Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung mit Problemstellung
2. Grundlagen der Untersuchung
2.1 Berufsausbildung im System der Betrieblichen Bildungsarbeit
2.2 Lern- und kompetenzförderliche Ausbildungsgestaltung
2.3 Änderung der Ausbildungsbedingungen durch die Wahlmodule
3. Effekte der Wahlmodule
3.1 Chancen einer lern- und kompetenzförderlichen Ausbildungsgestaltung
3.2 Auswirkungen auf die Rolle des Ausbilders
3.3 Änderungen in der Empirie
4. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
Gesetzes-/Verordnungsverzeichnis
Linkverzeichnis
Anhang
Anhang A – Fragebogen
Anhang B – Auswertung des Fragebogens
Anhang C – Merkblatt für das FFG bei KVF
Erklärung
Abbildungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung mit Problemstellung
Am 1. August 2006 trat die neue Ausbildungsordnung für Kaufleute für Versicherungen und Finanzen in Kraft. Hierdurch wurden Erkenntnisse aus der Bestandsaufnahme der bisherigen Ausbildung sowie der Früherkennung des künftigen Qualifikationsbedarfs, die durch die Zukunftswerkstatt Versicherungen des BWV, einer KWB-Studie als auch einer BIBB-Evaluation erhoben wurden, umgesetzt. (vgl. http://www.azubi-welt.de/fileadmin/user_upload/downloads/271,2,Anlass der Neuordnung)
Noch als sich die neue AO im Beschlussverfahren befand, wurden schon negative Szenarien für die Berufsausbildung in der Versicherungswirtschaft ausgemalt. Viele sprachen als Folge der neuen AO davon, dass einige Ausbildende der Versicherungswirtschaft dadurch nicht mehr ausbildungsfähig blieben. Andere behaupteten, es handele sich lediglich um ‚alten Wein in neuen Schläuchen’. Derartige und andere Prophezeiungen trugen unter den Ausbildern zu einer gewissen Verunsicherung bei. Chancen, die diese neue AO hinsichtlich lern- und kompetenzförderlicher Ausbildungsgestaltung bietet, wurde von Seiten der Verantwortlich kommuniziert, was aber insgesamt auf taube Ohren zu stoßen schien.
Ob nun diese Chancen, knapp drei Jahre nach Inkrafttreten der neuen AO, dennoch ergriffen wurden bzw. welchen Einfluss sie de facto auf eine lern- und kompetenzförderliche Ausbildungsgestaltung haben, gilt es in dieser Arbeit zu untersuchen. Dabei soll aus Rücksicht auf den Umfang dieser Arbeit der Fokus auf die Ausbildungsmethoden bzw. Lernformen gerichtet werden.
Dafür wird zunächst der Begriff der Ausbildung näher beleuchtet sowie Möglichkeiten zur lern- und kompetenzförderlichen Ausbildungsgestaltung vorgestellt und anschließend ein Abgleich zwischen alten und neuen Rahmenbedingungen auf Basis der Ausbildungsordnungen Kaufmann/-frau für Versicherungen und Finanzen (neu) und Versicherungskaufmann/-frau (alt) aufgezeigt. Danach widmet sich diese Arbeit den Effekten, die die Wahlmodule auf die Ausbildungsgestaltung und die Rolle des Ausbilders haben. Insbesondere für diesen Teil wurde eine kleine, selbst entwickelte empirische Befragung durchgeführt. Letztlich bietet die Schlussbetrachtung eine Zusammenfassung im Hinblick auf das Ziel der zugrunde liegenden Arbeit.
2. Grundlagen der Untersuchung
2.1 Berufsausbildung im System der Betrieblichen Bildungsarbeit
Die Aufgabenvielfalt der Betrieblichen Bildungsarbeit kann in verschiedene Teilbereiche aufgegliedert werden. Eine ihrer Dimensionen ist die Berufsausbildung. Sie „…umfasst alle zielgerichteten, systematisch und methodisch geplanten, realisierten und evaluierten Maßnahmen der Ausbildung im Beruf.“ (Becker 2005, 163) Wie sich diese im Gesamtsystem der Betrieblichen Bildungsarbeit einordnet und welche Zusammenhänge dort bestehen, zeigt folgende Abbildung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Berufsausbildung im System der Betrieblichen Bildungsarbeit (angelehnt an Dehnbostel 2008, 5)
Das Individuum soll durch die betriebliche Bildungsarbeit umfassende Handlungskompetenz und reflexive Handlungsfähigkeit erwerben und so an Souveränität gewinnen. (vgl. Zimmer 2009, 22-23) Hintergrund dessen ist ein Abrücken von einer lebenslangen Berufsausübung hin zum Erwerb des Vermögens, sich an nicht genau prognostizierbare Entwicklungen der Arbeitswelt anpassen zu können. (vgl. Buckert/Kluge 2006, 14; vgl. Dehnbostel 2009, 199) Dieses Ziel trifft ebenso auf die Berufsausbildung zu (vgl. Dehnbostel/Lindemann 2007, 181), da sie hier als ein Teilbereich der Berufsbildung verstanden wird, die wiederum Bestandteil der Betrieblichen Bildungsarbeit ist. Anders als nach Becker (vgl. Becker 2005, 163) wird die Berufsbildung in dieser Arbeit als ein neben der PE gleichberechtigter Teilbereich aufgefasst. Die Vermittlung beruflicher Handlungsfähigkeit sowie der Erwerb von Berufserfahrung wird auch gem. § 1 Abs. 3 BBiG als Ziel der Berufsbildung und gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 BBiG sogar als Pflicht des Ausbildenden beschrieben. Fraglich ist also, wie eine umfassende Handlungskompetenz und reflexive Handlungsfähigkeit erreicht bzw. gefördert werden kann. (vgl. Mertens 2008, 102) Damit beschäftigt sich das nächste Kapitel.
