Neuromarketing. Wer entscheidet was wir kaufen?

Eine grundlagenorientierte Marketinganalyse mit Praxisbeispielen zur Anwendung


Dossier / Travail, 2008

29 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Vorwort

1 Einleitung

2 Grundlagenforschung
2.1 Die Geschichte des Neuromarketing
2.2 Die Konsumentenforschung
2.2.1 Der psychologische Aspekt
2.2.2 Der sozio-demographische Aspekt
2.2.3 Der physiologische Aspekt

3 Die Methoden des Neuromarketings

4 Die Ziele des Neuromarketing

5 Neuromarketing in der Praxis bei Marken
5.1 Das Ford-VW-Phänomen
5.2 Pepsi vs. Coca-Cola
5.3 Einsatz von Neuromarketing

6 Kritik am Neuromarketing

7 Auswertung und Empfehlung

8 Kritische Würdigung

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Verzeichnis der Anhänge

Zusammenfassung

Der vorliegende Bericht entstand im Rahmen des Hauptstudiums an der Fontys Internationale Hogeschool Economie (im Weiteren Verlauf auch kurz FIHE genannt) im Minor Learning Arrangement MLA07 „Individual Learning Arrangement“ und war Teil der Fortführung der Minoren Marketing, Branding und International Business Management. Er beinhaltet die Be- handlung des Themas „Neuromarketing“ in Bezug auf die moderne Konsumentenforschung, erläutert die Methoden und Ziele der neuen Thematik und gibt Anwendungsmöglichkeiten aus der Praxis. Des Weiteren bietet der vorliegende Bericht eine kritische Hinterfragung des Neuromarkting sowie abschließend eine Auswertung und allgemeine Empfehlung bezüglich der Anwendungsmöglichkeiten.

Neuromarketing basiert auf der im letzten Jahrhundert erstmals erprobten Konsumentenfor- schung und ergänzt die sozioökonomischen und psychischen Aspekte mit den physischen Variablen. Dabei ist es seit wenigen Jahren möglich, mit Hilfe spezieller neurologischer Ge- räte aus dem Bereich der Medizin, bestimmte Vorgänge im Gehirn zu analysieren und so Rückschlüsse auf die emotional beeinflussten Entscheidungsvorgänge zu geben. Die Ent- scheidungen sind hierbei abhängig von verschiedenen Faktoren aus äußeren, aber auch inne- ren Einflüssen der Personen. Jedoch können diese Faktoren durch besondere Anwendungen des Marketings beeinflusst werden, wie beispielsweise der Werbung. Das Ziel von Neuro- marketing ist dabei, neben der Erforschung von Markenabhängigkeit der Konsumenten, die Verbesserung von Werbemaßnahmen, sodass eine höhere Effizienz von Werbung erzielt wird. Kritiker hingegen sehen dagegen eine Gefahr in der Neuroökonomie, da diese befürch- ten, dass der Konsument in Zukunft von den Unternehmen beeinflusst werden wird und zum gläsernen Kunden mit Kaufkontrolle wird.

Die bisherigen Resultate und Forschungsergebnisse geben allerdings Rückschlüsse auf be- stimmte Experimente und markenbezogene Versuche und verdeutlichen die Abhängigkeit der Konsumenten von bestimmten Produkten und deren Marken. So bevorzugen Probanden eine spezielle Marke im Vergleich zu einer anderen, weil die Verwendung dieser Marke Zufrie- denheit oder auch Selbstwertgefühle in den Entscheidungs- und auch in den Gefühlszonen des Gehirns vermittelt.

Empfehlenswert ist demnach besonders bei existierenden Substituten oder konkurrierenden Produkten mit höheren Absätzen eine Analyse der produktbezogenen Gefühle verschiedener Probanden, um auf diesem Weg die eigene Marke aufbessern zu können. Zusätzlich sollten durch neurologische Untersuchungen verschiedene Verpackungstypen getestet werden, um neue Zielgruppen für das bestehende Produkt zu gewinnen. Da heutzutage bereits mehr Sinne als nur der visuelle angesprochen werden, könnten neue Verpackungstypen in Zukunft geruchsorientierte Konsumenten anwerben. Explizite Kontrollen einzelner Testpersonen sind bisher jedoch noch nicht möglich und es bleibt abzuwarten, welchen Einfluss die Unternehmen in Zukunft auf die Konsumenten haben werden.

