Das Jahr 1871, die Gründung des Deutschen Reiches infolge des deutsch-französischen Krieges, stellt ein einschneidendes Ereignis innerhalb der deutschen Geschichte dar. Nach Jahrhunderten, in denen souveräne einzelstaatliche Herrschaften nebeneinander bestanden hatten, wurde der ‘Flickenteppich’ deutscher Einzelstaaten schließlich zu einem Nationalstaat zusammengeschlossen. Gerade in diesem Prozess besteht die Besonderheit des neu entstandenen Staatsgebildes: im Gegensatz etwa zu anderen europäischen Nationen setzte sich das Deutsche Reich aus vormals souveränen Einzelstaaten zusammen, die zwar ihre Souveränität infolge der Reichsgründung aufgeben mussten, jedoch ihre Organisationsstruktur beibehielten und sich ihr historisches und kulturelles Erbe bewahrten.
Vor diesem Hintergrund mag es nicht überraschen, dass die Beschneidung einzelstaatlicher Souveränitäten infolge der Staatsgründung nicht unmittelbar in einem Gefühl allumfassender Begeisterung über eine neue nationale Zugehörigkeit mündete. Stattdessen verstärkte sich vielerorts – in unterschiedlicher Intensität abhängig von der konfessionellen, politischen oder sozialen Zugehörigkeit – das partikularstaatliche Bewusstsein, welches nicht selten durch die Anbindung an die jeweilige Dynastie definiert war. An diesen Aspekt will der Gegenstand dieser Arbeit anknüpfen. Es soll dargestellt werden, wie die süddeutschen Staaten Baden, Württemberg und Bayern auf die Reichsgründung reagierten, ob sie als Bundesstaaten im Deutschen Reich aufgingen oder sich ihre partikularstaatlichen Identitäten bewahrten, und welchen Anteil die jeweiligen Herrscherhäuser an dieser Entwicklung hatten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung.
- Das Verhältnis von Nationalbewusstsein und territorial-staatlicher Identität.
- Das Eigenbewusstsein der süddeutschen Staaten Baden, Württemberg und Bayern im Deutschen Reich.
- Die Entstehung der Territorialstaaten Baden, Württemberg und Bayern als Grundlage für die Herausbildung ihres einzelstaatlichen Bewusstseins.
- Der Zähringerkult im Großherzogtum Baden.
- Das Staufergedächtnis im Königreich Württemberg.
- Der Wittelsbacherkult im Königreich Bayern.
- Schlussbetrachtung.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht das Eigenbewusstsein der süddeutschen Staaten Baden, Württemberg und Bayern im Deutschen Reich nach 1871. Sie analysiert die Reaktion dieser Staaten auf die Reichsgründung und beleuchtet, inwiefern sich ihre partikularstaatlichen Identitäten bewahrten oder ob sie in den Bundesstaat "Deutsches Reich" aufgingen.
- Das Verhältnis von Nationalbewusstsein und territorialstaatlicher Identität vor und nach der Reichsgründung.
- Die Rolle der Herrscherhäuser in der Entwicklung des Eigenbewusstseins der süddeutschen Staaten.
- Die Bedeutung des Zähringerkultes, des Staufergedächtnisses und des Wittelsbacherkultes für die Herausbildung der einzelstaatlichen Identität.
- Die Integrationsbemühungen und -strategien der süddeutschen Staaten in der Zeit der Reichsgründung.
- Die Entstehung und Entwicklung der Territorialstaaten Baden, Württemberg und Bayern als Grundlage für ihre einzelstaatlichen Identitäten.
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Das Kapitel stellt die historische Situation und die Problematik der Reichsgründung 1871 für die süddeutschen Staaten vor. Es wird auf die Besonderheit des Deutschen Reiches als Nation aus vormals souveränen Einzelstaaten eingegangen und die Frage nach dem Fortbestand einzelstaatlicher Identitäten aufgeworfen.
- Das Verhältnis von Nationalbewusstsein und territorial-staatlicher Identität: Dieses Kapitel beleuchtet das komplexe Verhältnis zwischen nationalem und einzelstaatlichem Bewusstsein vor und nach 1871. Es wird deutlich, dass die Reichsgründung nicht automatisch zu einem einheitlichen nationalen Bewusstsein führte, sondern unterschiedliche Einstellungen und Positionen gegenüber dem Nationalstaat existierten.
- Das Eigenbewusstsein der süddeutschen Staaten Baden, Württemberg und Bayern im Deutschen Reich: Dieses Kapitel befasst sich mit der Entstehung der süddeutschen Territorialstaaten und den daraus resultierenden Integrationsbemühungen und -strategien. Der Zähringerkult, das Staufergedächtnis und der Wittelsbacherkult werden als zentrale Elemente für die Herausbildung der einzelstaatlichen Identität analysiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Nationalbewusstsein, territorialstaatliche Identität, Reichsgründung, süddeutsche Staaten, Baden, Württemberg, Bayern, Zähringerkult, Staufergedächtnis, Wittelsbacherkult, Herrscherhäuser, Integrationsbemühungen, einzelstaatliches Bewusstsein.
- Citar trabajo
- Michaela Nadine Leonhardt (Autor), 2008, Das Eigenbewusstsein der süddeutschen Staaten im Deutschen Reich, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142773