Die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland und seine öffentliche Wahrnehmung in den Medien.


Thèse de Master, 2009

95 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Fußball und das Geschlechterverständnis

3 Die Entwicklung des deutschen Frauenfußballs
3.1 Die ersten Ballkontakte
3.2 Der Frauenfußball in Deutschland bis Anfang der 50er Jahre
3.3 Der Frauenfußball bis zur Aufhebung des Verbots 1970
3.4 Zur Einführung der Frauenbundesliga
3.5 Die Gründung der Frauennationalmannschaft
3.6 Die WM 1991 in China
3.7 Die WM 2007 in den USA

4 Die öffentliche Wahrnehmung des Frauenfußballs in Deutschland
4.1 Die Wahrnehmung der WM 1991 in China
4.2 Die Wahrnehmung der WM 2007 in den USA
4.3 WM-Triumph und Ligaalltag - ein Vergleich

5 Fazit und Ausblick auf die WM 2011 in Deutschland

6 Literaturverzeichnis
6.1 Internet-Quellen

7 Anhang: untersuchte Medien
7.1 Tageszeitungen
7.2 Zeitschriften, Magazine

1 Einleitung

Hinter dem Frauenfußball in Deutschland liegt ein beschwerlicher Weg. Hörte man früher Leute, vornehmlich meist Männer, über Frauenfußball sprechen, wurde dieser nicht ernst genommen.

Frauen mussten sich im Fußballsport einiges Gefallen lassen, wobei die männlichen „Kontrahenten“ von Beschimpfungen, angeblichen Gefährdun- gen durch Fußball für die Frau bis hin zu Verboten dieser Sportart nichts un- versucht ließen.

Man sollte aktuell angesichts der großen Anzahl viel versprechender Erfolge der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft annehmen, dass diese an- fänglichen Akzeptanzprobleme des Frauenfußballs und des Sports (allge- mein) nun lange Vergangenheit sind. Speziell wenn beispielsweise vernom- men wird, dass die Frauennationalmannschaft 2007 in China den Weltmeis- terschaftstitel verteidigte. Nebenbei ist die Vormachtstellung der deutschen Frauen in Europa mit fünf gewonnenen EM-Titeln einzigartig. Die „Männer- welt“ wäre wohl nicht weniger Stolz auf diese stattlichen Erfolge in ihren Rei- hen! Doch welcher Stellenwert kann dem Frauenfußball in Deutschland trotz dieser internationalen Auszeichnungen zugeschrieben werden?

National jedenfalls lässt sich ein Trend bei den Mädchen und Frauen erken- nen, welchem zur Folge sich der Frauenfußball wachsender Popularität er- freut. Diese Entfaltung der letzten Jahre ist zu einem großen Teil der deut- schen Nationalmannschaft und ihrer Entwicklung zu verdanken. Laut des Er- gebnisses einer allgemeinen umfangreichen Studie des DFB zum Frauen- fußball, die in Frankfurt präsentiert wurde, spielen heute (Stand: Januar 2009) im Vergleich zum Jahr 2000 21% mehr Mädchen und Frauen Fußball (fifa.de_a). Die aktuellste Mitgliederstatistik des DFB zum Jahr 2008 weist auch erstmals in der Geschichte mehr als eine Millionen Mädchen und Frau- en auf (fifa.de_b). Dieser „Boom“ des Frauenfußballs in Deutschland ist ein- malig und hat neben den erwähnten Erfolgen der deutschen Damen vor al- lem auch mit dem medialen Interesse am Frauenfußball zu tun, das in den letzten Jahren stetig gestiegen ist. Die Ruhr-Nachrichten Dortmund titelte am

23.04.09 beispielsweise: „Mit einer Fußballgala gegen Brasilien vor der euro- päischen Rekordkulisse von 44.825 Zuschauern hat das deutsche Frauennationalteam Appetit auf die Weltmeisterschaft 2011 im eigenen Land gemacht“.

Während diese in erster Linie besonders durch die letzten WM-Titel der Jahre 2003 und 2007 auf sich aufmerksam machen konnte, sieht der Alltag in der Frauenbundesliga allerdings deutlich prekärer aus.

Diese Arbeit widmet sich der empirischen Untersuchung ausgewählter Me- dien zur öffentlichen Wahrnehmung des Frauenfußballs in Deutschland. Da- bei wird im Sinne der qualitativen Auswertung, historisch-quellenorientiert vorgegangen. Ziel der Untersuchung ist es, exemplarisch die öffentliche Wahrnehmung der ersten Frauen-WM des Jahres 1991 und der WM 2007 (Titelverteidigung Deutschlands) in China gegenüberzustellen, um anschlie- ßend beide Weltmeisterschaften in Bezug auf die Medienberichterstattung bzw. die Wahrnehmung der Frauenbundesliga in Deutschland zu verglei- chen. Dabei wurden in den entsprechenden Zeitungen bzw. Zeitschriften je- weils Zeiträume von mindestens zehn Tagen vor und nach dem entspre- chenden WM-Ereignis untersucht, um eventuelle eröffnende oder abschlie- ßende öffentliche bzw. mediale Stimmungen einzubeziehen.

Folgende Fragestellungen sind hierbei Erkenntnis leitend: Wie wird die deut- sche Frauennationalmannschaft bei der ersten WM 1991 und der letzten WM 2007 dargestellt und wahrgenommen? Gibt es Unterschiede in der Darstel- lung bzw. Berichterstattung bezüglich der zu untersuchenden Weltmeister- schaftsturniere in der Presse zwischen männlichem und weiblichem Fußball? Der nationale deutsche Frauenfußball wird heute öffentlich anders wahrge- nommen als der Internationale. Die zu untersuchenden Gründe dafür sind vielschichtig und unterschiedlich. Dabei gilt es zu prüfen, ob bzw. inwieweit sich die Erfolge der Frauennationalmannschaft auf das mediale und öffentli- che Interesse der Frauenbundesliga ausgewirkt haben. Welche Unterschiede lassen sich heute in Bezug auf die Wahrnehmung des Frauenfußballs in den Medien bzw. der Presse, verglichen mit früheren Zeiten bzw. Turnieren er- kennen? Wie attraktiv und populär ist die Plattform Damenfußball in Deutsch- land für Zuschauer, Medien und Sponsoren und wie sehen dabei angesehe- ne Persönlichkeiten des Sports die gegenwärtige Stellung der Nationalmann- schaft und der Bundesliga?

