Im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen die beiden Gelehrten und deren Ansichten bzgl. der maqāṣid aš-šarīʿah im Allgemeinen und auf maṣlaḥa als dessen Teil im Spezifischen. Da die beiden Gelehrten sehr ähnliche Auffassungen, was das Thema anbelangt haben, und Imam al-Ġazālī sehr viel von seinem Lehrer übernommen hat, werden wir auf Imām al-Ǧuwaynī kurz eingehen und sein Fünfermodell erläutern. Im Anschluss wird auf die Rekonzeptualisierung der maqāṣid aš-šarīʿah und maṣlaḥa durch Imām al-Ġazālī ausführlicher eingegangen. Die hierzu erforderlichen Kenntnisse der Fachbegriffen, die hier verwendet werden sind von enormer Beudeutung. Aus Gründen die schon erwähnt worden, werden wir auf die Biographie des jeweiligen Gelehrten "verzichten" müssen, dafür lediglich auf die weiterführende Literatur hinweisen.
Für die Muslime gilt es als oberstes Prinzip, die Gerechtigkeit zu üben und das Rechte zu gebieten auf der einen Seite und das Verwerfliche und die Ungerechtigkeit zu unterbinden auf der anderen Seite (al-amr bi l-ʿadl wa l-maʿrūf wa n-nahy ʿani l-faḥšāʾ wa l-munkar). Dieses Prinzip schöpfen sie aus dem Koran und der Sunna, das als Leitfaden im Allgemeinen gilt. Daher thematisiert der Koran, der nach islamischem Verständnis ein Buch göttlichen Ursprungs (Offenbarung, ar. wahy) ist, einige Rechtsfälle und bestimmt auch einige Urteile – darunter auch Strafen – um das Leben der Muslime gemäß der Gerechtigkeit zu formen. Da der Koran für die Muslime als Maßstab für die Bestimmung des Guten und Bösen gilt, haben muslimische Gelehrte das islamische Rechtssystem erläutert, in dem der Koran und die Sunna als die primären Quellen gelten. Hierauf folgt der Konsens der Gelehrten (iǧmāʿ), der sich auf den Koran und die Sunna stützt.
Die islamischen Rechtsgelehrten (fuqahāʾ) später auch die Theologen (mutakallimūn), haben schon vor dieser dargestellten Ausprägung, früh erkannt, dass der reine Textbezug, sei es der Koran oder die Sunnah, und die stark literarisch-interpretative (in der arabischen Sprache) Herangehensweise nicht jede neu entstandene Situation "scharia-konform" beurteilen konnte. Diese Problematik führte zu der Fragestellung, welche Ziele (maqāṣid) die Scharia zu erreichen beabsichtigt, und ob die festgelegten Urteile im Koran oder Sunnah wortlautgetreu angewendet werden müssen, oder ob man die Grundsubstanz (die Essenz) und die Absicht beachtend die Ausführung ändern kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Erläuterung/Erklärung der Fachbegriffe
- Maqāṣid aš-šarī ah
- Istiṣlāḥ.
- Al-Istiḥsān
- Maşlaḥa
- Ad-Darūriyyāt al-ḥamsa
- Imām al-Ḥaramayn al-Ġuwaynī (gest. 478/1085)..
- Das Fünfermodell al-Ġuwaynīs
- Abū Hāmid al-Ġazālī (450-505/1058-1111) und seine Rekonzeptualisierung von maqāṣid aš-šarī ‘ah und maṣlaḥa
- Al-Ġazālīs Theologie in Uṣul al-figh
- Substantive maṣlaḥa: Der Zweck des Gesetzes
- Rangordnung unter den maqāṣid.
- Verfahrens(rechtlich)orientierte maşlaḥa: Tauglichkeit (Eignung) und Relevanz
- Einschränkungen
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Entwicklung und Rekonzeptualisierung von Maqāṣid aš-šarī ah (Zwecke, Ziele, Intentionen und Absichten der Scharia) und maṣlaḥa (Gemeinwohl) bei den beiden bedeutenden muslimischen Gelehrten Imām al-Ḥaramayn al-Ġuwaynī und Imām Abū Ḥāmid al-Ġazālī. Die Arbeit untersucht die beiden Gelehrten und ihre Ansichten zu den Themen der maqāṣid aš-šarī ah und maṣlaḥa, wobei insbesondere auf al-Ġuwaynīs Fünfermodell und al-Ġazālīs Rekonzeptualisierung dieser Konzepte eingegangen wird. Dabei werden die theoretischen Diskussionen der islamischen Rechtsphilosophie beleuchtet, die mit der Fragestellung verbunden sind, welche Ziele die Scharia zu erreichen beabsichtigt und ob die festgelegten Urteile im Koran oder Sunnah wortlautgetreu angewendet werden müssen.
- Entwicklung von maqāṣid aš-šarī ah und maṣlaḥa
- Al-Ġuwaynīs Fünfermodell
- Al-Ġazālīs Rekonzeptualisierung von maqāṣid aš-šarī ah und maṣlaḥa
- Die Rolle von maqāṣid aš-šarī ah in der Rechtsfindung
- Die Anwendung von maqāṣid aš-šarī ah und maṣlaḥa in zeitgenössischen Rechtsfragen
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Diese Einleitung stellt das Thema der Arbeit vor und erläutert die Bedeutung von Maqāṣid aš-šarī ah und maṣlaḥa für die islamische Rechtsphilosophie.
- Die Erläuterung/Erklärung der Fachbegriffe: Dieses Kapitel definiert und erklärt wichtige Fachbegriffe wie Maqāṣid aš-šarī ah, Istiṣlāḥ, Al-Istiḥsān, Maşlaḥa, und Ad-Darūriyyāt al-ḥamsa. Diese Definitionen bilden die Grundlage für die weitere Diskussion der Arbeit.
- Imām al-Ḥaramayn al-Ġuwaynī (gest. 478/1085): Dieses Kapitel stellt Imām al-Ḥaramayn al-Ġuwaynī und seine Ansichten zu Maqāṣid aš-šarī ah vor. Es behandelt insbesondere al-Ġuwaynīs Fünfermodell, das eine systematische Kategorisierung der Ziele der Scharia darstellt.
- Abū Hāmid al-Ġazālī (450-505/1058-1111) und seine Rekonzeptualisierung von maqāṣid aš-šarī ‘ah und maṣlaḥa: Dieses Kapitel beleuchtet die Ansichten von Imām Abū Ḥāmid al-Ġazālī, einem wichtigen Nachfolger von al-Ġuwaynī. Al-Ġazālīs Rekonzeptualisierung von Maqāṣid aš-šarī ah und maṣlaḥa wird in Bezug auf seine Theologie in Uṣul al-figh, substantive maṣlaḥa, Rangordnung unter den maqāṣid, verfahrensrechtlich orientierte maṣlaḥa und Einschränkungen untersucht.
Schlüsselwörter
Maqāṣid aš-šarī ah, maṣlaḥa, al-Ġuwaynī, al-Ġazālī, Uṣūl al-figh, islamisches Recht, Rechtsphilosophie, Gerechtigkeit, Gemeinwohl, Scharia, Koran, Sunna, Interpretation, Analogie, Rechtsquellen, Fünfermodell, Rekonzeptualisierung, Ziele, Intentionen, Zwecke.
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- Eniz Brkić (Autor), 2021, Maqāṣid aš-šarīʿah und maṣlaḥa bei al-Ǧuwaynī und al-Ġazālī. Die Ansichten der beiden Gelehrten, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1430809