Allerdings sind sämtliche Ergebnisse der Neuroökonomie auch kritisch zu betrachten. Die Möglichkeiten sind groß, jedoch können die heutigen neurologischen Methoden noch keine einwandfreien Ergebnisse liefern. Viele Auswertungen basieren vorwiegend auf Interpretati- on und Einschätzungen der jeweiligen Forscher. Zudem können nur geringe Anzahlen von Probanden getestet werden, was die Tauglichkeit am Markt einschränkt. Nicht zuletzt ist Neuromarketing auch ein eher junges, unbekanntes Gebiet, als dass es bereits marktreif ist.

Vorwort

Der Erfolg einer Marke am Markt basiert auf vielen verschiedenen Faktoren, allen voran der prinzipiellen Kaufbereitschaft potentieller Konsumenten des entsprechenden Produktes. Die Hintergründe des Kaufes können dabei individuell bei jeder Person variieren und unterschei- den sich stark in der Verwendung und dem persönlichen Nutzen. Hinzu kommt die Tatsache, dass es heutzutage beinahe kein Produkt mehr ohne direkten Konkurrenten gibt, was bei er- folgreichen Produkten zusätzliche Wettbewerber anzieht. Kopierte Marken aus dem Ausland, günstigere Substitute oder besser beworbene Artikel erschweren zusätzlich die Integration am Markt. Aus diesem Grund bewirbt jedes erfolgreiche Unternehmen die eigenen Produkte und investiert jährlich Millionen Euro um bestehen zu können. Dabei erhoffen sich diese Firmen stets in aktuellen Forschungen Möglichkeiten zu finden, günstiger und effizienter werben zu können. Mit einer neuen Studie über die neuronalen Zusammenhänge der Kaufentscheidun- gen versuchen nun Unternehmen, die Kontrolle über den Konsumenten zu gewinnen.

Der vorliegende Bericht geht dabei mit dem Thema „Neuromarketing - Wer entscheidet was wir kaufen?“ auf ein neues Teilgebiet der Konsumenten- und Marktforschung ein und beantwortet die Frage, inwiefern der Konsument bereits beeinflusst wird und welche Möglichkeiten in Zukunft noch offen sind.

Gerichtet ist der vorliegende Bericht an die Studenten und Dozenten des Studienganges International Marketing bzw. Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing Wirtschaftsuniversitäten und Hochschulen mit dieser Orientierung sowie weiteren themenverbundenen Instituten und an alle Interessierten der Themen Marketing, Neurologie, Konsumentenforschung oder Neuromarketing.

3. April 2008 Marcel Kubon

1 Einleitung

Studien haben ergeben, dass etwa 92 Prozent aller neu eingeführten Marken bereits innerhalb kürzester Zeit am Markt scheitern (vgl. Steiner 2008), etwa durch Fehlpositionierung, große Konkurrenz oder das Desinteresse des potentiellen Kunden. Und um die bereits bestehenden Produkte auch ausreichend zu bewerben, investieren Unternehmen aus aller Welt jedes Jahr mehrere Milliarden Euro um Umsätze zu steigern oder wenigstens beibehalten zu können.

Allein in Deutschland betrug das Werbepensum im Jahr 2006 auf über 30 Milliarden Euro (vgl. Verband Deutscher Zeitschriftenverleger 2007), wovon alleine 2,71 Mrd. in die Wer- bung des immer weiter wachsenden World Wide Webs gingen (vgl. Kaspring 2007). Geht man dabei nach Henry Fords Aussage, dass die Hälfte aller Werbegelder verschwendet wird, so ergibt sich eine Summe, die dem Bruttoinlandsprodukt eines Kleinstaates gleich kommt.