Angesichts dieser Vorgehensweise ist es unabdingbar zunächst einmal die historischen Grundlagen des Frauensports und des Frauenfußballs zu unter- suchen, da Fußball und Sport insgesamt für Frauen in den vergangenen Jahrzehnten nicht immer selbstverständlich war und die Damen einen schwierigen Weg zu gehen hatten. „Die Folge war eine grundlegende Be- nachteiligung von Frauen auf allen Ebenen des Sports und seiner Institutio- nen“ (Gieß-Stüber & Hartmann-Tews, 1993, 9). Es sollte eine ganze Weile dauern, bis der Begriff Emanzipation auch endgültig der realen, sozialen Stellung sowie dem sportlichen Alltag der Frau eher gerecht wurde. Von da an konnten Frauen erste Erfolge hinsichtlich der Geschlechterrolle und ihrer sonst zumeist gesellschaftlich unterdrückten Position weiter ausbauen, was sich auch später im Sport widerspiegeln sollte.

„Die Frau im allgemeinen fängt an zu erkennen, dass sie bisher in starker Abhängigkeit vom Mann gelebt hat, dass sie nur als Geschlechtswesen gewertet wurde, aber keinen Anspruch auf volles Menschentum hatte.“ (Hoffmann & Nendza, 2005, 18)

Lange Jahre mussten vor allem die weiblichen Fußballerinnen gegen den Hohn, die Arroganz und vor allem gegen die Skepsis ihrer männlichen Kolle- gen kämpfen, um endlich in der Ausübung „ihres Sports“ entsprechend ak- zeptiert zu werden. Zitate wie: „Frauen gehören an den Kochtopf und nicht auf das Fußballfeld“, aus dem Jahr 1975 von Gerd Müller, sind seitdem Ge- schichte (Düwel, 2005, 12).

Die einführende historische Geschlechterproblematik im Sport sowie im Frauenfußball wurde auf Basis der Sekundärliteratur erschlossen. Als Materialgrundlage für diese Arbeit dienten daher zumeist sportwissenschaftliche Quellen (siehe Kapitel 6).

Die allgemeine Entwicklung des Frauenfußballs ist aus Sicht der Sekundärli- teratur insgesamt ausreichend aufgearbeitet1, wobei jedoch speziell der Un- tersuchungsgegenstand der öffentlichen Wahrnehmung des nationalen sowie internationalen deutschen Frauenfußballs in der Sekundärliteratur meist nur kurz am Rande erwähnt wird. Dementsprechend dienten der hier vorliegenden medienempirischen Untersuchung vor allem folgende Zeitungen und Zeitschriften der Jahre 1991 sowie 2007 als Primärquellen: „Süddeutsche Zeitung“ (SZ), „Ruhr-Nachrichten“ (RN), „Westfälische Allgemeine Zeitung“ (WAZ), „Bild“, „Stern“ und der „Spiegel“. Die Auswahl dieser Medien ergibt sich aus dem Ziel, einen möglichst repräsentativen regionalen, aber auch überregionalen Ausschnitt aus der realen Wahrnehmung dieser Ereignisse zu erhalten. Neben der „Bild-Zeitung“ zählt die „Süddeutsche Zeitung“ mit ei- ner Auflage von ca. 445.000 zu den meistgelesenen untersuchten überregio- nalen Zeitungen (biallo.de). Die „Bild-Zeitung“ ist mit einer Auflage von fast vier Mio. Ausgaben die am häufigsten gelesene Zeitschrift überhaupt in Deutschland und versorgt etwa 19% der Bevölkerung sowie über 12 Mio. Le- ser mit Informationen (uni-protokolle.de). Die „Westfälische Allgemeine Zei- tung“ und die „Ruhr-Nachrichten“ sind regionale Zeitungen, wobei die WAZ- Gruppe in Nordrhein-Westfalen mit einer Auflage von insgesamt ca. einer Mio. Drucken der Konkurrenz2 (ca. 145.000 Exemplare) deutlich überlegen ist (berlinonline.de). Des Weiteren wurden neben den täglich erscheinenden Zeitungen auch wöchentlich erscheinende Wochenzeitschriften wie der Spiegel und der Stern analysiert. Der Spiegel ist mit einer Auflage von knapp über eine Mio. Ausgaben etwa genauso beliebt wie der Stern (freelens.com). Beide Zeitschriften sollen den Blick hinaus über die Berichterstattung des Frauenfußballs der Tageszeitung ermöglichen, um eventuelle Vergleiche in Bezug auf die öffentliche Wahrnehmung der DFB-Frauen anstellen zu kön- nen. Als ergänzende Primärquelle unterstützte insbesondere das Internet die Untersuchung dieser Arbeit, um die Aktualität des Themas zu wahren. Dabei ist anzumerken, dass viele dieser genutzten elektronischen Quellen ebenfalls von bekannten Printmedien wie z.B. „spiegel.de“, „focus.de“, „faz.net“, „welt.de“, „zeit.de“ sowie Anderen stammen. Des Weiteren wurden aus Gründen der Aktualität sowie der Vergleichbarkeit, Beiträge des Jahres 2009 aus den Tageszeitungen „Ruhr-Nachrichten“, „WAZ“ und „Bild“ zum Frauen- fußball genutzt.

Im ersten Teil dieser Arbeit wird auf die Rolle der Frau bezüglich der ge- schlechtsspezifischen Unterschiede früherer Jahrzehnte im Sport sowie im Fußball eingegangen. Die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland wird ausführlich im dritten Kapitel thematisiert. Dabei wird neben der allge- meinen Entstehung und Geschichte des Frauenfußballs in Deutschland ins- besondere auf die Entwicklung der Frauenbundesliga, der Nationalmann- schaft sowie ihrer „Auftritte“ bei der ersten Weltmeisterschaft 1991 und der letzten WM 2007 in China eingegangen, um die Thematik im Hinblick auf den Untersuchungsaspekt der öffentlichen Wahrnehmung in Kapitel vier effizient zu verdeutlichen. Unter anderem wird auch ersichtlich, dass der heutige För- derer3 der Sportart in den 50er und 60er Jahren großen Anteil an der Prob- lematik der Entwicklung des Frauenfußballs hatte, was sich allerdings seit Oktober 1970 mit der Revidierung des Damenfußballverbots durch den DFB allmählich ändern sollte (Brüggemeier, Borsdorf & Steiner, 2000, 298). Ne- ben dieser ambivalenten historischen Entwicklung gilt es allerdings auch in die Zukunft zu blicken. Im abschließenden Ausblick der Arbeit werden die wichtigsten Erkenntnisse zusammengetragen und reflektiert, wobei neben dem resümierenden Fazit, die kommende WM 2011 in Deutschland themati- siert wird. Diese bietet dem deutschen Frauenfußball Chancen, Möglichkei- ten und womöglich einen weiteren, enormen Entwicklungsschub, den es zu nutzen gilt.

