Massenphänomen Online-Sport-Events

Am Beispiel der Ski Challenge


Masterarbeit, 2009

170 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Ausgangssituation und Forschungsfrage
1.2 Herangehensweise und Methodenauswahl
1.3 Relevanz und Zukunftsperspektive
1.3.1 Veränderungen der Mediennutzung
1.3.2 Online Gaming
1.3.3 eSport

2. Faszination „Online-Sport-Events“
2.1 Definition und Abgrenzung zu Online Games
2.2 Vor- und Nachteile von Online-Sport-Events
2.3 Massenmediale Phänomene durch Online-Sport-Events
2.4 Beispiele
2.4.1 Mountainbike Challenge
2.4.2 Fussball Challenge

3. Medientheoretische Rahmenbedingungen
3.1 Digitale Netzwerke als Voraussetzung von Online-Sport-Events
3.2 Massenmedien
3.2.1 Definition
3.2.2 Wirkungen der Massenmedien
3.2.3 Kritik an der Medienmacht
3.2.4 Das Stimulus-Response-Modell
3.3 Medienkonvergenz
3.3.1 Definition
3.3.2 Mediamatik
3.3.3 Perspektiven der voranschreitenden Konvergenz
3.4 Crossmediale Kampagnen
3.4.1 Definition
3.4.2 Elemente einer crossmedialen Kampagne
3.4.3 Instrumente einer crossmedialen Kampagne
3.5 Der User
3.5.1 Die Identifikation des Einzelnen mit der Masse
3.5.2 Die Entscheidung des Users zum Online-Sport-Event
3.5.3 Virtuelle Event Communities
3.5.4 Wirkungen von Online Games auf den User
3.5.5 Suchtverhalten bei Online-Sport-Events
3.5.6 Der Uses and Gratifications Ansatz

4. Fallbeispiel „ORF-Ski Challenge“
4.1 Die Herangehensweise
4.2 Die Geschichte
4.3 Der Spielablauf
4.4 Das Konvergenzformat
4.5 Crossmediale Massenmedien-Kampagne
4.6 Die Ski Challenge als Online-Sport-Event

5. Empirischer Teil
5.1 Das Experteninterview
5.1.1 Expertensuche
5.1.2 Die Experten
5.1.3 Datenerhebung
5.1.4 Datenauswertung
5.1.5 Ergebnisse der Interviews
5.2 Der User-Online-Fragebogen
5.2.1 Das Setup
5.2.2 Deskriptive Ergebnisse
5.2.2.1 Demografische Daten der Ski Challenge User
5.2.2.2 Aspekte zur crossmedialen Kampagne
5.2.2.3 Fragen zum Event allgemein
5.2.2.4 Wichtigkeit und Formen der Interaktivität
5.2.2.5 Zusammenhang zwischen Sportbegeisterung und der Ski Challenge
5.2.2.6 Soziales und Motivation
5.2.2.7 Typisierung der User
5.2.2.8 Fragen zu Aspekten der Community
5.2.3 Zusammenfassung des User-Profils

6. Schlussfolgerung und Ausblick

7. Verzeichnisse
7.1 Literaturverzeichnis
7.2 Abbildungsverzeichnis

8. Anhang
8.1 Interview Leitfaden
8.2 Interview mit Stefan Baloh
8.3 Interview mit Dr. Eberhard Dürrschmid
8.4 Interview mit Mag. Sonja Gutmann
8.5 Interview mit Mag. (FH) Karim Saad
8.6 Interview mit Günther Tutschek
8.7 Interview mit Andreas Wochenalt

1. Einleitung

1.1 Ausgangssituation und Forschungsfrage

Eventmanagement erlebt seit Jahren eine aufstrebende Entwicklung und ist aus der gängigen Marketing Praxis nicht mehr weg zu denken. Einige Ausprägungen haben sich dabei im Laufe der Zeit etabliert. Corporate Events wie Außendienstkonferenzen, Händlerpräsentationen, Aktionärsversammlungen, Firmengalas und –jubiläen, Awards, Mitarbeitermotivationsveranstaltungen, Incentives und Produktschulungen bilden die firmeninternen Veranstaltungen. Public Events wie Messen, Kongresse, Pressekonferenzen, Roadshows, VIP Events, Promotion am POS, Sport- und Kulturveranstaltungen sowie Sponsoring- und Marketing Events verstehen sich als firmenexterne Events, die sich meist direkt an die Endverbraucher richten (vgl. Harms, 2002, S.35 und Bischof, 2008, S.7f).

Wie alle Instrumente des Marketing-Mix, unterliegt aber auch das Eventmarketing den Veränderungen der unternehmerischen Mikro- und Makroumwelt. Durch diese sind die Unternehmen gezwungen alte und bewährte Vorgangsweisen zu hinterfragen und neue adaptierte Konzepte einzusetzen. Neben der kontinuierlichen Veränderung der gesellschaftlichen Werte (vgl. Drengner, 2003, S.9ff) spielen besonders für die vorliegende Arbeit die Veränderungen des Mediennutzenverhaltens, die Entwicklungen der „neuen Medien“ wie das Internet oder mobile Geräte mit Stichworten wie Konvergenz und Crossmedia sowie die Veränderungen der Nutzerpräferenzen und -bedürfnisse eine entscheidende Rolle (vgl. Wirtz, 2006, S.38ff). Auf die aufgezählten Punkte wird im Laufe der Arbeit genauer eingegangen.

Aus den Ableitungen der oben erwähnten und in weiterer Folge elaborierten Veränderungen für das Eventmarketing hat sich ein Trend zum „Online Event“ ausgeprägt. Die Herausforderung der Arbeit liegt also in der Definition und Erörterung dieses Trends mit der Forschungsfrage „Wie massenmediale Phänomene mit Online-Sport-Events erzielt werden können?

1.2 Herangehensweise und Methodenauswahl

Für die vorliegende Arbeit kommt ein interdisziplinärer Ansatz zum Tragen, da unterschiedliche Ansätze und Blickwinkel des Eventmanagements und der Medien- und Kommunikationsforschung aufgezeigt und miteinander in Verbindung gesetzt werden.

Um einen ganzheitlichen Überblick der Thematik gewinnen zu können war es wichtig die folgenden Blickwinkel einnehmen zu können und verstehen zu lernen:

- Wissensstand der Event-, Kommunikations- und Medientheorie
- Bedürfnisse und Motive der Menschen bei der Verwendung von Online-Sport-Events
- Wirkungen von Massenmedien
- Sichtweisen und Erfahrungswerte von ExpertInnen, die sich mit dem Thema „Online-Sport-Events“ auseinander setzen

Um dieser ganzheitlichen Herangehensweise gerecht zu werden, kommen bei der vorliegenden Arbeit zwei empirische Methoden zur Anwendung. Der gesamte Theorieteil ist gestützt auf eine umfassende Literaturrecherche in deutsch- und englisch-sprachigen Werken. Abgerundet und ergänzt wird diese aus gegebenem Anlass durch Beiträge aus dem Internet. Dieser Teil wird durch eine Fallstudie, der ORF-Ski Challenge ergänzt, welche vom österreichischen Game-Entwickler Greentube AG konzipiert und von ORF.at veröffentlicht wird.

Abgeleitet von den Thesen aus dem theoretischen Teil wurde ein Interview-Leitfaden entwickelt, der von österreichischen ExpertInnen beantwortet wird. Bei den Interviewpartnern handelt es sich um Personen aus dem Agentur-, Game-Entwickler-, Veranstalter- und Medien-Bereich, die mittels Face-to-Face-Interviews befragt werden.

Abgerundet wird die Arbeit durch eine Online Befragung der ORF-Ski Challenge User, welche vor allem die Bedürfnisse und Sichtweisen beleuchten soll.

1.3 Relevanz und Zukunftsperspektive

1.3.1 Veränderungen der Mediennutzung

Generell hat sich seit dem Jahr 2000 eine erhebliche Steigerung der Mediennutzungszeiten abgezeichnet. In Deutschland betrug die Mediennutzungszeit im Jahr 2004 neun Stunden täglich. Der größte Teil der Nutzung entfällt zwar weiterhin auf Radio (2004: 196 Minuten täglich) und TV (2004: 202 Minuten täglich), doch das Internet hat alleine im Zeitraum zwischen 2000 und 2004 eine über 300-prozentige Steigerung der Mediennutzungszeit auf 58 Minuten täglich verzeichnen können. (vgl. Wirtz, 2006, S.38). 76% der österreichischen Bevölkerung ab 14 Jahren haben die Möglichkeit auf das Internet zuzugreifen. Das bedeutet eine Steigerung gegenüber dem Jahr 2000 von beinahe 100 Prozent (Integral AIM, 2008, S.4 und S.20).

Bei Befragungen sagen die meisten Internet-User, dass sich ihr Zeitbudget für die anderen Medien nicht verändert hat. Das bedeutet gleichsam, dass das Internet in die Lücken des herkömmlichen Medienalltags gedrängt wurde. Die Schwerpunkte liegen am späten Vormittag (10 bis 11 Uhr), am frühen Nachmittag (14 bis 15 Uhr) und frühen Abend (18 bis 21 Uhr) –d.h. vor dem Fernsehabend und lange nach der Frühstückslektüre. Ähnliches gilt für das Surfen an der Arbeitsstelle: auch dort waren Medien bisher eher unterdurchschnittlich verbreitet. Viele Internet-User hören nebenbei Musik Auch Fernsehen und Computer schließen sich keineswegs gegenseitig aus. (vgl. Meyen, 2004, S.212f) Die erwartete Entwicklung der Mediennutzung wird auch in der Übersicht in Abbildung 1 veranschaulicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Entwicklung der Mediennutzungszeit, Wirtz, 2006, S. 39

„Für männliche Jugendliche ist der Computer vor dem Fernseher das wichtigste Medium geworden.“ (Wirtz, 2006, S.38) Aber auch die ältere Generation wird seine Nutzungsdauer im Internet in den nächsten Jahren weiter steigern. Wirtz (2006, S.39) führt an, dass die Internetnutzung in den nächsten Jahren vor allem durch die Konvergenz von verschiedenen Medienprodukten über das Internet voranschreiten wird. Auf die Konvergenz-Thematik wird in Kapitel 3.3 näher eingegangen. Die Medien TV und Radio, aber auch Print werden in Zukunft wohl noch stärker über das Internet genutzt werden. (vgl. Wirtz, 2006, S.39) Diese multimediale Entwicklung ist vor allem den wirtschaftlich-technischen Interessen der 1990er Jahre zu verdanken. Vor allem Fernsehprogrammanbieter, aber auch Wirtschaftsunternehmen der „New Economy“ haben durch die interaktive Nutzung, die integrative Verwendung verschiedener Medientypen durch Kompressionstechniken, sowie digitale (Breitband-) Technik die Basis von neuen Internet-Anwendungen gelegt. (vgl. Burkart, 2002, S.364f und Harms, 2002, S.51)

1.3.2 Online Gaming

Aus der in Kapitel 1.3.1 erläuterten Änderung des Mediennutzungsverhaltens und der entsprechenden technischen Entwicklung ergeben sich gerade für den Online Gaming Bereich neue Möglichkeiten interaktive Konzepte zu verwirklichen. Unter Online Games versteht man jene Computerspiele, an denen User über das Internet teilnehmen und gegeneinander spielen können. Gleichzeitig attestiert eine Studie von Integral AIM 2008 (S.38), dass bereits 22 Prozent aller österreichischen Internetuser Online Games getestet oder bereits aktiv gespielt haben. Bereits 21% der Internetuser gaben an für die Nutzung eines Online Games bezahlt zu haben (vgl. Integral AIM, 2008, S.53).