Es ist somit selbstverständlich, dass Unternehmen immer versuchen werden gezielter und effizienter werben zu können, um auf diesem Weg Gelder einzusparen. In den letzten Jahren gab es dazu bereits viele verschiedene Ansätze und die meisten führten zur Kundendiagnose und Analyse der Käuferpsychologien, auch Konsumentenforschung genannt. Bereits 1902 beschrieb der französische Sozialspychologe Gabriel Tarde in seinem Werk „La psychologie economique“ in Ansätzen die Entscheidungen der Konsumenten bei Käufen und die Abhän- gigkeit von unterschiedlichen Reizen und Variablen (vgl. Tarde 1902). Im Laufe der letzten Jahre stiegen jedoch insbesondere durch das Fernsehen die Anwendungen von visuellen und auditiven Reizungen auf den Kunden, was schließlich zu Irritationen und Unschlüssigkeit durch einen zu hohen Informationsfluss führte, besser bekannt als „Information Overload“. Seit wenigen Jahren wurde im Marketing allerdings ein neuer Weg eingeschlagen. Hat man bisher noch den Konsumenten erforscht und befragt, will man sich nun direkt an den Ent- scheider eines jeden Menschen wenden - das Gehirn. Die Methoden dafür wurden aus dem neuronalen Gebiet der Medizin übernommen, denn durch die Tomographie kann man so heutzutage beinahe in den Kopf der Käufer sehen. Dabei messen Geräte die Blutströme und Hirnreaktionen in bestimmten Situationen, zum Beispiel auch beim Anblick von bekannten Marken oder Produkten (vgl. Deutsches Medizin-Netz 2006). Ziel dieser Analysen ist es, die Entscheidungskriterien der Menschen akribisch bestimmen zu können, umso in Zukunft alle Werbemaßnahmen oder die Produkte selber genau anpassen zu können. Enorme Werbesum- men könnten eingespart werden, wenn die Botschaften von nun an auch immer die richtigen Personen erreichen würden. Allerdings zieht diese neue Form des Marketings auch die Kriti- ker an. Denn viele Punkte sprechen gegen diese Analysen, in erster Linie moralische und ethische Aspekte wie die Nutzung von medizinischen Geräten gegen ihren Zweck und für ein fragwürdiges Ziel. Sollte das Neuromarketing tatsächlich Erfolge herbeiführen, könnte so möglicherweise bald der freie Wille der Käufer umgangen werden und Unternehmen könnten bestimmen, wann und was die Kunden kaufen.

Der vorliegende Bericht fasst die zusammenhängenden Aspekte auf und bietet zunächst in Kapitel 2 eine Voruntersuchung des Themas in Bezug auf die allgemeine Marktforschung, um einen Einstieg in das Thema Neuromarketing zu geben. Anschließend werden in Kapitel 3 die neurologischen Methoden der Forscher verdeutlicht. Kapitel 4 gibt Aufschluss über den Hintergrund der neuen Forschung und ergänzt das Thema im folgenden Kapitel mit praktischen Beispielen. Kapitel 5 hinterfragt hingegen die Neuroökonomie kritisch. Abschließend werden in zwei Kapiteln eine Auswertung und Empfehlung sowie eine kritische Würdigung des vorliegenden Berichtes gegeben.

2 Grundlagenforschung

Um das neue Gebiet der Konsumentenforschung möglichst genau beschreiben zu können, bedarf es weitläufiger Informationen aus anderen, verwandten Bereichen. Essenziell ist dabei ein gewisses Maß an Basiswissen aus der Neurologie, jedoch zusätzlich auch bestimmten Parts der allgemeinen Konsumentenforschung und des Marketings. Das Forschen mit Neu- romarketing benötigt nämlich, entgegen weitläufiger Meinungen, nicht nur Informationen aus dem Wissensbereich der Anatomie und Neurologie, sondern auch diverse psychologische Variable und soziale Aspekte aus anderen Wissenschaften. Das vorliegende Kapitel erläutert diese Grundlagen, welche das wissenschaftliche Fundament des Neuromarketing bilden.

2.1 Die Geschichte des Neuromarketing

Neuromarketing ist ein noch relativ junges Themengebiet im Bereich der Konsumentenforschung. Es setzt sich, wie dem Namen zu entnehmen ist, aus den Bereichen Marketing, insbesondere der Marktforschung und Konsumverhalten, und einem Teilgebiet der Neurologie zusammen. Der Fokus der neurologischen Basis liegt dabei auf der Informationsaufnahme und -verarbeitung im Gehirn und dadurch erfolgten Reaktionen.