2 Fußball und das Geschlechterverständnis

Die gesellschaftliche Akzeptanz des Frauenfußballs ist eng an die Rolle in der Gesellschaft und damit an ihre Emanzipation gekoppelt. Es ist daher wichtig, sich über den Begriff der Emanzipation klar zu werden. Emanzipation war häufig ein umstrittener oder auch missverstandener Beg- riff, da er Frauen unter sozialen und sportlichen Gesichtspunkten vor große Probleme stellte, ihnen aber auch mit der Zeit viele neue Möglichkeiten eröff- nete.

„Emanzipation ist ursprünglich ein Rechtsbegriff; mit ihm wurde jener Akt bezeichnet, durch den der Betroffene den Rechtsstatus der Mündigkeit erwirbt“ (DSB4 , 1979, 19).

Emanzipation ist daher ein Teil des Selbstständigwerdens einzelner Perso- nen gegenüber sich selbst, gegenüber ihrer Umwelt und besonders gegen- über Anderen (ebd., 21). So können die stark von der Umwelt geprägten Ge- schlechterrollen als Verhaltensmuster verstanden werden, die man von Män- nern und Frauen in der jeweiligen Gesellschaft für angemessen hält. Sport hingegen ist ein Ergebnis gesellschaftlicher Prozesse (Sinning, 2005, 147).

„Zugleich ist das Terrain des Sportes ein Feld, das starke Identitätszwänge ausübt, die zur Stabilisierung gesellschaftlicher Verhältnisse beitragen“ (Marschik, 2003, 402).

Carla Verständig beschrieb den Sport einige Jahre vor Ausbruch des zweiten Weltkrieges aus Sicht der Frau als eine Art Mittel zur Selbsthilfe, um unab- hängig vom Mann denken zu können. Der Sport sollte Frauen dazu befähi- gen, „die tiefe Freude, das volle Erleben eines an Geist, Seele und Leib ge- sunden Vollmenschen zu empfinden“ (Hoffmannn & Nendza, 2005, 18). In der Geschichte des Frauensports/-fußballs wurden diese Wünsche und Sichtweisen jedoch relativ einseitig zugunsten der Männer und deren Sport ausgelegt und genutzt. Diesbezüglich mussten Frauen im Sport immer für ih- re Rechte kämpfen. Häufig wurden sie gesellschaftlich sowie auch von sport- lichen Aktivitäten ausgeschlossen. Besonders aus dem Fußballsport ist zu entnehmen, dass Männer nicht wollten, dass Frauen in ihren Sportbereich eintreten und so war die allgemeine Meinung in Bezug auf Fußball frauenfeindlich.

Wo Fußball zum nationalen Sport wurde, war er männlich „veranlagt“ und Frauen sahen sich meist öffentlicher und realer Unterrepräsentation ausge- setzt (Spitaler & Kreisky, 2006, 8, f.). Die Damen des 1930 in Frankfurt ge- gründeten ersten Frauenfußballvereins in Deutschland beschrieben ihren Empfang durch das männliche Geschlecht nach Betreten des Platzes fol- gendermaßen: „Die Zuschauer und die Männer, die haben sogar Steine nach uns geworfen“, wobei die Damen auch noch häufig in den Medien verspottet und auf dem Platz dazu als „Mannsweiber“ beschimpft wurden. Etliche „wilde Mädels“ werden empört zurecht gewiesen (Hoffmann & Nendza, 2005, 20). Man(n) erfand teils wüste Geschichten, um den Frauen den Sport und be- sonders auch den Fußball schlecht zu machen und sie davon abzuhalten. Ob negative medizinische Sichtweisen und Ergebnisse, oder einfach nur Appelle an Moral, Zucht und Ordnung. Vieles wurde versucht, um den Fußball in sei- ner Männlichkeit zu bewahren (Ratzeburg, 1983, 7).

Der DFB lies indes 1936 in einer Pressemitteilung verlauten, dass es Sport- arten gab, die nicht von Frauen ausgeführt werden sollten, da deren „Eigen- arten nicht dem Wesen der Frau entsprechen“. Dazu gehörte auch der Fuß- ball. Angeblich seien die Anstrengungen, sowie die Härte dieses Sports für den Körper der Frau so groß, dass auch keine durchschnittlichen Leistungen ihrerseits zu erwarten sein könnten. Knapp 15 Jahre später sollte auch der neue DFB-Präsident Dr. Peco Bauwens diese Meinung teilen und war fest davon überzeugt, „dass Fußball kein Frauensport ist“, wobei man sich damit auch nicht weiter auseinandersetzen wolle, nur weil irgendwo ein Dutzend Frauen zusammen kommen, die spielen möchten (Hoffmann & Nendza, 2005, 24, 28). Die Forderungen der Frauen nach Einlass in traditionelle Männerverbände und ihr selbstbewusstes Auftreten wirkten auf die Männer bedrohlich. Umso stärker grenzten sich diese von den Frauen ab und ver- suchten, mit Verboten, Einschränkungen, Ausschlüssen und der Verweisung der Frauen auf einen typisch weiblichen Bereich, sowie auf ihre traditionelle Rolle, dem Verlust ihrer Vormachtstellung entgegenzuwirken (Marschik, 2003, 379). Der Sport ist männlich und national geprägt, wobei er maskuline Bilder sowie nationale Zugehörigkeit produziert. Die Ausgrenzung von Frauen aus dem Sport resultierte aus der generellen Annahme, dass viele Sportarten und gerade der Fußball eben unweiblich und ungeeignet seien (ebd., 2003, 382).

„Jahrzehntelang war der Fußballsport männerorientiert. So ist es verständlich, dass sich dessen Strukturen an den Vorgaben der Männerwelt ausrichten“ (Bischops & Gerards, 1996, 18).