Durch die weltweit wachsende Popularität von Online Spielen haben sich im Laufe der Zeit im Internet zahlreiche Communities zu diesem Thema gebildet. Der Trend geht also immer mehr in Richtung der Vernetzung der Spielinhalte mit Kommunikationsplattformen außerhalb des Spiels. Die Verfügbarkeit von Virtual Communities ist insofern ein Vorteil, da der Zugang zum Internet nicht mehr auf die Plattform PC beschränkt ist, sondern auch über viele andere Endgeräte erfolgen kann, wie etwa Mobiltelefone oder Spielkonsolen. Eine Virtual Community kann insofern als Gegenstück zu einer Gemeinschaft in der realen Welt definiert werden, unterscheidet sich aber von dieser durch die Zeit- und Ortsunabhängigkeit (siehe Kliment/Yen-Ting, 2008, S.4).

Durch diese synergetische Entwicklung aus neuen Konzepten, der steigenden Affinität zu Online Spielen im Allgemeinen und der steigenden Bereitschaft für die Nutzung dieser zu bezahlen, sowie der kommunikativen Vernetzung von Internetusern, gewinnt dieses Thema kontinuierlich an Relevanz für das Eventmarketing.

1.3.3 eSport

eSport steht für „Elektronischer Sport“. „Im Allgemeinen wird darunter verstanden, dass sich Spieler in Wettbewerben in Computer- oder Konsolenspielen miteinander messen“ (Schunk, 2004, S.18).

Aus dem Online Gaming hat sich Schritt für Schritt ein organisierter Sport entwickelt, der kontinuierlich an Bedeutung gewinnt. „Allein in Deutschland gehen nahezu 1,5 Millionen organisierte SpielerInnen in zirka 40.000 so genann­ten Clans (eSport-Teams) regelmäßig dieser Freizeitbeschäftigung nach. Die meist gespiel­ten Games sind First-Person-Shooter (FPS), Echt­zeit-Strategie-Spiele und Massive-Online-Rollenspiele. Es existieren inzwi­schen für fast jedes online spielbare Spiel Tur­niere und Ligen, in denen sich die SpielerInnen und Teams messen kön­nen und um Preisgelder kämpfen.“ (http://www.e-sb.de/, Datum des Zugriffs: 21.5.2009)

Es haben sich weltweit wegen der immer stärkeren Professionalisierung der eSportler Verbände gegründet, die Veranstaltungen mit Preisgeldern im fünf- bis sechsstelligen Bereich organisieren. Da der eSport mit seinen Turnieren vergleichbare Elemente wie „normale“ Sportereignisse bietet und daher Medientauglichkeit besitzt, wird auch die eSport-Medienberichterstattung von TV-Stationen vermehrt aufgegriffen. Ibrahim Mazari, Pressesprecher von GIGA TV meint dazu: „Dieser Sport liefert Bilder (Spielszenen in der „Sport Arena“ mit Zuschauern), dass [sic] bedeutet Emotionen, Stimmungen und Fan-Begeisterung sowie Sieger, Stars und Legenden.“ (Beisel, 2006, S.27). Professionelle SpielerInnen müssen analog zum „normalen“ Profisportler täglich mehrere Stunden trainieren, um sich gegen ihre Konkurrenten durchzusetzen. Bereiche wie Hand-Augen Koordination, Spielverständnis, taktisches Verständnis und Teamplaying bilden die Hauptfähigkeiten im eSport (vgl. Beisel, 2006, S.6 und S.8f).

2. Faszination „Online-Sport-Events“

2.1 Definition und Abgrenzung zu Online Games

Online-Sport-Events können grundsätzlich als Online Games aus dem Bereich Sport beschrieben werden, denen ein saisonaler und inszenierter Wettkampf immanent ist. Um eine detaillierte Definition vorzunehmen, muss weiter ausgeholt werden. Daher wurden vier Kriterien formuliert und eine Abgrenzung versucht.

1. Organisierte Einzigartigkeit

Es handelt sich um ein Sport-Ereignis, das zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten virtuellen Ort stattfindet und mit seltenen Erfahrungen verbunden ist. Diese Events werden professionell geplant und durchgeführt. Individuelle Gestaltungsräume sind nur in exakt definierten räumlichen und zeitlichen Grenzen zulässig (geregelter Ablauf). Sie werden als einzigartige Erlebnisse geplant und in der Regel auch so erlebt. Einzigartig sind sie vor allem deshalb, weil zwischen ihnen zeitliche Abstände liegen. Sie bieten nicht nur Abwechslung im Alltag, sondern offerieren dem/der TeilnehmerIn das Eintauchen in eine vom Alltag differierende neue Welt. (vgl. Schulze in Nickel, 1998, S.313f, Gebhardt in Gebhardt, 2000, S.19f, S.35f, Schäfer-Mehdi, 2005, S.86ff, Sleegers in Kaminski/Witting, 2007, S.17f und Schwarzl, 2006, S.20f)

2. Episodenhaftigkeit, Dramaturgie und Inszenierung

Dies bedeutet, dass die Veranstaltung einen gewissen Spannungsbogen aufweisen muss und einen klaren Beginn sowie ein definiertes Ende hat. Erst Fixpunkte und Struktur machen eine Veranstaltung zum Online-Sport-Event. Die Dramaturgie gibt den Verlauf der Handlung vor, die bei dieser Art von Events freier als bei „normalen“ Events erscheint. Die Inszenierung gibt der Veranstaltung den dazu passenden Inhalt. Hitzler meint dazu: „Events sind vor-produzierte Gelegenheiten zur massenhaften Selbst-Inszenierung der Individuen auf der Suche nach einem besonderen (und besonders interessanten) eigenen Leben“ (Willems in Gebhardt, 2000, S.53, zit. n. Hitzler, 1998, S. 2)

3. Gemeinschaftlichkeit

Diese entsteht durch die Wahrnehmung, dass neben einem selbst noch viele andere Personen teilnehmen. Im virtuellen Raum ist daher die technische Kommunikationsinfrastruktur wie z.B. E-Mail oder Internet-Forum ausschlaggebend, um den „Online Communities“ das gemeinsame Erleben zu ermöglichen. Als gemeinschaftsbildende Ereignisse benötigen Online-Sport-Events distinktionsfähige Inhalte, also Handlungsformen, Ideen oder Produkte, die in irgendeinem Sinn exklusiver Natur sind. Den Bogen der Gemeinschaftlichkeit spannt die Herausgehobenheit der Erfahrung, die sich subjektiv im Erlebnis der Masse deutlich gegen alltägliche Routinen absetzt. Der Event selbst muss in einen mehr oder weniger aufwändigen Rahmen eingebaut werden. Er fungiert als eine soziale Sinn- und Wirklichkeitsmarkierung. Die Akteure sind in eine soziale Realität eingebettet, die sich aus diversen Ex ante- und Ex-post-Reflexionen in direkter und vor allem medialer Kommunikation ergibt. Online-Sport-Events sind daher insbesondere in den gesellschaftlichen Subsystemen Wirtschaft und Massenmedien kontextiert. (vgl. Schulze in Nickel, 1998, S.313f, Gebhardt in Gebhardt, 2000, S.19f, S.35f, Schäfer-Mehdi, 2005, S.86ff, Sleegers in Kaminski/Witting, 2007, S.17f und Schwarzl, 2006, S.20f)

4. Beteiligung

„Reale“ Events zeichnen sich durch ein Minimum an Beteiligung durch das Publikum aus. Gerade bei Online-Sport-Events ist der Grad der (Inter-)Aktivität besonders hoch. Gegenüber klassischen Events nehmen die SpielerInnen selbst einen Teil der Regie in die Hand. Es liegt, wie bereits in den oberen Kapiteln erwähnt, eine Erzählstruktur zugrunde, jedoch hängt es vom User selbst ab, wie er sich in diesem Rahmen bewegt. Die Pixel warten darauf von den SpielerInnen bewegt zu werden. Ohne diese würde die virtuelle Online Welt stehen bleiben. Durch das aktive Einwirken wird der Verlauf des Events maßgeblich beeinflusst.

(vgl. Schulze in Nickel, 1998, S.313f, Gebhardt in Gebhardt, 2000, S.19f, S.35f, Schäfer-Mehdi, 2005, S.86ff, Sleegers in Kaminski/Witting, 2007, S.17f und Schwarzl, 2006, S.20f)

Abgrenzung

Zum klareren Verständnis wird an dieser Stelle auch ein Versuch der Abgrenzung von Online-Sport-Events vorgenommen. Dieser Event-Art, die für die vorliegende Arbeit definiert wird, liegen jedenfalls folgende Merkmale nicht zugrunde:

- Konsolen- oder PC Sport Spiele, auch wenn diese über Internet im Multiplayer-Modus spielbar sind und die oben aufgeführten Kriterien 1. und 2. nicht erfüllen.

