Kritische Gedanken zu Anthony Downs Prämissen vom eigennutzorientierten und rational handelnden Wähler


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

21 Seiten, Note: 2+


Leseprobe


Inhalt

1. Einführung
A) Das methodologische und theoretische Grundgerüst
B) Allgemeine Erläuterungen

2. Die Vorausssetzungen: Eigennutzorientierte rationale Wähler

3. Kritik an Downs
A) Grundlegende Kritik und trotzdem ein Lob
B) Kritik der Psychologie
C) Der Basiskonsens in der Demokratie
D) Altruismus: Das Defizit bei Downs
E) Das Paradox der Wahlbeteiligung

4. Zusammenfassung

Literatur

1. Einführung

A) Das methodologische und theoretische Grundgerüst

In seiner, im Jahre 1957 veröffentlichen, „Economic Theory of Democracy“ überträgt Anthony Downs Vorstellungen aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften auf den Parteienwettbewerb und die Beziehungen zwischen Regierungen, Parteien und Wählern. Das Markenzeichen von Downs´ Theorie ist die Vorstellung vom Kosten und Nutzen abwägenden egoistisch-rationalen Akteur auf die Welt der Politik.

Der downssche Ansatz gehört zur Familie der sogenannten Rational-Choice-Theorie (dt. Theorie der rationalen Handlungsweise). Die Rational-Choice-Theorie (kurz RCT genannt) erklärt gesellschaftliche Strukturen/Phänomene (z. B. das Wahlverhalten der Bürger) durch die Eigenschaften, Motivationen und die Handlungen von Individuen. Die Anwendungsgebiete reichen von den Wirtschaftswissenschaften über die Psychologie bis hin zur Soziologie und der Politikwissenschaft[1].

In der Forschung ist die RCT als methodologischer Individualismus bekannt. Im Gegensatz zu dieser theoretischen Ansatzweise steht bspw. die marxistische Politische Ökonomie. Diese führt Aussagen über soziale Strukturen/Phänomene nicht auf individuelles Verhalten, sondern auf Eigenschaften dieser Strukturen/Phänomene und der gesellschaftlichen Organisation zurück. Der Fachbegriff für diese Ansatzweise lautet methodologischer Holismus[2].

Downs wurde sehr stark von Wirtschaftswissenschaftlern wie Adam Smith und Joseph Schumpeter inspiriert. Die Kernaussage der ökonomischen Theorie von Adam Smith lautet, daß im freien Wettbewerb sich durch das eigennützige Handeln der Menschen als Ordnungsprinzip der wirtschaftlichen Entwicklung das Gleichgewicht zwischen Erzeugung, Verbrauch, Lohn und Preis und damit ein Zustand der natürlichen Harmonie des wirtschaftlichen und sozialen Lebens einstelle. Downs bezieht sich bei der Formulierung der Eigeninteresseprämisse explizit auf Smith[3]. Diese Eigeninteresseprämisse ist in der „Economic Theory of Democracy“ von zentraler Wichtigkeit. Mehr dazu später.

Von Joseph Schumpeter übernahm Downs die Vorstellung, daß man sich das Vorgehen in der Politik in Analogie zu einem Markt vorzustellen habe. Der Politiker wird als Unternehmer betrachtet, dem es darum geht, seine einmal erworbene Führungsposition zu verteidigen, d. h. für seine Wiederwahl zu sorgen. Dem Politiker geht es nicht darum für das Gemeinwohl zu sorgen, vielmehr verfolgt er eigennützige Ziele[4]. Downs glaubt, genau wie Schumpeter, daß es dem Politiker nicht darum gehe für das „Gemeinwohl“ zu sorgen. Das „Gemeinwohl“ entstehe quasi als Nebenprodukt der Handlungen von egoistisch und rational handelnden Akteuren, die bestrebt sind bestimmte Ziele zu erreichen. Die Wähler sind ebenfalls bestrebt eigennützige Ziele zu erreichen. Vereinfacht gesagt: Dem Politiker geht es nur um die Wahl- bzw. Wiederwahl in ein Amt und dem Wähler um den persönlichen Nutzen, den er aus der Regierungsaktivität einer bestimmten Partei ziehen kann[5].