Ratzeburg schrieb im Hinblick auf dem Fußball, dass dieser hauptsächlich eine Demonstration der Männlichkeit sei, da er traditionell so aufgefasst und zum Teil durch die körperliche Konstitution hervorgerufen wird. Das Werfen und Fangen kann im Sport vermännlicht werden, z.B. beim Baseball und Kricket, aber es gibt keine Sportarten, bei denen das Treten als weiblich gesehen wird (Ratzeburg, 1983, 8).

Man(n) ließ sich vieles einfallen (auch aufgrund der bereits beschriebenen Angst heraus), den traditionellen Fußballsport nicht mit den Frauen teilen zu müssen. Dementsprechend wurden die Lügen und Bevormundungen im Frauensport sowie auch im Fußball besonders durch Ärzte hervorgebracht, die Frauen anscheinend nur unter dem Blickwinkel der Gebärfähigkeit be- trachteten (DSB, 1979, 12). Man befürchtete unter diesem Gesichtspunkt, vergleichbar mit den Jahrzehnten zuvor, dass durch Springen oder Bein- spreizen die weiblichen Geschlechtsorgane durcheinander gebracht werden konnten (Fechtig, 1995, 12).

Männer hingegen hatten ihre persönliche Ansicht vom eigenen Geschlecht sowie dem Pendant und brachten ihre abneigende Haltung deutlich zum Vorschein.

„Männer und ihre Körper dienten als normativer Standard, während Frauen (- körper) stets als abweichend oder ‘noch nicht’ der Norm entsprechend- und als ‘unterlegen’ definiert wurden“ (Marschik, 2003, 388).

Diesbezüglich führen auch Evers, Christa und Brandes (2006, 148) an, dass der Männerkörper zur Normalität erhoben wurde, da es auch jener ist, der als erster den Disziplinierungsmaßnahmen des Militär, der Fabriken und der Schulen unterworfen ist. Der Frau hingegen fehlt der für den sportlichen Wettkampf nötige Kampfgeist. Es liegt ihr nicht, mit einer Leistung einen Gegner mitleidlos niederzuringen (Landschoof & Hüls, 1985, 25).

Zur Zeit der Nationalsozialisten hingegen war die Lage noch bescheidener, da die „normale“ bürgerliche Frau kein Recht auf Sport hatte.

„Sport und Leibesübungen zum bloßen Vergnügen oder zur Erholung wurden im nationalsozialistischen Staat als Merkmal liberalistischen Sports strikt abgelehnt. Vielmehr sollten die Deutschen durch eine entsprechende Leibeserziehung für die ‘deutsche Volksgemeinschaft’ erzogen werden“ (ebd., 1985, 34).

In den Bereichen des Sports sollten Frauen zwar nicht ihre individuellen, ma- ximalen Leistungsgrenzen erreichen, um den besonders in der Weimarer Republik befürchteten Schwangerschafts-, Vermännlichungs5 - und Nach- wuchsproblemen zu entgehen. Andererseits wurden dennoch Leibesübun- gen (v.a. Schwimmen, Gymnastik und Turnen) für Mädchen und Frauen ent- sprechend geschlechtsspezifisch und ideologisch aufgewertet. Das Ziel die- ser spezifischen Förderung der Nationalsozialisten lag in erster Linie an dem Interesse „der Schaffung eines neuen, gesunden und starken arischen Frau- entyps“, in Verbindung eines möglichst starken männlichen Nachkommen für den Einsatz an der Front (Hoffmann & Nendza, 2005, 24). Ihr wurde somit als wichtigste „Aufgabe“ die damalige „Rassenvermehrung“ zugewiesen. „Die Ehe kann nicht Selbstzweck sein, sondern muss dem einen großen Ziel, der Vermehrung und Erhaltung der Rasse dienen.“ (Landschoof & Hüls, 1985, 40) Neben der definierten nationalen Aufgabe der Mutterschaft wurde die deutsche Frau durch weitere Attribute wie Pflichtbewusstsein, Treue, Spar- samkeit, Ordentlichkeit, Warmherzigkeit, Sauberkeit und Hilfsbereitschaft im Nationalsozialismus ausgezeichnet (Hoffmann & Nendza, 2005, 24). Außer- halb dieser Ziele der Nationalsozialisten spielten Frauen auch hier eine un- tergeordnete Rolle, die sich in ihrer Verschiedenheit zum Mann äußert.

Dabei bildete die angebliche Überlegenheit des Mannes häufig Legitimationen des eigenen, männlichen Führungsanspruches in allen gesellschaftlichen Bereichen und sollte nebenbei für die Verdrängung der Frau aus dem öffentlichen Leben sorgen (Landschoof & Hüls, 1985, 39).

„Frauen werden zwecks Erfüllung ihrer Mutteraufgabe systematisch aus Beruf und Bildung gedrängt, Akademikerinnen sind unerwünscht“, wobei Verhütungsmittel und Sterilisation zwecks Steigerung der Geburtenzahl verboten werden“ (Hoffmann & Nendza, 2005, 24).

Auch die folgenden Jahrzehnte wurden durch ähnliche Meinungen über das „schwächere Geschlecht“ geprägt, wobei diese nicht so übertrieben darge- stellt wurden und schon eher eine Angleichung der Geschlechter erkennen ließen.

In den 50er und 60er Jahren war es zwar trotz des unterlegenen Rollenbildes der Frau in der Gesellschaft möglich, dass man ihr einen qualifizierten Schulabschluss bot, doch selbstverständlich war dies noch lange nicht. Frauen sollten nach Möglichkeit für die Familie da sein und nicht nach persönlichem Erfolg streben.

„Für Mädchen reicht die mittlere Reife; Frauen sollten heiraten und Kinder kriegen; Frauen brauchen keinen Beruf, abweichend, in ihrer Identität verunsichert werden“ (DSB, 1979, 29).

Ein ähnliches Rollenbild vertraten auch die Medien Ende der siebziger und Anfang der 80er Jahre in Form der „Bild-Zeitung“. Dort wird Frauen primär der Bereich der Reproduktion zugewiesen, daher sind sie überwiegend in der Hausfrauen- und Mutterrolle vertreten. „Eine eher abschreckende Ausnahme ist das ‘Karriereweib’. Die dargestellten Frauenbilder sind oft negativ besetzt“ (Klein & Pfister, 1985, 13). Auf der anderen Seite fällt unmittelbar die in der Bild-Zeitung sexualisierte Darstellung von Frauen auf, die ca. 5,4 % der Ge- samtfläche der Zeitung einnimmt und oft als klassische Produktwerbung bzw. als Kaufanreiz für bestimmte Waren eingesetzt wird (ebd., 24, ff.).

