Die Rastafari-Bewegung und ihr Einfluss auf den internationalen Tourismus in Jamaica


Epreuve d'examen, 2008

71 Pages, Note: 1,5


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Fragestellung und Ziel der vorliegenden Arbeit

2. Methoden der Datengewinnung

3. Religionsgeographische Grundlagen
3.1 Die Rastafari-Bewegung
3.2 Marcus Garvey – Prophet der Rastas
3.3 Leonard P. Howell – der erste Rasta-Prediger
3.4 Afrikanische Diaspora, Äthiopismus und Panafrikanismus
3.5 Die zentralen Glaubensinhalte von Rastafari
3.6 Symbole und Rituale
3.7 Symbole
3.7.1 Dreadlocks
3.7.2 Sprache
3.7.3 Die Symbolik des Feuers
3.7.4 I-tal Food
3.7.5 Die Farben der Rastas
3.8 Rituale
3.8.1 Meditation
3.8.2 Die Bedeutung der Musik

4. Fallbeispiel Black River
4.1 Naturräumliche Einordnung
4.2 Kulturgeographische Merkmale und Struktur der Gemeinde

5. Das Rastafari-Phänomen als touristischer Anziehungspunkt in Black River
5.1 Bob Marley Birthday Week
5.2 Rastafari-Kunstmarkt
5.3 Peter Tosh Mausoleum
5.4 Bootstour mit einem Rastafari
5.5 Rent a Dread – „Miete einen Rasta“

6. Zusammenfassung und Ausblick

7. Literatur- und Quellenverzeichnis
7.1 Bibliographie
7.2 Internetquellen
7.3 Nachschlagewerke
7.4 CD´s

8. Verzeichnisse
8.1 Verzeichnis der Abbildungen
8.2 Verzeichnis der Tabellen

1. Fragestellung und Ziel der vorliegenden Arbeit

Aufgrund wachsenden Wohlstandes, explosionsartiger Motorisierung, zunehmender Verstädterung und einer damit einhergehenden Sehnsucht nach Erholung, steigt die Reiselust in den Industrieländern von Jahr zu Jahr.

„Im Jahr 2003 haben 691 Mio. Menschen andere Länder besucht und dabei 523 Mrd. US-Dollar ausgegeben“ (STEINECKE 2006, S.11).

Durch die Intensivierung des Flugverkehrs werden die Reiseziele ausgefallener und exotischer. In den letzten Jahren wurden sogar Fernreisen in Entwicklungsländer immer beliebter. Die Entwicklungsländer werden u.a. wegen der dort herrschenden Massenarbeitslosigkeit und Verelendung schnell wachsender Bevölkerungsteile dazu gezwungen, alle verfügbaren Ressourcen zur Überlebenssicherung einzusetzen (VORLAUFER 1996, S.1). „Zu diesen Ressourcen zählen auch für den Tourismus nutzbare Potentiale wie ein für die Reichen aus dem Norden angenehmes, warmes Klima, häufig von der modernen Zivilisation (oft scheinbar) noch nicht überformte, ökologisch intakte, unberührte Landschaften oder exotische Kulturen und Völker“ (VORLAUFER 1996, S.2).

Auch die Karibikinsel Jamaica verbucht Jahr für Jahr einen Anstieg an internationalen Touristen (vgl. Tab.1) - mit Ausnahme einer kurzen Schwächephase nach dem 11. September 2001. Zu Beginn der 80er Jahre haben in Jamaica die Deviseneinnahmen aus dem Tourismus (1980: 242 Mill. US-$) die Höhe der Abgaben aus dem Bauxit-Sektor erstmals übertroffen.[1]

Im Gegensatz zu den meisten anderen Karibik-Ländern wird der Tourismus in Jamaica über Hotels abgewickelt, die sich zu 90% in der Hand einheimischer Unternehmer befinden (GEWECKE 2007, S. 62). Diesen einheimischen Unternehmern ist es wichtig, ihr Personal aus der einheimischen Bevölkerung zu rekrutieren. Somit ist der Tourismus für Jamaica und seine Einwohner der wichtigste Wirtschaftszweig. Ob als Taxi-Fahrer, Souvenirhändler, Barkeeper, Tour-Guide oder Hotelangestellter – der Tourismus bringt Arbeit und somit Geld.

Tab. 1: Besucher in Jamaica 1975 – 2006 in Mio.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: eigener Entwurf; Werte entnommen von URL 1, URL 2 und Länderbericht Jamaica 1989)

Natürlich locken die bezaubernden, feinsandigen Strände, die reiche Flora und Fauna und die über das ganze Jahr sommerlichen Temperaturen viele Strandurlauber und All-Inclusive-Touristen auf die „island in the sun“. Doch eine nicht zu unterschätzende Menge der Touristen kommt als Individualreisende, als Backpacker, die das Land erkunden, die indigene Bevölkerung kennenlernen wollen und Unterkünfte mit einheimischer Atmosphäre bevorzugen. Was erwartet dieser Teil der Touristen von Jamaica?

