Schreibhilfen im Studium

Prozessorientierte Vermittlung akademischer Schreibkompetenz im Rahmen des Peer Tutoring


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

30 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einführung in die Thematik

2 Schreiben an der Hochschule
2.1 Der Status Quo an den Hochschulen
2.2 Schreib-Probleme und Ihre Ursachen
2.3 Folgen von Schreib-Problemen

3 Prozessorientierte Schreibberatung
3.1 Schreiben als Prozess
3.2 Prozessorientiertes Peer Tutoring
3.2.1 Idee und Ursprung des Peer-Tutoring
3.2.2 Peer-Tutoring in der Praxis

4 Zusammenfassung und Ausblick

5 Literaturverzeichnis

1 Einführung in die Thematik

Universität ist ohne Forschung und Wissenschaft nicht denkbar, Wissenschaft wiederum nicht machbar ohne geschriebene Texte. Auch beruflicher Alltag ist nicht möglich ohne Schreib-Kompetenz in einer von Schrift dominierten Gesellschaft. Diese Tatsache führt dazu, dass ein Studium ohne das Erlernen von Schreibkompetenzen auch nicht denkbar ist. Daraus folgt zwangsläufig: Wer nicht schreiben kann, ist nicht in der Lage ein Studium zu vollbringen.

Akademisches Schreiben ist stark an das Erlernen von selbstständigem und kritischem Denken gekoppelt. Aber nicht nur im akademischen Bereich sondern in vielen Lebens- und Arbeitsbereichen ist das Schreiben eine wichtige Schlüsselqualifikation. „Schreiben heißt, Wissen zur Sprache zu bringen. [...] Das Schreiben im Studium ist ein Trainingsfeld für selbstständiges und kritisches Denken.“[1] Das Erlernen des selbstständigen und kritischen Denkens und Schreibens ist eines der wichtigsten Lernziele der Universität und somit wegweisend für die berufliche Zukunft des Akademikers.

Das Schreiben gehört seit der Humboldschen Universitätsreform fest zur universitären Lehre. Es ist damit eine der Schlüsselkompetenzen, die den Weg zum Wissen öffnen. Erwerben Studenten diese Kompetenz nicht in ausreichendem Maße, wird der Weg durch das Studium beschwerlich.

In dieser Arbeit benutze ich den Begriff Schreibens in dem Sinn des akademischen und nicht dem des wissenschaftlichen Schreibens. Studierende nehmen noch nicht an den realen wissenschaftlichen Diskursen teil, da ihre Texte nicht veröffentlicht werden. Das akademische Schreiben stellt daher eher ein Übungsfeld für das wissenschaftliche Schreiben dar.

Das akademische Schreiben ist gerade für Studienanfänger eine große Herausforderung. Fragen wie: „Darf ich das so sagen?“, „Muss ich eine eigene These aufstellen?“, „Wie formuliere ich wissenschaftlich?“ sind unter Studierenden keine Seltenheit. Eine Orientierungslosigkeit scheint weit verbreitet und offenbar fehlen den meisten Studierenden die Grundlagen, um sich den Grundanforderungen akademischen Schreibens zu stellen. Die universitäre Abschlussarbeit stellt für viele Stundenten eine überaus große Hürde dar.

Vor dem Hintergrund der Relevanz von Schreibprozessen werde ich zunächst die Schreib-Schwierigkeiten der Studierenden eingrenzen und mögliche Ursachen und Folgen erörtern. Im zweiten Teil meiner Arbeit werde ich ein Konzept aufzeigen, das eine Lösungsmöglichkeit darstellt um akademische Schreibkompetenz im Rahmen eines Peer-Tutoring zu vermitteln. Dieses Konzept soll vor allem die Dozenten in ihrer Betreuungsfunktion entlasten. Im praktischen Teil werde ich stichprobenhaft Beispiele für bestimmte Übungen und Lösungsansätze besprechen.

2 Schreiben an der Hochschule

2.1 Der Status Quo an den Hochschulen

Wissenschaftliches Schreiben ist eine wichtige Schlüsselkompetenz für die Erlangung eines Hochschulabschlusses. Dennoch wird die Vermittlung dieser Grundtechnik nicht adressiert.

