Die Zeit der letzten argentinischen Militärdiktatur mit einer geschätzten Opferzahl von
30.000 Menschen stellt ein einschneidendes Ereignis in der argentinischen Geschichte
dar. Daher ist es interessant zu sehen, wie die Geschichte jener Jahre heute im
Bewusstsein der Gesellschaft verankert ist.
Mit Hilfe der Analyse verschiedener Erinnerungsorte als Teil der Gedächtnislandschaft
Argentiniens soll festgestellt werden, ob und in welchem Maße die Diktatur von 1976
bis 1983 im Bewusstsein der Gesellschaft ist, wie und vor allem was erinnert wird. Gibt
es ein kulturelles Gedächtnis, einen Konsens darüber, was erinnernswert ist? Welche
unterschiedlichen Formen und Medien gibt es, um zu erinnern und ist der Begriff
Erinnerungsmedium vielleicht passender als der Terminus Erinnerungsort?
I.2 Methodik
In dieser Arbeit sollen nun verschiedene Formen des Erinnerns anhand unterschiedlicher
Erinnerungsorte beziehungsweise -medien untersucht werden. Es wird geprüft, ob und
in welcher Hinsicht heutzutage in Argentinien an die letzte Militärdiktatur erinnert wird.
Es werden authentische sowie konkrete Erinnerungsorte, aber auch
Erinnerungspraktiken sowie ein Film und das Internet näher betrachtet.
Erinnerungsorte müssen nicht unbedingt konkrete Orte, wie beispielsweise ein
Gedenkort oder ein Mahnmal sein. Sie können auch Konstrukte sein, die zum Erinnern
anregen beziehungsweise durch deren Hilfe erinnert wird, wie z.B.: Gedenktage,
Nationalflaggen, Nationalhymnen etc. Ob das Internet heutzutage eventuell auch als
Erinnerungsort fungieren kann, ist eine berechtigte Frage, der ebenfalls nachgegangen
wird. Denn bei der aktuellen Bedeutung der Gedächtnisthematik spielt auch die
technologische Revolution des Computerzeitalters mit der Entwicklung und
Durchsetzung neuer Speicher- und Kommunikationsmedien eine Rolle.
Bei der Thematik des Gedächtnisses und der Erinnerung handelt es sich um ein
interdisziplinäres Phänomen, das in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einem
Leitbegriff der Kulturwissenschaften geworden ist. Interdisziplinär heißt, dass
verschiedene Forschungsbereiche in Interaktion treten können beziehungsweise sogar
müssen. Hier interagieren Sozial-, Geistes-, und Naturwissenschaften. An der Erforschung des Zusammenhangs zwischen Gedächtnis und Kultur sind ...
Inhaltsverzeichnis
- I Einleitung
- I.1 Motivation und Fragestellung
- I.2 Methodik
- I.3 Forschungsstand
- I.4 Aufbau der Arbeit
- II Erinnern nach der Diktatur in Argentinien
- II.1 Erinnerung und Gedächtnis
- II.1.1 Geschichte der Gedächtnistheorien
- II.1.1.a) Friedrich Nietzsche und das Vergessen
- II.1.1.b) Sigmund Freud und das Verdrängen
- II.1.1.c) Maurice Halbwachs und das kollektive Gedächtnis
- II.1.1.d) Aby Warburg und Richard Semon
- II.1.1.e) Pierre Nora und die französischen Gedächtnisorte
- II.1.1.f) Die vier Gedächtnisformationen nach Aleida Assmann
- II.1.1.g) Zusammenfassung
- II.1.2 Erinnerung
- II.1.3 Vergessen
- II.1.4 Gedächtnis und Identität
- II.1.5 Geschichte und Gedächtnis
- II.2 Diktatur und Diktaturbewältigung
- II.2.1 Charakteristika einer Diktatur
- II.2.2 Die argentinische Diktatur
- II.2.3 Diktaturüberwindung und Vergangenheitsbewältigung
- II.2.4 Die Vergangenheitspolitik Argentiniens
- II.3 Erinnerungsorte in Argentinien
- II.3.1 Erinnerungsorte
- II.3.1.a) Von französischen und deutschen Erinnerungsorten
- II.3.1.b) Erinnerungsorte und Gedächtnismedien
- II.3.1.c) Erinnerung in Argentinien
- II.3.2 Konkrete Erinnerungsorte
- II.3.2.a) Der Parque de la Memoria
- II.3.2.b) Die Centros Clandestinos de Detención und der Club Atlético
- II.3.3 Argentinische Menschenrechtsorganisationen und deren Erinnerungspraktiken
- II.3.3.a) Die Proteste der Madres de Plaza de Mayo
- II.3.3.b) Die Escraches der H.I.J.O.S.