Genau wie Joseph Schumpeter geht auch Downs von der Annahme aus, daß der demokratische Prozeß im wesentlichen aus den beiden folgenden Komponenten besteht: Zum einen aus den demokratischen Parteien, die im Wettbewerb um die Maximierung von Wählerstimmen stehen und zum anderen aus dem Wähler, der nach rationalen Gesichtspunkten beurteilt, ob er wählen geht und welcher Partei er seine Stimme gibt[6].

B) Allgemeine Erläuterungen

Die Akteure in Downs´ Theorie sind Parteien, Regierungen und Wähler. Der Einfachheit halber beschränkt er sein Modell auf das Vorhandensein eines demokratischen Zweiparteien-

systems, wie es z. B. in den USA vorhanden ist. Downs definiert die demokratische Regierungsform wie folgt:

1. Eine einzelne Partei, im Falle eines Mehrparteiensystems auch eine Koalition von Parteien, wird in allgemeinen Wahlen gewählt um den Regierungsapparat zu leiten.
2. Diese Wahlen werden innerhalb periodischer Zeitabstände abgehalten, deren Dauer nicht allein von der an der Macht befindlichen Partei verändert werden kann.
3. Alle permanent ansässigen Erwachsenen der Gesellschaft, sofern sie geistig gesund sind und die Gesetze des Landes achten, dürfen in jeder dieser Wahlen ihre Stimme abgeben (im Hinblick auf Frauen und dauerhaft ansässige ausländische Staatsbürger kann es Ausnahmen geben).
4. Jeder Wahlberechtigte darf pro Wahl eine - und nur eine - Stimme abgeben.
5. Jede Partei oder Parteienkoalition, welche die Unterstützung der Mehrheit der Wählenden erhält, ist berechtigt bis zur nächsten Wahl die Regierungsmacht auszuüben.
6. Die Verlierer einer Wahl versuchen niemals, durch Gewalt oder illegale Mittel, den oder die Wahlsieger an der Amtsübernahme zu hindern.
7. Die an der Macht befindliche Partei oder Parteienkoalition versucht niemals die politischen Aktivitäten von Bürgern oder anderen Parteien einzuschränken, solange diese nicht versuchen, die Regierung mit Gewalt zu stürzen.
8. Es sind zwei oder mehr Parteien vorhanden, die in jeder Wahl um die Kontrolle des Regierungsapparates konkurrieren[7].

Downs überträgt in seiner Theorie der Demokratie die Vorstellungswelt der Wirtschaftswissenschaften, insbesondere das Konzept des rational handelnden und eigennutzmaximierenden Konsumenten und Produktanbieters auf den Parteienwettbewerb und die Beziehungen zwischen Regierungen, Parteien und Wählern. Politik wird folglich als ein politischer Markt betrachtet, auf dem eigennutzmaximierende Unternehmer (Parteien) und Käufer (Wähler) miteinander in Verbindung treten.

Mit dieser Modellvorstellung bemüht sich Downs grundlegende Strukturen und Vorgänge der Politik auszuleuchten (z. B. das Wahlverhalten, die Formulierung politischer Programme seitens der Parteien etc.).

Auf den folgenden Seiten dieses Aufsatzes werde ich mich der Frage zuwenden, ob Individuen, genauer gesagt die Wähler, sich immer in der von Downs´ dargestellten Art und Weise verhalten. Downs nimmt an, daß der Wähler seine Wahlentscheidung ausschließlich auf der Basis eigennutzorientierten rationalen Abwägens unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Kosten-Nutzen-Bilanz trifft[8]. Der Wähler wird immer diejenige Alternative auswählen, die ihm den größten erwarteten Nutzen erbringt.

Nach der Durchsicht der einschlägigen Literatur kamen mir Zweifel ob Individuen Entscheidungen ausschließlich auf der Basis eigennutzorientierten und -maximierenden rationalen Abwägens treffen, oder nicht doch vielleicht andere Faktoren eine Rolle spielen. Die Fragen, denen ich nachgehen will, lauten: Verhalten sich Wähler tatsächlich in der ausschließlich am Eigeninteresse ausgerichteten Art und Weise, wie sie Anthony Downs in seiner „Economic Theory of Democracy“ beschreibt? Wählen Individuen tatsächlich immer diejenige Alternative aus, die den größten erwarteten Nutzen zu erbringen scheint?