Nur an wenigen Hochschulen Schreibzentren gibt es Anlaufstellen, die Studierenden mit Schreibproblemen eine Hilfe sind. Es gibt zwar die zentrale Studienberatung (Im Folgenden mit ZSB abgekürzt), aber diese kann weder auf individuelle Probleme der Studierenden eingehen, noch sie längerfristig intensiv betreuen. Darüber hinaus sind die Berater der ZSB nicht hinreichend genug ausgebildet um eine qualifizierte Schreibberatung durchzuführen.

Auch in den Einführungsseminaren zu Anfang eines Studiums geht es meist um die fachlichen Inhalte, das Handwerkszeug des Schreibens wird allenfalls tangiert. Die Vermittlung von Schreibkompetenz ist aber zu komplex als dass sie nebenher vermittelt werden könnte.

Es gibt auch keine Seminare, die sich ausschließlich oder überwiegend der Vermittlung von akademischer Schreibkompetenz widmen, Seminare werden meist nur zu fachlichen Inhalten angeboten.

Den Dozenten kommt zwar offiziell die Pflicht zu, den Studierenden mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. In Zeiten von überfüllten Studiengängen und fehlenden finanziellen Mitteln ist es jedoch unmöglich, den Massen an Studierenden gerecht zu werden. Die Aufgaben der Dozenten sind vielfältig, neben der Lehre steht auch die Forschung, mit allen damit verbundenen administrativen Tätigkeiten, im Vordergrund. Eine prozessorientierte Betreuung der Studierenden seitens der Dozenten wäre also zu arbeitsintensiv und nicht leistbar.

In früheren Zeiten, als das Studium noch länger dauerte hatten Studierende einen längeren Zeitraum zum Studium zur Verfügung. So konnte mit der Methode wie das sog. Trial & Error (Versuch und Irrtum) gearbeitet werden. Das ist mit der heute kurz berechneten Studienzeit nicht vereinbar. Darüber hinaus unterliegen viele Studierende dem Druck der Noten, sie können sich den Irrtum einer schlechten Note nicht leisten. Denn nunmehr fließen alle modulabschließenden Aufgaben (z.B. die Hausarbeiten) mit der Note in die Endnote ein.

Dieser Bewertungsdruck gepaart mit dem Zeitdruck wirkt sich auf eine langsam fortschreitende Entwicklung von Schreibkompetenz negativ aus.

Aus den dargestellten Faktoren wird deutlich, dass die Studierenden hinsichtlich ihrer Basiskompetenz nicht hinreichend ausgebildet werden und es für sie nur wenige Möglichkeiten gibt, sich in diesem Bereich den Anforderungen gemäß weiterzubilden.

Das akademische Schreiben ist jedoch von entscheidender Wichtigkeit für den erfolgreichen Abschluss des Studiums. Daher wird die Forderung nach Anpassung der Kompetenzvermittlung an die realen Studienbedingungen laut.

Die Bedingungen der Schreibdidaktik müssen an die Studienbedingungen angepasst werden.

Um die Forderungen zu unterstreichen möchte ich im Folgenden zunächst ein Bild von den Schwierigkeiten zeichnen, die Studierende von heute haben.

2.2 Schreib-Probleme und Ihre Ursachen

Die universitäre Lehre entwickelte sich im 19. Jahrhundert weg von der Mündlichkeit hin zur Schriftlichkeit. Seit dieser so genannten Humboldschen Universitätsreform gehört das akademische Schreiben fest zur universitären Lehre.[2] Die Studenten sollten sich mit den Originalquellen des Faches auseinandersetzen und darauf aufbauende eigene Arbeiten verfassen. Da diese Form der Lehre große Erfolge erzielte, setzte sie sich langsam an allen Universitäten durch.[3]

Im Jahr 1999 wurde eine Umfrage an der Universität Siegen durchgeführt, die das akademische Schreiben betraf. Im Rahmen dieser Umfrage wurden 396 Studierende aus verschiedenen Studiengängen und Fächern bezüglich ihrer Schreib-Probleme befragt.[4] Das Resultat ist in der folgenden Tabelle dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Den meisten Studierenden fällt es laut dieser Umfrage schwer, das Thema einer wissenschaftlichen Arbeit zu formulieren und einzugrenzen. Dieser Auftrag steht ganz am Anfang eines Schreibprozesses[5].

Das Thema sollte den Schreibenden idealerweise interessieren und muss in den themenspezifischen Diskurs eingebunden und mit seiner Hilfe untermauert werden. Schon für diesen ersten Schritt müssen Studierende bereits relativ sicher mit Forschungsliteratur umgehen können. Um an geeignete Forschungsliteratur heranzukommen, muss man sich wiederum in der Bibliothek auskennen. Das ist nur ein Beispiel dafür, dass jedem Problem wiederum tiefer-liegende Probleme zugrunde liegen können.

