Werkanalyse zu: Maupassant - "Bel Ami", Zola - "Pot-Bouille", Barbey d'Aurevilly - "Les Diaboliques"


Rezension / Literaturbericht, 2009

12 Seiten


Leseprobe


In den beiden Romanen Bel-Ami von GUY DE MAUPASSANT und PotBouille von É ILE ZOLA trifft der Leser jeweils auf einen männlichen Protagonisten, der – um auf der Karriereleiter der Gesellschaft1

voranzukommen oder ganz einfach nur um seinen persönlichen Vorteil aus einer Situation ziehen zu können – die Frauen seiner Umgebung gleichsam wie ein Werkzeug benutzt und instrumentalisiert. Frauen spielen für Georges Duroy und Octave Mouret lediglich eine instrumentelle Rolle als Hilfsmittel und Wegbereiter zum persönlichen Erfolg. Eine eingehende und untersuchende Darstellung, wie die Autoren beider Werke ihr jeweiliges Frauenbild konstruieren, ist demnach angeraten und soll im Folgenden angestellt werden.

Der Karrieremensch Georges Duroy, personifizierter Inbegriff des bürgerlichen Parvenus, der skrupellos seinen persönlichen Aufstieg in der Pariser Gesellschaft betreibt, nutzt die Frauen sprichwörtlich aus. Er nimmt als Bilderbuch-Schürzenjäger die erotischen Abenteuer als

„notwendige Stufen auf der Karriereleiter in Kauf“2. Dementsprechend hater für die Frauen wenig persönliches Interesse, sie sind ihm egal und er hat keine Wertschätzung für sie. Er setzt bedenkenlos seinen ganzen Charme und seinen geschäftsmännischen Instinkt dafür ein, um über den Weg einflussreicher und wohlhabender Damen zu den Schalthebeln der Macht vorzudringen. So heiratet er nach dem Tode seines Chefs Walter, des Verlagschefs einer Zeitung, dessen Witwe Madeleine, um sich das Machtinstrument Presse zu sichern. Anschließend strengt er, nachdem er

Madeleine in flagranti beim Ehebruch erwischt hatte, obwohl er selbst mehrmals selbigen begangen hatte3, die Scheidung an und verführt wohlüberlegt deren Tochter um sich durch eine weitere Ehe das

Vermögen der Walters mittels Erbe zu sichern. Sein Spitzname Bel-Ami, der charmante Hausfreund, der Liebhaber eben, macht MAUPASSANT, in seiner pessimistischen Weltsicht und seinem negativen Sittenbild verhaftet, bezeichnenderweise zum Titel seines Buches. Im anonym- entpersonalisierten Großstadtgeschehen von Paris kann der ambitionierte Duroy so dank seiner kriminellen Energie seinen Aufstieg zielgerichtet betreiben und gelangt zu Macht, Ansehen und Einfluss.4 Damit ist Duroy

ein von MAUPASSANT scharfsichtig portraitierter Vertreter der korrupten Gesellschaft jener Epoche.

Die Darstellung der Frauen im Roman orientiert sich an DuroysAuffassung von ihnen als ledigliche Zweckobjekte, denen er in jedem Falleüberlegen ist. Herablassend betrachtet er die Damenwelt um sich herum,verführt nach Belieben, sieht nicht den Menschen sondern kalkuliert nur den Nutzen (und sei es im konkreten Falle auch nur das momentane körperliche Vergnügen), den er aus der jeweiligen Figur ziehen könnte.Das weibliche Wesen an sich ist ihm dabei völlig egal. Und er ist sich dessen bewusst, Duroy zelebriert für sich und in sich genau diese berechnende Überlegenheit seiner Person gegenüber den Frauen:

[…] tout en marchant avec une joie intime, la joie du succès sous toutes ses formes, la joie égoïste de l’homme adroit qui réussit, la joie subtile, faite de vanité flattée et de sensualité contente, que donne la tendresse des femmes.

Er sieht in seinem Gegenüber dann nicht den Menschen, er beurteilt die Person nach dem Äußeren, und zeigt sich dabei als egoistisch-sinnlicher Genießer, der einzig und allein an den körperlichen Freuden und Genüssen interessiert ist, die ihm die Frau zu bieten hat:

Il eut une surprise en la voyant, tant il la trouva belle e jeune.Elle était en toilette claire dont le corsage un peu fendu laissait deviner, sous une dentelle blonde, le soulèvement gras des seins. (…) il la jugea vraiment désirable.