Ein Zitat von Blanke (1991, 12) liefert eine mögliche Erklärung, wie es zu den unterschiedlichen Rollen der Geschlechter und schließlich auch deren Darstellung kommen konnte. In Bezug auf die Männer und deren Dominanz bis Ende des 20. Jahrhunderts ist sie sich sicher:

„Sie hatten die Macht über Arbeitsteilung und Arbeitseinteilung und damit letztlich Verfügung über Freiräume, Freiheitsgrade, Schöpfertum und damit auch die Macht über die Bewertung der geistigen und körperlichen Qualitäten von Frauen, also Macht über Ideologie und Moral“ (Blanke, 1991, 12).

Nur so kann man sich erklären, wie durch das männliche Geschlecht der Frauenfußball in Deutschland von 1955-1970 verboten wurde. Doch es warnicht nur der Fußball, sondern auch viele andere Körper- und Bewegungserfahrungen, die Mädchen und Frauen über Jahrzehnte vorenthalten wurden.

„Stärke, Gewandtheit, Ausdauer und die öffentliche zur Schaustellung des Körpers im Turnen und Sport waren bis weit ins 20. Jh. Domänen des männlichen Geschlechts, das die damit verbundene Überlegenheit in kulturelle, soziale und politische Macht ummünzte“ (Macha, 1996, 125).

Der Psychologe Fred J.J. Buytendijk kam 1953 in seiner Arbeit „Das Fußball- spiel - eine psychologische Studie“ zu der Ansicht, dass Frauen prinzipiell für diesen Sport nicht geeignet seien. „Das Treten ist wohl spezifisch männlich. Jedenfalls ist das Nichttreten weiblich“ (Fechtig, 1995, 26). Sogar noch in den 60er Jahren gab es biologische Argumente gegen den Frauenfußball (ebd., 1995, 29). Auch teilweise in den 70er Jahren wurde Frauen generell die Fähigkeit zu sportlichen Dauerleistungen abgesprochen. Der Alltag vieler Frauen blieb oft von Strukturen und Interessen dominiert, die nicht weiblich waren (Marschik, 2003, 387, 391).

Historisch hat es sich schließlich so entwickelt, dass heute sportliche Hand- lungsmöglichkeiten allgemein für alle zur Verfügung stehen. Jedoch muss beachtet werden, dass diese Möglichkeiten von Männern geschaffen wurden und damit fängt nach Blanke (1991, 12) bereits das Problem an. „Die Folge ist eine grundlegende Benachteiligung von Frauen auf allen Ebenen des Sports und seiner Institutionen“ (Gieß-Stüber & Hartmann-Tews, 1993, 9). Blanke (1991, 12) stellt in den Vordergrund, dass Männer sich im Sport Handlungsmöglichkeiten schaffen konnten, weil sie über mehr Freiheitsgrade verfügt haben und nicht an Kinder gebunden waren, wobei die Handlungs- möglichkeiten nicht abstrakt, sondern in gesellschaftlich konkreten Formen gebildet wurden.

Gieß -Stüber und Hartmann-Tews (1993, 22) halten die geringere Einbezie- hung von Frauen im Sport im Gegensatz zu Männern für eine Folge des So- zialisationsprozesses, da „Mädchen noch immer eher dazu angeleitet wer- den, passiv und gehorsam zu sein“. Frauen haben dagegen nie die Möglich- keit gehabt, Formen selbst zu entwickeln und zu zeigen, ob diese Strukturen von ihnen übernommen bzw. verinnerlicht wurden oder nicht (Blanke, 1991, 12).

1985 schrieben Klein und Pfister noch, dass Frauen zwar in männliche Domänen, wie z.B. den Fußball drängen, wobei ihr Verhalten aber oft nicht ernst genommen oder als „unweiblich“ sanktioniert wird. „So wurden z.B. noch 1982 Fußballerinnen als ‘Mannsweiber’ oder ‘emanzipierte Landpome- ranzen’“ tituliert (Klein & Pfister, 1985, 16). Somit wird deutlich, dass auch die Medien und die Sportberichterstattung ebenso an der Inszenierung der „gewohnten“ Geschlechter- und Körperordnung beteiligt sind und dadurch zum Erhalt der Geschlechter-Asymmetrie beitragen (Evers, Christa & Bran- des, 2006, 156). Besonders anschaulich wurde dieser Unterschied von Klein und Pfister in ihrer Untersuchung über die Rolle der Frau in der Sportbericht- erstattung der Bild-Zeitung dargestellt. Ähnlich wie schon zur Zeit der Natio- nalsozialisten werden Frauen und Mädchen in den 80er Jahren „entweder völlig unterschlagen oder als passiv, inkompetent und als ‘Anhängsel’ darge- stellt. Sie erscheinen als das ‘schwache Geschlecht’“, das entweder nicht wahrgenommen wird oder das es zu beschützen gilt (Klein & Pfister, 1985, 13). Weiterhin sind sich die Autorinnen sicher, dass das durch Massenkom- munikationsmittel verbreitete Frauenbild frauenfeindlich sei. Dies wird da- durch ersichtlich, da es ein einseitiges, nicht zutreffendes Bild weiblicher Le- benszusammenhänge wiedergebe und Rollenvorstellungen einer ‘idealen’ Frau festlege, „die insbesondere die Minderwertigkeit, Ausbeutbarkeit und Benutzbarkeit der Frau betonte“ (ebd., 1985, 13, f.). Trotzdem war der weite- re Aufstieg des Frauenfußballs in der Folgezeit jedoch nicht mehr stoppen, zumal die Studentenbewegung und die zunehmende Emanzipation die Ent- faltung unterstützten (bpb.de_h). Wirft man einen Blick in neuere Literatur wird schnell deutlich, dass Mädchen und Frauen stark aufgeholt haben, was die Sportaktivitäten insgesamt angeht (Evers, Christa & Brandes, 2006, 153). Nicht nur die Zahl der aktiven Frauen im Sport und besonders im Fußball6 hat deutlich zugenommen, wenn man heute das weibliche Fußballpublikum mitberücksichtigt. Durch das im Vergleich zu früher enorm gestiegene Inte- resse z.B. an Fußballspielen und -Übertragungen von Frauen, hat sich im letzten Jahrzehnt eine Diskussion über zunehmendes „De-Gendering“ des