- Jede Art von eSport Turnier welches abgehoben vom Online Game an einem „realen“ Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt organisiert und abgehalten wird. Diese Art von Turnier kann jedoch sehr wohl Teil eines Online-Sport-Events sein, wenn das Online-Turnier das Hauptevent darstellt und die oben genannten Kriterien erfüllt werden.

2.2 Vor- und Nachteile von Online-Sport-Events

Ein Online-Sport-Event ist also eine zeitlich begrenzte Real Time-Aktion innerhalb der virtuellen Welt des Internets.

Der Vorteil der Online-Sport-Events ist das Stattfinden ohne räumliche Begrenzung. Das spart Mieten und eröffnet weltweite Teilnahmemöglichkeiten und somit wesentlich höhere Teilnehmerzahlen. Es existiert generell keine Teilnahmesperre, dennoch können gewisse Bereiche, v.a. Kommunikations- oder Wettbewerbsbereiche nur für ausgewähltes Publikum geöffnet werden. Einer der wichtigsten Vorteile gegenüber klassischen Veranstaltungen ist das durch die meist hohen Teilnehmerzahlen gegebene Interaktionspotential. Langfristige Wirkung wird durch eine einhergehende Berichterstattung bzw. Dokumentation der Event-Ereignisse erreicht. Weiters ist das aufzubringende Zeitbudget im Durchschnitt niedriger als bei realen Events des gleichen Formats. (vgl. Harms, 2002, S.102f)

Der entscheidende Nachteil der Online-Sport-Events gegenüber realen Events ist das geringere Involvement, denn das haptische Erlebnis kann ein Computerbildschirm nicht ersetzen. Persönliche Beziehungen werden über diese Online Events sehr viel schwerer aufgebaut, wobei die soziale Komponente über intelligent programmierte Kommunikationsplattformen und In-Game-Communication erleichtert werden kann. In der virtuellen Welt sind generell alle Reize schwächer als in der realen.,Umso wichtiger werden daher die Qualität des Events und das Involvement der User. (vgl. Harms, 2002, S.102f)

Aus der Analyse der oben aufgeführten Vor- und Nachteile sind Mischformen aus Online-Sport-Events mit integriert geplanten Offline Events zu empfehlen. (vgl. Harms, 2002, S.102f)

2.3 Massenmediale Phänomene durch Online-Sport-Events

Online-Sport-Events haben sich im Laufe der letzten Jahre zu Massenphänomenen entwickelt. Weltweit laden sich 3,5 Millionen User die Ski Challenge auf ihre Computer (vgl. Brightwell, 2008, S.60). Die Fussball Challenge konnte über 1 Million internationale Downloads verbuchen (vgl. http://www.fussball-challenge.com./index.php?modid=1&sh=press&lang=de, Datum des Zugriffs: 22.6.2009).

Dieser Trend ist durch viele Faktoren geprägt, die im Laufe der Arbeit erläutert werden sollen. Es hat sich durch die Marktbeobachtung im Zuge der Analyse zur Arbeit gezeigt, dass erfolgreiche Online-Sport-Events durch eine sehr ähnliche Herangehensweise und dementsprechende Faktoren geprägt sind, die jedoch von Event zu Event eine unterschiedlich starke Ausprägung kennzeichnen.

Vor allem durch die kostenfreie Verbreitung der Spiele durch Online-Massenmedien hat sich ein neuer Werbemarkt gebildet, der für viele namhafte Sponsoren interessant geworden ist und die Online-Sport-Events zu einem betriebswirtschaftlich lukrativen Business gemacht haben. Allein bei der ORF-Ski Challenge 08 konnten durch die kostenfreie Distribution über das größte Online Portal Österreichs www.orf.at und die crossmediale Bewerbung über die Kooperationsmedienpartner 14 Milliarden Ad-Impressions bei 300 Millionen gefahrenen Rennen und einem Gesamtwerbewert von 21,7 Millionen Euro erzeugt werden. Bei der ORF-Ski Challenge 08 haben z.B. die folgenden Sponsoren „In-Game“ geworben: A1, Audi, GIS, Gösser, Otto, Raiffeisen, Red Bull, Samsung, Siemens, Sporthilfe, Tipp3 und UNIQA. (vgl. Brightwell, 2008, S.60 und Anlanger/Engel, 2009, S.65)

2.4 Beispiele

2.4.1 Mountainbike Challenge

Die Mountainbike Challenge 09 (MTB:09) ist ein Online-Mountainbike-Rennen. Programmiert wurde es von der österreichischen Firma Greentube AG. Online vertrieben wird es in Österreich von der Plattform www.austria.com. Es bietet virtuelle 3D Bike-Action am Computer und ist trotzdem nahe an der Realität: Atemberaubende 3D- Grafik und detailgetreue Streckenverläufe lassen den User glauben, er stürze sich selbst den Berg hinunter. MTB:09 ist gratis und kann von jedem heruntergeladen werden, sowie ganz einfach auf jedem PC, der die technischen Voraussetzungen erfüllt, installiert werden. Sobald dies geschehen ist, kann man auch schon loslegen: Entweder mit dem freien Training, um die Strecken kennen zu lernen, sich Stück für Stück zu verbessern und seine eigene Bestzeit zu schlagen. Oder man steigt gleich in die offizielle Qualifikation ein, misst sich mit SpielerInnen aus der ganzen Welt und versucht das vorgegebene Zeitlimit zu unterbieten, um sich für das jeweilige Weltcup- Rennen zu qualifizieren.

Wie funktioniert der Wettbewerb?
Der Gesamtweltcup läuft vom 5. Mai bis 13. September 2009. In dieser Zeit werden vier offizielle Rennen gefahren. Die Qualifikationsphase für ein Rennen dauert jeweils drei Wochen. Drei Wochen, in denen man Zeit hat die vorgegebene Qualifikationszeit zu unterbieten. Hat man dies geschafft nimmt man automatisch an der darauf folgenden Rennwoche teil. Nur die schnellste Zeit die man in der Rennwoche abliefert zählt für die Punktewertung des offiziellen Weltcup-Rankings und nur einer kann am Schluss den prestigeträchtigen Titel "Weltcupsieger" tragen!

Die Strecken
Greentube versuchte ein möglichst realitätsnahes Bike- Spektakel am PC anzubieten. Auf vier „realistischen“ Strecken findet der Weltcup statt:

- Fort William
- Heiligenblut
- Chinesische Mauer
- Winterberg

Mehr zum Spiel
Auf www.austria.com/mtb09 findet man die redaktionelle Berichterstattung zur Mountainbike Challenge 09: Downloads, Videos, Live-Berichterstattung zu Qualifikationen und Rennen, Ranglisten, Gewinnspiele, Interviews mit SpielerInnen, Bike- Profis und Spiele-Entwicklern und alles Wissenswerte über den Mountainbike-Sport.

(http://www.austria.com/mtb09/artikel/mtb:09---jetzt-geht's-los!/cn/news-20090511-11541374, Datum des Zugriffs: 26.5.2009)

2.4.2 Fussball Challenge

Die Fussball Challenge (FC) befindet sich bereits in ihrer zweiten Saison. Programmiert wurde die FC ebenfalls von der österreichischen Entwicklerfirma Greentube. Vertrieben wird sie in Österreich vom Portal www.gametwist.com. Die Fussball Challenge ist ein comicartiges Fussball-Online-Event, bei der in der letzten Saison international an die 500.000 User teilgenommen haben.

Der Wettbewerb

Die Meisterschaft ist in zwei getrennte Runden mit jeweils fünf Meisterschaftsrunden eingeteilt: das Frühlingsturnier findet von 1. Mai 2009 bis 28. Juni 2009 statt, das Sommerturnier von 3. Juli 2009 bis 30. August 2009. Zwischen den fünf Meisterschaftsrunden, die im Abstand von jeweils zwei Wochen ausgetragen werden, kann im Trainingsmodus gegen befreundete Teams oder die künstliche Intelligenz (= Computergegner) angetreten werden, um für den Online Wettbewerb gerüstet zu sein. Der Qualifikationsmodus ist der Schachwertung „ELO“ ähnlich, bei der ein Sieg gegen einen stärkeren User mehr Punkte bringt als gegen einen schwächeren. Bei Niederlagen wird dieses System analog angewandt. Vor jeder der fünf Meisterschaftsrunden wird die Qualifikationstabelle herangezogen, um die Startposition der TeilnehmerInnen zu bestimmen. Da dem User grundsätzlich nur Gegner der gleichen Stärke zugelost werden, hat es einer im oberen Drittel wesentlich leichter sich in den vorderen Bereich der Tabelle zu spielen als einer mit wenigen Qualifikationspunkten.

(vgl. http://fc09.gametwist.at/display.asp?page=about und http://www.fussball-challenge.com./index.php?modid=1&sh=features&lang=de, Datum des Zugriffs: 26.5.2009)

3. Medientheoretische Rahmenbedingungen

3.1 Digitale Netzwerke als Voraussetzung von Online-Sport-Events

Die Entwicklung von digitalen Netzwerken, im Besonderen des Internets, soll in diesem Kapitel beleuchtet werden, ist diese doch essentielle Voraussetzung für die Durchführung dieser Event-Art.

In Computern und digitalen Netzen erschaffene Räume sind immer virtuell. Der Begriff „virtuell“ (lat. Virtus = Kraft, Tugend, Tauglichkeit) beschreibt etwas „Vorgestelltes, Erdachtes, Potentielles“ (Kleinsteuber in Latzer et al., 1999, S.208). In der Sprache der Informatik „stellt das Virtuelle das Gegenteil des Physikalischen dar“ (ebd.). Damit ist gemeint, dass bestimmte physikalische Funktionen simuliert werden. Dabei entsteht der Begriff der „virtual reality“. Es wird versucht die Wirklichkeit in Rechnern zu simulieren. Dies ist wiederum die Voraussetzung für jene virtuellen Welten in denen sich die TeilnehmerInnen der Online-Sport-Events aufhalten und interagieren. Den virtuellen Welten immanent ist dabei die Vereinfachung der simulierten Realität. Es wird versucht die Wirklichkeit in seinen Grundzügen mathematisch zu berechnen und Variablen für Abläufe in der virtuellen Welt abzubilden.

