V erwaltungssitz abg estellt, s icherlich v or dem H intergrund des britischen S teuerrechts, das den s teuerrechtlichen S itz ( nicht unbedi ngt den satzungsmafligen S itz) s einerzeit am 0 rt d er G eschaftsleitung festmachte. D ie Verlegung der Geschaftsleitung fuhrte damit nach englischem Recht zur Sitzverlegung im steuerlichen Sinne, nicht im gesellschaftsrechtlichen Sinne. Die Sitzverlegung des Satzungssitzes w ar dabei g ar ni cht r elevant. D as eng lische S teuerrecht w urde daraufhin geandert.

Das Gericht hat, moglicherweise zum damaligen Zeitpunkt auch politisch motiviert, dies zugelassen, aber unter Zuhilfenahme der Begrundung „gegenwartiger Stand des Gemeinschaftsrechts"[61] , und damit g leichzeitig das T or f Or weitergehende oder kontrare Entscheidungen in der Zukunft offen gelassen.

(2) Centros

Das Centros-Urteil des EuGH hat dann mehr als 10 Jahre nach dem Daily-Mail-Urteil f•r A ufsehen gesorgt. D ie C entros L td., gegrundet i n E ngland, w ollte ei ne Zweigniederlassung in Dänemark eintragen lassen, ohne dass es eine echte Hauptniederlassung i n England gab. Dies wurde i hr verweigert, mit der Begrundung, dem U nternehmen gehe es nu r da rum, di e däni schen V orschriften Ober di e Kapitalausstattung um gehen, und es s ei auc h gar keine Zweigniederlassung, da di e Hauptniederlassung ni cht bestunde. I nhaltlich ging es hi er um das Auseinanderfallen von Satzungssitz und Verwaltungssitz. Der EuGH hat keinerlei Nachteile oder diesbzgl. Begrundungen f•r eine im Grundungsstaat wirksam gegrundete Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen:

„Verweigert ein Mitgliedstaat unter bestimmten Umständen die Eintragung der Zweigniederlassung ei ner G esellschaft, die i hren S itz i n e inem anderen M itgliedstaat hat, so werden die nach dem Recht des anderen M itgliedstaates gegründeten an der Wahrnehmung ihres Niederlassungsrechtes aus den Artikeln 52 und 58 EG-Vertrag (nach Anderung 43 und 48 EG) gehindert."[62]

Somit stellte es f•r den EuGH auch keinen Missbrauch dar, wenn die Gesellschaft in einem Staat gegründet wird, um das günstigere Gesellschaftsrecht auszunutzen, selbst wenn der tatsächliche Geschäftsbetrieb von vornherein in einem anderen Mitgliedsland stattfinden s ollte[63]. D ies i st v or al len D ingen da mit z u begr linden, das s auc h ei ne tatsächlich i m A usland t ätige Gesellschaft de n G läubigern i m Zuz ugsstaat keine höhere Sicherheit bieten könnte[64].

Darüber hinaus wurde klargestellt, dass Art. 58 EGV (nach Anderung Art. 48 EG) nach dem Recht eines Mitgliedstaats wirksam gegründete Gesellschaften, die ihren Satzungssitz, i hre H auptverwaltung oder i hre H auptniederlassung i nnerhalb der Gemeinschaft haben, den na türlichen P ersonen i m R ahmen des A rt. 52 E GV ( nach Anderung 43 E G) gleichstellt [65]. Die Niederlassungsfreiheit g ilt also g leichwertig f Or nat:Irliche und juristische Personen, so die Anforderungen der Art. 43-48 EG erfullt sind.

[...]


[1] EuGH vom 11.03.2004, Rs C-9/02, (de Lasteyrie du Saillant), noch nicht in Slg.

[2] Pressemeldung der Kommission vom 19.04.2004

[3] EuGH vom 27.09.1988, Rs C-81/87, (Daily Mail), Slg. 1988, 5483 EuGH vom 9.03.1999, Rs C-212/97, (Centros), Slg. 1999,I-1459 EuGH vom 5.11.2002, Rs C-208/00, (Uberseering), Slg. 2002,I-9919 . EuGH vom 30.09.2003, Rs C-167/0, (Inspire Art), noch nicht in Slg.

[4] I.d.F. von Nizza vom 26.02.2001, BGBl. II S. 1667, nachfolgend zitiert als EG.

[5] EuGH vom 21.09.1999, Rs C-307/97, (St. Gobain), Slg. 1999, 1-6161, Rz. 56f.

[6] EuGH, (St. Gobain), Rz. 56.

[7] EuGH vom 21.06.1974, Rs C-2/74, (Reyners), Slg. 1974, 631; EuGH vom 28.04.1977, Rs C­71/76, (Thieffry), Slg. 1977, 765.

[8] Bleckmann, Europarecht, Rz. 203.

[9] VoR, in: Dauses, EG-Wirtschaftsrecht, Kapitel J, Rz. 10.

[10] Streck/Olgemtiller, DStR 1993, 416, 418.

[11] EuGH vom 11.08.1995, Rs C-80/93, (Wiellockx), Slg. 1995,1-2493, Rz. 24f.

[12] EuGH vom 21.11.2002, Rs C-436/00, (X und Y), Slg. 1995,1-2493, Rz. 50 sowie EuGH vom 12.12.2002, Rs C-324/00, (Lankhorst-Hohorst), Slg. 2002,1-11779, Rz. 36.

[13] nachIolgend zitiert als DBA.