2.2 Lern- und kompetenzförderliche Ausbildungsgestaltung
Bevor Möglichkeiten zur lern- und kompetenzförderlichen Ausbildungsgestaltung näher betrachtet werden, erscheint es sinnvoll, zunächst einige Begrifflichkeiten zu bestimmen, da diese in der Literatur unterschiedlich verwendet werden und kein allgemeiner Konsens dazu besteht, welche Begriffserklärungen zugrunde zu legen sind. (vgl. Dehnbostel/Lindemann 2007, 180) Nachfolgend werden aus Rücksicht auf den Umfang dieser Arbeit geeignet erscheinende Begriffsdefinitionen getroffen, ohne einen erschöpfenden Diskrus hierzu darzubieten.
Lernen:
ist „…eine relativ überdauernde Veränderung von Fähigkeiten und Fertigkeiten durch (Konfrontation mit) Erfahrung…“ (Becker 2005, 83; vgl. auch Mertens 2008, 102)
Kompetenzen:
Hierunter „…sind Fähigkeiten, Methoden, Wissen, Einstellungen und Werte zu verstehen, deren Erwerb, Entwicklung und Verwendung sich auf die gesamte Lebenszeit eines Menschen bezieht. Sie sind an das Subjekt und seine Befähigung zu eigenverantwortlichem Handeln gebunden.“ (Gillen/Dehnbostel 2007, 460)
Berufliche Handlungskompetenz:
stellt sich dar „…als Einheit aus den drei Hauptkompetenzen Fach-, Personal- und Sozialkompetenz, die als Voraussetzung für Methoden- und Lernkompetenz verstanden werden.“ (Thillosen 2005, 15; anders z. B.: s. Erpenbeck/Rosenstiel 2007, XXIV)
Reflexivität:
„…meint … die bewusste, kritische und verantwortliche Einschätzung und Bewertung von Handlungen auf der Basis von Erfahrungen und Wissen.“ (Gillen/Dehnbostel 2007, 461)
Reflexive Handlungsfähigkeit:
„…zeigt das Vermögen an, durch Reflexion vorgegebene Situationen, Anforderungen und Probleme aus einer gewissen Distanz zum unmittelbaren Arbeitsgeschehen zu erfassen, zu deuten und in handlungsorientierter Absicht zu bewerten.“ (Dehnbostel/Lindemann 2007, 182)
Das Erreichen der im Kapitel 2.1 beschreibenen Ziele der umfassenden Handlungskompetenz und der reflexiven Handlungsfähigkeit bedingt eine darauf gerichtete Anwendung von Lerntheorien. Im Wesentlichen kann man die instruktivistische und die konstruktivistische Lerntheorie unterscheiden (vgl. Käppeli 2001, 136), die sich vor allem im Aktivitätsgrad des Lernenden differenzieren. Während der Lernende im Instruktivismus eher als passives Objekt angesehen wird, so fasst ihn der Konstruktivismus als aktiv lernenden Menschen auf. (vgl. Mertens 2008, 103) Dies scheint auf den ersten Blick dafür zu sprechen, eine lern- und kompetenzförderliche Ausbildungsgestaltung ausschließlich konstruktivistisch auszurichten. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass Wissen die Basis für Kompetenzen und damit für ihre Entwicklung bildet. (vgl. Bergmann 2000, 21) Empirisch belegt ist gerade dem Instruktivismus, dass er für die Vermittlung von Faktenwissen gut geeignet ist. Er kann insofern als sinnvolle Vorbereitung auf einen konstruktivistischen Ansatz verstanden werden, der dann besonders für kompetenzförderliche Lernprozesse angebracht ist. (vgl. Käppelin 2001, 136-151; vgl. Bergmann 2000, 23) Nur alleine mit dem Instruktivismus und den damit verbundenen konvetionellen Ausbildungsmethoden ist das Ziel der umfassenden Handlungskompetenz/reflexiven Handlungsfähigkeit nicht zu erreichen. (vgl. Buckert/Kluge 2006, 13)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Anordnung von Lerntheorien (eigene Darstellung)