Doch so wie reale Räume sozial konstruiert werden, so gilt dies auch für virtuelle. Sie reflektieren das menschliche Bedürfnis nach einer mythischen Gegenwelt, das wohl umso größer wird, je realer und damit berechenbarer die reale Welt erscheint, bzw. virtuell abgebildet wird. Der amerikanische Soziologie Manuel Cahung hebt in seiner Studie zum „Informationszeitalter“ die Entstehung technischer und sozialer Netzwerke als zentrale Konsequenz der Digitalisierung hervor. Er argumentiert, dass der „space of places“, der von fest bestimmten Orten geprägte Raum, vom „space of flows“ abgelöst wird, in dem große (Daten-)Ströme die Distanz überwinden. (vgl. Kleinsteuber in Latzer et al., 1999, S.208f und Bühl, 2000, S.119ff)

In diesem virtuellen Raum ist das Medium Internet eingebettet, das als Transporteur der Online-Sport-Events fungiert. Im Gegensatz zur „Push-Struktur“ der traditionellen Massenmedien liegt dem Internet eine „Pull-Struktur“ zugrunde. Inhalte werden dem User nicht direkt angeboten, er muss diese gezielt suchen und „anklicken“. Daher stellt die Selektion der Inhalte für Internet-User einen wichtigen Aspekt dar, bei dem „vor dem Hintergrund begrenzter Ressourcen die eingehende bzw. aufgenommene Informationsmenge auf ein erträgliches, nützliches oder angenehmes Maß für die Weiterverwendung reduziert wird.“ (vgl. Burkart, 2002, S.374 zit. n. Wirth/Schweiger, 1999, S.46)

3.2 Massenmedien

3.2.1 Definition

Unter dem Begriff des Massenmediums werden jene Medien subsumiert, die „Informationen an eine heterogene, nicht genau zu bestimmende Gruppe von Menschen zu übermitteln vermögen, wobei der Zugang zu den übermittelten Informationen öffentlich ist.“ (Misoch, 2006, S.21) Diese heterogene Empfängergruppe wird als „disperses Massenpublikum“ bezeichnet. Dispers deswegen, weil es sich um ein verstreutes Publikum handelt, das nicht durch eine genaue Zahl anzugeben ist und sich situativ wandelt. Auf Grund der Reichweite der Medien und deren öffentliche Zugänglichkeit kann es als Massenmedium bezeichnet werden. (Misoch, 2006, S.21 und Burkart, 2002, S.170f)

Neben den klassischen unidirektionalen Massenmedien, die durch einseitige Kommunikation gekennzeichnet sind (TV, Print, Radio) haben sich in den letzten Jahren eine Reihe neuer interaktiver Formen wie soziale Internetnetzwerk-Anwendungen, E-Mail, SMS, MMS, Videotelefonie, etc. als Massenmedien etabliert. (vgl. Stamer in Müller-Kalthoff, 2002, S.90) Durch diese Entwicklung geraten die Funktionen und Rollen der bisher auf dem Feld der Medien agierenden Akteure ins Wanken. Vom Sender ging in der „analogen“ Welt alle Macht aus, da der Empfänger durch die Einwegkommunikation vom Sender abhängig war. Durch die Digitalisierung gibt der Sender Macht an die ab, die Inhalte vermitteln und vermarkten (z.B. Kabelnetzbetreiber). Für das Spezielle ist der Endkunde bereit mehr zu zahlen. Damit wird schließlich auch der Kunde zu einem Machtfaktor. (vgl. Schneider, 2008, S.30 in Kaumanns/Siegenheim/Sjurts)

3.2.2 Wirkungen der Massenmedien

Um die Wirkungen und auch Macht von Massenmedien zu verstehen ist es notwendig die Bedürfnisse und Motive für die Nutzung von Massenmedien zu ergründen. Dabei sind die Motive von Mediennutzern der empirischen Sozialforschung nur schwer zugänglich. Der Beweggrund für eine Handlung muss keinesfalls bewusst oder zielgerichtet sein. Einzelnen Handlungen dürfte in der Regel ein ganzes Bündel von Motiven zugrunde liegen. Dieses Bündel muss nun analytisch zerlegt werden. (vgl. Meyen, 2004, S.19) Dabei bietet das Schema von McQuail (1983) eine gute Basis, welches zugleich die Wirkungen der Massenmedien als auch die Bedürfnisse der Empfänger einschließt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Motive für die Nutzung von Massenmedien (Meyen, 2004, S.23 zit. n. McQuail, 1983, S.82f)

Das erste wichtige Bedürfnis nach McQuail (siehe Abbildung 2) stellt das Informationsbedürfnis dar. Burkart (2002, S.402f) definiert den Begriff Information in diesem Zusammenhang wie folgt: „Informativ ist eine Mitteilung, die das Wissen des Empfängers erweitert, indem sie seine Unkenntnis verringert oder beseitigt.“ Diese Definition verweist darauf, dass „Information“ genauso wie „Unterhaltung“ ein subjektiver Begriff ist.

Das Bedürfnis nach Information und Überblickswissen rührt daher, dass die Unrast und Unübersichtlichkeit der Großstädte, sowie die anonymen Großorganisationen das Gefühl evozieren den sozialen, politischen und kulturellen Prozessen ausgeliefert zu sein. Das Leben kann nur mehr schwer überblickt werden. Der Verlust an Stabilität verstärkt den Wunsch nach Sendungen, die den ZuseherInnen in ein paar Minuten die Realität des Lebens erklären. (vgl. Meyen, 2004, S.125) Werte und Normen fungieren dabei als Wegweiser des Handelns und liefern die Informationen zur Orientierung im Leben. (vgl. Vlasic, 2004, S.22ff) Folgt man den Schlüssen von Brosius (in Charlton/Schneider, 1997, S.100), dann geht es bei der Informationsbesorgung vor allem

- um das Gefühl, gut informiert zu sein,
- um die Sicherheit, nichts Wesentliches versäumt zu haben und
- um das Wissen, dass die Welt noch steht.

Ein wichtiger Punkt des Informationsbedürfnisses manifestiert sich im „Sensation Seeking“, in der Lust auf und Neugierde nach spannenden zum Teil dramatischen Ereignissen. „Sensationslustsuche ist ein Trieb, der durch das Bedürfnis nach verschiedenartigen, neuen, komplexen und intensiven Ereignissen, Empfindungen

und Erfahrungen bestimmt ist, sowie die Bereitschaft physische und soziale Risiken um solcher Erfahrungen Willen einzugehen.“ (Meschnig, 2006, S.32 zit. n. Zuckerman, 1994, S.20) Ein starkes „Sensation Seeking“ schafft Vorlieben für „spannende, fiktionale und erotische“ Angebote. (vgl. Singer, 2002, S.18)

Das zweite Motiv nach McQuail stellt die Integration und soziale Interaktion dar. Eine, wenn nicht sogar die grundlegende Definition der Integrationsfunktion ist die Vorstellung, dass Massenmedien gemeinsame Themen bereitstellen, über die sich die Mitglieder der Gesellschaft unterhalten können. Grundlegend ist diese Vorstellung deshalb, weil sie einer sehr intuitiven Vorstellung von Gemeinsamkeit entspricht: Miteinander reden zu können. Dabei dienen mediale Inhalte sowohl informativen als auch unterhaltenden Charakters als kommunikative Grundlage der sozialen Interaktion. Vor allem ist diese Grundlage bei Gesprächen immanent, bei denen sich die Kommunikatoren nur flüchtig kennen oder versuchen Kontakt aufzubauen. Döveling (in Jäckel/Mai, 2008, S.71) nennt das Bestehen gemeinsamer Gesprächsthemen „soziales Gleitmittel“. Die Tatsache, dass gemeinsame Themen gleichzeitig zum gemeinsamen Wissensbestand einer Gesellschaft gehören, weist auf eine Verknüpfung, der durch das Modell angeführten vier Motive hin. Denn die Idee einer gemeinsamen Wissensbasis steht in engem Zusammenhang mit den Maßgaben, nach denen in einer Gesellschaft definiert wird, was als wirklich gelten soll. Dieser Modus der Integration ist also auf einer deutlich höheren als der makroskopischen Ebene angesiedelt. (vgl. Vlasic, 2008, S.70ff und Misoch, 2006, S.22) „Massenkommunikation und die anderen Funktionssysteme der Gesellschaft setzen sich immer schon gegenseitig voraus. Deshalb kann in Bezug auf die Integrationsfrage das Theorem formuliert werden: Ohne Massenkommunikation keine kommunikative Integration evoluierender Gesellschaften“. (Vlasic, 2004, S.59f zit. n. Rühl, 1985, S.23)

Des Weiteren fällt unter diese Kategorie die Funktion des Zeitgebers, die z.B. mit der alltäglich gleichen Sendezeit einhergeht und so den Tag übersichtlicher gestaltet. Um der Einsamkeit im Haushalt zu entgehen kann der Fernseher oder das Radio aufgedreht werden und so ein gewisser Geräuschpegel erzeugt werden, der die Leere durchbricht. (vgl. Meyen, 2004, S.129)

Das Unterhaltungsbedürfnis wird vor allem von der Eskapismustheorie beleuchtet. Fast keine Studie kommt daran vorbei zu postulieren, dass der Mediennutzer wenigstens vorübergehend aus der Realität aussteigen möchte und sei es, um den Alltag zu vergessen, sich von der Arbeit abzulenken, sich vom Stress zu erholen oder sich vor Pflichten zu drücken. Die Erkenntnis, dass nicht nur die Unterschichten zu Eskapismus neigen, lässt bei vielen Forschern die Vermutung aufkommen, dass es sich hier um ein menschliches Grundbedürfnis handelt. So plausibel dies klingt, kann sich diese Theorie auf kein Konzept stützen (vgl. Meyen, 2004, S.22f und Burkart, 2002, S.387). Jedoch ist erwiesen, dass die Mehrheit der Menschen die Medien zur Unterhaltung nutzt. „Medien sind Tröster und Zufluchtsort, Ersatz für sozialen Kontakt, und sie haben opiatische Wirkung“ (Meyen, 2004, S.110 zit. n. Hagemann, 1953, S.24f).