Ein Werbe-Slogan der Insel lautet „Reggae, Rum und Rastafari“. Der jamaicanische Rum hat auf der ganzen Welt einen ausgezeichneten Ruf (der Rum-Hersteller Henry Morgan ist nach Bacardi der zweitgrößte Rum-Hersteller weltweit). Auch die Reggae-Musik, die vor allem durch Sänger wie Bob Marley oder Shaggy weltberühmt wurde, ist ein stolzes Exportgut von Jamaica. Aber was versteckt sich hinter dem Begriff „Rastafari“? Wer sind die „Rastafaris“, kurz „Rastas“ genannt? Und wieso lockt das „Rastafari -Phänomen“ so viele Touristen nach Jamaica?

Der Ort Black River im Südwesten Jamaicas gilt bei Individualreisenden als Geheimtipp. Hier finden sich kaum Hotelanlagen und auch der Strand ist nicht so bilderbuchmäßig wie z.B. in der Touristenhochburg Negril im Westen Jamaicas. Dennoch sind hier touristische Strukturen zu finden. Welche Bedeutung hat die „Rastafari-Bewegung“ für Black River und was veranlasst einen Tourist, ausgerechnet hierher zu kommen?

Ziel der Arbeit ist, diese Fragen zu untersuchen und zu analysieren.

Da es mir wichtig war, meine beiden Studienfächer (Geographie und Theologie) in der Arbeit zu verbinden, folgt zunächst ein Blick auf die religionsgeographischen Grundlagen. Der Teil 3.1 – 3.8.2 vermittelt allgemeine Informationen über die Wurzeln und Überzeugungen der Rastafaris. Ein Grundwissen über den historischen, soziokulturellen, politischen und religiösen Kontext ist für das Verständnis von Rastafari unabdingbar.

Daraufhin wird der Ort Black River als Fallbeispiel analysiert. Dazu werden konkrete Beispiele genannt, bei denen man die Bedeutung der Rastafari-Bewegung in Black River deutlich erkennen kann. Den Abschluss der Arbeit bilden dann ein kurzer Ausblick auf die Zukunft der Bewegung und der damit zusammenhängende Einfluss auf den internationalen Tourismus in Jamaica.

2. Methoden der Datengewinnung

Neben der Sekundärliteratur beschäftigte ich mich während der Arbeit immer wieder mit den Texten der Reggae-Musik. Diese Inhalte sind größtenteils theologisch, philosophisch und teilweise sogar politisch. Reggae-Musik ist seit den 70er Jahren das Sprachrohr der Rastafaris. Daher werde ich in dieser Arbeit auch immer wieder aus Songtexten zitieren. Die Lieder dienten einerseits meinem Vorverständnis, mit dem ich die Sekundärliteratur las und andererseits der Überprüfung meiner Thesen und meiner Interpretation der Rastafari-Bewegung. Mit derselben Intention besuchte ich regelmäßig Internetseiten über Rastafari, las Artikel und Interviews von Rastas und versuchte in Rasta-Diskussionsforen mehr über die Glaubens- und Lebenswelt von Rastafari zu erfahren. Auf Rasta-Veranstaltungen – wie z.B. Konzerten oder Festivals – bemühte ich mich, Rastafaris kennen zu lernen, um mich mit ihnen über die Bewegung austauschen zu können. So konnte ich viele interessante, intensive und nicht zuletzt informative Gespräche führen.

Einen ersten persönlichen Eindruck vom Einfluss der Bewegung auf den internationalen Tourismus bekam ich bei meinem ersten Jamaica-Aufenthalt 2002 (Juli/August). Als ich mich dann entschloss, die Thematik in meiner Zulassungsarbeit zum 1. Staatsexamen aufzugreifen und empirisch zu untersuchen, zog es mich im Januar/Februar 2008 ein zweites Mal auf die faszinierende Karibik-Insel.

Zusätzlich zur erfolgten Literaturrecherche in der National Library of Jamaica lernte ich über Anke Doering, bei der ich während meinem Aufenthalt in Black River wohnte, einige einheimische Rastas kennen, deren Haupteinnahmequelle der Tourismus ist. Durch Befragungen und Reisebeobachtungen konnte ich hier sehr viel Wissenswertes erfahren.

