Am 2. Mai 2007 ging bei der Weltbankgruppe eine Erklärung Boliviens ein, mit der Bolivien das „Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten“ vom 18. März 1965 (ICSID-Übereinkommen) kündigte. Gemäß Art. 71 des ICSID-Übereinkommens wird die Kündigung nach Ablauf von sechs Monaten und damit am 3. November 2007 wirksam. Dies wirft die Frage auf, welche Rechtsfolgen die Kündigung für in Bolivien tätige deutsche Investoren hat.
Welche Rechtsfolgen hat die Kündigung des ICSID-Übereinkommens durch Bolivien für deutsche Investoren?
Am 2. Mai 2007 ging bei der Weltbankgruppe eine Erklärung Boliviens ein, mit der Bolivien das „Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten“ vom 18. März 1965 (ICSID-Übereinkommen) kündigte.[1] Gemäß Art. 71 des ICSID-Übereinkommens wird die Kündigung nach Ablauf von sechs Monaten und damit am 3. November 2007 wirksam.[2] Dies wirft die Frage auf, welche Rechtsfolgen die Kündigung für in Bolivien tätige deutsche Investoren hat.
Hintergrund
Mit dem ICSID-Übereinkommen[3] wurde nach seinem Art. 1 Abs. 1 das zur Weltbankgruppe gehörende „Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten“ (International Centre for Settlement of Investment Disputes, ICSID) errichtet. Dessen Zweck besteht darin, Vergleichs- und Schiedseinrichtungen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen den Vertragsstaaten und Angehörigen anderer Staaten zur Verfügung zu stellen.[4] Das ICSID-Übereinkommen trat für die Bundesrepublik Deutschland am 18. Mai 1969 in Kraft,[5] für Bolivien am 23. Juli 1995.
Das ICSID-Übereinkommen eröffnet insbesondere die Möglichkeit, in bilateralen Investitionsschutzverträgen (beispielweise zwischen Deutschland und Bolivien) die Zustimmung zu erteilen, dass Investoren des jeweils anderen Staates Investitionsstreitigkeiten vor die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit bringen können. Ein solches Schiedsverfahrens hat den Vorteil, dass ein Investor nicht auf die Justizbehörden des betreffenden Staates angewiesen ist, um seine Rechte geltend zu machen. Häufig wird nämlich befürchtet, dass lokale Gerichte nicht unparteiisch urteilen oder dass ihnen der Sachverstand zur Lösung komplexer internationaler Investitionsstreitigkeiten fehlt; auch ist nicht immer sichergestellt, dass die völkerrechtlichen Vorschriften in Investitionsschutzverträgen von lokalen Gerichten angewandt werden.[6]
Nach den sog. „Additional Facility Rules“ können in bestimmten Fällen auch Streitigkeiten außerhalb des Anwendungsbereichs des ICSID-Übereinkommens zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit zugelassen werden, insbesondere wenn ein Staat nicht Vertragspartei des Übereinkommen ist.
Deutschland hat mit einer Vielzahl von Staaten bilaterale Investitionsschutzverträge abgeschlossen. Diese lehnen sich regelmäßig an den deutschen Muster-Investitionsschutzvertrag[7] an. Sie sind mit diesem jedoch nicht deckungsgleich, weil in Verhandlungen mit dem anderen Staat normalerweise nicht alle Positionen durchzusetzen sind. Der deutsche Muster-Investitionsschutzvertrag weist nach Art. 11 Investitionsstreitigkeiten der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit zu, wenn beide Vertragsparteien ICSID-Mitgliedstaaten sind. Wenn der Vertragsstaat nicht ICSID-Mitgliedstaat ist, weist Art. 11 die Investitionsstreitigkeiten einer Ad-hoc-Schiedsgerichtsbarkeit zu. Wenn ein Vertragsstaat zunächst nicht ICSID-Mitgliedsstaat ist, wenn später aber beide Vertragsstaaten ICSID-Parteien geworden sind, fallen Streitigkeiten nach dem Muster-Investitionsschutzvertrag unter die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit.
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[1] ICSID News Release vom 16. Mai 2007; zitiert nach http://www.worldbank.org (Stand: 2007).
[2] ICSID News Release vom 16. Mai 2007; zitiert nach http://www.worldbank.org (Stand: 2007).