Dabei äußern sich die unter dem Unterhaltungsbedürfnis subsumierten Motive bei verschiedenen Gruppierungen unterschiedlich. Bildschirmarbeiter werden Entspannung eher bei einem Waldspaziergang finden als am PC-Monitor oder Fernseher, wohingegen eine Hausfrau sich eher nach Kaufhaus-Trubel sehnt. Unter diesem Aspekt greift die Theorie von der „Regulierung des Energiebudgets“ nach Früh (vgl. Meyen, 2004, S.115). Wer über viel Energie verfügt, strebt eine starke Aktivierung an, diese ist aber nicht auf Dauer zu halten und wird außerdem langweilig. Wer z.B. vom Berufsleben erschöpft ist, strebt einen Entspannungszustand an, den er durch Medienkonsum erreichen möchte.

Das Bedürfnis nach persönlicher Identität wird vor allem durch Identitätstheorien untersucht. Die identitätstheoretischen Annahmen sind in gewisser Weise eine Ergänzung zur Eskapismusthese (vgl. Unterhaltungsbedürfnis weiter oben), weil sie das „Flucht-Ziel“ beschreiben. Danach nutzen Menschen Medienangebote nicht nur, um aus der Realität auszusteigen, sondern auch um sich dabei mit ihren Lebensumständen und der eigenen Geschichte auseinander zu setzen und so ihre eigene Identität stabilisieren zu können. Die Theorie sozialer Vergleichsprozesse geht davon aus, dass Menschen das Bedürfnis haben, die eigenen Fähigkeiten und das eigene Verhalten zu bewerten, und sie deshalb dazu neigen, sich mit anderen zu vergleichen. Das Konzept der parasozialen Interaktion beschreibt die Begegnung von Medienakteur und Rezipient und versteht diese als Alternative zum realen Leben. Der Akteur wird zum Freund, der das Gefühl gibt, im Leben mit Problemen nicht alleine da zu stehen und vorzeigt eigene Verhaltensunsicherheiten abzubauen. (vgl. Burkart, 2002, S.386 und Meyen, 2004, S.26)

3.2.3 Kritik an der Medienmacht

Kritisch muss angemerkt werden, dass den Massenmedien, durch den Befriedigungsanspruch der oben genannten menschlichen Grundbedürfnisse eine große Macht zuteil wird. Dabei geben Massenmedien im jeweiligen Rahmen die Antwort auf die alle Situationen betreffende Frage: „Was geht hier eigentlich vor?“. Die Menschen haben dabei, so vermerkt Goffman (1977, S.274) „eine Auffassung von dem, was vor sich geht; auf diese stimmen sie ihre Handlungen ab, und gewöhnlich finden sie sie durch den Gang der Dinge bestätigt.“ Gleichzeitig kann unter habituellen Aspekten festgestellt werden, dass Medien immer größere Macht erlangen, je länger und intensiver sie ihr Publikum binden können. Gelingt es ein Massenpublikum bei Teil 1 zu fesseln, ist die Wahrscheinlichkeit groß die Mediennutzer auch an weitere Teile binden zu können. Dabei spielt neben dem angesprochenen habituellen Verhalten vor allem die Suchterfahrung eine große Rolle. Auf dieses Phänomen wird im Kapitel 3.5.5 näher eingegangen (vgl. Jäckel in Jäckel/Mai, 2008, S.185f). Dass Rahmen und Botschaften der Massenmedien indessen nicht bloß wahrgenommen,sondern vom Rezipient durch inter- und intrapersonale Prädispositionen selbst konstruiert werden, wird durch das „Stimulus-Response-Modell“ im nächsten Kapitel erläutert.

Dabei garantieren Massenmedien nicht nur Meinungsbildung und Meinungsvielfalt, sondern schärfen auch die soziale Aufmerksamkeit und das kritische Bewusstsein für gute und schlechte Wirklichkeitsformen und den Grad an Achtung und Missachtung gegenüber verschiedenen Rollenträgern in Politik, Religion, Wirtschaft, Kunst, Sport, etc. Moral hat also im Laufe der Modernisierung keinen eigenständigen Funktionsbereich ausgebildet, sondern hat sich als frei verfügbares, zirkulierendes Kommunikationsmedium etabliert. Pointiert kann gefragt werden: Wer informiert die Gesellschaft über sich selbst? Die Massenmedien! Wer alarmiert die Gesellschaft über sich selbst? Die Moral! Wer macht dies wiederum bekannt? Die Massenmedien in Form eines Skandals. (vgl. Ziemann, 2006, S.76)

Konkret verpflichtet sich moralische Kommunikation im Verbund mit den Massenmedien auf folgende Ereignisse und startet mit folgenden Problemlagen ihren kritisch-konflikthaften Auftritt: (vgl. Ziemann, 2006, S.76f)

- Wertverletzungen
- Normverstöße
- Inszenierte Meinungsbildung und Diskreditierungsabsicht
- Krisenszenarien eines ganzen gesellschaftlichen Teilbereichs
- Beunruhigende Realitäten

Die Massenmedien garantieren den moralisch aufgeladenen Themen eine große Bühne, die vor allem unter dem Aspekt der Aufmerksamkeitsökonomie betrachtet werden kann. Es scheint so als ob „…die Gesellschaft […] solche Rituale [braucht], um die Geltung ihrer moralischen Maßstäbe in regelmäßigen Abständen ins Bewusstsein zu rufen und sich selbst auf den richtigen Pfad der Tugend zurückzuholen.“ (Ziemann, 2006, S.79 zit. n. Münch, 1995, S.229) Problematisch wird es dann, wenn auf gesellschaftliche Missstände und Wertverletzungen nicht mehr angemessen reagiert wird. Die zuständige Instanz für angemessenes Reagieren stellt ausschließlich das Rechtssystem eines Staates dar. Da Massenmedien Quoten benötigen werden moralisch brisante Themen nicht bloß im Teilbereich „Nachrichten“, sondern vermehrt in der Unterhaltung untergebracht. (vgl. Prokop, 1995, S. 389f) Kritisch zu beobachten ist dies vor allem in den alltäglichen TV-Talk-Show Formaten, die die ZuseherInnen mit einer „massenmedialen Moralinszenierung“ bedienen. Dass die meisten TeilnehmerInnen dieser Formate nicht mehr ihre eigene Meinung vertreten, sondern von den Privat-TV-Stationen mit Texten versorgte Schauspieler sind, beunruhigt dabei noch mehr. (vgl. Ziemann, 2006, S.78ff)

Auf den Punkt gebracht heißt das, dass die Realität mit dem, was die Medien vor Augen führen, nur am Rande zu tun hat. Medienleistungen sind Surrogate ziel- und zweckbestimmter Interpretationsleistungen von Journalisten und PR-Leuten, die die Wirklichkeit selbst interpretieren und somit konstruieren. (vgl. Burkart, 2002, S.303)

3.2.4 Das Stimulus-Response-Modell

In diesem Kapitel soll nun die Aufnahme von Informationen jeglicher Art beim aktiven bzw. passiven Konsum von Massenmedien diskutiert werden. Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Das Stimulus-Response Modell (siehe Abbildung 3) nach Döveling (in Jäckel/Mai, 2008, S.73ff) zeichnet sich durch inter- sowie intrapersonale Störfaktoren aus, die einen geradlinigen Prozess vom Kommunikator über die Aussage und Medium zum Rezipienten in Frage stellt. Es wird daher dem Publikum der Massenkommunikation ein höherer Stellenwert eingeräumt. (vgl. Döveling in Jäckel/Mai, 2008, S.73ff)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Stimulus-Response-Modell (Döveling in Jäckel/Mai, 2008, S.76)

Bei der „ selective perception “ (selektive Wahrnehmung) deuten die Empfänger die Nachrichten nach ihrer persönlichen Prädisposition. Unter diese fallen vor allem psychische Persönlichkeitsmerkmale, Schichtzugehörigkeiten, Gruppenmitgliedschaften, Erziehung und die allgemeinen Lebensbedingungen. Dabei meint Goffman (1977, S.369) durch seinen Begriff des „antizipativen Moments“, dass jeder einzelne Rezipient unterstellen kann, dass die anderen die Situation ähnlich wahrnehmen und dass dies auch die anderen so sehen. Dass sie also „eine hinlängliche Vorstellung von den Vorstellungen der anderen, einschließlich deren Vorstellungen der eigenen Vorstellungen haben“.

Die „ selective retention “ beschreibt das „selektive Behalten“ von Information. Dabei werden sympathische Aussagen in der Regel besser in der Erinnerung behalten als unsympathische. Vermutlich stehen hier die „selective perception“ und die „selective retention“ in einer Wechselwirkung zueinander.

Unter dem Begriff des „ selective exposure “ versteht man die Vermeidung von unsympathischer Kommunikation. Gemeint sind Versuche der Rezipienten sich von unbeliebtem oder unerwünschtem Informationsmaterial fernzuhalten und Material zu suchen, das der eigenen Prädisposition zuträglich ist.