Auch wenn Neuromarketing zwar als neues Gebiet bezeichnet wird, so wurde bereits vor Jahrzehnten durch die weiterentwickelten psychologischen Ansätze bezüglich der Verhaltens- forschung von Menschen der Grundstein für die Konsumentenforschung der Moderne gelegt. Durch verschiedene Analysemethoden, die auch heute noch für viele Forschungen im Marke- tingbereich relevant sind, konnte man Reize und ihre Wirkungen betrachten und erklären. Das erste bekannte Modell in dieser Art wurde sogar schon 1898 beschrieben und besagt, dass Kaufentscheidungen durch Aufmerksamkeit, Interesse, Wunsch und Aktionen ausgelöst werden (vgl. o.V., ProvenModels 2008). Diese frühen Modelle wurden jedoch nur durch die Theorie und ohne weiterführende Analysen geschaffen und verloren bald ihre Wirkung. An- fang des letzten Jahrhunderts wurde die Psyche von potentiellen Kunden dann weiter auf ver- schiedene Aktionen und Reize aufgeteilt, so im S-O-R Modell von Robert Woodworth im Jahr 1929. Stimuli bzw. Reize wirken auf einen Organismus ein und eine Reaktion ist die Konsequenz. Es handelt sich dabei um eine Prinzipdarstellung, bei der das Kommunikations- verhalten der Umwelt Auswirkungen auf die inneren Prozesse und damit auf die Entschei- dungen hat (vgl. Arora 1982, S. 505-516) . Ausschlaggebend ist hierbei, dass diese inneren Prozesse durch Werbemaßnahmen beeinflusst werden können und den Entscheidungsprozes- sen vorgelagert sind (vgl. Runia, Peter u.a. 2007, S. 22-24). Bis heute wurde das Modell wei- ter ausgeführt und verbessert, soziodemographische, psychologische, verhaltensorientierte und geographische Aspekte wurden genauer betrachtet (vgl. Anhang 1: Das erweiterte S-O- R-Modell), jedoch ist die Grundlage unverändert geblieben.

In den letzten Jahren wurden viele dieser Modelle angewandt und verbessert, doch keines konnte bestimmende Aspekte bei Entscheidungen so genau voraussagen, dass Produkte im- mer den gleichen Reiz beim Kunden zum Kauf ausführten. So konnte auch bei einem eigent- lich sicheren Kauf trotzdem noch eine Entscheidungsänderung des Kunden auftreten oder bei einfachen Situationen unlogische Entscheidungen entstehen. Entgegen allen rationalen As- pekten wurden darum schon Trotzkäufe getätigt, Produkte nach über 20 Jahren Verwendung einfach gewechselt und Angebote wahrgenommen, bloß weil Rabatte ausgeschrieben waren (vgl. o.V., Quarks & Co 2008).

Durch die Fortbildung in der Medizin in den letzten Jahren kam es aber auch zum Um- schwung in der Werbebranche. Konnte man bisher nur erklären, wann und bei welchen Ak- tionen ein Kunde eine Entscheidung trifft, ist es durch medizinische Geräte seit einigen Jah- ren auch möglich diese Entscheidungen zu begründen. Das sicherste Mittel waren bislang Umfragen und Marktforschungen, jedoch tauchten auch hier Fehler auf. So antwortete der Befragte zum Beispiel nicht immer wahrheitsgemäß oder war sich selbst nicht sicher, was seine Antworten unbrauchbar gemacht hat. Das Ziel der Neuroökonomie bzw. speziell des Neuromarketings liegt nun darin, diese Informationen wertefrei und unverfälscht zu erhalten. Durch verschiedene Methoden ist es mittlerweile möglich, Gehirnaktivitäten zu ermitteln, Zentren von Gedanken im Kopf festzustellen und Augenbewegungen bei Werbungen und Einkäufen zu nutzen. Im vorliegenden Bericht werden in Kapitel 3 die bekanntesten Metho- den erläutert und die Zusammenhänge zu den physiologischen Variablen dargelegt.

2.2 Die Konsumentenforschung

Die klassische Konsumentenforschung beschäftigte sich schon früh des letzten Jahrhunderts mit den Zusammenhängen der Entscheidungen des potentiellen Kunden bei Produkten. Dabei müssen viele unterschiedliche Aspekte, die möglicherweise Einfluss auf die Entscheidungen haben, einbezogen werden. Das vorliegende Kapitel befasst sich mit den drei Klassen der Aspekte und reflektiert, in welchem Zusammenhang sie zur Entscheidungstätigkeit beitragen.