Die Ursachen für die Probleme in der Themenfindung sind damit nicht eindeutig zuzuordnen, sondern können vielfältig sein.

Die Gliederung eines Textes wurde in der o.g. Umfrage als weitere große Problemsituation seitens der Studierenden geschildert. Um einen Text zu gliedern muss man sich immer wieder mit ihm auseinandersetzen. Auch ein Überblick über die entsprechende Forschung und Literatur muss gegeben sein. Da oft das Fachwissen nicht flächendeckend ist, fällt eine Gliederung schwer. Gepaart mit Zeitdruck stellt die Gliederung eine große Hürde dar.

Das Verfassen der Einleitung und des Schlusses lassen sich auf mangelndes Wissen bzgl. der Schreibtechnik zurückführen. Gerade hier kann eindeutig aufgezeigt werden, dass die Kenntnis von Grundlagentechniken bei der Abfassung der Einleitung und Abschluss helfen. Den Studierenden ist es meines Erachtens unbekannt, welche Inhalte sie in diesen Teilen der Arbeit notieren sollen. Gerade hier ist es ein leichtes mit wenigen Anleitungen und Übungen den Studenten Kompetenzen zu vermitteln.

Den Problemen im sprachlichen Ausdruck und der Argumentation liegen sicherlich viele Ursachen zu Grunde, sei es die von vielen Lehrern beklagte Lesefaulheit und damit einhergehende mangelnde Ausdrucksfähigkeit, als auch die zu geringen Übungs- und Anwendungsmöglichkeiten.

Meines Erachtens ist die Umfrage an der Universität Siegen repräsentativ auch für andere Universitäten und Studierende. In einer kurzen stichprobenhaften Überprüfung an Kommilitonen hat sich ein ähnliches Bild ergeben. Dies wäre jedoch wissenschaftlich zu überprüfen.

Otto Kruse und Eva-Maria Jakobs führen die Probleme der Studierenden in ihrem Artikel „Schreiben lehren an der Hochschule“[6] auf folgende Ursachen zurück:

1. Uninformiertheit und fehlende Vorbereitung auf die Schreibanforderungen im Studium.
2. fehlende Rückmeldung für wissenschaftliche Arbeiten
3. fehlendes Problembewusstsein über die Schwierigkeiten wissenschaftlichen Schreibens
4. fehlende Übung

Ich möchte die Punkte im folgenden aufgreifen und diese darstellen.

Die Uninformiertheit bzw. fehlende Vorbereitung auf die Schreibanforderungen im Studium kann man sowohl der Schule als auch der Universität zuschreiben. Die Facharbeit, die in der 12. Klasse geschrieben wird, ist eine der wenigen Vorbereitungen von schulischer Seite auf das wissenschaftliche bzw. akademische Schreiben. Die zu Beginn der Arbeit dargestellte Orientierungslosigkeit der Studienanfänger spricht jedoch dafür, dass diese Vorbereitung nicht ausreicht. Allgemeine Hochschulreife heißt also nicht, dass man alle grundlegenden Kompetenzen für ein Studium bereits erworben hat. Vielmehr muss ein Bewusstsein dafür entwickelt werden, dass die Vorbereitung auf die Schreibanforderungen die Aufgabe der Universität ist. Doch, wie zu zuvor bereits ausgeführt, sind an den Universitäten zu wenige Seminare und Anlaufstellen zu finden, die diese Vorbereitung in ihrer breiten Fächerung gewährleisten.

Die zweite Ursache die Kruse und Jakobs benennen ist die fehlende Rückmeldung für wissenschaftliches Arbeiten. Das lässt sich darauf zurückführen, dass es den Studierenden und Dozenten selbst überlassen ist, wie die Rückmeldung gestaltet wird. An den meisten Universitäten wird es so gehandhabt, dass den Dozenten die Vermittlung der Schreib-Kompetenzen aufgebürdet wird. Ganz zu schweigen von der zeitlichen Belastung, die die Dozenten unmöglich stemmen können, halte ich es nicht für ausreichend die akademischen Schreib-Kompetenzen nur im Rahmen von Sprechstunden der Dozenten zu vermitteln. Viele Studierende wollen eine detaillierte Rückmeldung nicht einfordern, obwohl genau diese Rückmeldung eine der wichtigsten Vorraussetzungen zu einem Lernprozess ist. Gerade die Überfüllung der Studiengänge wirkt sich negativ auf die Kapazitäten für individuelle Rückmeldungen aus. Wie schon zuvor ausgeführt, unterliegen die Dozenten einem hohen zeitlichen Druck, so dass eine ausführliche individuelle Beratung nur im Einzelfall möglich ist.