Schließlich besagt das Modell, dass die Wahrscheinlichkeit eine Wirkung durch eine bestimmte Kommunikationsform zu erreichen wesentlich mit dem Wertesystem der jeweiligen Gruppennormen des Rezipienten zusammen hängt. Wenn die Intention des Kommunikators den Gruppennormen zuwider läuft, steigt die Wahrscheinlichkeit eines Bumerang-Effekts. Es kommt zu einer Verstärkung des Wir-Gefühls und mündet in einen Imageverlust des Urhebers der Aussage. (vgl. Schenk, 2002, S.153ff und Döveling in Jäckel/Mai, 2008, S.73ff)

3.3 Medienkonvergenz

3.3.1 Definition

Rein sprachlich ist der Begriff der Konvergenz mehrdeutig und alles andere als geklärt. Jede Fachdisziplin versteht unter dem Begriff Konvergenz etwas anderes. Im Rahmen des Themas der vorliegenden Arbeit meint der Begriff Konvergenz das Zusammenwachsen der Medien Telekommunikation, Fernsehen, Computer, Rundfunk, Print und Internet sowohl auf technischer als auch inhaltlicher Basis. Diese Definition bezieht sich damit auf den Begriff der Mediamatik, den „Umbruch der Kommunikationsindustrie, respektive deren kommunikationspolitischen Bewältigung“. (Meier in Latzer et al., 1999, S.31) Die Auswirkungen und Zukunftsperspektiven dieser Medienverschmelzung werden im ITU 1996 wie folgt beschrieben: „This convergence of conduit, however, allows for new services to be provided over existing infrastructure, and new infrastructure to be developed that provides combined services, including content-based and common carrier service“. (Meier in Latzer et al., 1999, S.31 zit. n. ITU, 1996, S.7) Dowling et al. differenzieren die drei Konvergenzdimensionen Technologie, Bedürfnisse, sowie Branche und Unternehmen. (vgl. Krieb, 2001, S.36)

3.3.2 Mediamatik

Die neueste Entwicklung in der Konvergenzwissenschaft stellt die Mediamatik dar, welche eine Zusammenführung zwischen den (digitalen) Medien und der Telematik darstellt. Bis 1970 wurde mit Konvergenz im Kommunikationssektor das Phänomen Informatik beschrieben. Seit 1970 konnte man dann die Verschmelzung der digitalen Computertechnik (=Informatik) mit der Telekommunikation (=Telematik) beobachten. Diese Konvergenzschritte sind in der untenstehenden Abbildung beschrieben. (vgl. Latzer in Latzer et al., 1999, S.26)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Konvergenzschritte (Latzer in Latzer et al., 1999, S.26)

Die Grundvoraussetzung der technischen Konvergenz ist das Vordringen digitaler Speicherungs-, Verarbeitungs- und Übertragungsprinzipien. Die Digitalisierung nimmt daher im Prozess der Medienkonvergenz eine Schlüsselrolle ein. (vgl. Krieb, 2001, S.40)

Viele Wissenschaftler und Massenmedien postulieren durch die technischen und angebotsspezifischen Konvergenzentwicklungen „den Mythos des umfassenden Mediums“. Coy (1994, S.30) betrachtet den Computer „als potentiellen Integrator aller vorherigen Medien“. Die Verbindung von Computer, PC, Fernsehen und Internet lässt den universellen Apparat erahnen und diese technische Konvergenz als „eine neue kommunikative Infrastruktur begreifen“ (Burkart in Latzer et al., 1999, S.63). Oft wird als Konsequenz angeführt, dass das zukünftige „umfassende Medium“ alle bisherigen Medien in sich vereinen und diese sogar beenden wird. Ein solches Medium ist zumindest in dem Sinne „multimedial“, indem es Funktionen übernimmt, die bislang auf verschiedenen Medien verteilt waren – oder diese, mangels medialer Alternativen übernehmen mussten. (vgl. Stamer in Müller-Kalthoff, 2002, S.91 und Rusch et al., 2007, S.385f) Es entstehen dadurch zum einen auch neue Konfigurationen der Kombinationen von Dienstinhalt, Übertragungsplattform und Endgeräte. Zum anderen ist denkbar, dass die Logik oder Funktionsweise des Einzeldienstes sich qualitativ verändert, d.h. dass sich bei Medien gleiche oder ähnliche Merkmale herausbilden. (vgl. Krieb, 2001, S.52ff) Gerade dieser Aspekt der „funktionalen Konvergenz“ ist im Kontrast zur Telematik das markante Merkmal der von ihm beschriebenen Mediamatik.

Es kann dagegen gehalten werden, dass die verschiedenen Medien unterschiedliche Konsumentenbedürfnisse unterschiedlich gut befriedigen und dass die Menschen auch Bedürfnisse haben, die Fernsehen, Bücher und Zeitungen oder auch das Radio besser befriedigen können als der Computer. So schließt auch Beck (vgl. Burkart 2002, S.372, zit. n. Beck, 2000) aus einer Expertenbefragung, dass sich das Fernsehen im bisher üblichen Sinn nicht auflösen werde und weiter relevant bliebe. Allerdings werden die Nutzer von den immer steigenden Selektionsmöglichkeiten stärker Gebrauch machen. Der Zuschauer wird – im Kontext der zunehmenden Digitalisierung – vielfach zum Anwender. Dies gilt nicht bloß für Unterhaltungsprogramme (z.B. Video-on-Demand), sondern auch für die Informationssuche und die interpersonale Kommunikation (z.B. Email, Social Networks, etc.). Dahm/Rössler/Schenk postulieren gar, dass die geistig entspannte Haltung des unterhaltungsorientierten Sehers geben wird. Der interaktive User wird nicht die Regel sondern die Ausnahme darstellen. (vgl. Burkart, 2002, S.373 zit. n. Dahm/Rössler/Schenk, 1998, S.177f und 185)

3.3.3 Perspektiven der voranschreitenden Konvergenz

Als ein zentraler Punkt kann die Überwindung der Einseitigkeit genannt werden, wie sie im herkömmlichen Massenkommunikationsprozess strukturell gegeben ist. In jedem Empfänger kann nun ein Sender eingebaut werden und umgekehrt. So ermöglichen die neuen breitbandigen Netztechnologien die Kommunikation über „Social Networks“ a la Facebook, Twitter, MySpace, StudiVZ und XING oder einfache Foren und Chat-Applikationen. Aus einer „One-to-One“-Kommunikation ist eine „One-to-many“-Kommunikation geworden, in der jeder User auf Knopfdruck in „real-time“ als Massen-Sender fungieren kann. Einseitigkeit scheint in wachsender Interaktivität aufzugehen. Begriffe wie „Kommunikator“ und „Rezipient“ müssen hinterfragt werden und die Unterscheidung zwischen „öffentlicher“ und „privater“ Kommunikation wird durch das „Hybrid-Kommunikationsmedium“ (Höflich in Latzer et al., 1999, S.43) Computer obsolet. Der User wird zum Medium. (vgl. Burkart in Latzer et al., 1999, S.64f)

Das Medium wird auf die vorhandene technisch-kommunikative Infrastruktur reduzierbar sein, weil ein und dasselbe Gerät, eben der Computer in Verbindung mit dem Internet – zu ganz verschiedenen Dingen genutzt werden kann: zur Textverarbeitung, Datenübertragung, Fotoarchivierung, als Videorecorder, Fernsehapparat, Kommunikationsmaschine, Radio, Musikplayer, etc. Die Angebote der computervermittelten Kommunikation richten sich an alle Nutzer als disperses Publikum, das nach eigenem Wunsch, ohne an zeitliche Restriktionen gebunden zu sein, die oben angeführte Dienstleistungen in Anspruch nehmen kann. (vgl. Höflich in Latzer et al., 1999, S.45) Genau an dieser Stelle wird aber deutlich, worin die grundsätzliche strukturelle technische Innovation besteht: in der zunehmenden Entkoppelung von Gerät und Dienstleistung, da aufgrund der Konvergenz zwischen verschiedenen Medienrahmen unmittelbar gewählt werden kann. Daher müssen wohl alle medientheoretischen Klassifizierungen hinterfragt werden, die auf bloß technischen Kriterien beruhen. (vgl. Burkart in Latzer et al., 1999, S.65)

Durch die ständig voranschreitende Konvergenz bzw. Multimedialität entstehen neue Räume für Unternehmen um gänzlich neue Angebote zu entwickeln und so inhaltlich konvergent vorzugehen. Klassisch analoge Medien, wie etwa das Fernsehen können nun Inhalte anbieten, die die klassische Einweg-Kommunikation durchbrechen und so völlig neue Erlöspotentiale schaffen. Über die entstehenden multimedialen Kanäle hätten Medienunternehmen nun die Möglichkeit ihre Angebote „selbstreferentiell“ zu bewerben und die ZuseherInnen interaktiv einzubinden. Jedoch hinken die Themen Liberalisierung und Globalisierung des Mediensektors den technischen Möglichkeiten der Konvergenzentwicklung hinterher. Die Themenkomplexe Marktmachtkontrolle, Regulierung und öffentlich-rechtliche Statuten erlauben den Unternehmen (noch) nicht, das volle Potential der Möglichkeiten auszuschöpfen. Es wird jedoch auf EU-Ebene versucht einheitliche Rahmenbedingungen und Richtlinien zu entwickeln (vgl. Trappel in Latzer et al, 1999, S.90f und Bleicher in Latzer et al S.121f).

3.4 Crossmediale Kampagnen

3.4.1 Definition

Der Begriff „Crossmedia“-Kampagne gehört zu jenen Begriffen, die plötzlich auftauchen, inflationär gebraucht werden, aber nicht einheitlich verstanden werden. Entsprechend ist eine Klärung des hier verwendeten Begriffsverständnisses notwendig:

Crossmedia Kampagne bedeutet die optimale Nutzung von Medien im Verbund, mit dem Ziel, den Rezipienten in seiner Medienwelt individuell anzusprechen. Die Werbeträger (Medien) werden miteinander eingesetzt, um ihre spezifischen Stärken optimal, auch in Hinblick auf das Nutzungsverhalten der Kunden, zu entwickeln. Dabei soll die addierte Werbewirkung jede einzelne Maßnahme übertreffen. (Kracke in Kracke, 2001, S.15f)

Dabei setzt Crossmedia einen erfolgten Markenaufbau voraus. Ohne bereits geleistete Vorarbeit kann keine Marke erfolgreich und medienübergreifend kommuniziert werden. Die Markierung sollte so gestaltet sein, dass sie sich durch Prägnanz (Klarheit) und Diskriminationsfähigkeit (Unterscheidbarkeit) auszeichnet. (Mahrdt, 2009, S.27)

3.4.2 Elemente einer crossmedialen Kampagne

Mahrdt (2009) führt acht Merkmale einer crossmedialen Kampagne an, die nach seiner Auffassung darüber entscheiden, ob eine Kampagne als crossmedial bezeichnet werden kann. Zu beachten ist allerdings, dass es dabei Kriterien gibt, die immer erfüllt sein müssen und andere die laut Mahrdt (2009, S.17) als „hinreichende Bedingung zwar für einen Sachverhalt keine unbedingte Voraussetzung [ist] aber das Eintreten des bedingten Sachverhalts zu Folge [hat].“

Notwendige Bedingungen für die Einstufung „crossmedial“ sind laut Mahrdt (2009) die folgenden:

- Durchgängige Leitidee
- Inhaltliche und formale Integration
- Werbliche Vernetzung

In weiterer Folge sollen nun die acht Kriterien angeführt und genauer betrachtet werden:

1. Kriterium: Durchgängige Leitidee

Bei einer Kampagnenanalyse stellt sich die Frage, ob ein „Aufhänger“, eine Story, eine Leitidee, also eine Art kanalübergreifende „Big Idea“ erkennbar ist. Ist diese Story auch konsequent durch alle eingesetzten Medien „gespielt“ worden? (vgl. Mahrdt, 2009, S.19)

2. Kriterium: Geeignete Medienwahl

Das zweite Kriterium wird von der Idee getragen, dass die Kampagne „von dieser Story oder Big Idea gesteuert wird und nicht von einzelnen Disziplinen dominiert wird“. Daher muss bei diesem Kriterium geprüft werden, ob die Leitidee in den effektivsten und wirkungsvollsten Kanälen umgesetzt worden ist. Nutzt die Zielgruppe tatsächlich die eingesetzten Medien? Passen die Kanäle zum Produkt und zur Marke? (vgl. Mahrdt, 2009, S.20)

3. Kriterium: Integration der Kommunikationsmittel

Sind die ausgewählten Kommunikationsmittel zeitlich, formal und inhaltlich integriert? Die drei Formen der Integration dienen der Verknüpfung der Werbebotschaften innerhalb einer crossmedialen Kampagne unter Berücksichtigung der durchgängigen Leitidee. (vgl. Mahrdt, 2009, S.20)

Die inhaltliche Integration sorgt für die inhaltliche Übereinstimmung der Kommunikationsmittel. Dabei ist die Integration an der Leitidee festzumachen, sie in eine Kernbotschaft umzuwandeln und in Gestalt von inhaltlichen Mitteln umzusetzen. Hierzu zählen sprachliche Mittel wie Claims, Slogans, wiederkehrende Sätze, sowie gesprochene, gesungene oder geschriebene Programmformeln, aber auch bildliche Mittel wie Logos und Key-Visuals. Im Zentrum steht also die Schaffung von thematischen Verbindungslinien zwischen den Kommunikationsmitteln. Demnach muss die inhaltliche Ausrichtung einheitlich, widerspruchsfrei und gegenseitig verstärkend sein. (vgl. Mahrdt, 2009, S.20ff)

Die formale Integration legt den Schwerpunkt auf die formale Vereinheitlichung der verschiedenen Kommunikationsmittel. Ziel ist, durch gleiche Gestaltungsmerkmale die leichtere Wiedererkennbarkeit einer Kampagne zu erzielen. Das Erscheinungsbild wird üblicherweise am Corporate Design angelehnt. Um der formalen Integration im Sinne crossmedialer Strategien gerecht zu werden, geht man über diese jedoch hinaus. So werden neben den unternehmensbezogenen Darstellungsformen (Logo, Schrift, Farbe) wichtige visuelle Elemente aus thematischen Teilbereichen einer Werbebotschaft auch in einem anderen Kommunikationsmittel aufgegriffen und umgesetzt. (vgl. Mahrdt, 2009, S.20ff)

Die zeitliche Integration beschäftigt sich mit der Abstimmung und dem „kontinuierlichem Einsatz aller Kommunikationsmaßnahmen unter einem kurz- bis mittelfristigen Zeithorizont“. Diese zeitliche Abstimmung kann zu Vorteilen in der kombinierten Kommunikationswirkung führen und Synergiepotentiale freisetzen. Einen wichtigen Punkt stellt auch die zeitliche Kontinuität der Kampagne dar, da häufige Wechsel im Kommunikationskonzept die Werbewirkung beim Rezipienten reduzieren. Crossmedial angelegte Kampagnen müssen daher generell einer langfristigen strategischen Planung unterliegen. (vgl. Mahrdt, 2009, S.20ff)

4. Kriterium: Redaktionelle und werbliche Vernetzung sowie Hinweisführung

Kampagnen können in zwei idealtypische Formen vernetzt werden:

- Werblich: die Verweise finden bei dieser Variante auf Werbungsebene statt. Hierbei könnte beispielsweise in einem klassischen TV-Spot ein Verweis auf eine Internetseite mit einer Handlungsaufforderung gegeben werden.
- Redaktionell: hier wird auf redaktioneller Ebene von einem Medium auf das andere verwiesen. (vgl. Mahrdt, 2009, S.23f)

5. Kriterium: Interaktionsmöglichkeit und Aktivierung

Bei diesem Kriterium wird untersucht, ob es sich um eine involvierende, zum Mitmachen auffordernde Kampagne handelt. Wo werden Antwortmöglichkeiten für den Kunden eingebaut, und welche Response- und Interaktionsmöglichkeiten hat der Konsument überhaupt? Der in der Psychologie nachgewiesene Selbstreferenzeffekt besagt, dass sich der Rezipient an eine Werbebotschaft umso besser erinnert je persönlicher er angesprochen wird. Dies wird meist über ein Mehrwertangebot erreicht, welches dann auch immer im Zentrum der Kommunikation stehen soll. Dabei soll der Konsument an passenden Stellen zur Aktivität aufgefordert werden (Informationsbeschaffung, Gewinnspiele, etc.). (vgl. Mahrdt, 2009, S.24)

6. Kriterium: Multisensorische Ansprache

Menschen können Kampagnen mit mehreren Sinnen wahrnehmen. Bilder, Klänge, Gerüche, Geschmäcke und die Wahrnehmung oder Ertastung dreidimensionaler Objekte führen zu unterschiedlichen Assoziationen. Die Grundannahme bei diesem Kriterium geht dahin, dass ein Ansprache des Konsumenten auf mehreren Sinnesebenen zu einer höheren Erlebnisqualität und stärkeren Wahrnehmungsintensität führt. Wichtig dabei ist, dass die variierte Sinnesansprache einem Plan folgt. Aus der Psychologie ist erwiesen, dass Erinnerungsleistungen gesteigert werden, wenn Informationen sowohl in bildhafter als auch sprachlicher Form präsentiert werden. Man spricht von der „Dualen Codierung“. (vgl. Mahrdt, 2009, S.25f)

7. Kriterium: Zielmedium, Konvergenz, CRM-Potenzial

Bei diesem Kriterium stellt sich die strategische Frage ob die Konsumenten zu einem gewissen Zielmedium hingeleitet werden sollen, um bestimmte Aktionen durchzuführen oder um Daten zu gewinnen. Bei crossmedialen Kampagnen wird in der Kommunikation generell darauf hingearbeitet den Rezipienten von einem Medium zum anderen zu leiten. Diese aktive Nutzerführung geschieht in der Regel durch explizite Verweise innerhalb eines Mediums auf ein anderes. Dabei ist zu achten, dass der Mehrwert, den der Rezipient durch die Nutzung des beworbenen Mediums, erhalten soll, klar kommuniziert wird. So kann es ein Ziel des abgestimmten Medieneinsatzes bei crossmedialen Kampagnen sein, frühzeitig Konsumentenprofile zu generieren, die dann z.B. über Direktmaßnahmen individuell verarbeitet werden können. (vgl. Mahrdt, 2009, S.26)

8. Mehrwert und Nutzwert für den Verbraucher

Welchen Mehrwert und welchen Nutzwert hat der Konsument durch die Kampagne, die Leitidee und die ausgewählten Medien? Wo werden gleichsam Interessen und Bedarf oder Bedürfnisse des Konsumenten angesprochen? Laut Mahrdt (2009) können drei Kriterien aufgezählt werden:

- Produktivitätsgewinn

Führt das Betrachten und Mitmachen der Kunden zu einem Produktivitätsgewinn für diese? Gibt es Kriterien, wie die Einsparung von Zeit oder Geld bei der Kampagne?

- Spaß und Entertainment

Wird der Kunde beim Betrachten und Mitmachen gut unterhalten? Hat die Kampagne Potential zum Talk-of-Town? Kann sie dadurch virales Potential entfachen?

- Einfachheit der Anwendung

Sind die Kampagne und die Mitmach-Aufforderung einfach zu verstehen und einfach anzuwenden? Response kommt meist nur in großer Menge zustande, wenn möglichst alle Kunden binnen Sekunden verstehen um was es im Konkreten geht. Und: Mitmachen muss bequem sein, denn der Kunde ist auch bequem. (vgl. Mahrdt, 2009, S.27)

3.4.3 Instrumente einer crossmedialen Kampagne

Dieses Kapitel gibt einen kurzen Überblick über die relevanten Medien-Instrumente einer crossmedialen Kampagne und skizziert die Funktionen im Crossmedia-Mix.

- TV

Funktion im Crossmedia-Mix: Basismedium. Innerhalb des Mix kann der TV-Spot hervorragend Zielgruppen auf weiterführende, dialogfähige Websites verweisen. Durch die kommende Ära des digitalen interaktiven Fernsehens kann der TV-Bildschirm sogar selbst zum Vertriebskanal werden. (vgl. Eisner in Müller-Kalthoff, 2002, S. 192ff und Mahrdt, 2009, S.43)

- Print

Funktion im Crossmedia-Mix: Basismedium. Printmedien eignen sich neben der klassischen Hinweisgebung auf Aktionen auch über eingeklebte Produkt- und Duftproben olfaktorische und haptische Sinne anzusprechen. (vgl. Mahrdt, 2009, S.48)

- Out-of-Home (Außenwerbung)

Funktion im Crossmedia-Mix: Ergänzungsmedium zur Abdeckung der durchschnittlich 1,5 Stunden dauerenden Mobilität im Tagesablauf. (vgl. Mahrdt, 2009, S.52)

- Radio

Funktion im Crossmedia-Mix: Ergänzungsmedium zur TV-Werbung. Darüber hinaus eignet sich der Radiospot für die werbliche Hinweisführung zum nächstgelegenen POS, Event oder Veranstaltung im Senderaum. (vgl. Mahrdt, 2009, S.55)

- Online

Funktion im Crossmedia-Mix: Ergänzungsmedium zu TV- oder Printwerbung. Das interaktive Medium ist vor allem für CRM Maßnahmen wie Gewinnspiele oder Registrierungen ideal und eignet sich durch die Generierung von Konsumentenprofilen zum weitreichenden Tracking. (vgl. Mahrdt, 2009, S.59)

- Mobile

Funktion im Crossmedia-Mix: Ergänzungsmedium. Der Einsatz eines Handys als Response-Kanal ermöglicht innerhalb des Crossmedia-Mix die Interaktivierung klassischer Werbeinstrumente wie TV, Print, Außenwerbung oder Radio. Mobile Marketing kann darüber hinaus am Point of Sale auf der Produktverpackung selbst Interaktion auslösen. Klassische und neue Medien wirken als gegenseitige Verstärker. (vgl. Mahrdt, 2009, S.63)