Fußballs entwickelt. „Frauen galten seit den 1990er Jahren als hoffnungsvoller Markt für die Erweiterung des Kundenkreises“ (Kreisky & Spitaler, 2006, 10). Andererseits zeigt sich auch selbst heute noch, dass die Situation von Frauen in den Sportspielarten insgesamt die hierarchisch angelegte Ge- schlechterordnung im Sport widerspiegelt, da sie neben fehlender Anerken- nung auch mit einer Unterrepräsentanz in Führungspositionen und mit Dis- kriminierungen zu kämpfen haben (Evers, Brandes & Christa, 2006, 162, f.). Selbst in der heutigen Zeit ist von einer Benachteiligung der Frauen auf fast allen Ebenen auszugehen.

„Die Formel vom geteilten Arbeitsmarkt meint, dass Frauen gegenüber Män- nern in höherem Maße geringwertige Arbeitsplätze mit schlechter Bezahlung innehaben, dass sie mehr unbezahlte Familienarbeit leisten, häufiger von Ar- beitslosigkeit betroffen sind, geringere Arbeitslosenunterstützung und geringere Renten erhalten“ (Gieß-Stüber & Hartmann-Tews, 1993, 17).

Im Bereich des Sports jedoch ist beispielsweise der unterschiedliche Verdienst im Frauen- und Männerfußball ein weiterer Beleg dafür, dass die Gleichberechtigung im Wettkampfsport (hier besonders im Fußball) noch lange nicht abgeschlossen ist. „Davon sind wir so weit entfernt wie vom gleichen Lohn für gleiche Arbeit“ (Kleis, 2006, 86).

1991 bekamen die deutschen Damen für ihre EM-Titelverteidigung gerade einmal 6.000 Mark „pro Frau“, was verglichen mit dem ersten EM-Gewinn und der damaligen Kaffeeservice-Prämie vom DFB schon als ein kleiner „emanzipatorischer Fortschritt“ angesehen werden konnte (emma.de_a). - Anders betrachtet muss man kritisch hinzufügen, dass sich die Prämie des letzten WM-Titelgewinns der Männer 1990 bereits bei 250.000 DM pro Spie- ler belief (ebd.,_a). Berücksichtigt man dazu auch, dass die Frauen für ihre letzte WM-Titelverteidigung 2007 in China 50.000 Euro pro Spielerin erhiel- ten, wird bei den Männern allein in der Nationalmannschaft mit entscheidend größeren „Verdienstmöglichkeiten“ gelockt. 50.000 Euro erhielten die Herren bei der WM 2006 schon allein für das Erreichen des Viertelfinales. Die Prä- mie für den WM-Sieg lag hingegen bei stolzen 300.000 Euro pro Mann und konnte somit im Vergleich zur WM 2002 mehr als verdreifacht werden (faz.net_a).

Die Bundesligagehälter der Herren mit denen der Frauen zu vergleichen führt zu einem beinahe grotesken Ergebnis. Man führe sich nur vor Augen, was ein Frank Ribery beim FC Bayern München oder auch nur andere eher durchschnittliche „Bundesliga-Kicker“ aus Bielefeld, Gladbach oder Hoffen- heim im Jahr (oder sogar im Monat) verdienen. Die vermeintlich weltbeste brasilianische Fußballerin Martha beispielsweise erhält Medienberichten zu- folge „nur“ etwa 150.000 Euro im Jahr, was für den Frauenfußball jedoch be- reits eine stattliche Summe bedeutet (womensoccer.de). Während wöchent- lich hunderttausende (vor allem männliche Fußballfans) die Spiele von Die- go, Luca Toni, Grafite und Co. live im Stadion erleben, finden in der Damen- bundesliga selten Bundesligaspiele vor mehr als 1.000 Zuschauern7 statt (emma.de_a). Doch auch der Stellenwert des Fußballs in den Medien bzw. der Presse im Vergleich beider Geschlechter scheint ein ungleicher zu sein, wie besonders im vierten Kapitel näher analysiert wird (zeit.de_a). Während das DSF8 und andere Sportsender wie das Erste9 schon die Partien der zweiten, teilweise auch der dritten höchsten Herren-Klasse übertragen, sucht man die Begegnungen der Damenbundesliga vergeblich im TV. Die Vielzahl der Bundesligafrauen und auch viele Nationalspielerinnen sind dazu im Ge- gensatz zu den männlichen „Vollzeitprofis“ auch noch vor oder nach dem Training bzw. Spiel zusätzlich beruflich aktiv, um den Lebensunterhalt neben dem Sport bestreiten zu können. Verdeutlichet wird dies durch ein Zitat von Maren Meinert10: „In Deutschland kriegt man fürs Kicken nicht mehr Geld als fürs Zeitungsaustragen“ (Kleis, 2006, 90). Zu Zeiten ihrer aktiven Karriere ar- beitete Silvia Neid beispielsweise als Floristin. Nach einem acht Stunden- Arbeitstag wurde viermal die Woche trainiert. Dazu ab und zu ein Stützpunkt- training mit der Nationalmannschaft, das sie bis zum großen Finalsieg 1989 wie alle anderen selbst bezahlen musste (emma.de_b). Es stellt sich daher angesichts dieser kleinen abschließenden Randnotiz die Frage, wer das hö- here Gehalt am Ende des Monats „verdient“ hat? Jedenfalls wird durch diese Beispiele ersichtlich, dass sich die grundsätzliche Geschlechterordnung im Sport, die Einteilung in „Fußball“ und „Frauenfußball“, in absehbarer Zeit wohl kaum ändern wird. „Der Sport ist und bleibt eben ein Abbild der Gesellschaft, aus der er entstammt“ (Evers, Christa & Brandes, 2006, 166).