Er nimmt die Faszination und den Reiz, den das Weibliche ausstrahlt, begierig in sich auf, er genießt beispielsweise die „émanations féminines“, allerdings achtet er dabei nicht den Menschen, Frauen sind für ihn wie Gegenstände mit einem momentanen Marktwert, der sich nach dem jeweiligen Nutzen berechnet. Sie sind für Georges Duroy etwas, an dem man sich nach Belieben bedienen kann ohne dass man sich irgend einer Verpflichtung hingeben müsste, und genauso sieht der Protagonist auch seine Umwelt, wofür bezeichnenderweise folgende herablassende Wahrnehmung Duroys bei einem Festbankett steht: „Presque toutes les banquettes étaient couvertes de femmes, (…)“5 Frauen sind überall, es gilt nun, sie zu ernten, Nutzen aus Ihnen zu ziehen, sie zu genießen und sich ihrer anschließend möglichst ohne große Probleme zu entledigen!

Ein ebenfalls nicht sehr positives Frauenbild entwirft ZOLA im Zehnten Roman seiner epochalen Familienchronik Les Rougon-Macquart, die einem umfassenden Sozialfresko gleicht. Hier wird ebenfalls dargestellt, wie der Protagonist Octave, anfangs vom gutsituierten Bürgertum des Hauses in der Rue Choiseul beeindruckt, zunehmend bemerkt6, dass alle Handlungen der Mitbewohner einzig und allein dem persönlichen Nutzen verpflichtet sind, und diese Einstellung übernimmt er schließlich auch.

Ob Ehe, Liebe, Freundschaft, politische Gesinnung oder familiäre Bindung: jede persönliche Beziehung wird utilitaristisch geregelt, jede persönliche Haltung von Geldinteressen bestimmt. Die Sucht nach Vorteil und Gewinn steuert das Verhalten der agierenden Figuren. (…) Ehe wird dabei zu einem Geschäft wie jedes andere, Liebe und menschliche Werte spielen dabei keine Rolle.7

Ebenso wie George Duroy instrumentalisiert Octave Mouret seine Umwelt ebenfalls und macht sie sich so zu Nutze, dass für ihn ein größtmöglicher Vorteil dabei herausspringt. Auf diese Weise macht er Karriere im Haus und schafft es von einem kleinen Angestellten zum wohlhabenden Geschäftsinhaber. Dabei nutzt ihm die Ehe mit der Witwe seines früheren Chefs, Frau Hédouin8: Keinesfalls liebt er diese Frau, aber sie und das Zweckbündnis mit ihr sind das „notwendige Übel“, um das zu erreichen, was Octave sich vorgenommen hat. Seine Ziele verfolgt er genauso hartnäckig wie Georges Duroy und dies tut er auch über die Grenze der Moralität hinweg, wovon später die Rede sein wird:

(…) une certitude profonde, absolue, lui venait d’avoir un jour Mme Hédouin, qui ferait sa fortune ; mais c’était une affaire de prudence, une longue tactique de galanterie, où se plaisait déjà son sens voluptueux de la femme. Comme il se rendormait, dressant des plans, se donnant six mois pour réussir, l’image de Marie Pichon avait achevé de calmer ses impatiences. Une femme pareille était très commode ; il suffisait d’allonger les bras, quand il la voulait, et elle ne lui coûtait pas un sou. (S. 136f.)

[...]


1 Aus Platzgründen wird, wenn das Zitat zu lang ist, nur auf die entsprechende Textpassage verwiesen!

2 Kindler Bd. 11, S. 360.

3 Der Ehebruch Madeleines ist für in also nur willkommende Gelegenheit, sich des Instrumentes Frau zu entledigen, nachdem er ausreichenden Nutzen aus ihr gezogen hatte.

4 Vgl. Kindler Bd. 11, S. 360: „Für Duroy sind die Zeitung und seine Amouren lediglich Mittel auf dem Wege zu Macht, Erfolg und Reichtum“.

5 Hervorhebung stets durch den Verf.

6 „(…) il regardait les murailles, comme vexé de ne pas avoir lu tout de suite au travers, derrière les faux marbres et le carton−pâte luisant de dorure.“ (S. 147)

7 Kindler Bd. 17, S. 1068.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Werkanalyse zu: Maupassant - "Bel Ami", Zola - "Pot-Bouille", Barbey d'Aurevilly - "Les Diaboliques"
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Romanisches Seminar)
Veranstaltung
Literaturwissenschaftliche Übung: Les courants du roman du XIXe siècle
Autor
Jahr
2009
Seiten
12
Katalognummer
V143967
ISBN (eBook)
9783640542390
ISBN (Buch)
9783640542666
Dateigröße
547 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zola, Maupassant, Barbey d'Aurevilly
Arbeit zitieren
Hendrik Keilhauer (Autor:in), 2009, Werkanalyse zu: Maupassant - "Bel Ami", Zola - "Pot-Bouille", Barbey d'Aurevilly - "Les Diaboliques", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143967

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