Darüber hinaus sehe ich auch in der Beziehung zwischen Dozent und Student Probleme hinsichtlich einer Beratung.

Da die Dozenten gleichzeitig die Rolle des Beratenden und die des Bewertenden übernehmen, unterliegen die Studierenden oft der Sorge, ihre mangelnde Schreibkompetenz zu offenbaren. Sie haben die Befürchtung, dass die Inhalte aus der Beratung mit in die Bewertung einfließen. Daher vermeiden Studenten Nachfragen und können so eine wichtige Rückmeldung, als Basis für die Weiterentwicklung ihrer Schreibkompetenz, nicht erhalten.

Weiterhin benennen Kruse und Jakobs das fehlende Problembewusstsein über die Schwierigkeiten wissenschaftlichen Schreibens. Weil es keine Angebote zum Erlernen des wissenschaftlichen Schreibens gibt, gehen vermutlicherweise viele Studierende davon aus, dass diese Kompetenz bereits vor Beginn des Studiums vorhanden sein muss. „Um erfolgreich eine Seminararbeit schreiben zu können, müssen viele Kompetenzen gleichzeitig ausgebildet sein bzw. werden.“[7] Schreibkompetenz kann und muss in verschiedene Teilkompetenzen unterteilt werden. Otto Kruse teilt Schreibkompetenz in 4 Dimensionen ein, anhand derer deutlich wird, wie komplex und schwierig gerade der Einstieg in das akademische Schreiben ist.

[...]


[1] Otto Kruse: Keine Angst vor dem leeren Blatt. Ohne Schreibblockaden durchs Studium. 12. völlig neu bearb. Auflage. Campus Verlag. Frankfurt/Main 2007. S. 21.

[2] Vgl. Otto Kruse: Keine Angst vor dem leeren Blatt. Ohne Schreibblockaden durchs Studium. Campus Verlag. Frankfurt/Main 2007. S. 17.

[3] Vgl. Otto Kruse: „Prozessorientierte Schreibdidaktik an der Hochschule.“ In: Kruse, Berger, Ulmi (Hg.): Prozessorientierte Schreibdidaktik. Schreibtraining für Schule, Studium und Beruf. Haupt Verlag. Bern, Stuttgart, Wien 2006. S. 152.

[4] Vgl. Audrey Francois: „Schlüsselkompetenz Schreiben. Ergebnisse einer Umfrage unter Siegener Studierenden.“ In: Siegener Institut für Sprachen im Beruf: SISIB-Schriftenreihe: Aktuell 3. Siegen 2000. S. 7.

[5] Auf den Begriff des Schreibprozesses werde ich im zweiten Teil der Arbeit näher eingehen.

[6] Vgl. Otto Kruse, Eva-Maria Jakobs: „Schreiben lehren an der Hochschule. Ein Überblick“ In: Otto Kruse/ Eva-Maria Jakobs/ Gabriela Ruhmann (Hg.): Schlüsselkompetenz Schreiben. Konzepte, Methoden, Projekte für Schreibberatung und Schreibdidaktik an der Hochschule. Luchterhand Verlag. Neuwied, Kriftel, Berlin 1999. S. 25.

[7] Otto Kruse: „Prozessorientierte Schreibdidaktik an der Hochschule.“ In: Kruse, Berger, Ulmi (Hg.): Prozessorientierte Schreibdidaktik. Schreibtraining für Schule, Studium und Beruf. Haupt Verlag. Bern, Stuttgart, Wien 2006. S. 154.

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Schreibhilfen im Studium
Untertitel
Prozessorientierte Vermittlung akademischer Schreibkompetenz im Rahmen des Peer Tutoring
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Veranstaltung
Wissenschaftliches Schreiben
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
30
Katalognummer
V143619
ISBN (eBook)
9783640543137
Dateigröße
584 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schreibhilfen, Studium, Prozessorientierte, Vermittlung, Schreibkompetenz, Rahmen, Peer, Tutoring
Arbeit zitieren
Vanessa Ruhrmann (Autor:in), 2009, Schreibhilfen im Studium, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143619

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