3 Die Entwicklung des deutschen Frauenfußballs

Während im vorangegangenen zweiten Kapitel vor allem die grundlegenden Unterschiede der Geschlechter11 bezüglich ihrer ungleichen und einseitigen „Möglichkeiten“ zur Ausübung des Sports sowie des Fußballs in den Vorder- grund gerückt sind, soll nun im folgenden dritten Kapitel ein kritischer, aber gleichsam realistischer Blick auf die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland von den Anfängen bis zur heutigen Zeit gegeben werden. Die beschriebenen Kapitel sind aufgrund ihres historischen Gegenstandes für die spätere Untersuchung des vierten Kapitels grundlegend, damit eine verein- fachte Einführung in das Thema gewährleistet werden kann. Insbesondere die Kapitel 3.4 bis 3.7 sind relevant, um die Thematik für den späteren Unter- suchungsgegenstand ausreichend zu erschließen.

3.1 Die ersten Ballkontakte

Frauenfußball hatte in seiner Historie nicht nur in Deutschland einen schwe- ren Stand. Von Nichtbeachtung bis Verspottung, von jubelnden Menschen- massen bis Verboten und Sanktionen, spätestens ab den fünfziger Jahren war alles vertreten. Eine erste „Entwicklung“ begann jedoch schon deutlich vor dieser Zeit, auch wenn das Interesse an diesem Sport bei den Frauen hier noch lange nicht so stark ausgeprägt war, wie es in den folgenden Jahr- zehnten der Fall sein sollte (Bulla, 2004, 4). Der eigentliche Fußballsport für Frauen, wenn man ihn damals schon so nennen konnte, hatte Deutschland in seiner Entwicklung relativ spät erreicht. Ein genaueres Datum für die all- gemeine Entwicklung des Frauenfußballs ist schwer festzulegen, jedoch deu- ten Übermittlungen verschiedener Historiker auf erste Anhaltspunkte eines fußballähnlichen Frauenspiels in Frankreich hin (ebd., 4). „Im Frankreich des 12. Jahrhundert sollen wackere Bauersfrauen gegen einen mit Schleifchen besetzten Lederball getreten haben“ (Fechtig, 1995, 11). Neben dem Sport der auch von Inuit-Frauen betrieben wurde, sollen auch im 18. Jahrhundert in Schottland Frauenfußball-ähnliche Spiele stattgefunden haben. Die verheirateten und die unverheirateten Frauen trafen sich jährlich auf den Hügeln über Iverness und nutzten zwei Bäume, sowie eine frisch gefüllte Tierblase als nötige Spielgeräte, um gegeneinander Fußball zu spielen. Das Spielfeld war von Männern umrundet, die extra herkamen, um sich aus dem Team der unverheirateten Ladies eine Braut auszuwählen, bzw. ihre Frauen anzufeuern (ebd., 11). Von Regeln bzw. einer Form von organisier- tem Spiel konnte damals allerdings noch nicht gesprochen werden. Das erste erwiesen Frauenfußballteam wurde 1894 in England um die Londonerin Net- tie Honeyball gegründet. Bereits 1895 spielen die „British Ladies“ nach den offiziellen Regeln der F.A. vor 10.000 Zuschauern, wobei den Herren der F.A. diese Art von Sport missfällt (Hofmann & Nendza, 2005, 6).

In Deutschland finden sich um 1900 erste Hinweise auf eine vereinfachte Spielidee des groben Männersports der sich aus England in Europa verbrei- tet. Häufig bildeten die Damen einen Kreis und spielten sich den Ball mit dem Fuß zu, was wohl doch eher den Charakter einer gymnastischen Übung be- saß (Bulla, 2004, 4). Es hat bereits zur Jahrhundertwende in Frankfurt kurz nach 1900 eine der ersten deutschen Frauenfußball-Mannschaften gegeben, über deren organisatorischen Hintergrund heute nichts mehr bekannt ist (Fechtig, 1995, 14). Gewissermaßen ist dieser erste Kontakt von Frauen und Mädchen zum Fußball hauptsächlich durch die im Jahre 1874 durchgeführ- ten ersten Fußballspiele von Turnlehrer Konrad Koch am Braunschweiger Gymnasium Maritino-Catharineum entstanden, der als Gründungsvater des deutschen Fußballs gilt. Schon zu dieser Zeit lernten neben den kickenden Schülern wohl auch schon viele Schülerinnen an dem Spiel gefallen, so dass Ende des 19. Jahrhunderts ein gewisser August Hermann in Erwägung zog, „als Ausgleich für das populäre Fußballspiel, ein entsprechendes Spiel für Mädchen zu entwickeln“. Damals war für ihn bereits klar, dass in Zukunft wohl niemals Mädchen oder Frauen in Deutschland Fußball spielen würden (Hoffmann & Nendza, 2005, 14). Fechtig (1995, 12) schrieb hinzufügend zur Situation der Jahrhundertwende, dass ein Spiel, dass auf dem Treten eines Balles basiert, kaum Entwicklungschancen hatte, „zumal zu dieser Zeit sogar noch die Einführung des Schulunterrichts höchst umstritten war und beispielsweise das Turnen durch Handarbeitsunterricht er- setzt wurde.“

Trotz dieser Problematik schien ein von Frauen betriebener Fußballsport um 1900 „nicht undenkbar“.12 Philip Heineken berichtet 1896 wie selbstverständ- lich darüber, „dass Fußball längst auch von Mädchen gespielt wird, und dass sie sich ganz wohl dabei fühlen“13 (Spitaler & Kreisky, 2006, 23). Während den Zuschauerinnen zu der Epoche noch keineswegs mangelndes Ver- ständnis für das Geschehen auf dem Platz unterstellt wurde14, sollte sich dieses in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg allerdings ändern, als der Fußball zunehmend alle sozialen Schichten der männlichen Bevölkerung er- fasste. Von nun an zählte nicht mehr das vormals „körperlose, schöne und faire Spiel“, sondern Attribute wie „Erfolgsorientierung, Härte und Zähigkeit“. „Das Spiel wurde durchgängig männlich, zumal die Akzentuierung des Fuß- balls als Kampf vor allem Männer anzog“ (ebd., 23). Zudem kamen nun auch noch die männlichen Vorurteile, die sittliche Argumente und die angeblichen gesundheitlichen Gefährdungen im Sinne des Frauenfußballs hinzu, die be- reits im zweiten Kapitel angeführt wurden. Diese Vorbehalte der Männer re- sultierten einerseits aus der Furcht, den männlich geprägten Sport an die Frauen zu verlieren bzw. mit ihnen teilen zu müssen, andererseits aber auch aus der sich nun rascher entwickelnden Frauenfußballszene (besonders ab den 50er Jahren), die im folgenden Verlauf thematisiert wird.