- Dialogmarketing

Funktion im Crossmedia-Mix: Dialogmarketing postalischer Natur kann beispielsweise die Nennung eines Links zu einer Website mit Interaktionsmöglichkeiten beinhalten. Weiters kann Dialogmarketing für die Beschaffung von Adressen über Gewinnspiele jeglicher Art, z.B. mobilfunk- oder onlinebasiert, genutzt werden. (vgl. Mahrdt, 2009, S.67)

- Event

Funktion im Crossmedia-Mix: Eine bereits durch klassische Werbung bekannt gemachte Marke erfährt durch geeignete Event-Maßnahmen eine nachhaltige Verankerung und emotionale Aufladung in den Köpfen der Zielgruppe. Bei der Durchführung von Events können eine Reihe anderer Kommunikationsmittel werblich vernetzt und ins crossmediale Spiel gebracht werden. Bei Events können auch Werbeartikel verschenkt werden, die die haptische Komponente und dadurch ein „Stück Produkt“ in die Wohnungen der Konsumenten einbringt. (vgl. Mahrdt, 2009, S.76)

- Public Relations (PR)

Funktion im Crossmedia-Mix: Die Öffentlichkeitsarbeit kann als „Startschuss“ jeder Crossmedia-Kampagne angesehen werden. Sie informiert ausgewählte Pressevertreter und mögliche Multiplikatoren über die anstehende Durchführung der Crossmedia Kampagne. (vgl. Mahrdt, 2009, S.80)

- Sponsoring

Funktion im Crossmedia-Mix: Sponsoring steigert den Bekanntheitsgrad einer Marke oder eines Unternehmens und zieht meist eine gewollte Imagepositionierung mit sich. Sponsoring spielt meist in Verbindung mit begleitender PR eine wichtige Rolle. (vgl. Mahrdt, 2009, S.90)

- Guerilla

Funktion im Crossmedia-Mix: Im Rahmen einer crossmedial geführten Kampagne soll Guerilla insbesondere die Presse durch Aktionismus „alarmieren“ und damit redaktionelle Berichterstattung auslösen. Guerilla Marketing wird meist in Verbindung mit Online als wirksames Mittel zur viralen Verbreitung der Aktion gesehen. (vgl. Mahrdt, 2009, S.93)

3.5 Der User

Der User ist gleichzusetzen mit dem/der potentiellen TeilnehmerIn an Online-Sport-Events. Im Rahmen des Kapitels werden soziologischen Aspekte, die interaktiven Möglichkeiten als auch kritische psychosoziale Erscheinungen diskutiert.

3.5.1 Die Identifikation des Einzelnen mit der Masse

„Treffen wir auf eine große Menschenmenge, nennen wir sie auch Masse. Das ist zunächst kein Problem. Das Rätsel, um das […] es geht, taucht erst dann auf, wenn eine große Anzahl von Individuen sich einem gemeinsamen Beachtungsobjekt zuwendet.“ (Rusch et al., 2007, S.241 zit. n. Maletzke, 1963, S.28) „Dabei erscheint eine solche Attraktion, eine solche Versammlung zunächst widersprüchlich: Wie können unterschiedliche Einzelne derart zusammenwachsen, dass sich ihre diversen Interessen und Absichten zu einem oder einer bündeln, wie kann die große Vielfalt der Subjektivitäten auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner schrumpfen?“ (Rusch et al., 2007, S.241) Die erste Antwort auf diese Frage ist die Feststellung, dass es einen Impuls benötigt, der die allgemeine Anteilnahme des Massenpublikums erregt und sie, wenigstens kurzzeitig, erhält. Wichtige Zeichen und Symbole, die die Indifferenzierung überwinden, führen zu einem Trend ein gemeinsames Beobachtungsobjekt in den Fokus zu nehmen. „Die Sichtbarkeit von Massen ist stets an Medien gebunden, d.h. an die Produktion von Images.“ (Rusch et al., 2007, S.243 zit. n. Lüdemann, 2002, S.86)

Nach Willems (vgl. Willems in Gebhardt, 2000, S.54) zeichnen sich massenmediale Events, zu denen sich Online-Sport-Events einwandfrei zählen lassen, durch einen paradoxen Zugang aus. Einerseits geht es dem User um die Gemeinschaft und die Sehnsucht nach dieser, auf der anderen Seite ist ihm die individualistische Selbstverwirklichung wichtig. Es geht dem betreffenden Individuum kaum mehr darum, mit der Gemeinschaft “identifiziert“ zu sein, eher darum die Gemeinschaft in ihm selbst „nach Maßgabe seiner selbst aufgehen zu lassen“. (Willems in Gebhardt, 2000, S.54) Interaktion ermöglicht den Event-TeilnehmerInnen das oben angeführte Ziel zu erreichen und Gemeinschaftserlebnisse zu erfahren. Diese „Efferveszenz“ bezeichnet die zuweilen „ekstatische Erfahrung des Kollektivs als eines Größeren, das Subjekt Überschreitenden.“ (Knobloch in Gebhardt, 2000, S.43) Dieses Phänomen ist vor allem auf eine „Ganzheitlichkeit des Sozialen“ zurückzuführen, also eine breite „Sinnesmodalität“ und „Multimedialität“, welche sich nicht nur durch Töne, Bilder, haptische Eindrücke und Bewegung manifestiert, sondern durchaus auch durch die (virtuelle) Präsenz der anderen Menschen (vgl. Knobloch in Gebhardt, 2000, S.43).

Auf der anderen Seite beschreibt Singer (2002, S.71) das Phänomen von Internet-Usern sich in der Masse der Internetanwender von ihrem Einsamkeitssyndrom zu befreien. „Es lässt sich oft beobachten, dass je mehr Personen in einem Raum [auch virtuellen – Anm. d. Verf.] sind, desto verhältnismäßig weniger Kommunikation besteht zwischen den TeilnehmerInnen.“ (Singer, 2002, S.71) Viele User, die sehr viel Zeit in Chats und Social Networks verbringen fühlen sich dadurch nicht mehr einsam und isoliert, während ihre Umgebung, Familie und Freunde aber sehr oft schon einen starken Rückzug bemerken. (vgl. Singer, 2002, S.71)

In der Diskussion des Massenpsychologen Gustave Le Bon wird das „psychologische Gesetz der seelischen Einheit der Massen“ beschrieben (Le Bon, 1982, S.12), dass von den Archetypen der Kulturkreise ausgeht. Le Bon nennt dieses Phänomen „Aktivierung der Rassenseele“ (Le Bon, 1982, S.14), wonach das „Ungleichartige“ im „Gleichartigen“ versinkt. In dieser Hinsicht zählt Le Bon die Hauptmerkmale des einzelnen in der Masse auf:

- Schwinden der bewussten Persönlichkeit
- Vorherrschaft des unbewussten Wesens
- Leitung der Gedanken und Gefühle durch Beeinflussung und Übertragung in der gleichen Richtung
- Neigung zur unverzüglichen Verwirklichung der eingeflößten Ideen (Le Bon, 1982, S.17)

Dadurch „Glied einer Masse zu sein, steigt der Mensch also mehrere Stufen von der Leiter der Kultur hinab“ (Le Bon, 1982, S.17). Er relativiert jedoch, dass „…sich die Rasse […] durch Erwerbung einer festgefügten Seele […] immer mehr vor unüberlegter Gewalt der Massen schützt.“ (Le Bon, 1982, S.116)

3.5.2 Die Entscheidung des Users zum Online-Sport-Event

Das Postulat vom „aktiven Nutzer“ und dem „interaktiven Medium“ Internet zieht sich durch die Forschung seit Bestehen dieses Mediums. Wie bereits im Kapitel „Mediamatik“ beschrieben, nimmt das Internet im Gegensatz zu den klassischen Massenmedien Fernsehen, Radio und Print eine Gegenposition zur Einwegkommunikation ein und macht es daher für den Mediennutzer so faszinierend.

Mark Levy und Sven Windahl, (vgl. Meyen, 2004, S.20f) haben in ihrer handlungstheoretischen Forschung Aktivitäten vor, während und nach der Zuwendung zum Medium Internet unterschieden und drei Formen der Publikumsaktivität genannt, die eine weitere Erklärung für das Massenphänomen Online-Sport-Events geben:

- Selektivität: Auswahl der Angebote, erhöhte Aufmerksamkeit für bestimmte Teile der Botschaft, selektives Erinnern. Wer das Angebot aktiv aufgenommen und verarbeitet hat, wird mehr Informationen wiedergeben können.
- Involvement: Stärke der Verbindung zwischen Nutzer und Inhalt. Vor der Nutzung kann dies aufgebaute Erwartungen betreffen (einzigartiges Erlebnis beim Spielen der Ski Challenge), bei der Nutzung dann die Intensität (der User verbessert laufend seine Zeiten und verbessert seinen Rang) und danach die Phantasiebildung oder die Identifizierung mit Medienfiguren (Identifizierung mit Skistar, der analog zum/zur SpielerIn die Streif hinunter fährt).
- Nützlichkeit: Nutzen mit Blick auf bestimmte Bedürfnisse.

[...]

Ende der Leseprobe aus 170 Seiten

Details

Titel
Massenphänomen Online-Sport-Events
Untertitel
Am Beispiel der Ski Challenge
Hochschule
ARGE Bildungsmanagement Wien
Note
1
Autor
Jahr
2009
Seiten
170
Katalognummer
V143004
ISBN (eBook)
9783640538782
ISBN (Buch)
9783640539635
Dateigröße
2821 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Ski Challenge, Events, eSport, Online Games, Mountainbike Challenge, Fussball Challenge, Massenmedien, Konvergenz, crossmedia, Crossmediale Kampagnen, virtuelle Events, Fragebogen, Stefan Baloh, Andreas Wochenalt, Eberhard Dürrschmid, Günther Tutschek, Karim Saad, Sonja Gutmann, ORF-Ski Challenge, Marketing, Games
Arbeit zitieren
Mag. Lukas Rössler, MBA (Autor:in), 2009, Massenphänomen Online-Sport-Events, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143004

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