3. Religionsgeographische Grundlagen

Wie schon erwähnt war es mir wichtig, meine beiden Studienfächer (Theologie und Geographie) in meine Zulassungsarbeit zum 1. Staatsexamen einfließen zu lassen. Inwieweit sind beide Wissenschaften miteinander verknüpft? Wie beeinflussen sie sich gegenseitig? Welche enge Beziehung besteht zwischen Geographie und Theologie? Diesen Fragen soll in diesem Kapitel nachgegangen werden.

„Die Religionsgeographie erforscht als Teilgebiet der Geographie die Einflüsse von Religionen und Religionsgemeinschaften (oder religiösen Bewegungen) auf den geographischen Raum. Im Rahmen der Sozialgeographie, der die Religionsgeographie innerhalb der Humangeographie im speziellen zuzuordnen ist, geht sie den Einflüssen von religiösen Vorstellungen verschiedener sozialgeographischer Gruppen auf den geographischen Raum nach“ (RINSCHEDE 1999, S.8).

Somit ist die Religionsgeographie sowohl eine Disziplin der Kulturgeographie als auch der Religionswissenschaft. Es herrscht also eine interdisziplinäre Beziehung zwischen den beiden Wissenschaften, die vor allem durch die gegenseitigen Beeinflussungen von Religion und Raum gekennzeichnet ist, was am deutlichsten am Beispiel des Pilgertourismus deutlich wird. Bekannte Beispiele für diese Art von Kulturtourismus sind global betrachtet z.B. die Städte Rom, Mekka, Jerusalem und Lourdes, national beispielsweise der Wallfahrtsort Altötting in Bayern.

Außerdem beeinflussen Religionen die Bevölkerungsentwicklung, was am Beispiel der Mormonen in Utah deutlich erkennbar ist. Diese Religionsgruppe fällt durch eine hohe Fertilität auf. Die Kinderzahl in diesen Familien ist höher als in normalen amerikanischen Familien (RINSCHEDE 1999, S.129). Das liegt daran, dass bei den Mormonen die Familie im Zentrum des Lebens steht und Kindern eine besondere Bedeutung zukommt. Ebenso ist es bei den Katholiken in Nordirland, wo die Familien bei Katholiken im Durchschnitt größer sind als die Familien anderer Konfessionen (RINSCHEDE 1999, S.130). Der Einfluss der Religionen auf die Bevölkerungsentwicklung ist auch in Deutschland sichtbar. Das geburtenreichste Bundesland (= Kinder pro Frau) ist Bayern, das Bundesland mit den meisten Katholiken.

Eine weitere Verknüpfung zwischen Geographie und Theologie wird in der Siedlungsentwicklung sichtbar. So unterliegen Siedlungen eindeutig religiösen Einflüssen. Beispiele hierfür sind die Tempelbauten der Hindus und Buddhisten in Indien oder die jüdischen Synagogen, aber auch die Kirchen des Christentums. Hinzu kommt die wechselseitige Beziehung zwischen Religion und Wirtschaft. So wurde die Religion als Wirtschaftsfaktor in sekundären und tertiären Sektoren in Pilgerzentren analysiert (vgl. RINSCHEDE 1999, S.170).

Um die enge Verbindung der beiden Wissenschaften zu verdeutlichen, sei ein weiteres Beispiel genannt – der Religionstourismus. „Religiös motiviertes Reisen gehört zu den geographisch signifikantesten Formen des religiösen Verhaltens“ (RINSCHEDE 1999, S.197). Ein weiteres Mal ist hier Lourdes als Musterbeispiel zu nennen. Fast die ganze Stadt lebt direkt oder indirekt vom Tourismus (ca. fünf Millionen Besucher im Jahr) weil kaum andere Funktionen vorhanden sind (vgl. RINSCHEDE 1999, S.200).

Dass sich Religion und Geographie gegenseitig beeinflussen haben die genannten Beispiele gezeigt. Die Religion übt auf viele Teilbereiche der Geographie (Bevölkerungs-, Siedlungs- und Wirtschaftsgeographie) einen gewissen Einfluss aus.

In dieser Arbeit steht die Religionsgeographie als Teilbereich der Kulturgeographie unter besonderer Beobachtung. Am Beispiel der Rastafari-Bewegung soll gezeigt werden, inwiefern sich Religion und Geographie beeinflussen. Laut BÜTTNER (1986, S.15) untersucht „der moderne Religionsgeograph weniger die Religion, sondern mehr die durch die Religion geprägten Gruppen.“ Eine dieser religiös geprägten Gruppen sind die Rastafaris. Ihnen gilt im folgenden Kapitel das Hauptaugenmerk.