- II.3.4 Film: Junta (Garage Olimpo)
- II.3.4.a) Technische Daten
- II.3.4.b) Kurze Inhaltsangabe
- II.3.4.c) Hauptdarsteller
- II.3.4.d) Zeit und Erzählstruktur
- II.3.4.e) Kamera
- II.3.4.f) Musik und Ton
- II.3.4.g) Darstellung des historischen Kontextes
- II.3.4.h) Garage Olimpo - ein Erinnerungsmedium?
- II.3.5 Das Internet - ein kulturelles Gedächtnismedium der letzten argentinischen Militärdiktatur?
- II.3.5.a) Das World Wide Web
- II.3.5.b) Das Internet – ein kulturelles Gedächtnismedium?
- II.3.5.c) Die Internetpräsenz der argentinischen Erinnerungskultur
- Analyse der Geschichte und Entwicklung von Gedächtnistheorien
- Untersuchung der spezifischen Charakteristika von Diktaturen und deren Bewältigung
- Bedeutung von Erinnerungsorten in der argentinischen Gesellschaft
- Rolle von Film und Internet als Medien zur Erinnerung und Geschichtsbewältigung
- Untersuchung der Erinnerungspraktiken argentinischer Menschenrechtsorganisationen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit „Erinnern nach der Diktatur. Das Beispiel Argentinien“ untersucht die nachhaltige Prägung der argentinischen Gesellschaft durch die letzte Militärdiktatur von 1976 bis 1983. Die Arbeit konzentriert sich auf die Frage, wie die Geschichte dieser Jahre im Bewusstsein der argentinischen Gesellschaft verankert ist und welche Formen des Erinnerns es gibt.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die Motivation, Fragestellung und Methodik der Arbeit sowie den Forschungsstand darlegt. Anschließend widmet sich das zweite Kapitel dem komplexen Verhältnis von Erinnerung und Gedächtnis, indem es verschiedene Gedächtnistheorien und deren Bedeutung im Kontext der argentinischen Geschichte beleuchtet. Dabei werden insbesondere die Werke von Friedrich Nietzsche, Sigmund Freud, Maurice Halbwachs, Aby Warburg, Pierre Nora und Aleida Assmann analysiert. Das Kapitel beleuchtet auch die Rolle von Erinnerung und Vergessen für die nationale Identität und die Konstruktion von Geschichte.
Kapitel drei befasst sich mit dem Thema Diktatur und Diktaturbewältigung. Es werden die Merkmale von Diktaturen im Allgemeinen und der argentinischen Diktatur im Besonderen untersucht. Außerdem analysiert das Kapitel die Mechanismen der Diktaturüberwindung und Vergangenheitsbewältigung und beleuchtet die spezifische Vergangenheitspolitik Argentiniens.
Im vierten Kapitel werden verschiedene Erinnerungsorte in Argentinien im Kontext der Diktatur betrachtet. Neben konkreten Orten wie dem Parque de la Memoria und den Centros Clandestinos de Detención werden auch die Rolle von Menschenrechtsorganisationen wie den Madres de Plaza de Mayo und den H.I.J.O.S. untersucht. Außerdem wird der Film „Junta (Garage Olimpo)“ als Erinnerungsmedium analysiert. Darüber hinaus wird untersucht, ob das Internet als kulturelles Gedächtnismedium der letzten argentinischen Militärdiktatur dienen kann.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den zentralen Themen Erinnerungskultur, Gedächtnis, Diktaturbewältigung, Erinnerungsorte, Menschenrechte, Film und Internet in Argentinien. Die wichtigsten Forschungsschwerpunkte sind die Analyse der argentinischen Erinnerungskultur im Kontext der letzten Militärdiktatur, die Bedeutung verschiedener Medien für die Erinnerung an die Diktatur sowie die Rolle von Menschenrechtsorganisationen in der Bewältigung der Vergangenheit.
- Citar trabajo
- Melanie Schwarzlose (Autor), 2009, Erinnern nach der Diktatur, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143187