2.2.1 Der psychologische Aspekt

Grundlegend werden alle Entscheidungen auf rationaler Ebene mit belegbaren Erkenntnissen getroffen. Diese Entscheidungen sind jedoch von vielen Kriterien abhängig, denn nicht alle Entschlüsse werden durch Abwägen von Vor- und Nachteilen getroffen. Die meisten von ihnen werden unterbewusst durch Emotionen, Wertevorstellungen, Motive oder persönliche Einstellungen beeinflusst, außerdem wirken auch Life-Style und Präferenzen auf diese Ent- schlüsse ein. Dabei gab es in der Konsumentenpsychologie viele Ansätze, um ein Schema dieser Entscheidungen zugunsten vom Produktmanagement darlegen zu können. Das in Kapi- tel 2.1 erwähnte S-O-Modell beschreibt detailliert, wie die Umwelt auf die Entschlüsse ein- wirkt. Die physische wie auch die soziale Umwelt stellen dabei die Grundlage dar, während die Medienumwelt durch TV, Radio und andere Werbemittel als Zusätzliches einwirkt. Die- ser Rahmen gibt dabei die Bedingungen, unter denen die Person die Entscheidungen trifft. Zusammen mit den eigenen Wertevorstellungen und Emotionen kommt es zur Kaufwahl und Markenwahl eines bestimmten Produktes. Während man den Rahmen gut bestimmen kann, z.B. durch ausgewählte Fernsehwerbung, sind die inneren Werte der Person nicht direkt oder nur bedingt beeinflussbar. Dennoch gibt es Kategorisierungsversuche, um ein näheres Bild der Konsumenten hinsichtlich ihrer Wertevorstellungen zu bekommen. Die sogenannte Lim- bic Map von Hans-Georg Häusel (vgl. Abbildung 1 - Die Limbic Map) teilt bestimmte Ten- denzen von Personen in die Kategorien Stimulanz, Dominanz und Balance ein. Während Stimulanz Offenheit und Abwechslung verkörpert, bedeutet Dominanz die Überlegenheit anderen gegenüber und den Wunsch sich durchzusetzen. Die Balance symbolisiert die Stabi- lität und Ausgewogenheit (vgl. Westermann 2007, S. 9). Durch diese Kategorien, bei denen die ausgewählten einzelnen Eigenschaften von jeder Person selbst gewählt werden können, kann man sechs Gruppen hinsichtlich ihrer Motivations- und Emotionslage erstellen (vgl. Westermann 2007, S. 9f):

Balance (Sicherheit, Bindung, Qualität, Zuverlässigkeit) Kontrolle (Disziplin, Perfektion, Effizienz, Logik) Dominanz (Durchsetzung, Leistung, Macht, Status) Abenteuer (Regelbruch, Risikobereitschaft, Mut)

Stimulanz (Neugier, Innovation, Kreativität, Individualität, Glücksspiel) Offenheit (Toleranz, Phantasie, Flexibilität, Fürsorge)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 - Die Limbic Map; Quelle: Häusel 2005

Mit Hilfe dieser Kategorisierungen werden Zielgruppen gemäß ihrer Wünsche definiert und Werbekampagnen ausgerichtet. Der Mobilfunkanbieter O2 beispielsweise bat Probanden und Kunden wünschenswerte oder bestehende Eigenschaften von O2 auf der Limbic Map auszu- wählen (vgl. o.V., Focus Medialine, 2007). Durch dieses System entstand ein Bild, bei dem die Marke O2 mit Abenteuer und Mut, aber auch mit Extravaganz und Kreativität verbunden wird. In folgenden Werbekreationen wurden so verstärkt Freiheit, Mut und Ungewöhnlichkeit vermittelt. Dazu wurden zwei Internetwerbebanner entworfen: das eine bezog sich auf den Weltraum, das andere auf Snowboarden. Im Vergleich mit vorhergegangen Bannern lag die Klick-Rate um 22% bzw. beim Snowboard-Modell um 43% höher als üblich. Den Erfolg begründet O2 mit einer authentischen Werbekampagne, die auf den Nutzer zugeschnitten ist (vgl. o.V., Focus Medialine, 2007).

2.2.2 Der sozio-demographische Aspekt

So genannte sozial-demographische Faktoren können die Bevölkerung eines Landes in Grup- pen mit Gemeinsamkeiten hinsichtlich ihrer Herkunft, dem Geschlecht, dem Alter, dem Ein- kommen und der Bildung unterteilen. Das Sinus-Sociovisions-Institut hat für Deutschland 2001 die bekannteste Unterteilung veröffentlicht. Dabei werden zehn Milieus zugrunde ge- legt, in die sich generell jeder Einwohner einteilen lässt. Durch fließende Grenzen können Personen übergreifende Eigenschaften und Werte besitzen, Tendenzen in bestimmte Richtun- gen lassen sich dennoch erkennen (vgl. Sinus-Sociovision 2006, S.8). Die Unterteilungen sind von Unter- bis Oberschicht und von traditionell bis modern in je drei Kategorien einge- teilt. Der Vorteil dieses Modells gegenüber klassischen Modellen, die bis in die 90er aktuell waren, ist dass erstmals offene Grenzen vorhanden sind und keine strikten Unterteilungen. So kann auch jemand mit guter Bildung ein geringes Einkommen besitzen oder jemand mit ho- hem Alter sehr modern sein. Des Weiteren ist damit die mit dem Schichtenmodell aus den 60ern verbundene Problematik hinsichtlich der Dreiteilung in Ober-, Mittel- und Unterschicht ausgebessert. Diese teilte stets nach Einkommen und Vermögen ein, konnte aber in der Marktforschung aufgrund fehlender Präferenzanalysen nie konkret eingesetzt werden (vgl. Laubach, o.J., S. 1).