3.1 Die Rastafari-Bewegung

„Them can´t kill the Rasta Man at all. “Sie können den Rastamann nicht töten,

That´s the strangest man I´ve seen der sonderbarste Mann, den ich je sah

Having the mark of a Nazarene mit dem Kennzeichen eines Nazareners[2]

He carries a prophetical message, bringt er eine prophetische Botschaft,

(That´s because he´s a Rasta Man). (das liegt daran, dass er ein Rasta ist).

The Rasta come from Zion, Der Rasta kommt aus Zion,

Rasta Man a Lion[3] Der Rastamann ist ein Löwe

(Oh what a Rasta Man).”[4] (Oh was für ein Rastamann).”

Abb.1: Ein Rasta beim Studium der Bibel

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: verändert nach URL 3)

In diesem Song von Bunny Wailer (Gründungsmitglied der legendären Reggae-Gruppe The Wailers) erfahren wir schon einiges über die Rastafari-Bewegung. Wie entstand diese Bewegung? Was sind die Glaubensinhalte von Rastafari?

Als Geburtsstunde der Rastafari-Bewegung wird immer wieder der 2.11.1930 bezeichnet, der Tag, an dem Haile Selassie I. zum Kaiser von Äthiopien gekrönt wurde (BARSCH 2003, S.14). Der ursprüngliche Name des Kaisers war Ras Tafari Makkonen – „ Ras und Tafari sind Titel, die aus dem Amharischen übersetzt Fürst oder Edelmann respektive Schöpfer bedeuten“ (BRADLEY 2003, S. 74). Ras Tafari Makkonen nahm nach seiner Krönung den Namen Haile Selassie („Kraft bzw. Macht der Dreieinigkeit) an. Und auch seine weiteren Titel hatten ein gewisses biblisches Gewicht. So ließ er sich auch als „Negus Negesti“ („König der Könige“), „Conquering Lion of the Tribe of Judah“ (Siegreicher Löwe vom Stamme Juda“) oder „Lord of Lords“ (Herr der Herren) bezeichnen. Weitere Titel, die er von Rasta-Predigern erhielt waren „King Ras Tafari“ (König Ras Tafari), „Elect of God“ (Erwählter Gottes), „His Majesty“ (Seine Majestät), „His Royal Highness of Ethiopia“ (Seine Königliche Hoheit von Äthiopien), „Living Creator“ (lebender Schöpfer) oder „Heaven and Earth´s Creator“ (Schöpfer des Himmels und der Erde).

Aufgrund dieser Titel und einer Prophezeiung des Rasta-Propheten Marcus Garvey um das Jahr 1920, halten ihn die Anhänger des Rastafari-Bewegung (=Rastas) für die angekündigte Wiederkehr von Jesus Christus. Daraufhin begannen Anfang der 30er Jahre verschiedene Straßenprediger, die Göttlichkeit Haile Selassies zu verkünden. Die Rastas leugnen übrigens die Göttlichkeit von Jesus nicht. Manche Rastas gehen davon aus, dass in Jesus und Selassie zwar der eine Gott, nicht aber die gleiche trinitarische Person Mensch geworden ist: Jesus ist der Sohn, Kaiser Selassie der Vater. Die Rastas verwenden aber nicht den Begriff „Gott“, sondern titulieren ihren Gott mit der hebräischen Gottesbezeichnung „Jah“- einer Kurzform von „Jahwe“. Gerade in den Reggae-Liedern ist oft von „Jah“ die Rede.

In dem Lied „Can´t stop loving you Jah“ von Richie Spice, einem bekannten jamaicanischen Sänger, heißt es:

„Praise Jah, Praise Jah, “Lobe Jah, Lobe Jah,

I can´t stop loving you, Jah (no no no), Ich kann nicht aufhören, Jah zu lieben,

I gotta praise him for the sunshine, Ich lobe ihn für den Sonnenschein,

Praise him for the little child that smile, Lobe ihn für die lächelnden Kinder,

Can´t stop loving you, Jah .”[5] Kann nicht aufhören, dich Jah zu lieben.”

Auch in den Liedern des populärsten Reggae-Sängers, Bob Marley, ist immer wieder von „Jah“ die Rede. So z.B. in dem Song „Forever Loving Jah“:

„We´ll be forever loving Jah! “Wir werden Jah immer lieben!

We´ll be forever loving Jah, yes yes.”[6] Wir werden Jah immer lieben, ja ja.”

Jah steht sowohl für Gott als auch für Haile Selassie. In vielen Rasta-Haushalten finden sich Bilder oder Fahnen mit einem Bild „des Königs der Könige“.