2. Die Voraussetzungen: Eigennutzorientierte rationale Wähler

Downs formulierte als Basis seiner Theorie zwei Grundannahmen: 1) Die Menschen handeln rational und 2) sind stets am Eigeninteresse orientiert und versuchen erzielbaren Nutzen zu maximieren.

Die Rationalitätsprämisse lautet im Detail wie folgt:

1. Ein Mensch kann immer eine Entscheidung fällen, wenn er oder sie sich mit mehreren Alternativen konfrontiert sieht;
2. alle sich darstellenden Alternativen werden miteinander verglichen und als zu bevorzugen, als mittelmäßig oder als abzulehnen bewertet (sprich: Ein rational handelnder Mensch ordnet alle Alternativen in eine Rangfolge ein);
3. die so erstellte Bewertungsreihenfolge ist ineinander übergehend;
4. von den möglichen Alternativen wählt ein rationaler Mensch immer diejenige aus, die an oberster Stelle der Bewertungsreihenfolge plaziert ist, d. h. er oder sie wählt diejenige aus, die den meisten erwarteten Nutzen aufweist; und
5. der rationale Mensch fällt immer dieselbe Entscheidung, wenn er oder sie sich mit denselben Alternativen konfrontiert sieht[9].

Das gesamte Konzept des rational handelnden Menschen bezieht sich also auf Handlungsweisen und nicht auf Ziele. Downs fragt nicht, ob ein bestimmtes Ziel letzten Endes rational ist. Ihm geht es nur darum die Handlungsweise von Individuen zu erklären. Beispielsweise könnte es sein, daß ein Mann ein Auto erwerben möchte obwohl er nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt. Gehen wir einmal davon aus, daß dieser Mann sich das Auto trotzdem kaufen möchte. Es ließe sich jetzt endlos darüber streiten ob es rational ist, daß der Mann weiterhin auf dem Autokauf beharrt. Downs würde nur danach fragen, wie es dem Mann gelingen kann das Auto zu erwerben ohne über ausreichende finanzielle Mittel zu verfügen. Die Alternativen, die sich dem Mann stellen, könnten wie folgt aussehen: 1) Einen Kredit zur Finanzierung des Autos aufnehmen, 2) ein Auto stehlen und 3) vollständig auf den Autokauf zu verzichten. Da der Mann weder auf ein Auto verzichten noch straffällig werden möchte, bevorzugt er die Kreditaufnahme. Das, zugegebenermaßen sehr einfache und vielleicht seichte, Beispiel illustriert auf anschauliche Weise, wie ich glaube, die downssche Rationalitätsprämisse.

[...]


[1] Vgl. Hill, Paul B.: Rational-Choice-Theorie, Bielefeld 2002.

[2] Vgl. Braun 1999: S. 18. Außerdem Schmidt: 1997, S. 147.

[3] Vgl. Downs 1957: S. 28. Er zitiert aus dem Werk von Adam Smith: The Wealth of Nations, New York 1937. Auf S. 14 dieser Ausgabe findet sich die Annahme von der eigennutzorientierten Handlungsweise der Menschen.

[4] Vgl. Schumpeter, Joseph A.: Capitalism, Socialism and Democracy, New York 1950, S. 282. Zitiert bei Downs 1957: S. 29.

[5] Vgl. Schmidt 1997: S. 131ff.

[6] Vgl. Downs 1957: S. 29.

[7] Vgl. Downs 1957: S. 23f.

[8] Ders.: S. 27ff und S. 36ff.

[9] Ders.: S. 6.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Kritische Gedanken zu Anthony Downs Prämissen vom eigennutzorientierten und rational handelnden Wähler
Hochschule
Technische Universität Darmstadt  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Determinanten der Parteienentwicklung und des Wahlverhaltens in den USA
Note
2+
Autor
Jahr
2002
Seiten
21
Katalognummer
V14243
ISBN (eBook)
9783638197045
Dateigröße
530 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kritische, Gedanken, Anthony, Downs, Prämissen, Wähler, Determinanten, Parteienentwicklung, Wahlverhaltens
Arbeit zitieren
Ralf Bunte (Autor:in), 2002, Kritische Gedanken zu Anthony Downs Prämissen vom eigennutzorientierten und rational handelnden Wähler, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14243

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