Mit diesen Einteilungen können nun Themengebiete und Zielgruppen analysiert werden. Für die „Modernen Performer“ beispielsweise besteht aus einer jungen, unkonventionellen Leis- tungselite mit dem Sinn für die moderne Unterhaltungstechnik, während die „Traditionsver- wurzelten“ die sicherheits- und ordnungsliebenden Einwohner sind, oftmals Mitbürger älterer Generationen (vgl. Sinus-Sociovision 2006, S.12). Da dieses Modell je nach Land und Kultur unterschiedlich zu gestalten ist, ist es zwar auf der einen Seite ein recht genaues Instrument zur Veranschaulichung der Tendenzen bei den Konsumenten, zum anderen ein sehr umständ- liches, da es regelmäßig aktualisiert und erneuert werden muss. Für Deutschland wurde so 2007 ein eigenständiges Modell für Migranten entwickelt, um auch hier traditionsbewusste von hedonistischen Einwohnern abzugrenzen (vgl. Sinus-Sociovision 2007, S. 1).

Abgesehen vom Sinus-Modell gibt es weitere Einteilungen, die sich mit der sozialen oder geographischen Kategorisierung befassen. Das A.C. Nielsen Institut aus Frankfurt hat dabei geografische Einteilungen von Deutschland mit Rücksicht auf gemeinsame kulturelle Gege- benheiten vorgenommen (vgl. A.C. Nielsen GmbH 2008, S. 1-3). Acht dieser Gebiete unter- teilen das Land in einzelne Regionen, in denen theoretisch ein gleicher Marketing-Mix ver- wendet werden kann, ohne dass soziale Differenzen Auswirkungen auf die Werbung haben sollen.

2.2.3 Der physiologische Aspekt

Neben den psychologischen und sozio-demographischen Faktoren spielt der physiologische Aspekt eine enorme Rolle bei der Kaufwahl. Das Zentrum aller Entscheidungen ist dabei das Gehirn, welches auch die Grundlage der psychologischen Faktoren ist. Obwohl es gerade einmal etwa zwei Prozent der Körpermasse ausmacht, verbraucht es bei starken Denkaufga- ben bis zu 20% der vom Körper aufgebrachten Energie (vgl. Anhang 2: Energieverbrauch des Gehirns), was einen Hinweis auf das enorme Involvement, der Einbindung in die Abwägung von Alternativen, geben kann (vgl. Palu 2008, S. 56). Dabei arbeitet es nicht so rational wie meistens erhofft, denn auch beim Abwägen klarer Vor- und Nachteile greifen Emotionen aus einzelnen Hirnarealen über und beeinflussen das Gesamtbild. Man spricht hierbei auch vom Bewusstsein, dem Veto des Unterbewussten, das den freien Willen beeinflussen kann. Neu- rophysiologen besagen, dass nur 0,0004 Prozent aller aufgenommen Informationen aktiv von uns bearbeitet werden können, der Rest wird automatisch, unterbewusst übernommen (vgl. Schön 09/2007, S. 17). Diese Programmierung von Verhalten führt dazu, dass Entscheidun- gen schon oft feststehen, bevor uns dieser bewusst sind. In einem Test wurden Probanden mit einem EEG verbunden und sollten zu einem beliebigen Zeitpunkt die rechte Hand bewegen. Die Aufzeichnungen ergaben, dass das motorische Zentrum im Gehirn schon vor der Aktion erhöhte Aktivität zeigte, es war also schneller (vgl. Schön 09/2007, S. 17f). Ziel der Neuro- marketer ist es daher, dieses programmierte Verhalten nutzbar zu machen und so den „Kauf- Knopf“ zu entdecken. Durch zahlreiche Tests hat man mittlerweile die verantwortlichen Re- gionen der einzelnen Entscheidungsetappen ermittelt. Als erstes und auch als eines der wich- tigsten Elemente in Bezug auf Markenwiedererkennung im Gehirn, tritt der so genannte Amygdala (vgl. vgl. Schön 09/2007, S. 14f), der Mandelkern, in Erscheinung (vgl. Anhang 3: Der Denkprozess im Gehirn). Sämtliche Eindrücke, die verarbeitet werden sollen, werden hier bewertet und analysiert. Er ist neben dem Auslösen von Angstzuständen für das Wiede- rerkennen von Situationen verantwortlich und damit Bestandteil des emotionalen Netzwerkes (vgl. Luthi, u.a., 2005, S. 119ff). Über weitere Areale gelangt der Eindruck zum Hippocam- pus, dem Erinnerungszentrum. Evolutionär betrachtet ist es eines der ältesten Teile des Ge- hirns und taucht darum in jedem Säugetier oder verwandten Lebensform auf. Neurologen sprechen deshalb auf vom „alten Gehirn“ oder „Old Brain“ (vgl. Renvoisé, u.a., 2007, S. 6). Es ist zusammen mit dem präfrontalen Cortex Teil des exekutiven Systems des Körpers, den Entscheidungsträgern sozusagen, während die äußeren, evolutionär betrachtet neuen Gebiete für rationales Handeln und mittlere Teile für Emotionen verantwortlich sind (vgl. Renvoisé, Patrick u.a., 2007, S. 5-9). Das alte Gehirn sprechen dabei lediglich sechs Stimuli an: Egois- mus, Widersätze, konkrete Vorgaben, Visualisierungen, Anfänge und Enden von Situationen und schließlich Emotionen (vgl. Renvoisé, u.a., 2007, S. 11-24).