Der Kaiser soll von sich selbst behauptet haben, dass er ein direkter Nachkomme des Königs Salomo von Jerusalem sei, dem Sohn Davids, der sich um 950 vor Christus in die Königin Makeda von Saba verliebt hatte. Ein Sohn aus dieser Liebe wurde als Menelik I. der Begründer der salomonischen Dynastie in Äthiopien. Haile Selassie gab an, der 225. Statthalter dieses Königshauses zu sein. Artikel 2 der äthiopischen Verfassung, die Haile Selassie erlassen hat, weist auf den Stammbaum hin (vgl. MICHELS 1980, S.26). In unzähligen Reggae-Liedern kommt die Verehrung des Kaisers zum Ausdruck.

So singt z.B. der jamaicanische Sänger Fantan Mojah:

„Give praises to the King, “Lobpreiset den König,

Ras Tafari is the ruler of the world, Ras Tafari ist der Herrscher der Welt,

so tell it to the boys and girls. erzählt es den Jungen und den Mädchen.

King Selassie is the ruler of the world.”[7] König Selassie ist der Weltherrscher.

Abb.2: Haile Selassie

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: verändert nach URL 4)

Die legendäre Reggae-Gruppe Burning Spear widmete dem Kaiser folgenden Song:

„Hail Jah Tafari, Hail Jah Tafari, “Jubelt Jah Tafari zu, Jubelt Jah Tafari zu,

He lives for everything that is good, er lebt für alles, das gut ist,

Hail Him for food (Hail Him), Huldigt ihm für das Essen (Huldigt ihn)

Hail Him for shelter (Hail Him), Huldigt ihn für den Schutz,

Hail Him for clothes (Hail Him), Huldigt ihn wegen der Kleider,

Hail Him for everything that is good.”[8] Huldigt ihn für alles, das gut ist.“

Es lassen sich drei Wachstumsphasen der Rastafari-Bewegung unterscheiden. Die erste Phase ist die Entstehungsphase (1920-1940).

In der zweiten Phase (1940-1970) bildeten sich in den Slums von Kingston, der Hauptstadt Jamaicas, die ersten Rasta-Gemeinschaften. Hauptanliegen dieser Kommunen war es, die Botschaft Haile Selassies zu verkünden, die Bibel[9] (vor allem das Alte Testament) zu studieren und gewaltlos gegen die Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung zu protestieren. Durch das Tragen von Dreadlocks (= verfilzte Haare), bestimmten Ritualen und einer eigenen Sprache, grenzte man sich bewusst von der Oberschicht der Gesellschaft ab. In dieser Zeit wurde die Basis der Rastafari-Bewegung geschaffen. Sie war jedoch auch von einigen Rückschlägen betroffen. Rastas galten als kriminell und eigentlich wollte niemand etwas mit ihnen zu tun haben. Auf diese Phase wird in Kapitel 3.5 genauer eingegangen.

Dieses feindselige Bild der zweiten Phase änderte sich dann in der dritten Phase (1970-1990). Durch den ersten Superstar der Dritten Welt, den jamaicanischen Reggae-Sänger Bob Marley, erlangten die Rastas weltweit Beachtung und Anerkennung. Der Einfluss dieser Musik wird in Kapitel 3.8.2 genauer skizziert.

Bevor in einem separaten Teil auf die genauen Glaubensinhalte und die Lebenseinstellung der Rastas eingegangen wird, möchte ich zunächst auf die zwei wichtigsten Personen der Entstehungsphase von Rastafari eingehen. Auf der einen Seite den Rasta-Propheten Marcus Garvey und auf der anderen Seite den ersten Rasta-Prediger, Leonard Howell.

3.2 Marcus Garvey – Prophet der Rastas

Eines der schlimmsten Verbrechen an der Menschheit, wenn nicht sogar d a s schlimmste Verbrechen an der Menschheit war die Sklaverei. Sicher gab es schon in der Antike viele Sklaven, aber im Kontext dieser Arbeit möchte ich genauer auf den transatlantischen Sklavenhandel zwischen Europa, Afrika und Amerika eingehen. Dies ist essentiell, um das Anliegen von Marcus Garvey zu verstehen.

Nach Schätzungen wurden zwischen 1470 – 1870 über 40 Millionen Afrikaner versklavt und verschleppt (vgl. URL 5). Ein wichtiger Umschlagsplatz zum Verkauf der „schwarzen Ware“ war die Karibik, aufgrund der günstigen geographischen Lage vor allem Kuba, aber auch Jamaica.

ZEUSKE (2004, S. 179) nennt drei Inseln der Massensklaverei: Saint-Domingue, Kuba und Jamaica.

