[...] Der Dezentralisierungsprozess ist gekennzeichnet durch zum Teil beachtliche
Fortschritte in der Gesetzgebung, worauf allerdings oft eine mangelhafte oder
schleppende politische Umsetzung dieser Gesetze folgte. Der Prozess der
Umwandlung des italienischen Staates war und bleibt also weiter politisch schwierig
und unübersichtlich. Es stellt sich die Frage, warum es in Italien seit nun fast zwanzig Jahren eine
dezentrale Entwicklung gibt und wodurch diese ausgelöst und befördert wurde.
Zudem ist es interessant zu betrachten, wo der Weg hinführt, ist die
Dezentralisierungspolitik lediglich eine pragmatische Regionalisierungspolitik oder
soll am Ende ein Föderalstaat stehen? Eine Besonderheit in Italien stellen die fünf
Regionen mit Sonderstatus dar. Die Autonomie dieser Regionen geht soweit, dass
die Zusammenarbeit zwischen dem Staat und diesen Regionen zu einem Verhältnis
führt, das eher auf Gleichrangigkeit als auf Hierarchie basiert und daher an das
System völkerrechtlicher Beziehungen zwischen Staaten erinnert, wodurch folglich
Asymmetrien zwischen diesen und normalen Regionen entstehen (vgl. Zwilling,
2008, S. 344). Im Rahmen dieser Arbeit soll dies allerdings nur am Rande erwähnt
sein, hauptsächlich werden die Entwicklungen zwischen dem Zentralstaat und den
15 Regionen mit Normalstatut betrachtet, da die fortschreitende Dezentralisierung
vor allem diese betrifft.
Zunächst wird betrachtet, welches die Auslöser und Beweggründe für den
Dezentralisierungsprozess ab Beginn der 1990er Jahre waren. Darauf folgend
werden die wichtigsten Reformschritte bis zur großen Verfassungsreform von 2001
dargestellt und dies reformierte Verfassung daraufhin überprüft, ob sie die zentralen Merkmale einer föderalen Ordnung enthält. Schließlich wird die Umsetzung der
Verfassungsreform im Kontext zur politischen Entwicklung in der Zeit ab 2001
betrachtet um schließlich die Hindernisse aufgezeigt, die dem
Dezentralisierungsprozess im Wege stehen.
Schließlich wird aus diesen Erkenntnissen die Frage erörtert, ob der
Dezentralisierungsprozess zu einem Bundesstaat Italien geführt hat
beziehungsweise in absehbarer zu einem solchen führen kann und was die
Hauptvoraussetzung für solch eine Entwicklung wäre.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Auslöser für den Dezentralisierungsprozess
- Fortschreitender Europäischer Integrationsprozess
- Zusammenbruch der italienischen Parteienlandschaft
- Gesellschaftlicher Wandel
- Ineffizienter Zentralstaat
- Verstärkter Nord-Süd Konflikt
- Dezentralisierung in der öffentlichen Debatte
- Regionalisierung als Modernisierung
- Erste Schritte der Reformen
- Reform des Wahlrechts
- Einfachgesetzliche Reformen ab 1996
- Die Verfassungsreform von 1999 und 2001
- Mindestanforderungen an Bundesstaatlichkeit
- Territoriale Einheiten und Entscheidungskompetenzen
- Finanzielle Eigenständigkeit
- Teilhabe am Willensbildungsprozess
- Entwicklung nach 2001
- Scheitern der Reform der Reform
- Schleppende Umsetzung der Reform von 2001
- Gründe für den schwierigen Umsetzungsprozess
- Gespannte politische Lage
- Streitigkeiten vor dem Verfassungsgericht
- Mangelnde Reformbereitschaft der „normalen“ Regionen
- Regionen mit Sonderstatut beharren auf Status quo
- Vergleich mit bundesstaatlichen Mindestanforderungen
- Unzureichende finanzielle Eigenständigkeit
- Vernachlässigung der Umsetzung der Eigenständigkeit
- Schwache Einbindung am Entscheidungsprozess
- Italiens weiter Weg zur Föderation
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht den Dezentralisierungsprozess in Italien seit Beginn der 1990er Jahre. Sie analysiert die Auslöser und Gründe für diese Entwicklung, stellt die wichtigsten Reformschritte und die Verfassungsreform von 2001 dar, und beleuchtet die Umsetzung dieser Reform im Kontext der politischen Entwicklungen seit 2001.
- Auslöser und Gründe für den Dezentralisierungsprozess in Italien
- Die wichtigsten Reformschritte und die Verfassungsreform von 2001
- Die Umsetzung der Verfassungsreform im Kontext der politischen Entwicklungen seit 2001
- Hindernisse, die dem Dezentralisierungsprozess im Wege stehen
- Die Frage, ob der Dezentralisierungsprozess zu einem Bundesstaat Italien geführt hat oder in absehbarer Zeit zu einem solchen führen kann.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die Auslöser und Beweggründe für den Dezentralisierungsprozess in Italien ab Beginn der 1990er Jahre. Es geht auf den fortschreitenden europäischen Integrationsprozess, den Zusammenbruch der italienischen Parteienlandschaft, den gesellschaftlichen Wandel, die Ineffizienz des Zentralstaates, den verstärkten Nord-Süd-Konflikt und die Dezentralisierung in der öffentlichen Debatte ein.
Kapitel zwei behandelt die wichtigsten Reformschritte, die bis zur großen Verfassungsreform von 2001 durchgeführt wurden. Es beschreibt die Reform des Wahlrechts, die einfachgesetzlichen Reformen ab 1996 und die Verfassungsreform von 1999 und 2001.
Kapitel drei befasst sich mit den Mindestanforderungen an Bundesstaatlichkeit, wie sie in der reformierten Verfassung von 2001 verankert sind. Es analysiert die territorialen Einheiten und Entscheidungskompetenzen, die finanzielle Eigenständigkeit und die Teilhabe am Willensbildungsprozess.
Kapitel vier betrachtet die Entwicklung nach 2001 und beleuchtet das Scheitern der Reform der Reform und die schleppende Umsetzung der Reform von 2001.
Kapitel fünf erörtert die Gründe für den schwierigen Umsetzungsprozess der Dezentralisierung. Es untersucht die gespannte politische Lage, Streitigkeiten vor dem Verfassungsgericht, die mangelnde Reformbereitschaft der „normalen“ Regionen und die Tatsache, dass Regionen mit Sonderstatut am Status quo festhalten.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themen Dezentralisierung, Föderalismus, Italien, Verfassungsreform, Regionalisierung, politische Entwicklung, Umsetzungsprozesse, Mindestanforderungen an Bundesstaatlichkeit, finanzielle Eigenständigkeit, politische Lage, und die besonderen Herausforderungen der Regionen mit Sonderstatut.
- Citation du texte
- Reinhard Humplmair (Auteur), 2008, Der steinige Weg weg von Rom – führt die Dezentralisierung Italiens hin zu einem Bundesstaat?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143286