„Die Welt Hoffmanns kann nur in ihrer Dualität verstanden werden“, postuliert Hans Mayer als Grundlage jeden Zugangs zum Werk E. T. A. Hoffmanns. Das Nebeneinander von realer und mythischer Ebene bestimme die Dichtung Hoffmanns seit seinem Erstling ‚Ritter Gluck’.
Wohl zwischen Ende 1816 und Sommer 1817 entstand die Erzählung ‚Das Majorat’, in dessen Titel Hoffmann die Beschäftigung mit einem seinerzeit heftig diskutierten Erbfolgemodell signalisiert, dass ausschließlich den ältesten Sohn als Erben einsetzt. Er selbst hielt die Erzählung für gelungen, ein Urteil in dem ihm viele Leser folgten. „Vielen Kritikern galt das Werk, vor allem durch die Gestalt des Justitiars, als Vorläufer realistischer Erzählungen“, bilanziert Steinecke. Tatsächlich scheint es so, als handele es sich hauptsächlich um ein Familiendrama, denn
„es [sind] auch hier nicht nur unbegreifliche, dunkle Mächte, die das Verhängnis herbeiführen, sondern in erster Linie […] Neid, Mißgunst, Stolz, Haß, Rachsucht, Geldgier, Machtstreben“.
Entsprechend Mayers Annahme scheint mit der Schauergeschichte aus den ‚Nachtstücken’ also eine weiterer Text Hoffmanns vorzuliegen, in dem die Erklärung, hier für den Niedergang der Adelsfamilie von R., uneindeutig bleibt – Übersinnliches spielt ebenso hinein wie Weltliches und die genaue Trennung ist unscharf.
Ganz so liegen die Dinge aber vielleicht doch nicht. Mehrfach wurden in der jüngeren Forschung Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Angaben des autodiegetischen Erzählers Theodor geäußert, wie auch und besonders an der des Großonkels V. Obwohl diese Zweifel teilweise recht konstruiert wirken oder man einige Argumente leicht in Frage stellen kann, bleibt doch der Eindruck, als sei das ‚Majorat’ – vom Autor gewollt oder ungewollt – von erzähllogischen Problemen durchzogen. Ziel dieser Arbeit soll es daher sein, unter besonderer Beachtung der Erzähltheorie, zu untersuchen, wie diese Geschichte erzählt wird, um am Ende vielleicht besser beurteilen zu können, was ausgesagt wird.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Theodor und sein Onkel
- Biografische Elemente
- Fragen der Perspektive
- Der Alptraum von R..sitten
- Vorbemerkung: Die Familie von R.
- Als Ausgangspunkt: der Prolog
- Erste Schlussfolgerungen
- Der objektivere Großonkel?
- Das Gespenstische
- Die Erscheinung: Geist oder Wahn?
- Reminiszenz oder überformte Erinnerung
- "Der Geisterseher"
- "Das Bettelweib von Locarno"
- Wie das öde Reich der Geister
- Ein großer funkelnder Stern
- Interpretationsräume und Leerstellen
- Beobachtungen zur Sprache
- Wesensveränderungen
- Prolepse oder Erinnerungstrübung?
- Auslegungssachen
- V. - ein guter Advokat?
- Geld oder Fluch
- V. und seine Wohnung
- Wolfgang: Der liebende Ehemann
- Der Tod und der Tempusgebrauch
- Die Macht der Sterne
- Offene Fragen
- Unmöglichkeiten der Chronologie
- Ein Bild des jungen Mannes als Künstler
- Verwirrende Zahlen
- Beobachtungen zur Sprache
- Exkurs I: Das Majorat - ein Nachtstück
- Exkurs II: Einige Worte zur Literaturgeschichte: Wirkung und Inspiration
- Die Majoratsherren
- The Fall of the House of Usher
- Andere Texte
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit untersucht die Erzählung "Das Majorat" von E. T. A. Hoffmann unter besonderer Berücksichtigung der Erzähltheorie. Das Ziel ist es, die erzählerischen Besonderheiten des Textes zu analysieren und zu ergründen, welche Aussagekraft durch diese Erzählweise erzielt wird.
- Die Rolle des autodiegetischen Erzählers Theodor und seine Glaubwürdigkeit
- Die Frage der objektiven Darstellung und die Interpretation der Geschichte durch den Großonkel V.
- Die Verwendung von Gespenstermotiven und deren Funktion in der Erzählung
- Die Bedeutung der Sprache und der Zeitstruktur für die Interpretation des Textes
- Die literaturgeschichtlichen Bezüge und die Inspirieren des "Majorat" durch andere Werke
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet den Kontext der Erzählung "Das Majorat" im Werk E. T. A. Hoffmanns und stellt die zentrale These auf, dass das Werk vom Autor gewollt oder ungewollt von erzähllogischen Problemen durchzogen ist.
Kapitel 2 befasst sich mit den Figuren Theodor und seinem Onkel V. Es wird auf die biographischen Elemente eingegangen, die Hoffmann in den Figuren verarbeitet hat, und die Frage der Perspektive in der Erzählung wird diskutiert.
Kapitel 3 analysiert den "Alptraum von R..sitten" und die Familie von R. Der Prolog wird als Ausgangspunkt für die weitere Analyse der Geschichte betrachtet.
Kapitel 4 befasst sich mit dem Gespenstischen in der Erzählung. Es wird diskutiert, ob die Erscheinungen als Geister oder als Wahn zu interpretieren sind und welche Funktion die Reminiszenzen an andere Werke Hoffmanns haben.
Kapitel 5 analysiert die Interpretationsräume und Leerstellen im Text. Es werden Beobachtungen zur Sprache und deren Funktion in der Geschichte gemacht, sowie die Bedeutung des Tempusgebrauchs und der Macht der Sterne betrachtet.
Kapitel 6 befasst sich mit dem Majorat als einer Nachtstück-Form und deren spezifischen Eigenschaften.
Kapitel 7 widmet sich den literaturgeschichtlichen Bezügen des "Majorat" und den inspirierenden Werken, wie "Die Majoratsherren" und "The Fall of the House of Usher".
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen des Werks E. T. A. Hoffmanns, wie zum Beispiel der dualen Ebene von Realität und Mythischem, dem Gespensterhaften und der Unheimlichkeit. Weitere Schwerpunkte sind die Frage der Perspektive, die Analyse der Sprache und der Zeitstruktur, sowie die literaturgeschichtlichen Bezüge zu anderen Werken.
- Arbeit zitieren
- Stefan Krause (Autor:in), 2009, Theodors Gespenster, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142243