Von den 40 Millionen Afrikanern überlebten nur 10 – 12 Millionen die Überfahrt über den Atlantik. Gründe hierfür waren die unmenschlichen Bedingungen auf den Schiffen, Mangel an Nahrungsmitteln da sich die Fahrt bei Unwetter um Wochen verzögern konnte, Krankheiten, eine desolate medizinische Versorgung und psychische Belastungen. Nicht selten sahen einige Sklaven im Selbstmord ihren letzten Ausweg. Nach Jamaica wurden von 1701 – 1810 schätzungsweise 662,400 Sklaven deportiert (HEINEMANN 1997, S. 16). Die Mehrheit dieser Sklaven kam aus weitläufigen geographischen Gebieten Westafrikas – von Benin und Nigeria bis hin zur Kongo/Angola-Region Zentralafrikas. Das einzige, was sie in die Karibik mitbringen konnten, waren ihre kulturellen und religiösen Traditionen (KREMSER 2005, S. 175). Aus dieser kulturellen und religiösen Tradition entwickelte sich in Jamaica die Rastafari-Bewegung.

Die Einwohner der Karibik und auch die Afro-Amerikaner haben noch heute mit dem Erbe der Sklaverei zu kämpfen. Es dauerte bis ins Jahr 1870 bis die Sklaverei verboten wurde. Dennoch blieben die meisten Sklaven Menschen zweiter Klasse. Ihrer Kultur beraubt und von der Familie getrennt, hatte die Majorität keine andere Wahl als weiterhin auf den Zuckerrohr- oder Baumwollplantagen zu arbeiten. Da ihnen Bildung verwehrt wurde, fiel es vielen ehemaligen Sklaven schwer, auf eigenen Füßen zu stehen. Segregation war bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts eine Selbstverständlichkeit. Die Afro-Amerikaner mussten bis zum 6. August 1965 warten ehe sie an Wahlen teilnehmen durften. Vorher war es ihnen nur gestattet, wenn sie einen Lese- und Rechtschreibtest absolviert hatten. Zu verdanken war dieser Erfolg in erster Linie dem Freiheitskämpfer Martin Luther King durch dessen organisierten Marsch von Selma nach Montgomery, Alabama, endlich der gewünschte Durchbruch gelang. Der Druck auf die Regierung wurde durch diesen Marsch so groß, dass dem damaligen Präsidenten, Lyndon B. Johnson, nichts anderes übrig blieb als die Verfassung zu ändern (vgl. URL 5).

Es sind fast immer die gleichen Namen, die genannt werden wenn es darum geht, welche „Vorkämpfer“ sich für die Gleichberechtigung der Schwarzen einsetzten: Martin Luther King, Malcolm X. und Jesse Jackson. In Zukunft wird vielleicht auch der aktuelle Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Barack Obama, im gleichen Atemzug genannt werden.

Ohne die oben genannten Personen abzuwerten, die wirklich Hervorragendes geleistet haben und eventuell noch leisten werden, fehlt in dieser Aufzählung ein Mann, der sich ebenfalls bedingungslos für die Rechte der Schwarzen einsetzte. Die Rede ist von Marcus Mosiah Garvey, dem „schwarzen Moses“, wie er heute ehrfurchtsvoll von den Rastas genannt wird.

Was tat Garvey für die schwarze Bevölkerung Amerikas und Jamaicas? Warum wird er von manchen Rastas sogar als Prophet und Reinkarnation von Johannes dem Täufer verehrt?

Marcus Mosiah Garvey erblickte am 17. August 1887 in St. Ann´s Bay, Jamaica, das Licht der Welt. Er erhielt den Namen seines Vaters und der Legende nach soll seine Mutter, Sarah, ihm den zweiten Namen Mosiah gegeben haben. Sie soll gesagt haben: „I hope he will be like Moses, and lead his people” (CRONON 1969, S.5).

Abb.3: Marcus Mosiah Garvey

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: verändert nach URL 6)

Marcus Garvey gründete 1914 die UNIA (Universal Negro Improvement Association – in etwa: Weltbund zur Besserstellung der Schwarzen), ehe er 1916 in die USA emigrierte. Das Ziel dieser Organisation war es, die Lebensbedingungen der Schwarzen auf der ganzen Welt zu verbessern und die Rückführung in ihre Heimat Afrika zu ermöglichen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lebten nämlich die meisten Afroamerikaner und Bewohner der Karibik nach wie vor in Armut. Immer wieder fragten sie sich nach den Ursachen ihrer offensichtlich niedrigen Stellung „und fanden den Grund in ihrer schwarzen Hautfarbe, ihrer Heimatlosigkeit und der dadurch bedingten Entwurzelung“ (STINGL 1996, S.119).