Werbeforscher haben bereits vor Jahrzehnten unbewusst einige dieser Stimuli entdeckt und für Werbemaßnahmen verwendet. So wurden die Kontraste und Widersätze zur besseren Verdeutlichung genutzt und Personen in Werbeanzeigen persönlich angesprochen, um das Eigeninteresse zu wecken. Dennoch haben Analysen ergeben, dass etwa 30% aller Kaufentscheidungen von Emotionen beeinflusst werden (vgl. Häusel 2005, S. 3). Diese Erkenntnis lässt Rückschlüsse auf Markentreue geben, denn ein Konsument, welcher emotional mit seiner Marke verbunden ist, kauft dieses Produkt auch öfters.

Um des Weiteren das unterbewusste Beeinflussen durch äußere Reize zu analysieren, wurden einige Versuche unternommen, die auch Veränderungen am Verkaufsort, den Supermärkten der Zukunft, auslösten. Es wird immer mehr auf zusätzliche, beiläufige Reize eingegangen wie Hören, Fühlen oder Riechen (vgl. Uplawski, o.J., S. 6-17). Ruhige Musik vermittelt in Einkaufsstätten ein Gefühl der Geborgenheit und Käufer halten sich länger im Markt auf, Teppiche anstelle von Betonböden fließen in die Haptik ein und lassen Konsumenten lang- samer an Regalen entlang gehen und besondere Düfte bewirken unterbewusste Reaktionen, die durch den Hippocampus bewertet werden. Ein Experiment bezüglich des Dufts von Putzmitteln wurde in den letzten Jahren wiederholt durchgeführt (vgl. Schön 09/2007, S. 18f). Dabei wurden Probanden in zwei Gruppen gespalten und ließ sie in einem Raum Wort- tests durchführen oder Scrabble, ein Brettspiel bei dem aus zufällig gezogenen Buchstaben Wörter gelegt werden müssen, spielen. Während die eine Gruppe als Durchschnittsmaß galt, befand sich in den Räumen der anderen Gruppe ohne deren Wissen Putzmittel in Eimern. Der ausströmende Duft beeinflusste dabei ihre Auswahl der Wörter: es wurden überdurchschnitt- lich viele sauberkeitsbezogene Wörter bei dem Spiel gelegt wie „Wasser“ oder „Reinlichkeit“ und anstelle von „sauer“ legte man „sauber“. Bei den Worttests verlief das Ergebnis ver- gleichbar. Auch hier schnitten die Probanden auf der Suche nach Wörtern zum Thema Sau- berkeit deutlich besser ab. Anschließend räumten in beiden Tests die Versuchspersonen aus den manipulierten Räumen ohne Aufforderung ihren Platz bzw. das Spiel auf und verließen den Raum. Unterbewusst hatten sie also längst das Putzmittel registriert und so auch darauf reagiert (vgl. Schön 09/2007, S. 19f).

