Mit den „glücklichen Augen“ Mirandas bezieht sich Ingeborg Bachmann in sensibelster aber ebenso ironischer Art und Weise auf eines der ältesten Symbole der Menschheit. In ihrem letzten Erzählband, Simultan, errichtet die Schriftstellerin befremdlich alltägliche Lebens-und Überlebensstrategien, die Sprachlosigkeit und, wie in Mirandas Fall, auch Wirklichkeitsverweigerung imaginieren. Bachmann offeriert verschiedene Blickwinkel und negiert diese gleichermaßen als illusionär und trügerisch, sind sie doch nicht mehr als das, was im Auge des Betrachters liegt.
In meinen nun folgenden Ausführungen will ich mich gemeinsam mit dem Rezipienten zunächst in die Augenmotivik einfühlen. Da das Motiv des nach innen und nach außen gerichteten Auges für die Erzählung von prioritärem Stellenwert sein wird. Ingeborg Bachmann lässt das traumatische Bild eines lauernden Fremden ständig über ihren Protagonistinnen schweben, dieses Fremde wird selten greif- oder - auch nur fassbar. Bei Miranda wird es nicht nur zum Orientierungs- und Identitätsverlust führen, Miranda wird ihre Seele gegen eine schön gemalte Welt tauschen, wie ich in den folgenden Kapiteln aufzeigen werde.
Wie alle Texte von Ingeborg Bachmann überlagern sich auch in „Ihr glücklichen Augen“ Zeit-und Wirklichkeitsebenen, es wird immer schwieriger bis zu unmöglich für den Rezipienten Bezüge herzustellen und doch scheint allein die Augensymbolik unendlich viele Türen zu öffnen. Ingeborg Bachmann ver- und entführt in ein Text-Labyrinth, welches bereits im Buchstaben beginnt und dennoch ist sie sich der Hilflosigkeit der Sprache sehr bewusst und führt diese ironisch ad absurdum. Wie die Protagonistin schon bemerkte: „Zerrsichtigkeit […], das ist ärger als Blindsein.“
Miranda bewegt sich durch ein Wirklichkeits-schluckendes Spiegelkabinett, welches außerhalb des sprachlichen Labyrinthes unzählig viele weitere Labyrinthe erschafft und einen imaginierten Metasinn vervielfältigt, verzerrt und entstellt. Angesichts einer solchen Maschinerie musste sich meine Arbeit auf einige wenige Kernpunkte reduzieren, mit denen sie innerhalb dieses Pensums nicht mehr sein kann als ein Wegweiser zu „glücklichen Augen“ in einer labyrinthisch verspiegelten Scherbenwelt Ingeborg Bachmanns.
Inhaltsverzeichnis
- Prolog
- 1. Symbolik des Auges: Eine Einführung
- 2. „Augenruhe\": Über selbst auferlegtes Blickverbot, Wirklichkeitsverweigerung und wie man sich Menschen malt
- 3. „Die Welt ist schwarz geworden“: Über Identitätslosigkeit und den Verlust der Seele
- Epilog
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Bedeutung der Augenmotivik in Ingeborg Bachmanns Erzählung „Ihr glücklichen Augen“ aus ihrem Erzählband „Simultan“. Der Fokus liegt auf der Analyse, wie die Augen als Verdrängungsmechanismus dienen und zu einer verzerrten Wahrnehmung der Realität beitragen.
- Die Symbolik des Auges in Literatur und Kunst
- Die Rolle des Auges als Instrument der Wahrnehmung und Interpretation
- Die Auswirkungen von Augenruhe und Blickverweigerung auf die Identität und die Konstruktion der Wirklichkeit
- Der Zusammenhang zwischen Sehstörungen und psychischen Zuständen
- Die Verwendung von Metaphern und Symbolen zur Veranschaulichung der Thematik
Zusammenfassung der Kapitel
- Prolog: Einleitung in das Thema der Augenmotivik in „Ihr glücklichen Augen“ und die Rolle des Auges als Verdrängungsmechanismus.
- 1. Symbolik des Auges: Eine Einführung: Eine kurze Auseinandersetzung mit der Geschichte und Bedeutung des Auges als Symbol in verschiedenen Kulturen und Kontexten.
- 2. „Augenruhe\": Über selbst auferlegtes Blickverbot, Wirklichkeitsverweigerung und wie man sich Menschen malt: Analyse von Mirandas Sehstörung und ihrer Auswirkungen auf ihre Wahrnehmung der Welt.
Schlüsselwörter
Augenmotivik, Verdrängungsmechanismus, Ingeborg Bachmann, „Ihr glücklichen Augen“, Simultan, Wahrnehmung, Realität, Sehstörung, Identität, Symbol, Metapher, Psychologische Analyse.
- Arbeit zitieren
- Julia Kulewatz (Autor:in), 2009, Augen(un)ruhe – Augenmotivik als Verdrängungsmechanismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143202