„In der Karibik entwickelt sich die UNIA zu einer pan-westindischen Bewegung mit Vertretungen auf fast allen Inseln und in einigen mittelamerikanischen Staaten. Die UNIA war derartig gut organisiert, dass die kubanische Regierung plante, die UNIA als offizielle Vertretung aller britischer Westinder auf Kuba anzuerkennen“ (DORSCH 2000, S.90).

Sie zählte Anfang der 20er Jahre schon mehrere Tausend Mitglieder. Aufgrund dieser hohen Resonanz, die die UNIA nicht nur in den USA und der Karibik hatte, sondern auch in jedem europäischen und südamerikanischen Staat mit einem beträchtlichen schwarzen Bevölkerungsanteil hatte, brachte Garvey nun eine Tageszeitung für Schwarze, den Black Man, heraus. Desweiteren gründete Garvey eine Dampfschifffahrtslinie, die Black Star Line, die den Rücktransport aller Schwarzen nach Afrika realisieren sollte. „Between 1920 and 1925, the Garvey Movement rose to great heights and, in spite of its troubles, continued to grow” (DAVIS 1980, S.6).

Im Jahre 1923 soll die UNIA 900 Niederlassungen und 11 Millionen Mitglieder in 40 Ländern der Welt gehabt haben (MICHELS 1980, S.18).

Garvey und seiner Anhänger propagierten die Rückkehr nach „Ethiopia“, wobei Äthiopien „in der Sprache Garveys ein Synonym für den afrikanischen Kontinent“ (MICHELS 1980, S.18) ist. Aus der Bibel zog Garvey den Schluss, dass die Äthiopier das erwählte Gottesvolk seien, dass die schwarze Rasse eine heilige Bestimmung habe (HEINEMANN 1990, S.98). Die Maxime der Garvey-Bewegung (auch Garveyismus genannt) war „One God! One Aim! One Destiny (Ein Gott! Ein Ziel! Eine Bestimmung). Danach sollten alle Schwarzen stolz auf ihre Hautfarbe und ihre afrikanische Herkunft sein.

Im Jahre 1916, vor seiner Abreise in die Vereinigtes Staaten, soll Garvey in Jamaica folgendes gesagt haben: „Look to Africa, when a Black King shall be crowned, for the day of deliverance is near“ (NICHOLAS 1979, S.14). Als dann einige Jahre später tatsächlich ein „Schwarzer König“ in Äthiopien den Thron bestieg, wurde diese Prophezeiung wahr. Das ist der Hauptgrund warum Marcus Garvey von den Rastas heute noch als Prophet verehrt wird. Nach seinem Tod (1940) entstanden mehrere Mythen über ihn. So wurde er auch für eine Reinkarnation Johannes des Täufers gehalten und sogar als göttliches Wesen bezeichnet (vgl. ZIPS 2007, S.91).

Auch auf Marcus Garvey wurde zahlreiche Lieder geschrieben.

Die jamaicanische Reggae-Gruppe Burning Spear forderte die Jugend dazu auf, sich mit den Anfängen der Rasta-Bewegung zu beschäftigen:

„Noone remember Old Marcus Garvey, “Keiner erinnert sich an Marcus G.,

Finest time Tolle Zeiten (ironisch),

John the Baptist´s head were cut off Joh. der Täufer wurde enthauptet

Put it away into a saucer Der Kopf auf einen Teller gelegt

Stephen, disciples of our Lord believe me, Stefan, ein Jünger des Herrns,

Yes they stoneth him to dead sie steinigten ihn zu Tode.

Noone remember Old Marcus Garvey. Keiner erinnert sich an Marcus G.

Children, Children, Children, Children Kinder, Kinder, Kinder, Kinder

You will remember him, you will.”[10] Ihr werdet euch an ihn erinnern.”

Die Verehrung Marcus Garvey´s durch die Rastas verwundert umso mehr, da er selbst kein Rasta war. Bis zu seinem Tod war Garvey ein überzeugter Christ. Er ignorierte die Religion, die ihn als Prophet verehrte. Die Rastas ließen sich dadurch aber nicht beirren und hielten an ihrer Verehrung Haile Selassies als Messias und Marcus Garvey als Prophet fest (vgl. CHEVANNES 1998, S.109ff.). Schließlich prophezeite er das Kommen eines „Schwarzen Erlösers“, ähnlich wie Johannes der Täufer das Kommen Jesu vorhersagte.[11]

Marcus Garvey war einer der bedeutendsten Politiker und Freiheitskämpfer der Schwarzen im letzten Jahrhundert und somit „einer der Väter des schwarzen Nationalismus und der Black-Power-Bewegung“ (VIETH et al. 1981, S.116).

