Die unterschiedlichen theoretischen Konzepte zur Analyse der frühneuzeitlichen Epoche


Trabajo de Seminario, 2006

12 Páginas, Calificación: 2.3


Extracto


1) Einleitung

Herrschaft in der Frühen Neuzeit lässt sich nicht auf ein einziges Zentrum festlegen, vielmehr ist sie gekennzeichnet von Partikularität der diversen Machtfaktoren, von Wandel von personaler hin zu institutioneller Herrschaft, welche sich auf verschiedenen Ebenen und für die einzelnen Beziehungsgeflechte unterschiedlich vollzog, von nebeneinander existierenden Herrschaftsräumen wie Stadt und Land, kurz: von außerordentlicher Dynamik und Vielschichtigkeit.

Dieses komplexe Netz der frühneuzeitlichen Herrschaftsverhältnisse kann man auf verschiedene Art und Weise erklären, wie sich am Beispiel des etatistischen Modells auf der einen Seite und des gemeindlichen auf der anderen Seite erkennen lässt.

Im Zentrum des etatistischen Modells stehen hierbei die Grundelemente der frühmodernen Staatlichkeit – Land, Steuern, Policey-Ordnung und Militär. Das Entstehen eines Steuerstaates, in dem die Untertanen direkt die Steuerlast tragen, die Auflösung der deutschen Territorialstaaten hin zu einem Flächenstaat und die damit verbundene Machtakkumulation in der Hand des Staates[1] machten eben diesen zu einem neuen Ordnungsfaktor der frühneuzeitlichen Gesellschaft. Die staatliche Regulierung drang immer mehr in den Bereich der ständischen Selbstregulierung vor und löste diese in vielen Fällen ab. Der Staat und seine Macht werden hier verstanden als die eine aktive Größe, der sich alles unterordnet.

Das gemeindliche Erklärungsmodell hingegen rückt den gesteigerten Konfliktlösungsbedarf in den Mittelpunkt, der sich etwa seit dem 16. Jahrhundert aus der wachsenden Komplexität der gesellschaftlichen Entwicklung ergab und unter dessen Druck die Erhaltung der „guten Ordnung“ zum zentralen Punkt der staatlichen Verwaltung wurde. Der Ausbau von obrigkeitlicher Normgebung hat hier seinen Ursprung nicht in einem bewussten Plan des Landesfürstentums zum Zweck des gezielten Machtausbaus. Hier wird Obrigkeit als passiver Ordnungsfaktor interpretiert, dem im Laufe der Zeit aufgrund wachsender Interessenskonflikte sowohl innerhalb der Gessellschaft, als auch zwischen Gesellschaft und Territorialherrschaft immer mehr die Aufgabe zukam, vermittelnd und regulierend einzugreifen.[2] Die Gemeinde ist hier nicht „Untertan“, sondern wird integriert in den Staat als

lokale administrative Instanz.

Anhand von drei verschiedenen Herrschaftsräumen - der Bereich der Kriminalität, die bäuerliche Gemeinde und die frühneuzeitliche Stadt - soll hier nun untersucht werden, inwieweit sich diese beiden theoretischen Konzepte ausschließen oder ergänzen, und ob eines dieser beiden Erklärungskonzepte besser geeignet ist, Herrschaft in der Frühen Neuzeit zu erklären, oder ob man sogar beide braucht, um diese Thematik erschöpfend abzudecken.

Dabei kommt es nicht so sehr darauf an, wie sich Herrschaft in diesen unterschiedlichen Soziotopen konkret inhaltlich gestaltete, sondern auf die Strukturen, die diesen Normkonzepten zugrunde liegen. Auch die Veränderungen, die diese Strukturen im Laufe der Zeit erfuhren, können Aufschluss geben darüber, welches theoretische Modell die bessere Erklärung für die Herrschaftsverhältnisse in der Frühen Neuzeit liefert. Hier gilt es also in erster Linie darauf zu achten, wo und wie staatliche Gewalten in die gesellschaftlichen Systeme eindringen konnten und wie sich die Entstehung der frühneuzeitlichen Staatlichkeit im einzelnen genau vollzogen hat. Denn dass hier ein Staat entstanden ist, steht außer Frage – zu klären ist, auf welche Art und Weise er entstanden ist.

2) Verschiedene Herrschaftsräume

2.1) Lokale, territoriale und staatliche Herrschaft

Pavel Himl spricht von der „Obrigkeit als „Vater“ der (Krumauer) Untertanen“ und stellt sie der Macht gegenüber.[3] Er konstituiert hier ein Spannungsfeld zwischen den verschiedenen Herrschaftsebenen Gemeinde und Obrigkeit. Unter der oben genannten Fragestellung ist hier nun zu untersuchen, inwieweit man innerhalb dieses Spannungsfeldes tatsächlich einen „Sieg des frühmodernen Staates“[4] erkennen kann, oder ob das gemeindliche Konzept die Stellung der Untertanen innerhalb einer Gutsherrschaft besser erklären kann.