Die vorstehende Abbildung deutet an, dass durch eine Wissensbasis, die mit Hilfe des Instruktivismus vermittelt werden kann, ein konstruktivistischer Ausbildungsansatz, mittels dessen die Bereitstellung von Erfahrungsmöglichkeiten erfolgt, die dann zum Ziel der umfassenden Handlungskompetenz/reflexiven Handlungsfähigkeit führen. Damit Auszubildende auf der konstruktivistischen Ebene Erfahrungen sammeln können (vgl. Thillosen 2005, 13), ist es notwendig, diesen gewisse Freiheiten im Lernprozess einzuräumen, sprich ihnen die Voraussetzungen für ein aufgabenorientiertes, ganzheitliches, selbst gesteuertes Lernen zu bieten. (vgl. Käppeli 2001, 117; vgl. Zimmer 2009, 33; vgl. Dehnbostel 1996, 62-63) Diese manifestieren sich in den Ausbildungsbedingungen und -infrastrukturen, der Lernbegleitung und den Ausbildungsmethoden/Lernformen. (vgl. Dehnbostel 2008, 6-7) Ausgangspunkt für eine Lern- und Kompetenzförderung muss das Individuum sein, da der Erfolg von selbst gesteuertem Lernen stark vom Entwicklungsstand des einzelnen Auszubildenden abhängig ist und im Zweifel statt förderlich sogar hinderlich wirken kann. (vgl. Kraft 2002, 204; vgl. Dehnbostel 2008, 7) Es ist also angeraten, durch einen individuellen Vergleich von gewünschten und vorhandenen Kompetenzen zunächst den Entwicklungsbedarf des Einzelnen zu bestimmen, um dann daraus konkrete Maßnahmen, insbesondere im Hinblick auf die Ausbildungsmethode/-form, abzuleiten. (vgl. Kadishi 2008, 188) Für eine konstruktivistisch gestaltete Ausbildung kommen hauptsächlich folgende Ausbildungsmethoden/-formen in Betracht (vgl. Stiewe 2002, 163; vgl. Schöder/Dehnbostel 2007, 291, 294; vgl. Thillosen 2005, 14; vgl. Becker 2005, 254-258):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Durch diese Ausbildungsmethoden/-formen, die ganz überwiegend in oder zumindest nahe der Arbeit stattfinden, können Rahmenbedingungen, wie z. B. die Möglichkeit zu Komplexitäts- und Problemerfahrung, einem angemessenen Handlungsspielraum, Individualisierung, Selbsterschließung, Interaktion usw., die zum Erwerb einer umfassenden Handlungsorientierung und einer reflexiven Handlungsfähigkeit notwendig sind, erfüllt werden. (vgl. Dehnbostel/Pätzold 2004, 21; vgl. Pawlik/Lederer 2007, 325-326; vgl. Dehnbostel 2008, 6-7; vgl. Mertens 2008, 121; vgl. Stiewe 2002, 160-163; vgl. Bergmann 2000, 25-26; vgl. Schröder/Dehnbostel 2007, 291) Für prozessorientierte Ausbildungsziele, wie es bei den Wahlmodulen in der neuen AO für KVF der Fall ist (siehe Kapitel 2.3), sollte besonders darauf geachtet werden, ob mit der jeweiligen Methode das Modell des vollständigen Handeln, das in der nachstehenden Abbildung dargestellt wird, abgedeckt werden kann, da hierbei durch eine vollständige prozess- und handlungsorientierte Didaktik die Aufgabenbearbeitung im betrieblichen Ablauf in dem Mittelpunkt der Ausbildung gestellt wird. (vgl. Thillosen 2005, 14)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Modell der vollständigen Handlung (vgl. BWV 2006, 86)
Dieses Modell zeigt an, dass sich ein Auszubildender zunächst alle für seine Aufgabe relevanten Informationen beschafft, um dann zu planen, d. h. verschiedene Handlungsalternativen zu eruieren, wie er diese Aufgabe bearbeiten kann. Auf dieser Basis entscheidet sich der Auszubildende für ein konkretes Vorgehen, so dass er anschließend die Aufgabe selbstständig bearbeitet. Nachfolgend kontrolliert er sein Arbeitsergebnis. In der letzten Phase findet dann die Reflexion des Erlebten im Hinblick auf die Kompetenzentwicklung des Auszubildenden statt. Hieraus kann dann (wie bereits oben gefordert) das nächste individuelle Entwicklungsziel abgeleitet werden. Dieser für den Erwerb einer umfassenden Handlungskompetenz und reflexiven Handlungsfähigkeit ideale Ausbildungsablauf mit einem hohen Maß an Selbststeuerung findet vor allem innerhalb der Arbeits- und Lernaufgaben statt. (vgl. BWV 2006, 86-87; vgl. Thillosen 2005, 18-33)
[...]