1964, 24 Jahre nach seinem Tod, wurde er zum Nationalhelden Jamaikas erklärt. Martin Luther King, der zu Recht am meisten bewunderte Schwarze der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der über jeden Rassismus erhaben und dessen Bedeutung unbestritten ist, sagte einmal von Marcus Garvey: „ Marcus Garvey war der erste, der Millionen Negern – auf hohem Niveau – das Gefühl des Stolzes gab“ (STINGL 1996, S.123).

Die Rastafari-Bewegung entwickelte aus den Ideologien Garveys ihre eigene Philosophie. Der wichtigste und einflussreichste Rasta-Prediger war der Jamaicaner Leonard Howell. Er begann Anfang der 1930er Jahre die Göttlichkeit und Heiligkeit des äthiopischen Kaisers zu predigen. Darauf möchte ich im nächsten Kapitel genauer eingehen.

3.3 Leonard P. Howell – der erste Rasta-Prediger

Leonard Percival Howell (1898-1981), so sein vollständiger Name, gilt als wichtigster Prediger der Rastafari-Bewegung. Seine Reden und Aktionen hatten in der zweiten Phase (1940-1970) einen großen Einfluss auf die weitere Entwicklung der Rastas. Howell wurde ebenso wie Marcus Garvey in Jamaica geboren, emigrierte aber 1918 in die USA, wo er im New Yorker Stadtteil Harlem lebte. Begeistert von den Ideen und Anschauungen Garveys schloss er sich dort der UNIA an. Durch das Studium der Bibel versuchten er und andere Anhänger Garveys dessen Prophezeiung der Thronbesteigung Selassies zu beweisen. Im Folgenden seien einige Bibelstellen genannt:

Offenbarung, Kap.5, Vers 5: „Siehe der Löwe aus dem Stamme Juda, der Sproß Davids, hat gesiegt, so dass er die Buchrolle und ihre sieben Siegel zu öffnen vermag.“[12]

Offenbarung, Kap. 19, Vers 11: „Und ich sah den Himmel geöffnet, und siehe da: eine weißes Ross, und der darauf reitet, heißt Treu und Wahr, und mit Gerechtigkeit hält er Gericht und führt Krieg.“[13]

In dieser Bibelstelle sehen die Rastas einen Beweis dafür, dass Haile Selassie der neue Messias ist da er nach seiner Krönung auf einem weißen Pferd ritt. Dieses Bild ziert auch das Cover der CD „Hail H.I.M.“[14] von Burning Spear aus dem Jahre 1980.

[...]


[1] Vgl. Statistisches Bundesamt: Länderbericht Jamaika. Wiesbaden 1989, S.61

[2] Damit ist die Haartracht gemeint.

[3] Mit dem Slogan „Rasta Man a Lion“ drücken die Rastas ihre Identifizierung mit dem Löwen von Juda aus.

[4] Wailer, Bunny: Rastamann (Blackheart Man, CD, Island Records, 1976)

[5] Spice, Richie: Can´t stop loving you Jah (In The Streets to Africa, CD, VP Records, 2007)

[6] Marley, Bob & The Wailers: Forever Loving Jah (Uprising, CD, Island Records, 1980)

[7] Mojah, Fantan: Rastafari Is The Ruler (Hail The King, CD, Greensleeves Records, 2005)

[8] Burning Spear: Hail H.I.M. (Hail H.I.M., CD, EMI Records, 1980)

[9] Rastas lesen die King-James-Bibel, eine englische Übersetzung der Bibel.

[10] Burning Spear: Old Marcus Garvey (Marcus Garvey/Garvey´s Ghost, CD, Island Records, 1975)

[11] Vgl. Matthäus 3,11: „Ich taufe euch mit Wasser zur Umkehr. Der aber nach mir kommt, ist stärker als ich; ich bin nicht wert, ihm die Schuhe nachzutragen. Er wird euch in heiligem Geist und Feuer taufen.“

[12] Arenhoevel, Diego et al.: Die Bibel. Freiburg 1968

[13] ebenda

[14] H.I.M. steht hier für His Imperial Majesty, womit Kaiser Selassie gemeint ist.

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Résumé des informations

Titre
Die Rastafari-Bewegung und ihr Einfluss auf den internationalen Tourismus in Jamaica
Université
University of Freiburg  (Kulturgeograohie)
Note
1,5
Auteur
Année
2008
Pages
71
N° de catalogue
V144040
ISBN (ebook)
9783640539406
ISBN (Livre)
9783640539857
Taille d'un fichier
6554 KB
Langue
allemand
Mots clés
Rastafari-Bewegung, Einfluss, Tourismus, Jamaica
Citation du texte
Lukas Glaser (Auteur), 2008, Die Rastafari-Bewegung und ihr Einfluss auf den internationalen Tourismus in Jamaica, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144040

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