Dana Stefanova beispielsweise stellt im Gemeindealltag drei Ebenen der Gewalt fest: der einzelne Dorfbewohner, die Gemeindeverwaltung und die Herrschaft.[5] Letztere aber greife nur ein, wenn die lokalen Ordnungsinstanzen nicht mehr ausreichen, um Konflike zu lösen,

oder wenn diese lokalen Gewalten selbst Konfliktherde werden. Dies deutet darauf hin, dass es sich bei der Gemeinde in der Frühen Neuzeit keineswegs um eine völlig machtlose Einheit gehandelt haben kann. Vielmehr lässt sich deutlich erkennen, dass die Obrigkeit die Dorfgemeinde als Institution berücksichtigen muss.

Ein willkürliches Handeln der Herrschaft lässt sich nicht feststellen, und man kann gewiss nicht von einer „zweiten Leibeigenschaft“ mit dem Staat als obersten Leibherrn sprechen. Die ohnmächtige Gemeinde gab es nicht.

Dennoch muss man die vielen Momente des staatlichen Eingreifens in das Leben der Untertanen beachten. Die Obrigkeit beanspruchte die Witwen- und Waisenfürsorge für sich, auch als Möglichkeit, über deren Besitz eine Machtsteigerung zu erreichen. Über die obrigkeitliche Steuerung der Ausbildung der Untertanenkinder konnte Einfluss genommen werden auf bestimmte, auch verwaltende, Ämter, allerdings kann man hier wohl kaum von „Unterdrückung“ und „Entmachtung“ sprechen, sondern eher von einer Integration in die Verwaltung. Ebenso versuchte man, die soziale und räumliche Mobilität zu kontrollieren mittels Schollenbindung und der Notwendigkeit der herrschaftlichen Zustimmung zu einer Heirat. Auch in den Bereich der Frondienste drang der Staat ein, indem er den Umfang des Dienstes regulierte. Die Möglichkeit, statt des Frondienstes alternativ Geldzahlungen zu leisten, trug einiges dazu bei, dass die Organisationsform „Gemeinde“ immer weiter marginalisiert wurde, da auf diese Weise die Lohnarbeiter aus der Dorfgemeinschaft herausgelöst werden konnten und der Staat einen wesentlich direkteren Zugriff auf seine Untertanen bekam. Des Weiteren verbesserte der Einsatz von bezahlten Kräften die Qualität der geleisteten Arbeit um einiges, was weitere soziale und wirtschaftliche Veränderungen nach sich zog.

[...]


[1] Winfried Schulze: Deutsche Geschichte im 16. Jahrhundert, Frankfurt/M. 1987, Abschnitt III.: Reaktionen und Anpassungen, S. 204 - 231

[2] André Holenstein: Vermeintliche Freiheiten und Gerechtigkeiten. Struktur- und Kompetenzkonflikte zwischen lokalem Recht und obrigkeitlicher „Policey“ im bernischen Territorium des 16./17. Jahrhunderts, in: Schmidt/Holenstein/Würgler (Hg.), Gemeinde, Reformation und Wiederstand. FS für Peter Blickle zum 60. Geburtstag, Tübingen 1998, S. 69 – 84

[3] Pavel Himl: Die „armben Leute“ und die Macht. Die Untertanen der südböhmischen Herrschaft Cesky Krumlov/Krumau im Spannungsfeld zwischen Gemeinde, Obrigkeit und Kirche (1680-1781), Stuttgart 2003

[4] Winfried Schulze: Deutsche Geschichte im 16. Jahrhundert, Frankfurt/M. 1987, Abschnitt III.: Reaktionen und Anpassungen, S. 205

[5] Dana Stefanova: Die Herrschaft Frydland 1558-1750, in: Soziale Strukturen in Böhmen. Ein regionaler Vergleich von Wirtschaft und Gesellschaft in Gutsherrschaften, 16. - 19. Jahrhundert. Hrsg.: Markus Cerman, Hermann Zeitlhofer, München 2002

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Detalles

Título
Die unterschiedlichen theoretischen Konzepte zur Analyse der frühneuzeitlichen Epoche
Universidad
Free University of Berlin
Curso
Herrschaft in der Frühen Neuzeit
Calificación
2.3
Autor
Año
2006
Páginas
12
No. de catálogo
V142612
ISBN (Ebook)
9783640541140
ISBN (Libro)
9783640541669
Tamaño de fichero
455 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Konzepte, Analyse, Epoche
Citar trabajo
Christine Numrich (Autor), 2006, Die unterschiedlichen theoretischen Konzepte zur Analyse der frühneuzeitlichen Epoche, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142612

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