In der vorliegenden Masterarbeit wird untersucht, warum sich der Ukrainekrieg zu einem toxischen Krieg hoher Intensität, langer Dauer und großer Eskalationsgefahr entwickelt hat. Dies wird bei Nichtberücksichtigung anderer Variablen dadurch erklärt, dass der Ukrainekrieg ein interkultureller Konflikt im Sinne von Samuel P. Huntingtons Theorie des „Kampfs der Kulturen“ („Clash of Civilizations“) ist. Ein Konflikt ist diesem Ansatz zufolge interkulturell, wenn Konfliktparteien aus zwei unterschiedlichen Kulturkreisen aufeinandertreffen. Huntington kennt zwei Formen interkultureller Konflikte, die zu Kriegen eskalieren können: Bruchlinienkonflikte mit intensivem Identitätsbezug an den Grenzen zwischen Kulturkreisen und Kernstaatenkonflikte zwischen dominanten Mächten verschiedener Kulturkreise. Der Ukrainekrieg lässt sich der Arbeit zufolge nicht als Bruchlinienkonflikt bzw. -krieg einordnen, der sich an der Grenze zwischen zwei Kulturkreisen zwischen zwei Konfliktparteien, die unterschiedlichen Kulturkreisen angehören, abspielt, denn die Ukraine und Russland stehen sich kulturell zu nahe, auch wenn die Ukraine als orthodoxes Land westlicher beeinflusst ist als der orthodoxe Kernstaat Russland. Es wird jedoch aufgezeigt, dass bei erweiterter Betrachtungsweise, die die Unterstützer der Ukraine einbezieht, ein interkultureller Konflikt in Form eines Kernstaatenkonflikts vorliegt. Dieser wird indirekt und direkt ausgetragen hauptsächlich zwischen Russland und dem Kernstaat des Westens, den USA, denen sich fast die gesamte westliche Welt angeschlossen hat.
Daneben weist der Ukrainekrieg vor allem im Verhältnis zwischen Russland und der Ukraine einen starken Identitätsbezug auf, weil die Konfliktparteien auf kulturelle Gegenstände aus den Bereichen Religion, Sprache und Geschichte intensiv Bezug nehmen. Zum Nachweis wurden Politikerreden, aber auch aktuelle Publikationen und Medienberichterstattung über die Politiken beider Kriegsparteien ausgewertet. Am Schluss der Arbeit wird vor Interventionen des Westens in andere Kulturkreise und einer Eskalation der aktuellen kriegerischen Entwicklungen zu einem Dritten Weltkrieg gewarnt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung und Problemstellung
- 2. Forschungsstand
- 3. Theorie des interkulturellen Konflikts nach Huntington
- 3.1. Kulturkreise und Problematik interkultureller Konflikte
- 3.2. Ableitung der Hypothese und des empirischen Untersuchungsprogramms
- 4. Empirische Untersuchung: Einordnung und Erklärung des Ukrainekonflikts
- 4.1. Der Ukrainekonflikt als interkultureller Konflikt
- 4.1.1. Regionale Untersuchungsebene: Der Ukrainekonflikt als Bruchlinienkonflikt
- 4.1.1.1. Huntingtons Vorhersage des Ukrainekriegs
- 4.1.1.2. Überprüfung der interkulturellen Scheidung der Konfliktparteien
- 4.1.1.3. Der Ukrainekonflikt als identitätsbezogener Konflikt
- 4.1.2. Globale Untersuchungsebene: Der Ukrainekonflikt als Kernstaatenkonflikt
- 4.1.2.1. Verhalten der internationalen Staatenwelt
- 4.1.2.2. Konfliktbeteiligung von Kernstaaten
- 4.2. Der Ukrainekonflikt als toxischer Krieg
- 4.2.1. Intensität und Dauer
- 4.2.2. Eskalationsgefahr
- 4.3. Kausalität zwischen Interkulturalität und toxischer Ausprägung des Konflikts
- 4.3.1. Identitätsbezug
- 4.3.2. Kollektiver Hass
- 4.3.3. Rallying
- 4.3.4. Schwierigkeit der Verhandlungslösung
- 5. Fazit
- 5.1. Zusammenfassung der Ergebnisse
- 5.2. Kritik und Würdigung von Theorie, Hypothese und Quellen
- 5.3. Ausblick
- Die Theorie der Kulturkreise nach Huntington
- Die Anwendung der Theorie auf den Ukrainekonflikt
- Der Ukrainekrieg als interkultureller Konflikt
- Die Rolle von Identität und kollektivem Hass im Konflikt
- Die Eskalationsdynamik des Ukrainekriegs
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Masterarbeit analysiert Huntingtons „Clash of Civilizations“-Theorie im Kontext des Ukrainekriegs. Ziel ist es, die Anwendbarkeit der Theorie auf den aktuellen Konflikt zu untersuchen und deren Erklärungskraft im Hinblick auf die Eskalation des Krieges zu bewerten.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Problemstellung der Arbeit vor und erläutert die Relevanz der Untersuchung des Ukrainekriegs im Lichte von Huntingtons Theorie. Kapitel 2 gibt einen Überblick über den Forschungsstand zum Thema des interkulturellen Konflikts. Kapitel 3 analysiert Huntingtons Theorie, insbesondere die Definition von Kulturkreisen und die Problematik interkultureller Konflikte. Kapitel 4 untersucht empirisch die Einordnung und Erklärung des Ukrainekonflikts anhand von Huntingtons Theorie, sowohl auf regionaler als auch auf globaler Ebene. Dabei wird die Frage nach der Kausalität zwischen Interkulturalität und toxischer Ausprägung des Konflikts untersucht. Das Fazit fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und bietet eine kritische Würdigung der Theorie und des empirischen Vorgehens.
Schlüsselwörter
Ukrainekrieg, Huntington, Clash of Civilizations, Kulturkreis, Interkultureller Konflikt, Identität, Kollektiver Hass, Eskalation, Toxischer Krieg.
- Quote paper
- Burkhard von Grafenstein (Author), 2023, Huntingtons "Clash of Civilizations" und der Ukrainekrieg, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1437532