[14] Die rund 30 Staaten umfassenden Organisation berät Staaten in Ihrer Wirtschafts- und Sozialpolitik. Das Musterabkommen für Doppelbesteuerung, „Model Tax Convention" findet weltweit Beachtung.

[15] OECD Musterabkommen, Stand: Januar 2003, dt. Fassung: http://www.bundesfinanzministerium.de/Anlage23222/OECD-Musterabkommen-2003.pdf

[16] EuGH, (St. Gobain), Rz. 58.

[17] Streck/Olgemöller, DStR 1993, 417, 418.

[18] BStBl 2002 II 551

[19] Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, S. 36.

[20] Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, Rz. 9.

[21] Weitere Vorschriften befinden sich in Art. 293 Spiegelstrich 3 EG, Art. 294 EG und Art. 97 EG.

[22] EuGH vom 29.05.1997, Rs C-299/95, (Kremzow), Slg. 1997, 2629, 2645, Rz. 15; Grabitz-Randelzhofer, Art. 52, Rz. 8; Streinz,Rz. 666.

[23] Randelzhofer, in: Grabitz, EWG-Vertrag, Art. 52, Rz. 12.

[24] Randelzhofer, in: Grabitz, EWG-Vertrag, Art. 52, Rz. 12.

[25] Randelzhofer, in: Grabitz, EWG-Vertrag, Art. 52, Rz. 8.

[26] EuGH vom 30.11.1995, Rs C-55/94, (Gebhard), Slg. 1995, I-4165, 4197f.

[27] Knobbe-Keuck, DB 1990, 2573, 2575.

[28] Bieg, Gerichtshof der Europaischen Gemeinschaften, S. 110.

[29] Grothe, Auslandische Kapitalgesellschaft, S. 28 ff.

[30] Grothe, Ausländische Kapitalgesellschaft, S. 29.

[31] Eine identitätswahrende Sitzverlegung wird nach h.M. nur möglich, wenn sowohl Zuzugs- als auch Wegzugsstaat dies zulassen, d.h. die Gesellschaft anerkennen. Vgl. Schnichels, Reichweite der Niederlassungsfreiheit, S. 147.

[32] Schnichels, Reichweite der Niederlassungsfreiheit, S. 147.

[33] Die Gründung von Gesellschaften erweist sich als sehr einfach. Des Weiteren sind Gläubiger-und Gesellschafterschutz geringer als in anderen Bundesstaaten.

[34] Heldrich, in: Palandt, BGB, Anhang zu Art. 12 EGBGB.

[35] Schnichels, Reichweite der Niederlassungsfreiheit, S. 149.

[36] Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 3, Rz. 4 m.w.N.

[37] Ausfuhrungen des BGH im Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH, (Uberseering), Rz. 4.

[38] Schnichels, Reichweite der Niederlassungsfreiheit, S. 150.

[39] Auf die sog. neue Sitztheorie des BGH, der der auslandischen Gesellschaft eine (Teil-) Rechtsfahigkeit im Sinne einer Personengesellschaft zuerkennen wollte, wird hier nicht naher eingegangen.

[40] EuGH, (Daily Mail).

[41] EuGH, (Centros).

[42] EuGH, (Uberseering).

[43] EuGH, (Inspire Art).

[44] EuGH, (Daily Mail).

[45] Schnichels, Reichweite der Niederlassungsfreiheit, S. 141.

[46] Schnichels, Reichweite der Niederlassungsfreiheit, S. 142.

[47] Schnichels, Reichweite der Niederlassungsfreiheit, S. 139.

[48] Bieg, Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, S. 308.

[49] EuGH vom 24.11.1993, Rs C-267/91, (Keck), Slg. 1993,I-6097.

[50] Becker, JA 1997, 65, 72.

[51] EuGH, (Gebhard).

[52] EuGH vom 20.02.1979, Rs C-120/78, (Cassis de Dijon), Slg. 1979, 649.

[53] EuGH, (Cassis de Dijon).

[54] Streinz, Europarecht, Rz. 701.

[55] EuGH vom 9.07.1997, Rs C-34/95, (De Agostini und TV-Shop), Slg. 1997,I-3843.

[56] EuGH vom 28.05.1955, Rs C-8/55, (Federation Charbonniere de Belgique), Slg. 1955, 297; fur nicht-diskriminierende Mailnahmen: EuGH, (Gebhard).

[57] Hirsch, Verhaltnismailigkeitsprinzip, S. 10 ff.

[58] EuGH, (Daily Mail), Rz. 19.

[59] EuGH, (Daily Mail), Rz. 23.

[60] EuGH, (Daily Mail), Rz. 25.

[61] EuGH, (Daily Mail), Rz. 27.

[62] EuGH, (Centros), Rz. 21.

[63] EuGH, Centros), Rz. 34.

[64] Sedemund/Hausmann, BB 1999, 810.

[65] EuGH, (Centros), Rz. 19.

Ende der Leseprobe aus 74 Seiten

Details

Titel
Wegzugsbesteuerung versus Niederlassungsfreiheit natürlicher Personen in Europa
Hochschule
Universität St. Gallen
Note
2,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
74
Katalognummer
V141356
ISBN (eBook)
9783640506446
ISBN (Buch)
9783640517657
Dateigröße
973 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wegzugsbesteuerung, Niederlassungsfreiheit
Arbeit zitieren
Dr. Frank Winnenbrock, MBL-HSG (Autor:in), 2005, Wegzugsbesteuerung versus Niederlassungsfreiheit natürlicher Personen in Europa, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141356

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