3 Die Methoden des Neuromarketings

Während sich die Psychologie mit den verhaltensbezogenen Aspekten auseinander setzt, müssen Forscher beim Neuromarketing die Vorgänge im Kopf selber untersuchen. Erst durch moderne Techniken war es möglich, dass verschiedene Formen von Gehirnaktivitäten geprüft werden können. Grundlage dieser anwendbaren Techniken ist im Neuromarketing die Bedin- gung, dass die Techniken sowohl leicht einsetzbar sein sollten, als auch problemlos und komplikationsfrei am Probanden verwendbar. Einige Methoden bedienen sich jedoch prob- lematischer Zusätze wie radioaktive Kontrastmittel oder operativer Eingriffe am freien Or- gan. Aus diesem Grund basieren die meisten Erkenntnisse für das Marketing auf den harmlo- seren Methoden der modernen Neurologie. Im vorliegenden Kapitel werden die für das Neu- romarketing wichtigsten Techniken hinsichtlich der Verwendbarkeit der Technik und der Qualität der Ergebnisse erläutert.

Die älteste bekannte Methode zur Analyse von Aktivitätsvorgängen im Gehirn ist die soge- nannte Elektroenzephalografie (im Folgenden kurz: EEG). Diese beruht auf der Analyse elektromagnetischer Spannungswechsel im Gehirn. Dabei werden paarweise 16 bis 20 Elekt- ronen auf der Kopfhaut platziert und spezielle Geräte messen dabei die Aktivitäten, die bei Reizungen stattfinden (Vgl. Gruber 2007). Das EEG wurde 1929 erstmals vorgestellt und wurde ursprünglich verwendet, um heraus zu finden, wie bestimmte Hirnareale aktiv werden. Aufgrund der Ungenauigkeit älterer Instrumente erlaubt es jedoch keine detaillierten Erkenn- tnisse über Spannungswechsel, die über die Hirnunterseite hinaus gehen (Vgl. Lächer, o.J.). Somit ist es für Analysen über das „Old Brain“, dem Entscheidungsträger, nahezu unbrauch- bar und wird daher vorwiegend für emotionale Bestimmungen und Teste mit Reizen verwen- det.

Im Gegensatz zum EEG werden bei der moderneren Methode der Magnetenzephalografie (im Folgenden kurz: MEG) die magneti- schen Felder zwischen den Nervenzellen lokalisiert und zugeord- net. Das Resultat ist eine genauere Messung bezüglich der Ge- hirnaktivitäten innerhalb der Großhirnrinde. Da das Gerät zusätz- lich um den gesamten Schädel des Probanden fixiert ist, kann es dreidimensional messen und daher in tiefere Areale eindringen, unter anderem dem Amygdala oder den Cortexen, welche am Entscheidungsfluss im Kopf wichtige Rollen einnehmen (Vgl. o.V., Ärzte-Zeitung 2004). Momentan verfügt die Universitäts- klinik Münster über eines der modernsten MEG-Geräte, welches,

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2 - MEG eines Gehirns Quelle: Ärzte-Zeitung 2004

wie Abb. 2 gezeigt, detailierte Angaben über einzelne Areale machen kann.

Die Positronen-Emissions-Tomographie, auch PET-Methode genannt, ist zugleich eine der genauesten als auch eine der umstrittensten Methoden. Grund dafür sind schwach radioaktiv- markierte Stoffe, die dem Probanden injiziert werden. Diese haften sich an einen Stoff, der am Stoffwechsel beteiligt ist, z.B. Sauerstoff oder Zucker. Durch Detektoren können Compu- ter mit den Messdaten über die Aktivitäten Bilder errechnen und somit aktive von inaktiven Arealen unterschieden werden. Trotz der guten räumlichen Auflösung wird es auf Grund der Injektion und deren Nebenwirkungen nur selten durchgeführt (Vgl. o.V., Medizin-Netz, 2006).

[...]

Fin de l'extrait de 29 pages

Résumé des informations

Titre
Neuromarketing. Wer entscheidet was wir kaufen?
Sous-titre
Eine grundlagenorientierte Marketinganalyse mit Praxisbeispielen zur Anwendung
Université
Fontys University of Applied Sciences Venlo
Note
1,7
Auteur
Année
2008
Pages
29
N° de catalogue
V143097
ISBN (ebook)
9783640523191
ISBN (Livre)
9783640522217
Taille d'un fichier
892 KB
Langue
allemand
Mots clés
marketing, neuromarketing, neuologie, kaufverhalten, käuferpsychologie, fontys, entscheidet, kaufen, neuropsyche, kaufsteuerung, neuro marketing, neuro
Citation du texte
Marcel Kubon (Auteur), 2008, Neuromarketing. Wer entscheidet was wir kaufen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143097

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