[3] BGBl. 1969 II S. 369.
[4] Art. 1 Abs. 2 des ICSID-Übereinkommens.
[5] Bekanntmachung vom 30. Mai 1969; BGBl. 1969 II S. 1191.
[6] Wegen/Raible: Unterschätzt die Wirtschaft die Wirksamkeit des völkerrechtlichen Investitionsschutzes? SchiedsVZ 2006, S. 225, 231.
Häufig gestellte Fragen
Was ist die Kernaussage des Textes "Welche Rechtsfolgen hat die Kündigung des ICSID-Übereinkommens durch Bolivien für deutsche Investoren?"?
Der Text untersucht die rechtlichen Konsequenzen der Kündigung des ICSID-Übereinkommens durch Bolivien für deutsche Investoren. Es werden der Hintergrund des ICSID-Übereinkommens, seine Bedeutung für Investitionsschutzverträge und die möglichen Auswirkungen der Kündigung auf bestehende und zukünftige Investitionsstreitigkeiten erläutert.
Was ist das ICSID-Übereinkommen?
Das ICSID-Übereinkommen ist ein „Übereinkommen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten“ vom 18. März 1965. Es wurde unter der Schirmherrschaft der Weltbankgruppe geschlossen und hat das „Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten“ (ICSID) geschaffen.
Welchen Zweck hat das ICSID?
Das ICSID dient dazu, Vergleichs- und Schiedseinrichtungen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Vertragsstaaten und Investoren aus anderen Vertragsstaaten zur Verfügung zu stellen.
Wann ist das ICSID-Übereinkommen für Deutschland und Bolivien in Kraft getreten?
Für die Bundesrepublik Deutschland trat das ICSID-Übereinkommen am 18. Mai 1969 in Kraft, für Bolivien am 23. Juli 1995.
Welche Vorteile bietet die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit?
Die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit bietet Investoren die Möglichkeit, Investitionsstreitigkeiten außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit des Gastlandes beizulegen. Dies kann vorteilhaft sein, wenn Befürchtungen hinsichtlich der Unparteilichkeit lokaler Gerichte oder deren Kompetenz in internationalen Investitionsstreitigkeiten bestehen.
Was sind "Additional Facility Rules"?
Nach den "Additional Facility Rules" können in bestimmten Fällen auch Streitigkeiten außerhalb des Anwendungsbereichs des ICSID-Übereinkommens zur ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit zugelassen werden, insbesondere wenn ein Staat nicht Vertragspartei des Übereinkommen ist.
Was passiert, wenn ein Staat das ICSID-Übereinkommen kündigt?
Gemäß Art. 71 des ICSID-Übereinkommens wird die Kündigung nach Ablauf von sechs Monaten wirksam. Die Kündigung durch Bolivien wurde am 2. Mai 2007 erklärt und trat am 3. November 2007 in Kraft. Die rechtlichen Konsequenzen der Kündigung betreffen insbesondere die Möglichkeit, zukünftige Investitionsstreitigkeiten vor dem ICSID beizulegen.
Wie sehen deutsche bilaterale Investitionsschutzverträge in Bezug auf ICSID aus?
Deutsche bilaterale Investitionsschutzverträge weisen Investitionsstreitigkeiten regelmäßig der ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit zu, wenn beide Vertragsparteien ICSID-Mitgliedstaaten sind. Wenn ein Vertragsstaat kein ICSID-Mitgliedstaat ist, wird eine Ad-hoc-Schiedsgerichtsbarkeit vorgesehen. Wenn ein Staat zunächst kein ICSID-Mitgliedstaat ist, aber später beide Vertragsparteien ICSID-Parteien werden, fallen Streitigkeiten unter die ICSID-Schiedsgerichtsbarkeit.
Welche Auswirkungen hat die Kündigung des ICSID-Übereinkommens durch Bolivien auf laufende Schiedsverfahren?
Der Text liefert keine Informationen über die Auswirkungen der Kündigung auf laufende Schiedsverfahren. Es konzentriert sich hauptsächlich auf die Konsequenzen für zukünftige Streitigkeiten.
- Citation du texte
- Erich Stephkohn (Auteur), 2007, Welche Rechtsfolgen hat die Kündigung des ICSID-Übereinkommens für deutsche Investoren?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141669