3.2 Der Frauenfu ß ball in Deutschland bis Anfang der 50er Jahre

Im Zuge des ersten Weltkrieges wurde allgemein das Fußballspiel in Eng- land, Deutschland und Frankreich immer populärer15. In den meisten Län- dern arbeiteten viele Frauen aufgrund des Mangels an männlichen Arbeitskräften in den Rüstungsfabriken und eroberten sich für kurze Zeit wesentliche Teile des gesellschaftlichen Lebens, die bis dahin fast ausschließlich den Männern vorbehalten waren, so zum Teil auch den Fußball (Brüggemeier, Borsdorf & Steiner, 2000, 298). Ähnlich beschreibt auch Fechtig (1995, 22) die Situation zur damaligen Zeit, da sie unmissverständlich den Krieg und die damit verbundenen politischen und sozialen Veränderungen als Folge für den Zugang der Frauen zum öffentlichen Leben ausmacht, der die traditio- nelle Rolle als Mutter und Hausfrau in Frage stellte. Frauen entdeckten nun viele traditionelle „Männersportarten“ und opponierten gegen die klassischen Geschlechterrollen, um mehr gesellschaftliche Gleichstellung zu erlangen (Hoffmann & Nendza, 2005, 15).

„Entsprechend ließen sich die Frauen anstecken vom damaligen Zeitgeist, einer Massenbegeisterung für den Sport: Das ‘Sportgirl’ wurde in den 20er Jahren zum modischen Frauentyp“ (Fechtig, 1995, 22).

Mitte der 20er Jahre spielen etliche „wilde Mädels“ im sozialistischen ATSB16 Fußball und werden empört zurückgewiesen, da dass Fußballspiel ein „männliches Kampfspiel“ und kein Frauensport sei. „Dennoch sollen zu die- ser Zeit beim Arbeitersportverein BSK Fürth bereits 25 Damen die Fußball- stiefel geschnürt haben“(bpb.de_a). So finden sich (bis auf die in Kapitel 3.1 beschriebenen ersten Ballkontakte) in Deutschland in den 20er Jahren die ersten erwähnenswerten Spuren fußballspielender Frauen, wobei die Grün- dung einzelner Teams eher als eine Art „experimenteller Charakter“ angese- hen wurde, als ein Versuch, diese neue Sportart real zu etablieren, wie dies bereits kurzzeitig bis 1921 in England17 gelang (Fechtig, 1995, 22). Brügge- meier, Borsdorf und Steiner (2000, 302) beschreiben diese Entwicklung noch nüchterner, da sie schildern, dass die „raue Wettkampfsportart“ Fußball im deutschen Reich vor 1930 nur wenige Anhänger unter den Frauen fand. Besser angesehen als der Fußballsport für Frauen war an dieser Stelle vor allem die Leibesertüchtigung durch diszipliniertes Training, wie es die Turner propagierten.

[...]


1 In der Sekundärliteratur kam es in den letzten Jahren zu einigen neuen 0Veröffentlichungen: z.B. Hoffmann & Nendza, 2006; Spitaler & Kreisky, 2006; Düwel, 2005, sowie Marschik, 2003.

2 Gemeint ist hier die Tageszeitung „Ruhr-Nachrichten“.

3 Gemeint ist hier der DFB (Deutscher Fußball-Bund).

4 Gemeint ist hier der Deutsche Frauensportbund.

5 Unter Vermännlichung des weiblichen Körpers verstanden die Nationalsozialisten „die Entwicklung eines schmalhüftigen und wenig ‘gebärfreudigen’ Frauentyps“ (Hoffmann &Nendza. 2005, 24).

6 Heute spielen über 1 Mio. Mädchen und Frauen im DFB Fußball bzw. sind als Mitglieder aktiv.

7 Selbst bei Top-Spielen betragen die Zuschauerzahlen selten über 2.000 Zuschauer.

8 Deutsches Sport Fernsehen.

9 ARD.

10 ehemalige Deutsche Nationalspielerin.

11 In der Literatur häufig auch als „Gender“ bezeichnet.

12 Weil gerade für die bürgerliche Frauenbewegung Sport eine wichtige Arena der Austragung des Geschlechterkampfes bildete, strebten damals vor allem bürgerliche Frauen danach, selbst „männlich geprägte Sportarten wie Eishockey, Fallschirmspringen oder den Skisprung und auch vereinsmäßig organisierte Teamsportarten wie Cricket, Handball oder Hockey“ zu betreiben (Pfister, 1998, zit. n. Marschik, 2005, 40).

13 Nicht eindeutig ist jedoch, ob er damit auf England oder Deutschland Bezug nimmt.

14 Fußball war zu diesem Zeitpunkt zwar ein von Männern betriebener Sport, aber noch war er nicht so dominant von männlichen Werten geprägt.

15 Fußball wurde gerne vor allem aufgrund der fördernden Motivation, Kameradschaft und Ablenkung an der Front als Schützengrabenfußball von den Soldaten gespielt.

16 Arbeiter-Turn und Sportbund

Fin de l'extrait de 95 pages

Résumé des informations

Titre
Die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland und seine öffentliche Wahrnehmung in den Medien.
Université
Ruhr-University of Bochum  (Sportwissenschaft/Sportgeschichte)
Cours
Master Abschlußarbeit
Note
1,7
Auteur
Année
2009
Pages
95
N° de catalogue
V142110
ISBN (ebook)
9783640522996
ISBN (Livre)
9783640520824
Taille d'un fichier
876 KB
Langue
allemand
Annotations
Hinter dem Frauenfußball in Deutschland liegt ein beschwerlicher Weg. Hörte man früher Leute, vornehmlich meist Männer, über Frauenfußball sprechen, wurde dieser nicht ernst genommen. Frauen mussten sich im Fußballsport einiges Gefallen lassen, wobei die männlichen „Kontrahenten“ von Beschimpfungen, angeblichen Gefährdungen durch Fußball für die Frau bis hin zu Verboten dieser Sportart nichts unversucht ließen. Man sollte aktuell angesichts der großen Anzahl viel versprechender Erfolge der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft annehmen, dass diese anfänglichen Akzeptanzprobleme über...
Mots clés
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Citation du texte
Bachelor Michael Bulla (Auteur), 2009, Die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland und seine öffentliche Wahrnehmung in den Medien., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142110

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